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LlSrll. ^J«hrgang. AK 215 Montag, 16. Juni 1924 Gegründet 183« DradtcnclchrM: «»chrtchl,» »em»«. Yernlprecher-Sammeinumnier SS S-»1. Dur Mr Nachtgelprüch«: SV 011. v«m R.gunt !«« «»> >»«Uch »w«!m»li,«r3ufi»Uun, >^> »au, l.SSSoldmor». Bezugs -- Weouyr P,ftb„u,,»r,i» ,Ur Men»! gun! 2.»a>«i»li,»»«»r !»«»,»»,«»,,,. Di» LInieiien werden nach Seldmar« berechn«!: d>» Anze>,-n-Pr°>s°: autzerdald 2VÜPI,. ofieriengedi! Schrifileilung und Kauplgeschülleftell«: WaricnIIratz« 3S/4V» Druck u. Verlag von Ltrxsch » Aelchart! in Dresden. Postlcheck.Aonlo 1OSS Dreibe«. Dackdruck nur ml! deulllcker a„»ll»na"aad» ,.Dre«»n»r Dackr."' -»ttNNa. — Ilnverlanal» SckrlllMck» werden «ich! mildewadrl. Jas Kabinett Herriot. Dr. Skesemarm kündigt einen bedeutsamen Schritt zur Klärung -er Kriegsschuldkrage an. Erfolgreiche Verhandlungen -es Reichskanzlers mit den Eifenbahngewerkschaslen. Verlängerung der Micmn- vertriige. Krlegsminisler Rollet. Paris. 15. Juni. Das Ministerium Herrlol ist gebildet. E» seht sich wie solgt zusammen: Vorsitz und Aeuheres: Abg. herriot radikal); Justiz: Senator Rens Renault (demokr. Linke); Krieg: General Rollet (demokr. Linke); Marine: Abg. Dumesnil (radikal): Kolonien: Äbg. Daladier (radikal): Befreite Gebiete: Dalbies; Pensionen: Vovier-Lapierre; Inneres: Abg. Lhaulemps (radikal): Finanzen: Senator Elemente! (demokr. Linke); Unterricht: Senator Francois Albert (demo kratische Linke); öffentlicheArbelten: Senator peytral (demo kratische Linke); Handel: Abg. Raynaldi (sozlalist. Republikaner): Arbeit: Justin Godart (radikal); Landwirtschaft: Abg. Oueuille (radikal). Ls sind ferner vier Unter st aatssekretäre eingesetzt worden, und zwar Pierre Robert für Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen. LSon Meyer (rad.) für die Handelsmarine. Laurent Eynac (soz. Rep.) für die Luftschiffahrt und de Moro Giafferl (soz. Rep.) für das technische Unterrichtswesen. (W. T. B.) Paris, IN. Juni. Die Ernennung der neuen Minister des Kabinetts Herriot wird heute vormittag im „Journal Osficicl" veröffentlicht. Daö Kabinett setzt sich aus 14 Mini stern und 4 UnterslaatSsckretären zusammen. Es gehören ihm an vier Senatoren: Rcnvnlt, Elemente!, Peytral, Francois Albert, sämtlich von der Fraktion der demo kratischen Linken. Zwei Mitglieder gehören -u den sozialistischen Republikanern: Raynaldy und Laurent-Eynac, acht zu der radikalen Kammcrfraktion: Herriot. Cbautemps, Tnmesnil, Qucuillc, Gvdart, Daladier, Dalbiez und Meyer: drei Minister und UnterstaatSsckretäre gehören der sozialistischen republikanischen Gruppe tPartci Painlevo-Vrtandi an: Bovicr-Laptcrre, Pierre Robert und de Moro-Giasseri. General Rollet ist bas einzige Mitglied des Kabinetts, das nicht dem Parlament ent nommen ist. Durch die Ernennung des Kabinetts ist die Wahl von drei Vizepräsidenten und einem Sekretär der Kammer erforder lich. Der Senat wird nunmehr aus,er seinem Präsidenten auch noch einen Vizepräsidenten zu wählen haben, da Senator Nenoult Vizepräsident des Senats ist. iW. T. B.) Herriot am Grabe des »Unbekannten Soldaten". Paris, IS. Juni. Ministerpräsident Herriot hat heute vormittag seine erste Rcgierungshandlung dadurch vollzogen, das, er in Begleitung des Kriegsministers und des Marine ministers dem „Unbekannten Soldaten" seine Huldigung darbrachte. Morgen vormittag um 10 Uhr hält das Kabinett seine erste Sitzung ab, der nachmittags um 4 Uhr unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik ein Mintstcrrat folgt, um die Regierungserklärung scstzulegen, mit der am Dienstag nachmittag um l> Uhr die neue Negie rung vor das Parlament treten wird. iW. T. V.j Die kammersihung vom Sonnabend. Paris» 14. Juni. Die Kammer hat heute nachmittag eine kurze Sitzung von nur fünf Minuten Dauer ab- gchalten. Als Kammerpräsident Patnlevs den Saal be trat, wurde er von der gesamten Linken mit starkem Beifall bcgrüht. Während der Beifallskundgebungen rief ein Ab geordneter aus der Mitte: „Demission!" Die Abgeordneten der Linken protestierten heftig und brachten nochmals stehend ihrem Präsidenten eine Huldigung dar. Hierauf vertagte sich die Kammer auf Dienstag nachmittag 3 Uhr. Französisch-belgischer Meinungsauskausch über die Ruhr. Paris, IS. Juni. Der Brüsseler Korrespondent des „TcmpS" meidet: In Brüssel sei man der Ansicht, daß. bevor irgendwelche interalliierte Verhandlungen stattsindcn, eine französisch-belgische Besprechung abgchaltcn iverden müsse wegen der engen Solidarität der beiden Länder in der Rnhrfragc. Obwohl noch nicht darüber ent schieden sei, nehme man an, das eine Unterredung zwischen dem französischen Ministerpräsidenten und den belgischen Ministern Ende der Woche in Paris oder Brüssel stattsinden könne. lW. T. R.1 Zurvtknahme von Ausweisungen. Wiesbaden» 14. Juni. Wie das Krcisblatt in Höchst mit teilt. sind in den letzten Tagen im hiesigen Bezirk IS Nus» Weisungen zurückgenommen worden. Ferner ist einer Anzahl ausgewicscner Familien ein befristeter Aufent halt im besetzten Gebiet gestattet worden. <W. T. V.j Düsseldorf. IS. Juni. Die hcntige« Verhandlungen der Sechscrkommission und der Micum dauerte« von 11 Uhr vormittags bis S Uhr nachmittags. Nachdem anfänglich keine Einigung zu erzielen war. konnte man sich nach einer längeren Panse aus folgende Formel verständigen: Der am IS. Juni ablaufende Vertrag zwischen der Micum und dem Nuhrbcrgban wird unverändert bis znm 30. Juni verlängert. Es wurde vereinbart, daß das nächste vom I.Jnli abz« schließende Abkommen hinsichtlich der Kohlen- prcise und der Zölle sowie gewisser Abgabe« rück« wirkende Kraft vom IS. Juni erhalte« kann. lWTB.j Beseitigung der Streikgefahr bei der Reichsbahn Einigung der Regierung mit den Gewerkschaften. Berlin, IS. Juni. Die H.8.-Kvrrcspvndenz meldet: Sonn abend nachmittag habe», wie bereits aemeldei. die Verhau d- lungen der NetchSregierung mit den Spitzenorganisationen der Gewcrlschastcn lGewcrlschaftsring, freie Gewerkschaften, christliche Gciverkschafteni iibcr die Beilegung des Eiscn- bahnerkonfltktcs stattgcfundcn. Sic wurden von dem Reichs kanzler Dr. Marx geleitet und haben zu einem volle » Er - folg geführt, so das, der gefürchtete Eisenbahncrstreik im letz, te» Augenblick vermieden werde» konnte. Nach mehrstündigen Verhandlungen wurde folgendes Abkomme« getroffen: Äufier den ab 1. Juni 1024 bereits durch VerwaltungS- anordnungen etngesührten Lohnerhöhungen werden noch fol gende Verbesserungen zugesagt: 1. Die zurzeit für den 84jährigen Arbeiter der Ortsklasse ^ festgesetzte» Lohnsätze werden ab 1- Juni 1924 um fünf Prozent erhöht. Die übrigen Lohnsätze werden dement sprechend «ach der bisherige« Staffelung berechnet. Soweit durch diese Rcnregclnng ein ausfälliges Mißverhältnis gegen« über den Löhnen der vergleichbaren Industrie entstehe« würde, sind die Ortslohnzulagcn entsprechend zu ändern. 8. Bei den Bahnnntcrhaltungsarbeitcrn fällt ab I.Jnli b. I. die zehnte Arbeitsstunde weg. BoranSsetznng für die Wirksamkeit dieser Zusage ist eine Einigung über die noch schwebenden Streitpunkt« a«S dem Mauteltaris. Die Verhandlungen über die Dieustdaner» Vorschriften sollen im Laufe der nächste« Woche statt- sinde«. Die Denkmalsweihe -es 1. Garde-Regiments Berlin, IS. Juni. Sonnabend vormittag wurde in Pots- dam das Denkmal für die 8000 gefallenen Ossi» ziere, Unteroffiziere und Mannschaften des 1. Garde-Regiments zu Fuß und des 1. Garde- Reserve-Negi m entsetnge weiht. Schon seit Frei tag prangte ganz Potsdam im Schmuck schwarz-,veiß-roter Fahnen. Au» ganz Deutschland hatten sich die ehemaligen Gardisten in solcher Menge etngcsundcn, daß es nur mit der äußersten Anstrengung möglich war. alle Festteilnehmer auf dem engen Denkmalöplatz zwischen der Garnisonkirche und dem Kanal »nterzubrtngcn. Der Festgottesdienst fand auf dem Kaserncnhof des alten Regiments in der Priesters! caste statt. Als erster sprach der Rcgimcntslommandeur von 1914, Prinz Eitel Friedrich von Preußen zu den ver sammelten Kameraden. Die Fcstprcdigten wurden von Hof Prediger 1>. Richter, dem ehemaligen Potsdamer Garnison Pfarrer und dem katholischen Kaplan Mtckel gehalten. Zum «chluf, richtete der letzte Führer des Regiments Major Grafzu Eulenburg kraftvolle Worte an die unabsehbare Versammlung. Er führte u. a. aus: Wie vor Jahrhunderten durch das Blut der christliche» Märtyrer, nicht, nach dem Willen ihrer Mörder, das Christen tum erstickt wurde, sondern zu neuer Größe erstand, so wird auch aus der Bluisaat unserer gefallenen Helden einst die Ernte neuer deutscher Größe erwachsen. Aber nicht nur den Gefallenen gilt dieses Denkmal. Auch Euch soll es ein Mai der Ehr sein, tapfere Kameraden und Mitkämpfer vom 1. Garde- und 1. Garde-Reservc-Regiment und die Ihr bet anderen Truppenteilen die Erziehung des 1. Gardc-Negt ments bewährt habt. Ihr sollt, wenn Ihr zu diesem Stein cmporblickt, Euch in Stolz Eurer Taten erinnern und Eure Kinder darauf Hinweisen. Diesen Stolz haben wir uns erkämpft. Ihn kann uns niemand nehmen Wir brauchen ihn als Grundstein für Deutschlands FreihcitS- bau. Das Bild des großen Königs aus Hohcnzollcrnstamm, das das Denkmal ziert, des größten Manne», den Preußen hervorbrachte, soll uns den Geist verkörpern, der das Regt ment getragen hat, solange es bestand: Den Pr e u ß e n g c i st, den Zollerngeist, den Geist der Strammheit und Zucht, de» Gehorsams und der Pflichttreue, der allein uns einst Freiheit und Grübe wiederbringcn kann. Möge dieses Denkmal w-r- dcn zu einem Wallfahrtsziele für alle, die unseren stolzen Nock getragen haben, und für ihre Nachkommen: „Möge der Denkstein ein Mahnstein werden zu Freiheit und Räche!" An der Feier nahm ein erlesener Kreis bedeutender Per sönlichkeiten teil. Von dem kaiserlichen Hause sah man u. a. den Kronprinzen und den Prinzen Eitel Fried rich, außerdem eine Anzahl deutscher Fürsten, die ihre mili tärische Laufbahn im 1. Garde-Regiment begonnen haben. Das Grenzlandöeulschlum an General Vudendorfs. Eger, 14. Juni. Heute wurde, wie der Telegraphcn- Unton gemeldet wird, an den General Ludcnborff eine Adresse abgesandt, die von 1200 deutschen Bauern. Arbeitern und Gewerbetreibenden aus dem deutschen Egerland sTschccho-Slowaketj unterschrieben ist. Die künstlerisch ans- gestattcte Adresse, die in einer Mcrppe die Unterschriften»- sammlung bcigefügt erhalten hat. sagt im Namen der Ab sender und des deutsch-böhmisklwn Volkes dem Heerführer Dank für die Treue, mit der er den Kampf gegen alle Feinde eines erwachenden Dcntschtums führt, und bildet ein gewich tiges Dokument für die Dankbarkeit und Hvffnuna des GrenzlanddeutschtumS. Slresemann «ad Lerriol. Polllik der Verständigung auf der Grundlage «irlschastlichen Zusammenwirkens. Karlsruhe, IS. Juni. In einer anläßlich der Tagung der südmestdeutlchen Arbe,tsgew.cinichasl der Deutschen Volks partei veranstalteten öffentlichen Versammlung sprach Neichs- außenmtnlster Tr. Stresemann über die politische Lage. Er behandelte zunächst die Veröffentlichung der neuen Serie der deutschen Aktcnpublikationen, die er in Zusammenhang mit Kolonialfragen und mit den um die Jahrhundertwende gemachten Bündnisangeboten kurz skizzierte. Er wieS auf die damals von Deutschland streng durchgcführte Politik der freien Hand hin. Ob diese Politik der freien Hand richtig war, stehe dahin, sie sei aber jedenfalls aus die Erhaltung des Friedens gerichtet gewesen, wie überhaupt Deutschland im Besitz der stärksten Armee der Welt seinen Einfluß nur von dem Gesichtspunkte in die Wage geworfen habe. Europa und der Welt den Frieden zu erhalten. Wen« znm Jahresende die deutsche Aktenpublikatiou abgeschlossen sein wird, so fuhr der Minister fort, dann nnrd es an der Zeit sein, die anderen Mächte zur Ocsfnnng ihrer Archive anszn- sordern, um so die Grundlage sür eine unparteiische Er örterung der Schnldfrage z» schassen. Gegenüber der heutige« Situation vertrat der Minister solgeude« Staudpnukt: Wir zielen die Folge aus dem verlorenen Krieg «ud zahle« deshalb die Kriegsentschädigung. Wir lehnen cs aber ab, als die moralisch Verantwort lichen irgendwelche Wiedergutmachungen z« leiste«. Im weiteren Verlauf seiner Rede entkräftete Dr. Stresc- mann den Einwand, die gegenwärtige Regierung habe keine versaffungsmäßige Grundlage, wobei er insbesondere darauf hinwics, daß der Mißtrauensantrag der Dcutsch- naiionalen von der Mehrheit des Reichstages abgelehnt wurde. Er wandte sich ferner gegen die im Auslande vielfach verbreitete irrige Auffassung über die günstige wirtschaftliche Situativ» Deutschlands und betonte, daß durch den Ent- ivcrtnngSprozcß dem deutschen Volksvermögen ungeheure Summen vcrlorcngegangen sind. Den Verwüstungen in Frankreich stehen die Verwüstungen gegenüber, die im deut schen Volke durch die Prolctarisicrung der weitesten Schichten der Sparer und Anlagcbcsitzer hervorgerufcn wurden. Dr. Stresemann widerlegte dann die von einer gewissen wirt schaftlichen Seite geübte Kritik, daß die deutsche Privatwirt schaft und die deutschen Eisenbahnen durch das Sachverstän- digen-Gntachten der Entente auSgcliefert würden. Es sei selbstverständlich Aufgabe der Negierung, bei den im Gange befindlichen Verhandlungen das beste herauszuhvlen, vor allem auch hinsichtlich der Befugnisse des Eisenbahnkommissars. Mit den Nvrmalicistungen, die zu hoch gesetzt seien, könne man sich freilich nur vermittels gewisser Bestimmungen über die Transferierung abfindcn. Die Lösung der Gefangcnen- fragc und der Frage der Ausgcwicsencn sei eng mit dem Sachvcrständigen-Gutachtcn verbunden. Die militärische Ränmnng -cs Nuhrgeblctcs muß z« einem bestimmten Termin in Aussicht genommen werden. i Nach einer Kritik der Demonstrationen nationaler Ver bände. die freilich durch die Methoden PoincaröS ver anlaßt seien, aber nur die Lösung der außenpolitischen Fragen erschwerten, sagte der Außenminister: Der neue« französische« Neaiernng stehe« wir ohne Voreingenommenheit gegenüber. Unsere Ausgabe ist es. eine« Weg zu finde«, der daö Ncbeneinanderlebc« von Frankreich und Deutsch land sicherstem, die auf friedliches Zusammenleben angewiesen stnb und vielfach wirtschaftlich und finanziell vor den gleichen Pro« blcmen stehen. Eine andere Methode der Außenpolitik, als diejenige des Versuches einer Verständigung auf der Grundlage wirtschastliclien Zusammenwirkens der Nationen ehe ich nicht. Gegenüber der imperialistischen Politik Poin- carös, der wir eine gleiche Macht nicht entgegenstcllen können, muß die Metbodc der wirtschaftlichen Lösung angenommen werden. In diesem Zusammenhänge forderte Dr. Strcse» mann am Schluß seiner mit lebhaftem Beifall ausgenvmmcncn Ausführungen zur llcberwindnng des Partei- geistcS »nd zur Befreiung der Anßenpolitik von Partei- politischer Einstellung auf. Es gelte das Reich zu erhalten, das besetzte Gebiet von allen vertragswidrigen Lasten zu befreie« und so die Grundlage zu einem künftige« Wiederaufstieg »U sichern.