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Ir. Reinholds Aatrede. Der Abschied des sächsischen Finanzministers vom Landtage. Deuljchlands aussichtsreiche Beziehungen zu Lhiua. — Der Anlrillsbesnch non Dr. Kiilz beim Neichs,rSsii>enlen. Sächsischer Landlag. 19S. Sitzung. Dresden, de» 31. Januar 1626. Auf der Tagesordnung der heutige» LandtagSsitzung steht dt« erste Beratung über den ordentlichen und anßerordcnt- lichen S t a a t S h a n s h a l t S p l a n s ü r d a s R c ch n u n g S - fahr 1020. Die öffentliche» Drivitnen sind noch sehr schwach besetzt, als die Hupe K12 Uhr die Abgeordneten in den Sitzungssaal ruft. Rasch stillt sich das HanS. Auch die Pläve der Regierung sind sehr gut besetzt. ES sind anwesend: Ministerpräsident Hel dt, Innenminister Mlillcr, Wirt- schaftSministcr Müller, Arbeitsmintster El Sn er »nd eine Anzahl Ministerialdirektoren, Ministerialräte usw. Präsident Winkler erteilt nach Eröffnung der Sitzung sofort das Wort dem Finanzminlsler Dr. Reinhold der folgendes auSfllhrt: Ehe ich von der mir lieb gewordenen Arbeitsstätte scheide, nnd mein Amt in die Hände deö Ministerpräsidenten znrückgebe, bitte ich Sie, Ihnen als meine letzte Amtshandlung noch den -Haushaltsplan für daS Rechnungsjahr 1926 vorlcgen zu können. Ich tue das auch ans einem persönlichen Grunde, weil ich dadurch beweisen möchte, wie sehr ich an Sachsen hänge und immer hängen «erde. (Unruhe und Heiterkeit, so bah die folgenden Worte de- Ministers aus der Pressetribüne nicht verständlich find.» Der Haushaltsplan für daö Rechnungsjahr 1936 konnte diesmal trotz erheblicher Schwierigkeiten so rechtzeitig fertig- gestellt werden, daß, wie es der Verfassung entspricht, eine Verabschiedung vor Beginn des neue» Etatjahres möglich ist. Die Negierung hosst, daß, nachdem die festen Grundlagen sür die Etatanfstcllung wieder geschaffen sind und die sprunghaften Aendcrungcn unserer Finanz- und WirtschastSverhältnisse hoffentlich ein Ende erreicht haben, auch in Zukunst daran kesthaltcn zu können, den Etat Anfang Januar spätestens dem Landtag zuzuleiten. An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich die Sorge stellen, die uns alle ersttllt, wenn wir au den Zustand unserer Wirtschaft denken. Nachdem wir Ende 1923 die Stabilisierung unserer Währung erreicht hatten, mußten wir zunächst durch die sogenannte D e f l a t i o n S k r t i c hindurch. Diese Krisis, die die scheinbare .Hochkonjunktur der Inflationszeit ablöste, war in erster Linie eine Produktionskrtse, die gerade über Sachsen ganz besonders schwer hcrcinbrach, wo rund ein Viertel unserer gesamten Bevölkerung a»3 öffentlichen Mit teln unterstützt wurde. Das Jahr 1924 brachte dann eine langsame aber stetige Besserung weil die Fehlerquellen, die unsere Produktion unrationell gemacht halten und unsere Konkurrenzfähigkeit aus dem Weltmarkt ausschlossen, allmäh lich abgcstcllt wurden. Aber schon in meiner Elatrcde im März 1925 erlaubte ich mir, daraus hinznwciscn, das, cs im höchste» Maste leichtfertig und oberflächlich sei, wenn man ans Grund der Ergebnisse des Jahres >921 die deutsche Wirtschaft für saniert halten wollte. Nach Ueberwindnng der Prodnktionö krise sind wir nach einer verhältnismässig kurzen Spanne er träglicher Wirtschastsvcrhältnin'c in eine Geld- und Kredit« krise gekommen, die zn ernstesten Sorgen Anlast gibt. Ver schärft wurde diese Krise dadurch, dast die Lage sehr wichtiger Zweige unserer Urproduktion sich recht ungünstig gestaltete. Es sei hier ans die Eisenindustrie und den Stein kohlenbcrgbau hingewicscn. Dazu kommt die schwierige Lage der Landwirtschaft, die trotz der guten Ernte des vergangenen Jahres, die nur in einigen Gegenden — leider auch wieder in unserem engen Heimatlande — Misternten hatte, vor ernsten Sorgen steht. Der -Hauptgrund dieser Schwierigkeit liegt in der Preis entwicklung der landwirtschaftlichen Pro dukte, die. vor allein was den Roggcnpreis betrifft, der Landwirtschaft sehr schwer die Möglichkeit gibt, die snr alle ihre Bedarfsartikel wesentlich erhöhten Preise zu trage», Sv ist die Landwirtschaft in eine Verschuldung gekommen, die bei der Höhe des angcnblicklichcn Zinssustcs in Deutsch land sehr bedenklich erscheint. Da die Intensivierung der Landwirtschaft und die Hcrausholung des letzten, was der heimische Boden zu leisten in der Lage ist. für unsere ganze Volkswirtschaft von ausschlaggebender Bedeutuna ist, sind hier Hilssmastnahmen vor allem ans dem Gebiet billiger Kredit beschaffung dringend geboten. In mindestens demselben Maste triff die Krcditkrisc die Industrie. Der Hauptgrund dieser GcldkrisiS, die in Deutschland in den letzten Wochen ja zu einer Art V e r t r a » e n s k r i s i s aus artete, von der im übrigen aber nicht nur Deutschland, son dern bis zu einem gewisse» Grade alle europäischen Staaten betroffen worden sind, liegt in der ungewöhnlich starken Ver- armung unseres Volkes und unserer Wirtschaft durch die Zerstörung lebendiger und toter Werte in den KriegSjahrcn, wozu für uns in Deutschland noch die Lasten des verlorenen Krieges und die Wirren der RevolnttonS- und IisilationS- tahre kommen. Viele Unternehmungen lwttcn in der Zeit der Sachmertpsnchose den Fehler gemacht sich zu stark zu ver größern, »der — man denke nur an die großen, einst so viel bewunderten Konzerne — mehr oder minder wahllos Betei ligungen auf Beteiligungen zn häufen: hier zeigte sich zuerst, haß. zumal in Zeiten schwer erreichbaren und teuren Geldes, Prodnktionsstätten ohne Kapital nichts bedeute» als eine schwere und nnuiitzc Last. Es must zugegeben werden, dast die zu starken Steuererhebungen in gleich, Ländern und Gemeinden znr Verschärfung der Krise wesentlich beigetragcn haben. Dast in der Zeit, als die Er haltung einer stabilen Währung die vornehmste Ausgabe der Regierung war, hinter der alle andere» znrlicktrctcn mußten eine Steuerpolitik berechtigt nnd nötig war. die znr Errei chung des Zweckes der Währungserhaltung die schwersten Dpscr non allen Kreisen forderte, wird niemand verkennen. Aber daß, nachdem die öffentlichen Kasse« ausgesüllt waren nnd die Währung nicht mehr gefährdet war, di« zu starke Steuererhebung zum Teil wcitergcsiihrt wurde, rächt sich schwer. Es muß deshalb unbedingt aus dem Wege, de» Sachsen mit der Senkung der Ncalsteucrn und das Reich vor allem mit der Senkung der Umsatzsteuer be gonnen hat, foweit die össcutlichen Finanzen eS irgendwie zulasten, sortgesahreu werden, da der alte Satz, daß nur eine gesunde Wirtschaftspolitik ans die Dauer eine gute Finanzpolitik sein kau«, seiue alte Wahrheit neu be wiesen hat. ^schilderte Kapttalnot der Wirtschaft wuchs sich zu cher furchtbaren Krise, di« wir jetzt durchleben, dadurch auS. daß tu Deutschland niemand da war, der in die Bresche sprin gen konnte. Während in normalen Zeiten das Kr-editbedürf- nIS der Wirtschaft aus dem Reservoir der Spareinlagen m-nhe- los gespeist werden konnte, war in den letzten Jahren dieser Weg vollkommen verschlossen. Neue Emissionen von Aktien oder Ausgabe von Partialobligationen waren bei der Ver fassung des inländischen Kapitalmarktes — von ver^minden- dcn Ausnahmen abgesehen — unmöglich. Denn Sparkapital war so gut wie keines mehr vorhanden, und ioweit es sich langsam wieder bildet, wird cs bringend für andere Zwecke benötigt. Der Zugang der Spareinlagen in Sachsen ist >926 nicht uiicrsreulich. Waren Ende 1923 erst 606 666 Mark und Ende 1921 16,6 Millionen Mark in den sächsischen Spar kassen vorhanden, so stieg dieses Guthaben bis Ende Dezember aus 72!- Millionen. ES macht damit freilich erst einen kleinen Bruchteil des Ende 1914 vorhandenen Sparkapitals von über zwei Milliarde» ans. Aber die Zugänge beweisen doch, daß der Sinn für Sparsamkeit wieder erwacht ist und daß wir hier ganz allmählich aus eine Besserung hoffen dürfen. BiS dahin freilich wird unsere Wirtschaft ans ausländisches Kapital für den Wiederaufbau angewiesen sein. Auch ans eigenen Mittel» hat das Land nicht unerhebliche Mittel sür Landwirt schaft, Industrie, Handel und Wohnungsbau zur Verfügung gestellt, so 2) 4 Millionen sür die Beschaffung von Saatgut »nd Düngemittel, 3) 4 Millionen zugunsten deS gewerblichen Mittelstandes, 1 Million für das notleidende Hausgewerbe im Erzgebirge, 1 Million für Lohnstickmaschinenbcsihcr znr Modernisierung ihrer Betriebe, 3 Millionen als Darlehen an Gemeinden sür Wohnnngsbauzwccke. Dazu kommt, daß auch zur Erleichterung laiidmirtschaft- ilchen Kredits landwirtschaftliche Pfandbriefe von der Landes- hcniptkassc angetanst wurden. Daß bei dieser sorgenvollen Lage unserer Wirtschaft auch die Lage nuferer Staatssinanzen außerordentlich ernst ist, ist eine Selbstverständlichkeit, sivar wird das NcchnnngSsahr 1926, wenn nicht die letzten Wochen antzergewöhnliche Verschlechterungen bringen, nicht daS nach dem vom Landtag verabschiedeten Etat zn erwartende Defizit von annähernd 46 Millionen bringen, zumal nach der Verabschiedung noch eine Verbesserung des Finanz. ansglelchS erreicht werden konnte. Aber während bis in den Herbst binein Einnahmen nnd Ausgabe» des ordentlichen Etats noch im Einklang standen, ist in de» letzten Wochen bei steigenden Ausgaben — insbesondere durch die seit dem Januar notwendig werdenden Staatszisiclsiisse zn der Eriverbslvicn- 'üriorgc — ein bedenkliches Sinken de, Einnahmen zu beobachte», so daß wir den nächsten Monaten mit ernster Sorge entgcgcnsehen, znmal die Bestände der Landes-lnrupt- kasse sehr stark zusammengeschmolzcn sind »nd im Augenblick nur das zur Aisircchterhaltung der StaatSvernwltnng not wendige Betriebskapital ausmachen. Insgesamt hat die Laubcshanptkasse bis zum 19. Iannor zu Lasten des ordent liche« Staatshaushalts 167 946 999 Mark verausgabt, wobei allerdings die gesamten Januar-Gehälter inbegrissrn sind, während die Einnahmen im gleichen Zeitraum nur 164 476 999 Mark betrugen. Bei dieser Sachlage mußte die Regierung und insbeson dere daS Finanzministcrinm bei Ausstellung des neuen EtatS die « äußerste Einschränkung der Ansgaben vornehmen. DaS war deshalb besonders schwierig, weil die meisten Ausgaben des Etats ans persönliche Bezüge entfallen, die zmangslänsig sind nnd sich lediglich durch allmähliche Herabminderung deS Beamtenapparatcs etwas cinschränke» lassen. Die ganze Wucht der Sparsamkeit fiel so anf die sachlichen Ausgaben, von denen insbesondere alle vinschränkbaren Kosten für Gcschästöbcdiirsnissc, Reisen, llmzugSkvstcn ans das peinlichste geprüft und durch das Ent gegenkommen der einzelnen Ressorts, die das Finanzministe rium dankbar anerkennt, fast überall herabgesetzt werben konnten. Außerdem wurde zur Entlastung der Steuerzahler ein Weg gefunden, die einmaligen Kosten für die .Herstellung des Slraßenivcsens, die, wirtschaftlich genommen, eine anßer- ordcnllich gute Kapitalanlage darstelle» »nd für die späteren Jahre Ersparnisse sichern, auf den außerordentlichen Etat zu übernehmen und, wenn cs die Lage des Geldmarktes erlaubt, durch eine A n l e i h e zu decken. Außer diesen direkten Sparsamkcitserfvlgen mußte das Finanzministerium aber vor allem die schwere Ausgabe erfüllen, alle nicht unbedingt er forderlichen Ncuansordcrungcu abzulchncn und dadurch eine weitere Steigerung des Auögabenbcdarss zu verhindern. Dazu kommen die Maßnahmen der Personalpolitik. Der diesjährige .Haushaltplan sicht erstmalig eine Ver minderung der B e a in t e n z a h l. und zwar um 88. vor. Dieses Ziel wurde nicht durch einen schematischen Abbau, der die Staatskasse nur mit hohen Pensionen und Wartcgeldern belastet, erreicht, sondern durch einen organischen Abbau über die Vakanzen, wobei besonders betont sein mag, daß dadurch die Besörderungsverhältnisse der Beamtenschaft nicht berührt werben. Bei jedem natürlichen Abgang eines Beamten wurde genau geprüft, ob die Stelle neu besetzt werben mußte oder ob durch Zusammenlegung »nd Geschäfts-Vereinfachung die Stelle nicht eingespart werden konnte. Da durch einen Beschluß des Gesamtministeriums zu jeder Neueinstellunq eines Beamten die Genehmigung des Finanzministeriums gehört, lag diese schwierige Prüfung mit dem Finanzministerium ob. Der durchschnittliche Dicnstbezna für den planmäßige» Beamten lnnter Ausscheidung der Volks- und Fortbildnngs- schullehrer, sowie der Polizeibeamteni hat sich im letzten Jahre wieder etwas erhöht. Er beträgt für 1926 4316 N.-M. gegen 4210 R.-M. im Vorjahr und 3447 N.-M. im Frieden. Hierbei sei erwähnt, daß die gesamten Kosten der oberen Be amten, der Minister, der Ministerialdirektoren und der Ministerialräte in der Zentralverwaltung insgesamt 1 986 999 Reichsmark ausmachcn, eine Summe, die sür den nächste« Etat allein ans den Erträgnissen der nengcschassenen wasser wirtschaftlichen Betriebe erhofft wird. Anßcrordenlich stark ist die Belastung der Staatskasse mit Pensionen und Warte- gcldcrn, die sich insgesamt ans 41 Millionen belaufen, während 1914, wenn man nur diejenigen Zweige der Staatsverwaltung be rücksichtigt. sür die auch gegenwärtig die Ruhegelder bei Ka pitel 16 angcsordcrt werden, sich ein Znschußbetrag von, 17,4 Millionen sür die Ruhegelder ergab. Die Ursachen für' diese Steigerung sind verschiedener Art. Zunächst wirkt sich die in de» letzte» Jahrzehnte» sietla eingctrctenc Vermehrung der Beamtcnstcllen auch tu der Zahl der Rnhcgeldempfänger ans Diese Zahl ist von rund 11 760 im Jahre 1914 auf rund 16 666 in der Gegenwart acstiegen. Von den letzteren Emp fängern entfallen rund 1676 anf abgcbaute Beamte. Der nach gewissen Ersahrungsgrnndsätzen aus die Vermchrnna der Bc- amtcnstcllen zn rechnende Mehrbetrag an Ruhegeldern kann gegenüber 1614 mit rund 7 666 666 R.-M. angenommen wer den. so daß sich gegenwärtig, abgesehen von den Abbaulasten, ein Rnhegelüerausivand von rund 26 066 666 R.-M. eraeben müßte. Wenn gleichwohl ein Betrag von rund 86 966 660 R.-M. angcfordert werden muß. so ist dies die Folge von den seit 1929 wiederholt eingctretcneu wesent liche» Verbesserungen ans dem Gebiete des VcrsorgnngS- rechts für die Beamten. In dieser Beziehung darf ich nur daraus Hinweisen, baß die -H n n d c r t s n tz e sür die R u h c g e l d e 1» p sä n g e r mit weniger als 33 Dicnstjahren wesentlich, und zwar bis zu 15 Prozent gegen früher erhöht worden sind. Auch die .Hundertsätze für die Berechnung des Witwengeldes haben gegen 1914 eine wesentliche Steigerung erfahren. Wählend früher das Witwengeld 26 bis höchstens 96 Prozent des DienstetnkommenS des verstorbenen Beamten betrug, ist es setzt nach 66 Prozent des Ruhegehalts zu bemessen, den der verstorbene Beamte bezogen hat oder zu bcztclien gehabt hätte, nnd cS ergibt sich hiernach im Höchstfälle ein Witwengeld von 48 Prozent deö Dicnstcinkommcns des verstorbenen Be amten, also eine Steigerung des böchsten Witwengeldes um 66 Prozent. Auch die Sätze sür die Wartegclder sind von 76 ans 86 Prozent erhöht worden. Der Neuerung, daß die Wartegclder neuerdings nicht einheitlich nach dem höchsten Satze, sondern nach Stafscttäben gewährt werden, kommt keine erhebliche finanzielle Auswirkung zn, weil der höchste Wartcgcldsatz bereits nach 26 Dirnstsalircn zn gewähren ist. und diese Dienstzeit von der Mehrzahl der beteiligten Be amten erreicht worden ist und wohl auch künftig erreicht wer den wird. Ich darf bemerken, daß von den 1979 abgebaute» Beamten nur zwei unter S9 Prozent ihres DicnstcinkommenS als Wart - ld b"zichen. Bon den sonstigen Ursachen der Steigerung deS Vcr- sorgnngSauswandcs ist u. a. hervorzuheben: die Erhöhung deS Mindestbetrages des Witwengeldes von 366 Mk. jährlich aus 378 R.-M. jährlich, ferner die Gewährung von Ehefrauen»