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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 03.03.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270303010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927030301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927030301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-03
- Tag 1927-03-03
-
Monat
1927-03
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 03.03.1927
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cransche^lmschtUL Innnlll. i. Hin IM Unsere geistigen Ahnen. Ein Weltbild von BogtSlav v. Selchow (Verlag von K. F. Kvehler, Berlin und Leipzig). »Das Best« an -er Geschichte ist -er Enthusiasmus, den fie erregt." Die Wahrheit dieses Goethe-Wortes empfindet, «»er offenen Herzens Selchows Buch liest, dessen vor einigen Wochen schon .Mumpelstilzchen" rühmen- gedacht hat. Deutscher Art nachzuspüren, wie sic ivar in ihren Anfängen «nd wie sie wurde im Wandel der Zeiten, hat sich Selchow zur Aufgabe gesetzt. Darum führt er uns zurück in die Vorzeit, tu der der Germane sein von der Welt der alten Kultur un beeinflußtes, einfaches Sonderdasein lebte, und wir folgen ihm dann durch das Zeitalter, in dem der Germane ein- getreten ist in die Welt des allninspanncnden römischen StaatSgedankenS nn- des ebenso allumfassenden christlichen GotieSreichgedankenS, in dem er ein Glied wird dieser einen großen, durch Glauben, fielst und Herrschaft geeinten Völker gemeinschaft. Hierbei wird in uns die Erkenntnis lebendig, daß auch im Völkerleben das Gesetz von der Erhaltung der Kraft gilt: waS vor 800 und UM Jahren geschah, ivas die Großen der scheinbar so fern liegenden Zeiten au «bauten oder versäumten, ist noch für uns von größter Wesenheit. Das Wissen um jene Tage ist deslmlb mehr als ein Gebot der Pietät: nur wer Bescheid iveiß in der Geschichte der sächsischen, salischen und sta-ufischen Kaiser, kann das Deutschland von heute in seinem tiefsten Wesen ermessen, kann verstehen, «varum so und nicht anders seine Grenzen verlaufen, wie sich seine Stämme und ihre Eigenart herausgebildet, warum gerade wir uns mit dem Nebeneinander der katholischen Priesterkirche und der evangelischen Laienkirche abzufinde» haben, wie sich das Zusammenleben der deutschen und der übrigen europäischen Menschheit entwickelt hat. Den knarwe IM Seiten umfassenden tzlang durch 200(1 Jahre deutscher Ge schichte verdeutlicht ein graphischer Stammbaum unserer geistigen Ahnen. Wie im Stammbaum eines Geschlechtes die leibliche Ahnenkette, so erscheint in diesem Stammbild« unseres Volkes die Reihe seiner geistigen Vorfahren. Wenn n»ir so den geistigen Wurzeln unseres '^olkStnmo nachgespürt haben, werden wir skeptisch gegen die Wahrheit des anderen Goethe-Wortes: „Amerika, du hast eS besser als unser Kon tinent. der alte, — dich stört nicht tm Innern, zu lebendiger Zeit, unnützes Erinnern und vergeblicher Streit." Gewiß ist die Geschichte der Menschheit, die die Europa genannte Halbinsel Asiens bevölkert, ein ständiges Ringen und hat dabei unser deutsches Volk immer wieder von lichten Höhen in dunkle Täler htnabsteigen müssen. Aber nur weil hier unzählige geistige Mächte miteinander gerungen haben, weil Europa nicht ein Universalreich geworden ist. weil sich eine Fülle von Nationen herausgebildet hat, konnte sich ein Geistesleben von wundervoller Mannigfaltigkeit entwickeln, und wir empfinden es beim Studium des Selchowschen Buches, daß die Menschheit unendlich viel ärmer geblieben wäre, wenn ihr die geistigen Werte fehlten, die nur durch die Differenzierung der europäischen Nationen gezeitigt werden konnten. Nachdem uns Selchow diese Erkenntnis erschlossen hat, gibt er noch 20 Charakterbilder derer, die die Träger des Geschichtsabschnittes ihrer Zeit gewesen sind, die den Weg bereitet haben, den unser Volk geschritten ist, die er darum die Bahner nennt. Mit ehrfürchtigem Staunen begleiten wir die Riesengestalten der deutschen Kaiser aus den er lauchten Geschlechtern der Sachsen. Salier und Staufen aus ihren Fahrten und sehen, daß am größten die nmren, die ihres Stammes Eigenart am treuesten beivahrten. Das ist cs. worauf es Selchow letzten Endes ankommt. Den deutschen Memcl>en will er uns predigen in seiner reinsten Eigenart, weil nur ihm erspart bleiben kann, daß Wer ihn, wie einst über Juda, das Schicksal des Ahasvertums hereinbricht. Indem dieses Buch, das ein Meister der Sprache, ein Herrscher im Reiche der Universalgeschichte, ein nrdentsch empfindender Geist geschaffen hat, nicht bloß in Jahren oder Jahrfünften denkt, sondern die Jahrhunderte umfaßt, reißt es aus den Wirren einer Zeit, die in Untergangsstimmung zu versinken droht, empor zu trotzigem Glauben an unseres Volkes Bestimmung. Vr. >V. 8ck. Der Kamps -er Generakionen. Und immer ist eS dasselbe, das Naturgewollte: der Druck der Alten aus die Jungen, das Aufbegehren -er Jugend wider das Alter. Das war so, als ,/Sterblichkcit im ersten Morgen, grauen und Blühen der jungen Schöpfung, in frühester Um armung irdischer Eltern den Sprößling bildete", und es wird noch so lein, wenn die vier letzten, zwei verschiedenen Genera tionen angchörendcn Menschen miteinander streiten um den einzigen Platz, der inmitten Ser Eis-wüste ein wenig Schutz und Wärme bietet. Gerade in Ser Familie, wo Blutesbande zur Liebe verpflichten und auch ganz gewiß guter Wille gern Liebe beweist, gerade da lauert unter der Ros« dir Schlange; haßvoll zischt sie hervor, und mit tiefer Trauer erkennen wir: es ist unser schuldlos-tragisches Geschick, daß uns die am fernsten sind, die uns die Nächsten sein sollten. Und an dies unerbittliche Gesetz reiht sich ein zweites, nicht minder ehernes. Was wir uns an Freiheiten erworben haben — oft tm weh bringenden Streit und aus der Notwendigkeit heraus, unser Ich zu wahren —, das formt sich mit der Zeit in uns zum Zwange für die Nachkommenschaft um. Wer eine Periode des Sieges, also der scheinbar schrankenlosen Selbstbetätigung durchwacht, der ist der Gefahr des ErstarrenS viel mehr ouS- geietzt als der Unterdrückte. Der Liberale von heute ist der Reaktionär von morgen. Das gilt von ganzen Völkern, von Parteien, die ans Ruder kommen, und erst recht vom ein zelnen. Als dritte Erscheinung aber fügt sich diesem Unab wendbaren bei, daß das noch so schwer Errungene nicht glück lich macht. Die in jedem herrschenden Geschlechte einmal er- wachende konservative (Besinnung ist ein Zugeständnis an die überwundenen und abgetanen Vorfahren: ,^hr habt recht gehabt und gehandelt; wir wissen's auch nicht besser." Reformatoren setzen allem Neuerungsstrcbcn da die Schranke, wo sie selbst nicht weiter können. Die Gemüter auf das lebhafteste zu solche» Erwägungen anzurcgen, ist das Verdienst der jungen, frischen holländischen Schriftstellerin JovanAmmers-Kllllrr. Sie hat unter dem Titel »Die Frauen der Coornvelts" einen Frauen- und Familienroman geschrieben, der von Franz Tülberg mustergültig übersetzt worden ist. (Verlag von Grethlein L Co., Leipzig, Zürich.) Dieser Roman schildert das Werden und Wachsen der letzten vier Frauengenerattonen. Selbstverständlich spielen auch die Männer in dem Buche eine Rolle, das Licht jedoch fällt hauptsächlich auf die weiblichen Gestalten, und die Verfasserin geht ihnen mit einem wunder bar seinen und kräftigen Gefühl nach, um zu zeigen, wie unmöglich cs für die Töchter ist. in den Spuren der Mütter, geichwctgc denn der Väter zu wandeln. Der Wollweberei» bcsitzer Lodcwtjk Cvornvelt zu Leiden waltet patriarchalisch im Kreise der Seinen. Auch er wird einstmals mit seinem Erzeuger unzufrieden gewesen und von diesem als NenernngS- süchtlcr angesehen worden sein, aber davon ist nicht die Rede, — sein Wort und seine Sitten sind bei den Coornvelts un- bedingt maßgebend, und da hat eS denn seine Richte, die fröhliche Marte Elisabeth Sylveln. nicht leicht, sich tn seinem Hauswesen zurechtzufinden. Sie kommt von Paris, wo ihre Mutter. Lodmottk» Schwester, kürzlich gestorben ist. Da» Ehvbllndni». in dem ste lebte, war von den CoormxltS nicht als würdig anerkannt worben. Während nun Aagj« Eoorn- velt nur den Willen ihre» Manne» kennt, entsteht unter ihren Kindern mancherlei eigenes Wünschen. Die Art, wir da» Leben in dem engen Heim um da» Jahr 1840 herum dargestellt ist, gehört zu dem Besten, was wir an derlei Beschreibungen einer noch gar nicht so weit zurückliegenden und uns doch schon unendlich weit entrückten Vergangenheit bositzen. Dt« Leisetreterei. zu der dt« Familienmitglieder genötigt sind, muß Heuchelei her Vorbringen: unter dem Deckmantel ber Zucht schwelt das Sinnliche, die Unfreiheit des Denkens und Ge- barenS hat entweder die geistige Verstumpfung, Frömmelei ohne wahr« Religiosität und einen knechtischen Sinn zur Folge, oder sie bewirkt Aufsässigkeit und Unliebe. Marte Elisabeth läßt sich indes von ihrem Oheim nicht zerbrechen: tbre Schwungkraft reicht auS, um eine schwere Ltebesent- lülischung zu itberstehen. und als ste zuletzt einsteht, daß sie den Coornvelts für die Zufluchtsstätte, die sie Ihr geboten kaben, nicht dankbar sein kann, da geht sie auf und davon und gründet sich draußen in der Welt ihr eigenes Dasein. Der Tvd aber ist so respektlos, Herrn Lodewtjks Autorität nicht Zu achten, sondern ihn zu seinen Mtern hetmzuhvlen: die Walkerei bekommt neuzeitliche Maschinen, die Töchter und Söhne »»erben bejahrte Leute, und wahrhaftig nicht mit ihrer Einwilligung wendet sich eine Enkelin Lodewijks dem Studium der Medizin zu. um auch sehr Tüchtiges darin zu erreichen. Das ist nun schon eine Revolution gegen die allmählich ver feinernden Nachkommen des ehrwürdigen Vaters, und selbst Dr. Elizc Wijöman muß eS dann erleben, daß sie die ihr folgende Generation nicht mehr versteht: die Urcnkelschaft deS Geschlechtes, die all das an Rechten erlangt l>at, wonach sich die Frauen früher sehnten, blickt auf das einst heiß Begehrte gleichgültig und gclangweilt herab: wieder sind andere Inter essen aufgekommen, man begreift den FretheitsidealtsmuS -er vorigen Geschlechter nicht. Die von vornherein Ketten- losen vermögen eS sich nicht zu denken, daß jemand die Kettenlosigkcit als das höchste Gut ansehen konnte. Die jungen Mädchen und Frauen sind müde: es fehlt ihnen ein Ziel. — ,,Hast du wohl", so heißt es In einem Gespräch zwischen zwei Familienangehörigen, „tn letzter Zeit noch oft eine Frau gesprochen, die in -er Arbeit allein ihr Glück gefunden hat? Siehst du wohl noch irgendwo ein modernes Mädchen mit dieser aus dem Herzen kommenden hingehenden Freudigkeit arbeiten, mit der du und dein« Altersgenvssinnen und ich selber in meinen jungen Jahren uns ans die Arbeit gestürzt haben? Gibt es noch Frauen, die ihr seelische» Gleichgewicht, ihr Glück, Ihre Zufriedenheit tn einem Leben finden, daS allein von der Arbeit angcfüllt wird? Sind sie nicht alle auf der Jagd nach Genuß, nach Vergnügungen, müssen sie nicht immer mehr Ablenkungen haben, suchen sie nicht be ständig ruhelos nach irgend etwas, daS ihnen zu ihrem Frieden fehlt? Oder sichst du sie nicht gedankenlos und ober flächlich ihr Dasein hinschlcppen, das genau so leer und be- deutungslos ist wie vor dreiviertel Jahrhunderten, nur unter ganz veränderten Verhältnissen?" Wäre der Roman von einem Manne verfaßt, so könnte man vielleicht von Bor- cingenommenheit gegen das heutige weibliche Geschlecht sprechen: daß aber eine Frau so über ihre eigenen Schwestern urteilen kann, muß besonder» auch die Frauen nachdenklich stimmen. Fast ist mau nach solchen bitteren Worte«, dere« Wahr- heit wir nur zu oft bestätigt finden, zu der Annahme ge- neigt, es gäbe gar keine wirkliche Franenemanztpation. sondern das Weib sei nun einmal dazu bestimmt, ein Halbwesen zu sein, das ohne die Ergänzung durch den Mann nicht» zu bedeuten hat. Aber wenn wir auch diesem Pessimismus nicht nachgeben wollen, so viel ist sicher, und das lehrt un» die niederländische Dichterin mit ihrem reichen und tiefen Buche eindringlich: nicht von der Wandlung der äußeren Umstände, nicht von der Eroberung neuer Tätigkeitsfelder, überhaupt nicht von der Verstandesseite her kann der Frau daS kommen, waS ihr innere Genüge schafft. In sich selbst ist sie frei und ihr eigen, in ihrem Herzen ruht ihr Wert. Und ihre beste Arbeit wird es immer sein, diesen Wert so zu steigern, -aß der Mann ihn anerkennen und Hochhalten muh. Professor Ottomar Enking. Bilder aus Thüringens Vergangenheit. Unter diesem Sammelnamen hat Dr. Werner Scholl eine Reihe von Romanbänbcn herausgegeben jbei A. Deichert, Leipzig), von denen wiederum zwei neue bemerkenswerte Veröffentlichungen vorlicgen. Beide haben Anspruch ans den Ehrentitel guter historischer Romane: der erst« Band. „Sig- fried von Schwarz bürg" von Siegfried Moltke, betont mehr den Charakter eine» Romans, während -er zweite, »Die Osterburg" von Georg Bünau, den Nachdruck ans bi« historische Treue legt. Beide aber sind Hctmatbücher tm besten Sinn« de» Wortes, die übrigens auch der Nichtthüringer mit großer Anteilnahme lesen wird, da sie würdige Seitenstücke und Ergänzungen zu 01-ustav Frey- tagS „Bildern aus deutscher Vergangenheit" bilden. Siegfried Moltke versetzt unS in seinem Roman .Stgfrted von Schwarzbnrg" zurück tn dt« erste Hälfte des 10. Jahrhunderts, da Heinrich I., der Städte bauer swvhl auch, wenn auch nicht mit historisch erwiesenem Rechte, der »Vogelsteller" oder der »Finkler" genannt), beut- scher König war. Wie die wilden Hunnen tn verheerenden Naubzügen in deutsch« Gaue etnfallen und Schrecken ver breiten, bis König Heinrich einen neuirjährigen Waffenstill, stand mit ihnen schließt und fl« — nach klugen Zurüstungen — bei Merseburg sS88) gründlich ans» Haupt schlägt, wie der königliche Städte, und Burgenerbauer dt« Slawen, vor allem die heidnischen Dalemlnzier, bi» über di« Elb« ostwärts ab- drängt und als Grenzmark di« Burg Meißen errichtet. — dies und manches andere bildet den geschichtlichen Hintergrund de» Romans. Im Vordergründe »ber stehen dt« romanhaft ausgeschmückten Erlebnisse eine» der tapfersten Recken und Helfer König Heinrichs, de» germanisch-heldenhaften Sig- frted von Schwarzbnrg und seiner drei kaum minder heldischen Geschwister: -es ältesten Bruders Heinrich, de» Herrn der stolzen Schwarzburg tm oberen Schwarzatal, und der beiden anderen Geschwister Regina und Karl, von denen namentlich da» Bild der knabenhaft erzogenen, im Gebrauch von Schwert mit Spieß irnd Schild wohlbewanderten Schwester mit be- sonderer Liebe gezeichnet worden ist. Sonnengestalten wie dies« vier Schwarzburger Grafenkinder au» dem alten Ge- schlecht der Kevernburger sind auch dt« schöne HtldegardiS, die gütige Stiefmutter der vier Kinder, und vor allem Ger- bnrga, die liebliche Tochter König Heinrichs, zu der bereits in Kindertagen zarte Mtnnefäden von der Schwarzbnrg hin. überaesponnen werden, bi» endlich der ritterliche Sigfrled dt« Herzallerliebste von Heinrichs Kvnigsburg als Preis setn«r Stege über Hunnen und Sorben heimführen kann. Neben solchen Lichtgestalten fehlen tm Roman natürlich auch dt« finsteren Gegenstücke nicht in Gestalt eines fanatischen Priester», der auch vor den verworfensten Mitteln nicht zurückschreckt, um die sreiheitsdUrstcnde Schwarzbnrgcrin Regina hinter Klvstermauern zn sperren, und sich dabei anderer dunkler Hintermänner, sogar slawischen Geblüt», bedient. Furchtbare Gestalten begegnen dem Leser natürlich auch in den blutrünstigen Führern der Hnnnen und Slawen, mit denen die Schwarzburger »nd ihr königlicher Herr das Schwert messen müssen. Doch überwiegt in dem Roman bei weitem daS Sonnige über das Grausige, dt« Liebe über den -Haß, und obendrein wird alles verklärt durch eine dichterisch empfuudeue Sprache und Darstellung, die zivar auf alter- tümelnde Ausdrucksweise verzichtet, dafür aber dermaßen poetisch durchdrungen ist. daß ihr Gestalter — sei e» bewußt oder unbewußt — seine Prosa an geeigneten Stellen vft seiten- lang in Jamben dabinhüpfen läßt. Stark altertümelnd und reich an heut« dahtngeschwnndenen mittelalterlichen Ausdrücken (die aber im Anhang erklärt werden) ist dagegen die Sprache Georg B ü » a us in seinem Thüringer Roman »Die Osterbnrg". Der Untertitel: „Wettinerhand tm Bögteland" weist bereits auf die Zeit hin, in der sich die Ereignisse ahsplelc», nämlich aus die Zeit, da da» »Bögteland" an die Wettiner kam (l247 an Markgraf Heinrich den Erlauchten). Das »Bögteland" war bekanntlich nicht dasselbe wie das heutige Vogtland, sondern umfaßte ein viel größeres Gebiet, vornehmlich das ganze östliche Thürin gen. Die drei Hauptsitze der „Vögte" waren Weida, Gera und Plauen. Die Osterburg, die dem Roman den »Namen gegeben hat. lag wasserumflvffen auf stattlicher Höhe oberhalb AeidaS und war der Sitz des mächtigsten unter den Vögten, di« nach einer alten Bestimmung sämtlich den Taufnamen Heinrich erhalten hatten. Auf der Osterburg, dem Sippenmittelpunkt der Vögte, fanden unter der Führerschaft Heinrich» de» Roten" und seine» Vr-iderS, des „OrlamüuderS", die wich tigen Zusammenkünfte statt, die schließlich über da» Schicksal des Thüringer Vögtelandes entschieden. Denn hart um- stritten mar das Land nach dem Tode Heinrich Naive» (1247). de» letzten Thüringer La. dgrafen, der ohne direkten Leibes- erben gestorben war. Der damalig« deutsche Kaiser, der Hohenftaufe Friedrich II., statte zivar durch einen Machtspruch zugunsten de» Wettiners z.>einrichs deS Erlauchten entschieden; aber Papst und Pfaffen hatten den Kaiser formell »bgesetzt und einen Gegenkatser ernannt, so daß der Hohenstaufe, der überdies damals ln Italien kämpfte, seinen Willen nicht durch- drücken konnte. Auch im Vögtclande selbst gab e» zwei Par- tcien, von denen die eine für den Wettiner, die andere für eine streitbare Nichte Heinrich NaspeS, Sopbie von Brabant, eintrat. In einem siebenjährigen Kriege gegen Sophie mußte sich der Wettiner Markgraf erst den Besitz des Vögtelandes (Osttbüringens) sichern. Daneben gab's auch noch barte Kämpfe mit den zur Landplage gewordenen raublustigen Wenden auKzufechten. So berichtet denn der Osterburg-Roman von manchem harten Strauß, beleuchtet aber zugleich auch manch freundliches Bild von kirchlichen und weltlichen Festen, weniger »arten LicbeSbündnissen bei Ritters- und Bürger», lenten. DaS kulturgeschichtlich« Moment tst vom Verfasser mit besonderer Liebe und Treue, ja mit einer solchen Ausführ lichkeit behandelt, daß durch die Zustandsschilderungen der er zählende Faden des öfteren zerrissen wird. Trotzdem wird auch dieser Heimatroman als ein kerndeutsches, kraftvolle Bilder aus bewegter Vergangenheit zeichnendes Buch dem Leser viel« Freud« machen. Professor Felix Relchardt. Bei -en Samojeden in Sibirien. Bon Dr. Kat Donner. In -en Jahren 1911 bi» 1914 hat der Dozent a« ber Nrrl- versität Helsingfor», Dr. phtl. Kai Donner, mehrere Studien- r«tsen durch die von den Samojeden bewohnten Teil« de» nördlichen Sibirien» zwischen Ob und Jenissei unternommen, um di« verschiedenen Samoicdcnsprachen festzustellen und damit die Forschungen fortzusetzcn, di« in den dreißiger und vierziger Jahren de» vorigen Jahrhunderts sein berühmter Landsmann Castro» begonnen hatte. Mit großer Energie hat sich Dr. Donner diesem Studium unterzogen. Die erste Schmie- rigkeit für ihn bestaub darin, daß er selbst erst samojedlfch lernen mußte, um sich wenigstens notdürftig verständigen zu können, un- eS bei dem Kulturttcfstand dieser ausgesprochenen Nomadenvölker natürlich außerordentlich schwer war. einen geeigneten Lehrer unter ihnen »u finden. Da zum Erreichen seines Forscherzieles genaue Kenntnisse der Lebensweise -er betreffenden Stämme, ihrer Sitten und Gebräuche unumgäng lich nötig waren, verbracht« Dr. Donner mehrere Jahre trotz größter Entbehrung«» und Strapazen unter d«n Samojeden, lebte mit ihnen völlig als Ihresgleichen, begleitet« sie auf ibren Jagdzügen und Wanderungen und teilte getreulich mit ihnen Freud und Leid. Seine interessanten Erlebnisse und Er fahrungen tm Verkehr mit diesen noch ziemlich unbekannten Naturvölkern hat Dr. Donner tn einem kürzlich tm Berlage von Strecker und Schröder, Stuttgart, erschienenen, «ich illu strierten Buche „riet den Samojeden tn Sibirien" veröffent licht. In äußerst fesselnden Erzählungen schildert der finnische Gelehrte das Leben ln den unermeßlichen, nahezu menschen leeren Tundren jener weltfernen Gebiete am nördliche« Eis meer: er zeigt in packender Weise die vernichtenden Wirkung«» der Zivilisation auf dt« Naturvölker, wie die russischen Kauf leute die einst freien Samojedensamilien tn ihre Abhängigkeit bringen und sie rücksichtslos anSbenten und Ihren Zielen dienst, bar zu machen verstehen. Meist dem Trunk« ergeben, ver schleudern di« Samojeden alle», waS sie uoch haben, an ihre russischen Gläubiger und fristen dann unter harten LebcnS- bedingungen ein küm-merliche» Dasein, da» fle von Stuf« zu Stufe tiefer sinken und dann schließlich untergehen läßt; viele Stämme sind schon ansgestorben, ein Opfer der abendländische« Kultur. Boi grimmigster Kälte, die zuweilen SO Grad erreichte, hat Dr. Donner gewaltige Strecken im Schlitten »urllckgelegt, Hände und Füße sind ihm erfror«», aber unentwegt Hot er seine wissenschaftlichen Ziele weiicrvcrfolgt und sein« Arbeiten glücklich »um Abschluß gebracht. In buntem Wechsel enthält das Buch spannende ethnologisch« Berichte und ausgezeichnet« Naiurschilderung«», tn denen sich die Großartigkeit j«ner rauhen Naturgowalten glänzend offenbart. Der Verfasser tst ein Freund Deutschlands, ein Mann von vorzüglicher Beob achtungsgabe, der die reichen wissenschaftliche» Ergebnisse seiner Reisen gemeinverständlich Larzustellen weiß. DaS gut auSgestattete Buch wird dom, der sich für fremde Völker tnter- essiert, manche anregende Stunde bereitem WaltHerGchieck. Don Büchern und Ihre« Schöpfer«. ss Ei« Jnknnabeldnuk von Dante» Göttlicher Komödie von der italienischen Regier««« erworben. Die italienische Regierung hat für ISO 000 Lire von einem Antiquar einen In nnabeldruck von Dantes Göttlicher Komödie, 1491 tn Venedig gedruckt, mit reichen Miniaturen von Ptetro da Teghino, erworben. s"f Ein seltener literarischer Fund. In ber Stadtblbsiothek von Klagensurt hat Professor Dr. Wcnhardt Bruchstücke einer N i b e l u n g e n h a n d s ch r i f t gesunden. Der Ge lehrte glaubt, daß ste eine der ältesten Nibcliuigenhandschriften sei. die wahrscheinlich einem fahrenden Sänger gehört habe» dürste. . . .<
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