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7». g»hr>a«,. As i»r Abenö-Ausgabe Moalag, IS. April 1S2S Gegründet 185« Drahtanschrift: Nachricht«» Dr,«»«. A»rns»r«ch,r. Sammrlnummrr: 2V Schl. Nur lür Aachlpaspritchr: SO 011. »kÄoklsikir L?" »>« 30. N»rU lULd u«> laütich jwrunotlprr 3u,i»Uua r», . WUVUtAt PoIU>»zug»vr»c» lur Monai April ^ Atar» odn» Poft^u>l,Uun^,aovühr. l» p,«i»i,. Dt» A»i«ig«n wrrven nach <S»Idman> o»r»ch»»> a>» einlpaltza» -0 mm ar«»» Anzeigen-Preise: »^«.n m.° Ä.^.uch.^n. us,«rdold 2l>0 Pta. dftrrI»na»dUkr 10 1»n Au»w Auitraa» r«q»n D»nm»d,,^^ Nachdruck nur mtl drutlichrr LurUrn m^adr Dr<>»I>n»r 4>nMr »Icisli Unn»s>nn-I S^nIMlicN m»rt>«n ->>m Schr>M»>I«n- md L upIgrschLIlaftell»! «t,rl«»>tra « Dru» u D»rlan von ^te»»t> » 2ima»»r»> m Dr«»drn. Poll>ch»<N-1tanlo >0SV 0r»»ü»». 'wakrt. Locarno und der deutsch-russische Palt. Englische Billigung -er -eulschen Haltung.-Ein Fragebogen Beneschs an -ie Loearno-Miichle? Mussolinis Mittelmeer-Imperialtsmus. - Die Frie-ensverhan-lungen in Marokko. - Die Monlagsverhan-lung im Kulisker-Prozetz. Eine Mitteilung Ehamberlains. London, IS. Avril. Die „TimeS" schreibt, dab Chamberlain in Berlin durch den englischen Botschafter und ausserdem den deutschen Botschafter in London bat wissen lassen, dab die Ausfall»«« dcS Auswärtige» Amtes iu Londou über di« Vertragsverhaudlnugen zwilchen Deutschland und der Sowjetnuion »icht unaiinftia sei. DaS Voraeben der deutschen Regierung, die die Signatarmächte von Locarno über ihre Absicht einer Verständigung mit der Sowietunion unterrichtet habe, werde sehr begrübt, und man sei der Ueber- zeugung. dab nach Bekanntwerden des Texte- des neuen Ver trages die von Berlin gegebenen Versicherungen bestätigt würden, nach denen der Vertrag in das Vertraaswerk von Locarno und die Sitzungen deS Völkerbundes Hineinpasse. Diese Ansicht der englischen Regierung sei auch den übrigen Unterzeichnern der Locarno-Verträge auf dem gewöhnlichen diplomatischen Wege mitgeteilt worden. Die „TimeS" ftigt hinzu, die Tatsache der Mchtinkraftsetzung der Locarno-Ver träge habe die Lage allerdings kompliziert. In Prag und Warschau habe man einige Zweifel über die Bedeutung dcS neuen deutsch-russischen Vertrages, und Ben eich habe schon die Aufmerksamkeit der englischen, f--"--'ssschen und italienische« Regierung auf die Notwendigkeit einer Er örterung der Bedeutung des neuen Vertrages tm Zu sammenhang mit dem Eintritt Deutschlands in den Völker bund hingewtcsen. Dr. Benesch hat eine« Fragebo-cn anf, gestellt und de» SignatarmLchte« »0« Locarno einschließlich Deutschland übermittelt. I« Berlin nichts bekannt. Berlin, IS. April. Von unterrichteter Seite wird hierzu erklärt, Latz «ine derartige Note in Berlin nicht ein gegangen sei. Ebensowenig sei der Fragebogen dcS tschecho-slowakischen Außenministers Dr. Benesch in Berlin «ingetroffen. sT^-U.) Kombinationen über die Vorgeschichte -er Butzlan-.Derhan-lungen. Berlin, IS. April. Ein Berliner Montagblatt bringt ein« Reihe von Angaben zur Vorgeschichte der deutsch- russischen Verhandlungen. Von zuständiger Stelle werden diese Angaben als bloße Kombinationen betrachtet. Wenn gleichzeitig berichtet wird, daß u. a. Karl Radck den Vorschlag eines militärischen Bündnisses nach Berlin gebracht habe, so ist diese Angabe aus den Fingern gesogen. Es wird berichtet, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der deutslbnationale Abg. Hergt, wolle sofort rttstungskonferenz eingesetzt hätten. Er ist der Ueberzeugung, nach Rückkehr Stresemanns den Ausschuß einbcrufen, um den daß die Genfer Abrüstungsverhandlungcn zu keinem prak russischen Vertrag zu besprechen. Fm Bureau des Reichstage- tische» Ergebnis führen werben. sT.-U.) ist davon nichts bekannt. Wie weiter verlautet, wollen auch die Sozialdemokraten die Einberufung des Auswärtigen Aus schusses noch vor dem Wtederzusammeutritt des Reichstages fordern. Endlich ist die Rede davon, daß seitens der Deutsch nationalen BolkSpartei beabsichtigt werde, durch Einbringung einer Interpellation tm Reichstag eine Aussprache über die deutsch-russischen Verhandlungen herbcizuführcn. Diplomatischer Schrill Amerikas in -er A-rüslungssrage. „Ueberraschung und Mißvergnügen.-' London, lS. April. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" schreibt, in der letzten Woche hätten einige Negierungen, die wegen der Absage Rußlands für Aufschub der Abrüstungskonferenz sind, einen Ausweg erdacht, wonach die Kommission am l8. Juli zusammentrctcn, aber nach einem Meinungsaustausche beschließen solle, die Ausarbeitung eines detailliert en Programms an den ständigen beraten den Rüstungsausschuß zu verweisen, zu dem Vertreter der amerikanischen und der deutschen Regierung eingeladen werden sollten. DaS Weiße Haus und das amerikanische Staatsdeparte- ment sehe» aber darin einen neuen Versuch, die Stellung Amerikas zum Völkerbünde zu gefährden durch Hineinzieben amerikanischer Vertreter in ständige Organe des Bundes. Wahrscheinlich erblicken Coolidge und Kellogg hierin einen neuen Plan zur Umgehung des AürüstungSproblems. In, folgedeffc» wurden die britische, die französische und andere Regierungen, vermutlich auch Gens, anf dem normalen diplomatische« Wege davon »erständigt. daß die amerikanische Rcaiernna einem solchen Bersahrcu nicht zustimme« könne, und daß diese Anregung Ueberraschung und Miß vergnügen in Washington hervorgerusen habe. MMIrauen i« England. London, IS. April. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" bespricht den diplomatischen Schritt Amerikas i,n Zusammenhang mit der Genfer Abrüstung- konferenz. Er stellt fest, baß ohne das Tazwischentreten des amerikanischen Botschafters Houghton die vorbereitende Ab rüstungskonferenz erneut auf weitere sechs Monate oder wahr scheinlich noch länger vertagt worden wäre. Erst aus den energischen Schritt Amerikas hin habe sich Frankreich ent- schloffen, die Konferenz nicht weiter zu sabotiere». Der Korre- spondcnt hebt hervor daß man in Europa nicht recht verstände, weshalb die Bereinigten Staaten sich so energisch für die Ab- Mussolinis neue KolonialpiSne. Die Wi-eriiSn-e gegen -ie Mills Dill. Tripolis-Feier am Nattonalfeierkag. Rom, IS. April. Als am Sonntagvormtttag dl« Jugend- ivehren am Plazzo Chigi vorüberzogen, erschien Mussolini einen Augenblick anf dem historischen Eckbalkon, hielt aber, ebenso wie am Sonnabend, als ihm di« begeisterte Menge bei seiner Rückkunst von der TrüpoliSreise stürmisch begrüßte, keine Ansprache. Die eigentliche Feier der Rückkehr aus Tripolis wird mit der großen N a t i 0 n a l f e i e r am LI. April verbunden werden und ihr ein besonderes Gepräge geben, da das Volk in dieser Reise Mussolinis eine Kundgebung des italienischen Machtwillens erblickt und sie als die Ein leitung zu einer neuen Phase der Kolonialpolitik betrachtet. In dem Programm für die Natioualfeier ist vorgesehen, daß Mussolini eine große Rede über die Reise und ihre Bedeutung hält. ES ist aber nickt ausgeschlossen, daß er noch im letzten Augenblick das Programm ändert und erst bei Wieder- zusammeuiritt der Kammer über die Ziele der italienischen Kolvuialpolitik sprechen wird. sT.-N.s Die erste Besprechung mtt Aif-Delegierlen. Paris, IS. April. NuS Rabat wird gemeldet, daß die erste Besprechung mit den Rifdclcgierten am Sonntag abend um 7 Uhr beendet wurde. Der Waffenstill stand und die Besetzung ivichtiger strategischer Punkte wurden noch nicht besprochen, da diese beiden Fragen noch Gegenstand ergänzender Besprechungen zwischen der französischen umü der spanischen Delegation bilden müssen. Die Rifbelegiertcn haben de« Wunsch geäußert, zurückznkchren. um mit Abd «l Krim über einige Punkte Rücksprache zu nehme«. Die französischen »nd die spanischen Unterhändler haben während der ersten Sitzung den Eindruck gewonnen,, daß die Rif delegierten von aufrichtigem Friedenswillen er füllt sind. , „Petit Parisicn" berichtet: Die erste Besprechung habe ge- zeigt, daß das Programm der Abgesandten Abd cl KrimS sehr weit von den französisch-spanischen Bedingungen abweicht. Schwierigkeiten werde vor allem die Frage der Entfernung Abd el KrimS machen, sowie die der Vorverlegung der franzö- suchen Linien um sieben Kilometer, die vom französischen Kom- mando zum Schutze der französischen Truppen vor sedcr Ncbcr- raschnng als unerläßlich bezeichnet wird. Neuyork, IS. April. Ans Washington wird als Ergebnis her bischerigen Entwicklung in der Frage der Mills-Bill gemeldet, daß her Gesetzentwurf keine Aussicht Hai. vom Re präsentantenhaus«: augcuommeu zu werden. Eine Reihe von Abgeordneten vertritt dt« Meinung, daß das Privateigentum deutscher Bürger schnell wieder hergestcllt werben soll, aber sie find nicht damrit eininirstawdcn, daß die Begleichung der von de» Amerikanern gegen Deutschland geltend gemachten Ansprüche den amerikanischen Steuerzahlern aufgebürdet werden soll MellonS Stellungnaihmc ist nicht bekannt. Wie verlautet, wußte er nicht, daß die Gesellschaften, mit denen er in Ver btndung stand, irgendwelche Ansprüche gegen Deutschland hatten. Die „New Aork Times" ist aber der Ansicht, daß Mellon an der PiitSburg-Plate-Glaß-Eo-mpa 11 y beteiligt ist, deren Niederlassung in Belgien während des Krieges zerstört worden ist. Der demokratische Abg. Garner hatte erklärt, Mellon sei nicht nur Aktionär von fünf verschiedenen Firmen, di« von der gemischten Kommission Beträge zu fordern haben, sondern zugleich der Ausarbeiter dieses Gesetzentwurfes. Weiter sagt« Garner. die von ihm erwähnte Gesellschaft, in der Mills Aktionär und Vorsitzender ist. sei die Mergenthaler Linotype Company. (WTB.) Berlin, 10. April. Der Schritt Mills in Sachen des Ge setzes aus Freigabe deutschen Eigentums in Amerika wird hier zwar als eine Erschwerung der weiteren Entwicklung der Angelegenheit aufgefaßt, doch glaubt man, daß zu einer pessimistischen Beurteilung der Sachlage kein Anlaß vorliegt. Amtltchersctts wird zu der Sache nicht Stellung ge- nommen. da die Verhandlungen nicht zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung, sondern zwischen den deutschen Privateigentümern und der amerikanischen Re- gicrung staitsindcn. An der hiesigen Börse notierten im Vor- «ittagsverkchr die Freigabewcrtc durchschnittlich um IS Pro zent niedriger als am Vortag. Sommerzeit in England, Frankreich und Belgien. London. IS. April. Gestern ist, wie Iu Frankreich und Belgien, auch in England die Sommerzeit cin- grführt worden. sT.-U.) Was wir- aus -er Abrüstungskonferenz? iBon unserem Vertreter in Gens.) Gens, den 16. April. Mi^ einiger Spannung ist in Gens die russische Ant wortnote auf die Einladung zur Teilnahme an der vor bereitenden Abrüstungskonferenz erwartet morden. Nun sie da ist und im genauen Wortlaut veröffentlicht wurde, gelang es ihr kaum, für kurze Zeit das Hauptinteresse in Genf auf sich zu konzentrieren. Es ist wohl noch nie ein Schreiben von solcher Tragweite am Sitz des Völkerbundes eingetroffen, das so wenig Staub aufgewirbelt hat: dies mag indessen zu einem Teil am Stil und am Ton der russischen Antwort liegen, wie auch daran, daß man seit langem schon gewußt hat, welches der Inhalt des Brieses sein werde. Die beiden ersten Faktoren haben dazu geführt, daß sich offizielle Kreise des Völkerbundes gegenwärtig überhaupt weigern, irgendwelche Kommentare zu dem russischen Bericht zu liefern, so daß es äußerst schwer ist. Zuverlässiges über die wirkliche Stimmung im Völkcrbundspalais zu wissen. Indessen kann die Stim mung keineswegs sehr freudig sein: aus manchen Symptomen, mit denen man wenigstens in Genf den Schein zu wahren sucht, geht hervor, wie sehr man immer noch an eine Bei legung des Konflikts Bern-Moskau hofft«, der nun einmal den äußerlichen Zentralpunkt markiert, um den sich scheinbar das ganze Problem drehte. Im Völkerbund Hot man zu der Erklärung gegriffen, die Verlegung der Konferenz in eine Stadt außerhalb der Schweiz wäre einem ungerechtfertigten Mißtrauensvotum gegenüber der bekannten Schweizer Note an den Völkerbund gleichgekommcn und hätte ein« vielleicht kaum wieder gutzumachende Beleidigung der Schweiz dar gestellt. Soweit ersichtlich ist, beurteilt man in Genf dt« neue Sachlage mehr oder weniger vom Berner Gesichtswinkel aus und stellt daher vor allem fest, wie deutlich bi« Motivierung -er russischen Absage alle Zeichen asiatischer Befriedung dar über trage, daß der russisch-schweizerische Konflikt nicht bei- gelegt wurde, sondern den einzigen billigen Grund zum Stiefeltritt an die Adresse des Völkerbundes lieferte. Freilich ist mit der Erkenntnis und der zweifellos rich tigen Einschätzung der Russen inklusive der wachsenden Ueber zeugung, eine russische „Mitarbeit" in Europa sei überhaupt unmöglich und undenkbar, das brennende Problem, was nun aus der Abrüstungskonferenz werden soll«, nicht gelöst: Auch der Völkerbund in seiner kommenden' Stellungnahme zur Moskauer Antwort wirb es nicht lösen, und auch nicht die bald zusammentretenbe vorbereitende Abrüstungskonferenz, von der man jetzt achselzuckend sagt, sie werde sich großzügig über das Unvermeidliche hinwegietzen. Eingeweihte be merken, da- Fia-ko sei schon da, aber es wäre auch eingetreten, wenn Rußland am Konferenztische Platz genommen haben würde. Denn — damit tröstet sich jetzt mancher — auf Ruß lands Unterschrift, die es zu einer bestimmten Norm der Rüstungen verpflichtet hätte, wäre doch kein Verlaß gewesen, selbst wenn es — was keineswegs als bestimmt angesehen wurde — seine Unterschrift unter irgendein Schriftstück gesetzt hätte. Auch große Bölkerbnndssrenude habe» einer Ab« rüstungskouserenz unte r Beitritt Sow» ietrußlands nur die ««giinftiafte» Hör», sk 0 pe gestellt und im beste« Falle an eine Demonstra, t»ou ohne praktisches Ergebnis geglaubt. Die Abneigung gegen einen Einhalt der Rüstungen oder gar gegen Beschränkungen mit internationaler Kontrolle ist im Europa des Völkerbundes notorisch. An und für sich ist also auch durch die russische Antwort die allgemeine Situation für eine Abrüstungskonferenz genau dieselbe geblieben: der Unterschied besteht in der Art der Begründung der immer vor- ansgeschcnc» und jetzt nach wie vor sicher voranszuschenden praktische« Erfolglosigkeit. Diese Begründung ist den europäischen Mächten durch Mos kau außerordentlich leicht gemacht morden, noch leichter und vor allem viel überzeugender, als die Russen ihre Gegner schaft motiviert haben. Man hat in letzter Zeit besonders in Gens oft den Bor wurf gehört, es den Russen zu bequem gemacht zu haben Tatsächlich hätte eine Möglichkeit bestanden, und ohne jeden Zweifel das volle Verständnis der Schweiz gefunden, die vor bereitende Abrüstungskonferenz — nachdem man ihr eine« etwas veränderten Charakter gegeben — außerhalb des für die Russen so gefährlichen Gebietes der Eidgcnoffenschcrft zu »erlegen. Diese Lösung hätte Europa vor der Schmach be wahrt. wie man sich in Gens auSdrückt, bie offene russische Kriegserklärung in derartig grober und anzüglicher Form , entgcgennehmcn zu müssen. Ohne Zweifel macht man sich im Völkerbunde gewisse Vorwürfe, einesteils gegenüber Moskau eine entwicklungsmögliche, beinahe freundliche Re serve befolgt und anderntcils nichts getan zu haben,, wa« von Rußland als wohlwollende Aktivität hätte auSgelegt werden müssen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen Bern-MoSkau, von denen nebenbei da und dort behauptet wird, sie wären ohne die Pariser Vermittlung gar nicht gescheitert, hätte das Gcneralsekretariat wohl so etwa? wie das Recht gehabt, nach Möglichkeiten einer Beteiligung Rußlands Ausschau zu haften, die weder den einen