Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 09.11.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19271109013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927110901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-11
- Tag 1927-11-09
-
Monat
1927-11
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 09.11.1927
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
l kerlarisch e mscl-au sr> neues Buch von Dönsels UN- ariöeres. va» «ft da» für rin Helle», andachtsvolle», durch «et» Thema und setne Art bezauberndes Buch, baö neue Werk von Walbemarvons«ls:„MariounddteTtere't lDeutsche BerlagSanstalt, Stuttgart-Berltn.» Ungefähr fünf, »eh- Jahre nach dem Erscheine» der „Biene Maja", dir seinen großen Erfolg begründete, taucht vonselö. der stets, in allen feinen Werken zuinnerst der Natur Verbundene, noch einmal — wie tn der „Maja" und Im „Htmmelsvvlk" — so ganz in den Bereich der Gvttesschöpsung, baß man zu spüre» meint: e» sei ihm nicht leicht, seinem Buch ein Ende zu sindrn. Der Knabe Mario verliert dir Mutter, — dtrser ernste Auftakt gleich steht im Zeichen der vielleicht tiefsten Kunst des Dichter»: das Erwachen einer Seele darzutteilen. da» Schweigen eine» Gemüts beredt werden zu lassen. tWcr dächte beim Lesen dieses schönen Eingangs nicht z. B. an den Tod der Onne im „Aiije-Kind"!) Der Knabe Mario zieht nun mit seinen knapp zwöli Jahren im Ausgang des Früh, ltngs in den Wald, von dem er schon so viel geträumt, nach dem er sich so sehr gesehnt hat. Die Mutter ist tot. aber ihr» Seele führt da» Kind tn den Wald: dort ist er ab geschlossen mit ihrer Seele und ganz angewiesen auf daö grobe mütterliche Wesen der Natur. Aber schließlich: eine Stätte muß der Mensch haben, an der er sich ntederlassen kann, und sei e» nur von Zeit zu Zeit, um zu ruhen. Also sinder Mario eine kleine verborgene Waldhütte, in der eine alte Frau, recht wie eine Waldsrau. Dommelsei, haust. Sie begegnet ihm anfänglich mit jenem Mißtrauen, das der vom Umgang mit Menschen Entwöhnle, der ganz der Natur Ber. traute, dem plötzlich eintretendeu Fremden zeigt. Aber die beiden, nicht nur im Alter so sehr verschiedenen Menschen werden gute Kameraden. — der Wald macht sie dazu. Mario hillt der Alten eifrig beim Sammeln von Kräutern, er geht tn seiner Art aui die Jagd und sorgt mit dafür, daß der Tisch bestellt sei, und so lernt er allmählich die Tiere kennen. Er wird der Freund der Tiere, und sie sind ihm bald zugetan. Mit ber dtvinatorischen Begabung naiver Kindlichkeit weiß er: „Die Tiere sind dunkel und zart,* — und danach verhält er sich z» ihnen. Groß und unbeschreib lich ist die Vielfalt der lebendigen Erscheinungen, die des Dichters Gestaltung umsaßt, und was er als Erlebnisse seines kleinen Helden darstcllt. geht bis an die äußerste Grenze des Abenteuerlichen. Wer erinnert sich jenes unheimliche» Kapitels au» der „Judiensahrt", in dem die Schlange und die Natten einander gcgenllbergestellt sind. — oder jene» anderen, darin des Wanderers Begegnung mit dem Tiger er- zähl» ist? Ganz so packend und atemlos erregend ist z. B. hier des Knaben Mardcrjagd veranschaulicht. — es ist kaum anders, als daß Bvusels von einem eigenen Erlebnis be- richtet. Obe'- ein anderes Kapitel: wie Marin das Wesen de- Schlange erforscht, — aber hier wie in der genannten Erzählung ist immer wieder das Gegenständliche in der Natur nur Mittel zum Zweck. Wie in seinem wesentlichen Schassen überhaupt, so verfährt der Dichter auch hier: er laß» die Gestalt des Mario völlig aus seinen Beziehungen zur Natur, zu den Tieren, zur Waldmutter Dommelsei, aus seiner Haltung tn den verschiedenartigen Begegnungen und Begebnissen seines Waldlebens emporstcigen und sich von Ab- schnitt zu Abschnitt vervollkommnen. Daö heißt mit anderen Worten: «S wird bfe Entwicklung der Sec-!« dargetan: und es ist dichterisch wie psnchologisch besonders sein ge- lungen, zu »eigen, wie die Tierwelt — vielfältig tn zahl- losen naturgegebenen Unterschieben — mit der Genialität des untrüglichen Instinkts auf die reine, naive Kraft, auf die offen an die Natur hlngcgebene Seele des Knaben Mario reagiert UebrigenS fehlt cs dem Buche nicht an Humor, wie sich denken läßt, wenn ein Kind in den Wald und In sein besonderes, freies Leben zieht: es Ist aber nie eine brutale Lustigkeit tn diesem Humor, der ganz untergründig, ganz im Wesen der Erzählung verwoben sich auSwirkt. dem man nach, spüren muß. wie den Mittclstljnmen eines Streichguartett». Ganz zart, ganz märchenhaft enden des Knaben Mario Er- lcbnisse, soweit Bonsels sie unS miterleben läßt: dir junge Schloßherrin gewinnt Marios Zutrauen,, also daß er ihr aus» Schloß, zu einem veränderten, erweiterten Leben folgt Und gleichzeitig tritt er aus dem Nnterbewußtsein ins Bewußt, sein seiner inneren Macht, dämmert ihm die Erkenntnis einer anderen volleren Beziehung von Mensch zu Mensch, und der Dichter entläßt den Leser mit einer verborgenen heiteren Frage: Was da nun mit Mario weiter werden mag? — Ein sehr schönes, einfaches Ruch, ein echter guter Knabenromau. — doch auch, wie ja schon dir „Biene Maja* sich an alle Lebensalter wandte, für „ältere Knaben". » Drei Frauenbücher liegen noch vor mir, sehr unterschied- lich in Umsang und Wert. Ja, das „kleinste" von diesen dreien ist zweifellos das größte: „Die Entrückten", vier Geschichten vom Tode, von Elsa Berncwitz sBerlag Albert Langen». Der Name der Verfasserin ist neu aus literarischem Gebiet. — aber er wird sich, wenn die weiteren Bücher dieser Frau sortschreiten auf dem Wege, den sie in ihrem Erstling gehl, bald durchsetzen. Das Hauptmerkmal der „Entrückten" ist das ber größten Einfachheit: dir Er zählungen wachsen von selbst ans ihren Motiven heraus,- die Verfasserin berichtet etwas Tatsächliches. Erlebtes, Erzähltes weiter. -- es ist so, als ob sie da vor uns säße und läse aus ihrem Gedächtnis diese Geschichte ab. di« sie irgendwo ver- nommen. Elsa Berncwitz ist Kurländertn, — drei ihrer Novellen spielen in Lettland zur Zeit der Befestigung der Bolschewiftrnhcrrschoft. Die verhaßten deutschen Barone sind entweder erschossen, oder sie sitzen in dumpfem Gesängnis, — man hat sie erniedrigt, daö ist den Gewalthabern die Haupt, sache. Aber der „Sieg der Idee" nutzt nichts, solange z. B eine alte adlige Deutsche so überlegen hvhcilsnoll in den Tod geht wie eS hier im „Abschied des Fräuleins von Guhr" wirk- lich erschütternd dargcstcilt ist. Immer gelingt der Ver fasserin eine knappe. Im kleinsten deutliche Gestaltung des Berichts, der Erzählung, und überall dort, wo sie diese bis aus den seelische» Kern der Menschen und ihrer Erlebnisse, oder auf die rinsache Darlegung metaphysischer Ursachen und Wirkungen verdichtet, erreicht sie gleichzeitig das Gelände der Dichtung. Sv etwa in der Geschichte von den „Flinten mädchen". d. h, zweier bewaffneter Frauenzimmer -er Roten Armee, die In -aller Roheit Ihrer mißverstandenen „Freiheit" ein Massaker während eines Gottesdienstes anrichtcu wollen, und die doch plötzlich davor zurückschrccken, — angeblich weil die in der Kirche versammelten Deutschen zu stark bewaffnet seien. Aber ber wahre Grund für solche Erschlaffung liegt nicht in der Feigheit, sondern darin, daß Gott sich nicht töten läßt, — und die» kommt sehr sein zum Ausdruck am Schluß der Novelle. Ueberhaupt: man lese den schmalen Band. «» ist immer noch wichtiger, daß viel gelesen, als daß viel erklärt werdrl — Ein eigenartige», au» ganz persönlicher Sphäre «nt- standeneS Buch ist „Franziska von A l t e n b a u s e n", ein Roman au» dem Leben eines berühmte» Mannes, aus einem echten Briefwechsel gestaltet von Johanne» Wer ner stm Verlag Kvehler u. Amelang. Leipzig». Die Ge schichte. die wir aus dem Briefwechsel erfahren, spielt sich tn den Jahren >898 bi» 1903 ab. — eS ist eine traurige Liebes- geschichte. Ein« junge Adlige, ganz i» der Enste beS ent legenen Familienbesttze«, den sie mit der Mutter bewohnt, besangen, teilt sich brieflich einem berühmten und viel an- geseindeten Gelehrten mit, von dessen Werk sie gepackt ist. Daraus entspinül sich ein Brleswechiel, au» diesem wieder er geben sich seltene Zusammenkünfte, ergeben sich Leid, Hoff, nungen. Verzweiflung. Seligkeiten — bis zum plötzlichen Tode der Franziska, der die endgültige Antwort aus die Frage gibt, ob die Gemeinschaft der beiden besonderen Naturen noch einmal zu vollem, freiem Bestände gelangen werde. Au» dem tatsächlichen Briefwechsel hat der Heraus- geber das Wesentlichste zusammengestellt: er hat dir Namen der beiden Briesschretber anonymisiert, und so ist ein Brief roman daraus geworden, der vom künstlerischen Gesichts- Punkt nicht allzuviel gelten kann, dem man aber tn bezug auf das menschlich Wahre, was in den Briefen dokumentiert ist, setne Anteilnahme kaum versagen wird. (In der Gestalt des Künstler-Gelehrten vermuten wir übrigen» wohl richtig Ernst Haeckel.» Endlich: „Maria Fee", von Charlotte von Za st row. Soeben sim Verlag Koehlcr u. Amelang, Leipzig) Das »st nun ein richtiger Roman, mit einer dunkle» Vorgeschichte, die darin besteht, daß vor Zeiten einer der Grasen von Anrach sich durch brutale Entartung seines HerrenwesenS den Fluch eines seiner Bauern »»gezogen hat. und daß dieser Fluch sich von Zeit zu Zeit schrecklich darin erfüllt, daß ein Sproß des Geschlechts bucklig wird. Bis aus Bcowuls, mit dessen Jugend das Buch beginnt, erstreckt sich der Fluch, «ber tu und mit ihm wird er auch gelöst. Durch die Liebe der Maria Fee, — aus jenem Banern- geschlecht, von dem der Fluch ausgesprochen war —. und durch BeomulfS Heldentod tm Kriege. Diese Geschichte ist sehr flüssig, gelegentlich spannend geschrieben und sollte nur um hundert Seiten kürzer sein. Gerade Unterhaltungsromane solcher Art können durch Knappheit nur gewinnen. Hans Tcßmer. „Eine amerikanische Tragödie." Amerika ist heute in ber Alten Welt Trumpf geworden. Nachdem es wirtschaftlich und politisch nach dem unendlichen Weltrtngen der einzige Sieger geblieben ist. versucht es nun auch, dir Kultur der Alten Welt zu überwinden. Der Bücher markt, vor allen Dingen der deutsche, wird in letzter 'Zeit mit amertkantschcn Romanen überschwemmt. Damit ioll wohl der Eindruck erstehen, als ob die erzählende Dichtung tn Amerika eine Fülle von schöpferischen Kräften besitzt, die die Welt erobern werden. Mit diesen etwas hochtraben den Worten wird auch der umfangreiche, dreibändige Roman von Theodore Dreiser „Eine amerikanisch« Tragödie" sPaul Zsolnay-Berlag, Wien» angeprtesen. ES wäre ihm si仫r besser gedient gewesen, wenn die be geisterten amerikanischen Stimmen, die ihn als den grüßten Roman unseres Jahrhunderts und da» Meisterwerk bezeich nen. da» sich dir Welt erobern wird, abgewartrt hätten, bis sich die Welt ernsthaft mit dieser amerikanischen Tragödie be- saßt hätte. Einö tritt vor allen Dingen tnS grelle Licht: Theodore Dreiser hat nicht nur eine amerikanische Tragödie geschrieben, sondern mehr unbewußt die amerikanische Tra gödie gestaltet. Denn der Held dieses gewaltigen Werkes ist typisch für den Amerikaner schlechthin. Wir werden nach SansaS City geführt. In einer der dunklen Straßen, da der Verkehr brandet, schiebt ein Laten- vrediger seine Orgel mitten auf den Bürgersteig und singt, unbekümmert um daS Fluten der Menge, seine Choräle. Um ihn her steht die Familie, seine Frau mit vier Kindern. Die beiden ältesten, das erwachsene Mädchen und der heran- retfende Junge, verteilen die Misstonsblätter und fühlen da bei die ganze Scham der Jugend, die sich tn der Oesfentlich- keit pretSgeben muß. während dt« Sehnsucht nach Glanz und Reichtum lockt Eine» TageS brennt die Tochter mit einem Schauspieler durch, und brr Heranwachsende Jüngling findet in einem Hotel als Boy die erste Verbindung mit der Welt. Clyde Grtfstths. so heißt er, pendelt nun zwischen Schein und Sein dahin. Im Hotel steht er den lockenden Flitter des Reichtum», daheim dir armselige, bigotte Enge des Eltern hauses Er stürzt sich zunächst einmal tn die Freuden des Leben«, während die Schwester entehrt und verlaßen zurück- kchrt und er mit den Trinkgeldern ihr helfen könnte, läuft er einem putzsüchtigen Mädchen nach und verschwendet mit ihm da« Gelb. Eine tolle Schwarzfahrt im Automobil, die noch Uebrrsahren eine» KlndeS am Straßenbaum endet, treibt Ihn tn wahnsinniger Angst zur Flucht. Damit schließt das erste Buch. « Clyde GrisfithS hat aber einen reichen Onkel, der ihn ein paar Jahre später In einem Chikagoer Klub als Boy entdeckt und ihn mit tn seine große Kragenfabiik nimmt. Hier beginnt «r al» niedrigster Handlanger, um den ganzen Betrieb kennenzulcrnen. Um so unheimlicher wirkt auf ihn ber Glanz und ber Reichtum des überfeinerten Amerikaners, der nur im Besitztum schwelgt. Als er endlich Ansseher über Fabrikarbeiterinnen wird, verliebt er sich In seiner Einsam- kcit In eine Fabrikarbeiterin. Er. der von seinen Verwandten wegen seiner Armut nicht für voll angesehen wird, findet in dem ganz schlichten, aber prachtvollen Mädchen Roberto ein wirkliche» Lebensglück, das bis zu ber letzten Vereinigung führt, die ohne Eheschließung in Amerika als furchtbare Sünde betrachtet wird. Clyde GrtssithS aber findet in diesem menschlichen Verbundensein mit der gleichwertigen Geliebten nicht baö Lebensziel, sondern brennt darauf, in die Schein- wclt der Geldaristokratie ausgenommen zu werben. Immer sind seine. Gedanken bei einer blendenden Schönheit ditser verschwenderischen Welt, «nd als er als Protest gegen die «lb- weisende Familie des reichen Onkels doch Gnade vor dtrser Gesellschaft findet, verliebt er sich sterblich in die kalte Schön, hcii Sondra. Er wird nun von Fest zu Fest getrieben und weiß, daß er mit seiner Verliebtheit sich die reiche Amerika nerin erobert. In dielen Taumel des Vergnügen« schattet die Gewißheit, daß die geliebt, Arbeiterin ein Kind von ihm unter dem Herzen trägt Er fühlt sein Unrecht gegenüber der armen Fabrikarbeiterin und kann sich doch nicht mehr von dem Bann« der lockenden Gesellschaft lösen. Er versucht mit lcidcnlchastUchero Verzweifeln die Gefahr abzuwenden. Um- sonst» DaS arm« Mädchen Roberto -rängt zur Ehe. Da kommt ihm ber furchtbare Gedanke, sich ihrer «« entledttze«. Er sährt mit dem Mädchen auf einen einsamen See hinaus und bereitet den Mord an ihr tn allen Einzelheiten vor. Zuletzt fehlt ihm aber der entscheidende Mut. Der Zufall will ei» aber, daß er tn Augst vor ihrem Drängen nach ihr schlügt. Das Boot kentert, und er läßt sie ruhig ertrinken. Daö drille Buch bringt nun den quälenden Kamps zwischen irdischer und himmlischer Gerechtigkeit. Vor den Augen der Welt gilt er als der rtnztge Schuldige. Mit un- geheurer Breite wird die Voruntersuchung gegen den mut maßliche» Mörder geschildert. Die amerikanische Justiz mst ihrer sentimentalen Einstellung auf die Volkomeinung, mit ihrer Käuflichkeit der Anwälte und der Stimmungsmache durch die Presse wird in aller Brutalität in einer ungeheuren Verhandlung bloßgclegt. Clyde GrisfithS wird aus Grund eines Indizienbeweises zum Tode verurteilt Und nun voll zieht sich tn einer fast unerträglichen Grausamkeit das Schick sal, das durch die unseligen Ereignisse um Soccv und Van- zelii alle Welt in Atem hielt. Es bleibt uns nichts erspart. Wir müssen die barbarischen Grausamletten des jahrelangen Wartens im Totenhaus« aus den erlösenden elektrischen Stuhl miterlcben. und auch die letzte Furchtbarkeit wirb in «iyem beispiellosen Naturalismus geschildert. Clyde Griffiths muß zugrunde gehen. Schuldlos schuldig tritt er den letzten Gang an. Die ganze kalte, herzlose Gesellschaft, die nur den Skandal fürchtet, hat sich von ihm zurückgezogen. Nur die Mutter glaubt an ihn und zieht ein ganzes Jahr lang predigend von Ort zu Ort. um die zweitausend Dollar zu erbetteln, die die Anwälte schlucken müssen, um das Wiederaufnahmeverfahren durchzusetzen. Den» auch diese letzte Gerechtigkeit ist noch käuflich. Aber die Mutter, die an die Unschuld des Sohnes glaubt, muß seinen Tod mit erleben. Zuletzt sehen wir die gealterten Eltern mit den Kindern und dem Enkelkind wieder aus einer dunklen Straße in St. Franziska stehen. Die Orgel klingt wie am Anfang des Buches, und die dünnen Choralmelodten wehen hinein in den brodelnden Verkehr. Und wieder werden die Missionsschriften verteilt, während der Mann Gott den Herrn lobt und preist. Man ist nicht nur Lurch daS Lob der amerikanischen Schriftsteller, sondern auch durch den Inhalt geneigt, das Buch mit Dostojewskis „Schuld und Sühne" zu vergleichen. Aber wie ganz anders packt Dostojewski diese Menschen an! Er zergliedert seine Seele so sein, daß scheinbar nichts mehr zu lösen übrigbleibt, und doch steht gerade durch die aller- seinstc Scelcnzergliederung etwas für uns Unerklärliches riesengroß vor uns ans. Bei Clyde Grissiths liegen die Dinge wesentlich einfacher. Es geht hier eigentlich mehr um die amerikanische Menschheit, als um den einzelnen. Und da» ist das große Erlebnis an diesem Buche, daß man schreckhaft diese einzige Tragödie des amerikanischen Men schen miterleben muß. Sie besteht eigentlich nur in der Phantastik des Amerikaners. Denn der Amerika ner, der unS Menschen der Alten Welt so schrecklich nüchtern und berechnend erscheint, lebt tn Wirklichkeit stets nur von seiner phantastischen Einbildung. Je ärmer er ist. um so stärker ist die phantastische Sehnsucht nach gleißnertschem Reichtum. Darum gaukelt sich der einfache Mensch, der in Armut bahinleben muß, durch un» unverständliche Ver gnügungen stets den ersehnten Reichtum vor. DaS Leben», ziel des Amerikaners ist also vom Ziel des deutschen Men schen. das sich am stärksten im Goetheschen „Faust" offen- bart, grundverschieden. Es fehlt ihm die schöpferische Trieb kraft, er bleibt in seinen phantastischen Träumen stecken. Er hat weder die letzte Kraft zur tiefen Schuld, noch den Mut zur mannhaften Sühne. Er bleibt in der Halbheit stScken. Er ist nicht dazu berufen, ein wirklicher neuer Kulturträger zu werden. Er m I l l es nur sein, und daS ist seine Tragödie. Die Sprache dieses Buches, die wir ja nur tn ber Ueber« setzung kennen, wirkt durch Ihre schmucklose Sachlichkeit bet der Schilderung der furchtbaren Ereignisse um so erregender. Trotzdem die Gefahr eines „Kriminalromans" naheliegt, ist durch daö ernsthafte Gestalten hier doch die amerikanische Tragödie so restlos offenbart, daß dieses Buch wohl nicht „der größte Roman unseres Jahrhunderts" bleiben wirb, wohl aber eine unerhört packende Entblößung der amerikanischen . - crgel. Seele. Hans.Christoph Kaerg, Granada in Flammen. ES war einer jener wundersamen Herbsttage, an denen das sonnendurchglühte Andalnsien so überreich ist. Da stand ich an der Stelle, die man heute „El ultimo suspiro del Moro", den letzten Seufzer des Mauren, nennt. Nach einer Sage soll Granadaö letzter König Boabdil von hier aus tränenden Auges das letztem«! aus Granada geschaut haben, während seine Mutter ihn mahnt: „Weine nicht wie ein Weib, da du nicht kämpftest wie ein Mann." — Dann sah ich den purpurnen Abschiedsgruß ber Sonne. Alles leuchtete wie flammendes Gold. Die Alhambra schien in rosigem Feuer zu brennen. Ein märchenhaft °curigeS Farbenspiel. Ganz Granada schien in glühende Lohe, tn ein Flammenmeer getaucht. — Nun mahnt mich ein Buch an diesen Feuerzauber: „Granada in Flammen von Ludwig Huna". Im vornehmen äußeren Gewände ist eS tm Verlag Grethletn L Co., Leipzig, erschienen. Dieser historische Roman ist ein großer Wurf voll Sicherheit und Kraft, ein Meisterwerk der Darstellnngskunst. Bei prachtvoller Geschlossenheit und gutem dramatischen Ausbau muß daö von ernsten historischen Studien zeugende Werk in der Darstellung von oft binretßendem dich terischen Schwung stark fesseln. Eine eigenartige Spannung zittert durch das ganze Buch. Man liest eS mit leuchtenden Augen und klopsenden Herzen. In die furchtbare Zeit des WütenS der Jnautsttion gegen die letzten Mauren nach dem Fall GranadaS sührt u»S der Roman. Erschütternde Kämpfe spielen sich ab um Glaube und Heimat. Durch daö ganze Buch flammt, glüht und lodert eS Rcja, die natürlich« Tochter Boabdils, des letzten Herrscher» GranadaS, kehrt unerkannt nach Granada zurück. Treu behütet sie der Imam Abu Atir. Als kostbaren Schatz wollen sie den geretteten goldenen Koran BoabdilS in der Moschee GranadaS bergen, um die maurischen Brüder im GlaubeiiSkamps zn stärken. Inzwischen braust daS Grauen durch das alte Königreich. Mit Feuer und Schwert wirst die Inquisition alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt. „Alles für den Glauben." Wehrlos ist auch der spanische Adel der Entrechtung dnrch «sie Inquisition preiSgcgebcn. Die ^katholische» Könige" Ferdinand und Jsabella sind ganz im Banne der fanatischen GlaubenSeiferer. Die Glut der Scheiterhaufen, die Mcnschrnleibcr alv brennende Fackeln — entzünden ein ganzes Volk. Durch haßverwirrte Mönche wird die sanfte Glitt der Religion Christi zu einem verzehren den Feuer entfacht. Die heiligen Schriften der Mauren un- alles, wav die Omaisaden durch drei Jahrhunderte hindurch an wissenschaftlichen Schätzen gesammelt haben, wirft man ins vrr^c/r /ta/rk/o/'a L-erFe ^ä/rne/ -tu» «tt»/«tau 0rllnck»tc>//Su bere/ka/, tat /kattst/ora ckle ^adnpaaka, we/osts /stre TSdns «r-ck/t.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)