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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 28.07.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260728017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926072801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-07
- Tag 1926-07-28
-
Monat
1926-07
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 28.07.1926
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Mlwoch. rs. Juli isrs O Dresdner Nachrichten Nr. 34S Seil« L Ae Berliner Politik greift in Magdeburg ein. Der Druck ans -en Unlersuchungsrichker. Berlin. 27. Juli. Die „Boss. Zig - läßt sich aus Mägde- »iirg melden, bas, der UntersuchnngSrichter Dr. Kvlling heut« vormittag schon bereit gewesen sei, von seinem Amt« zurück- zutretcn. Es sei ihm aber vom gesamte« Präsidium deS Land» -erlchiS der Rücken gesteist worden. Man habe ihm bekundet, daß man das größte Bertranc« anch sernerhi« «ns seine Tätig» lcit setze. Daraufhin habe sich Dr. Kvlling entschlossen, sein ilmt als Untersuchungsrichter weiterzufithren. Der Vorgesetzte deS Kommissars ten holt, Kriminaldirektor Müller, der Leiter der Magdeburgischen Kriminalpolizei, sei beurlaubt worden. Man werde gegen ihn ein Disziplinarver fahren eröffnen, da er nicht nur für dt« Wahl ten HoltS ver antwortlich sei, sondern sich auch in den letzten Wochen ge weigert habe, gegen seinen Untergebenen irgendwie einzu- schreitcn. Die Aichler gegen -en Berliner Kommissar. Berlin, 27. Juli. Das „B. T." meldest aus Magdeburg: Die Magdeburger Mordafsäre hat heute mittag eine neue überraschende Wendung genommen. Die Sitzung deS Magde burger Richtcrkollcginms ergab, daß die Magdeburger Richter dem Untersnchnngsrlchter ihr volles Bcrtrauen aussprachen, «nd daß anch sic es ablchncn. mit dem Berliner Kriminal» kommissar RnSdors »»d dem Kriminalrat Galzow, sowie dem -riminalassistcnten Martini zusammen zu arbeiten. Parleipolttik in derMag-eburgerMor-sache Hörsing betätig« sich als Diplomat. Berlin. 27. Juli. Die Magdeburger Mord, dssäre, die unter allen Umständen zu einem politischen Kall gemacht und womöglich der ordentlichen Recht- sprechung entzogen werden soll, zeitigt merkwürdige Blüten. Jetzt sucht die Linkspresse sogar -en Gefängnisgeist lichen als Lockspitzel zu denunzieren, well er wiederholt Rudolf Haas in seiner Zelle besucht habe. Dazu habe er Haas auch auszuforschen gesucht, ob er nicht noch Gelbgeberdes Reichsbanners sei, oder zumindest Mitglied desselben. Sommiffar Holt wurde vor der Einleitung des Diszi plinarverfahrens gar nicht gehört, die Tatsache der Maß regelung gelangte vielmehr erst durch die Meldungen der Presse zu seiner Kenntnis. Die Maßregelung d«S Kommissars erfolgte hauptsächlich wegen der Amtshandlung im tschecho slowakischen Konsulat. Diese aber ist mit Wissen des Konsuls durchgeführt worden, der ganz entschieden erklärt, die Ehre des tschecho-slowakischen Staates sei durch sie nicht im geringsten angetastet worden, zumal er die Erlaubnis zur Amtshandlung erteilt habe. Holt hat nur eine bestimmte Spur verfolgt, was nicht nur sein Recht, sondern seine Pflicht war, keinesfalls aber als ein Verstoß gegen das Gesetz aufgefaßt werden kann. Auch von seiner diplomatischen Affäre kann Alle Bedingungen zum Dölkerbundsbeltrill ersültt. Lord ParmonrS verdienstvolle Anfrage. London, 27. Juli. sObcrhauö.) Die jüngste Aeußerung des Ministers des Aeußeren, Ehamberlatn, im Unter- Hause über die deutsche Entwaffnung dienten Lord Parmour zum Ausgangspunkte für die Einleitung einer Debatte über die auswärtige Politik im Oberhause. Lord Parmour erklärte, daß eS keine Angelegenheit gebe, der die öffentliche Meinung mehr -»gestimmt habe, als dem Wunsche, Laß Deutschland i« September als dauerndes Mitglied des Rates zum Völkerbünde ohne Reibung und ohne Bedingungen zugelassen werden soll. Der Redner bedauerte die Aeußerung ChambcrlainS, die keineswegs geeignet sei, im gegenwärtigen Zeitpunkte de« reibungslosen Eintritt Deutschlands z« sichern. Nachdem Lord Parmour auf den schlechten Eindruck, den die Aeußerung Chamberlains in Deutschland hervorgerufen hatte, hingcwiesen hatte, fügte er mit Bezug auf die gestrige Antwort Lord Locker Lampsons, in der dieser erklärt hatte, daß die Negierung die Lage nicht mit Beunruhigung betrachte, hinzu, er hoffe, daß cs in der heutigen Sitzung zum Wohle der ganzen Welt klar und frei znm Ausdruck komme« werde, iah keine Acnbernng in der auswärtige« Politik eingetrctc« sei, soweit diese a«f die von Chamberlain i« Genf eingenom- menc Haltung sich beziehe, baß die deutsche Entwaffnung voll» aus den Bedingungen entsprechend dnrchgcsithrt worde« sei und daß Deutschland ,« der Forderung berechtigt sei, Mitglied des Völkerbundes zu werde«. nach Erklärungen de- Kvnsularbeamten Janda keineswegs gesprochen werden. „ES handelt sich," so erklärt« er. „nur darum, baß wir pflichtgemäß von der Amtshandlung deS Kom missar- ten Holt unserer Vorgesetzten Behörde Bericht er- statteten. Richtig ist, daß ich mit dem Oberpräfidcnten Hörsing im Lause eines Privatgesprächs in einem Restaurant über die Sache sprach, und er seiner Entrüstuua darüber Aus druck gab. Am zweiten Tag ries er mich telephonisch an «nd bat mich, meiner Vorgesetzte« Behörde wegen LeS Vorfalles seinem Bedauern Ausdruck zu geben." Obcrprästden« Hörstng war aber zur Austragung einer diplomatischen Affäre — insosern eS tatsächlich eine solche ge geben hätte — gar nicht berechtigt, den« das ist Sache des Aus wärtigen Amtes. Die Verteidigung des Rudolf Haas verspricht sich von der Ausschaltung des Kommissars te» Holt eine rasche Abwicklung der Untersuchung, um Rndols Haas zu Beginn der nächsten Woche frei zu bekommen. Ueber die Hast- beschwerde hätte dle Strafkammer heute entscheiden sollen. Der Verteidiger des Rudolf Haas, Dr. Braun, ersuchte jedoch um Vertagung der Sitzung, da er zur Unterstützung der Be schwerde morgen neue Entlastungsbeweise unterbreiten will. Da die Prüfung der Beweise ein kurzes Ermittlungsver fahren erfordern wird, dürste die Entscheidung der Straf kammer. ob Rudolf Haas in Hast bleibt oder aus freien Fuß gesetzt werden soll, nicht vor Sonnabend, wahrscheinlich aber erst am Montag gefällt werden Ueber die Wetterführung der Recherchen bzw. über die durch die Maßregelung des Kom missars ten Holt geschaffene neue Lage fanden heute vormittag Verhandlungen tm Obcrpräsidium und im Polizeipräsidium ln Magdeburg statt. 7 RelchsbarmersmiklionSre verhafte!. Berlin, 27. Juli. Wegen deS UeberfallS a«s Mitglieder deS Bereins ehemaliger Heercsangehöriger auS Laer durch Reichsbannerleute der Ortsgruppe Langendreer sind auf Ver anlassung der Bochumer Staatsanwaltschaft 7 Reichsbanner- sunktionäre verhaftet worden. Lehrauftrag über Pazifismus für Schvcklng. Berlin, 27. Juli. Das preußische Unterrichtsministerium hat in der ErnennuugSnrkundc, die die Berufung Walter Schückings alS Professor des Internationalen Rechtes nach Kiel enthält, dem Genannten gleichzeitig einen besonderen Auftrag erteilt, über die „geschichtliche Ent wicklung der internationalen Friedensbewegung" zu lesen. Derbvl einer »ommunisttschen Zeitung. Jena. 26. Jult. Die kommunistische neue Zeitung in Jena ist auf Grund des Nepublikschutzgesetzes vom thüringische» Ministerium des Innern wegen Veröffentlichung des Ge dichtes: „Achtung, Hunde!" auf die Dauer von zwei Wochen verboten worden. . In Erwiderung dieser Anfrage sagte namens der Regie rung Lord Cecil: Wenn er recht verstehe, sei Parmour besorgt, daß irgendeine derartige mangelhafte Erfüllung der Entwaff- nungsvcrpflichtungcn durch Deutschland bestehe, daß die Ver mutung möglich wäre, daß cs die Vorbedingung für seinen Eintritt in de» Völkerbund nicht völlig erfüllt habe. Für Dentschland komme dies nicht in Betracht, da seine Verpflich tungen betr. Rüstungen von dem Berfailler Vertrage ab hängig seien. Die einzige Frage, die zu untersuchen set, sei die, ob die aufrichtige Absicht bestehe, tnternationale Ver pflichtungen zu beobachten. Zur Prüfung dieser Frage sei ein kleiner Unterausschuß gebildet worden, in dem Sir Austen Chamberlain den Vorsitz führte und der eine« Bericht der Botschafterkonferenz i j vor sich gehabt habe, worin erklärt würde, sie sähe keine« Anlaß, daran ,« zweisel«, baß Deutsch, land beabsichtige, seine internationalen Verpflichtungen -« beobachte». Die Entscheidung deS UnteransschnfleS. wo nach Dentschland alle für die Mitgliedschaft zum Völker bünde notwendigen Bedingungen erfüllt habe, sei weiter hin gültig «nd sei in keiner Weise zweifelhaft oder ad- geändcrt worden. Was EhamberlainS Erklärungen tm Unterhaus« angehe, so habe er Locker LampsonS abgegebenen Erklärungen nichts hinzuzufttgen, nämlich, daß es zwar richtig set, daß noch immer Fragen unerledigt seien und baß die Regierung das bedauere, daß diese Fragen aber nicht derartig seien, daß sie der Regie rung irgendwelche Besorgnis tm Hinblick anf die Erfüllung der Verpflichtungen Deutschlands cinflössen. lW. T. B.j Eoolidges Mahnung an die Europajahrer. Reuqork, 27. Jult. Wie „Associated Preß" aus Paulsmith meldet, hat Coolldg« der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die ins Ausland reisenden Amerikaner aus die Lage der von ihnen besuchten Länder Rücksicht nehmen und sich nicht zu un berechtigter Kritik oder zu irgendwelchen Anschuldigungen hin- reißen lasten. In amtlichen Erläuterungen über den Standpunkt des Präsidenten wird nicht unmittelbar aus die Demonstrationen gegen reisende Amerikaner in Frankreich Bezug genommen. ES wird darauf hingewiesen, daß die Vereinigten Staaten von dem Wunsch erfüllt seien, mit sämtlichen Auslandsmächt.'n weiterhin freundliche Beziehungen ausrechizucrhalten. Alan glaubt nicht, daß die Haltnng unverantwortlicher Personen allzu ernst genommen werden solle. Amerikantsche Besprechungen über bte Schulden« frage. Reuqork, 27. Juli. Präsident Eooltdge hat den früheren amerikanischen Botschafter in Rom Child zu einer Besprechung über die europäische Lage und besonders Uber die Schuldenfrage eingeladcn. Amerika und die Rede Professor Barnes'. Neuyork, 27. Juli. Die Berliner Rede Professor Barnes' über die Kriegsschuldlüge hat in Kreisen Amerikas größte Beachtung gesunden. Die deutschfeindlichen Blätter haben jedoch seine Ausführungen mit keinem Worte ermähnt. Viele amerikanische Blätter weisen darauf hin, daß über die Rede noch eine eingehende Auseinandersetzung in der amerika nischen Öffentlichkeit stattstnden werde. tT.-U.j Verlängerung -es Ausnahmezustandes in England. London» 27. Juli. Im Unterhaus« wurde gestern nach, mittag eine Botschaft des Königs verlesen, durch die der Aus nahmezustand für die Dauer des Sonsliktes im Kohlenbergba» erklärt wird. « Generalsekretär Cook ist gestern von seiner Propaganda- reise nach dem Midlandbeztrk wieder nach London zurück gekehrt. Nach seiner Rückkehr erklärte er, baß die am Frei- tag zusammentretende Vertreterkonferenz einmütig die Politik des Vollzugsausschusses guthcißen werde, das heißt keine Lohnrednziernng oder verlängerte Arbeitszeit an nehme« werde. Die Wirlschastskrlse in Italien. Eine Mahnung Mussolinis. Rom, 27. Juli. Im Gegensatz zu den optimistischen Darstellungen deS Finanzmiknsters Bolvl scheint Mus so. ltnt selbst üte gegenwärtige Wirtschaftskrise tn ihrer ganzen Schwere zu erkennen. Tatsächlich wird Lurch die Aktivität des Staatsbudgets die Passivität der Handels- bilanz in keiner Weise berührt, und die Rückwirkung dieser Passivität auf die Gestaltung des Lirekurses oder auf die kritische Lage der Industrie und deS Geldmarktes in keiner Weise abgeschwächt. Mussolini hat de« Generalsekretär der Partei. Tnratti. anSdrücklich angewiescn. ans de« einzelne« Kongreste« der Partei z« betone«, daß die von der Ne gierung «nternommeno Sanierunasaktiou ent» scheidend für die Entwicklung deS faschistischen Regimes «nd de« Bestand der faschistische« Revolution lei. Italiens Vermittlerrolle im bessaradischen Slreik. Ei« angebliches russisches Angebot. MoSka«, 27. Juli. In politischen, dem Außenkomuttstariat nahestehenden Kreisen, wird die Frage der Vermittlung Italiens in -er bestarabischen Frage weiter erörtert. Wie verlautet, hat LaS Autzenkommistariat den Versuch. Italien an dieser Frage zun interessieren, auch angesichts der gegen- wärttgen offiziell ablehnenden Haltung Italiens nicht aufgegeben. Wie weiter verlautet, wird die Sowjet- regicrnng Italien materiell interessiere«, indem sie Italien sür den Fall der erfolgreiche« Regelung des rnssisch-rumäni, scheu Konfliktes eine Konzession am Donetz-Bassi» oder im Süden Rußlands anbictet. Sriechisch.jugoslawische Einigung über Saloniki? Belgrad, 27. Jult. An gutinformierter Stelle wird mit Bestimmtheit erklärt, daß die griechisch»jugoslawische Bcr- ftändignng über die Freizone im Hase« »o« Saloniki «nd die Eisenbahnlinie Gjevgcli—Saloniki schon herbeigesührt sei und nur noch die Unterzeichnung der Protokolle zu erfolgen habe. Deutschland im Urteil der Botschafterkonferenz. Ach du, mein Land Tirol! „ES blulete der Brüder Herz, Ganz Deutschland, ach, in Schmach nnb Schmerz, Mit Ihm sein Land Tirol!" Wie oft haben wir wohl alle das Lied gesungen, ohne zu ahnen, wie bald und schrecklich dle Zeit -er Knechtschaft für unser liebes Tirol wiederkommcn sollte. Wer heute htn- kommt und als Bruder mit dem Tiroler Verbindung sucht, lernt bald verstehen, wie wahr es spricht, aus wieviel Wunden bas arme Land blutet. „Schicken Sie u»S doch bitte recht viel« Sachsen Herl" Ter Abschicdsgruß der Sennerin einer der größten Tiroler Alpen, die uns Sachsen allen durch den Aufenthalt unseres Königs Friedrich August wohl bekannt ist, klingt mir noch immer i» den Ohren. Nicht nur alte Anhänglichkeit sprach aus den Worten, sondern die Ltebe und Treue zum an gestammten deutschen Vaterland«. Schwer leidet die Frau mit ihrer Familie, der Sohn seit Jahr und Tag beim Militär, ein Pflegekind in der italienischen Schule. „Und wir sind doch Deutsche, deutscher als je, sie können machen, was sie wollen. Wir hatten schon beschlossen, alles zu ver- kauscn, nach Dentschland zu ziehen! Wann kommt Ihr denn, uns zu Helsen, mir warten so sehr!" Armes Deutschland! Wie »neiidlich reich bist du doch noch, bei so viel Liebe und Glaube» an dich! Wenn in unserem engeren Vaterlande nur halb io viel davon herrschte, wie anders würde es dann heute bei »nS auöschauen. „Viermal hat der Sachsenkönig bei nnS gewohnt, bescheiden, wie er immer war, in dieser kleinen Sülle, mit allem zufrieden, mit jedem freundlich", sagte die Kra». ,Hch wollte ihn schon gern einmal grüßen lasten, aber wie?" — So schrieben wir denn eine Ansichtskarte, strahlend die schlichte Bäuerin einen herzlichen Gruß darunter. „Aber ich stisie die Karte, Sie dürfen nur das Porto tragen." Um ihr die Freude zu lassen, wurde es fröhlich angenommen und aus der Karte vermerkt. Unser König wird sich sicher, wenn die Karle in seine Hände kommt, der dankbaren Erinnerung seiner geliebten Tiroler freuen. So saßen wir noch ein Weilchen beieinander, inmitten -er blühenden Miesen bei einem Viertel Roten. Der alte Schiern sah majestätisch, wie vor 1M0 Jahren, herab, äußerlich nicht anders als vor dem Weltkriege, und doch, wo sind di« alte Tiroler Fröhlichkeit und der Ucbermut geblieben? Ernste, traurige Gesichter, stilles, gebeugtes, heldenhaftes Tragen sind an seine Stelle getreten. Wir plauderten über die Landes- Verhältnisse. „Gröden, sa, das war früher mehr italienisch, jetzt sind sie dort so deutsch wie wir. Aber nirgends kann man seinem Herzen freien Lauf lasten, überall sind wir von Spitzeln umgeben, sogar unter den Landsleuten und Reisen, den sind st« vertreten." Armes Volk, inmitten all der Pracht und Herrlichkeit der Erd«, mit tausend Blumen lieblich übersäten Almen, der leuchtenden roten Alpenrosen und blauen Enziane. Das Her» blutet, wirb es je gestillt werden, oder verbluten wüsten? Wir fahren nach Bozen zurück. Am Bahnhof steht ein Krüppel, den Leierkasten drehend, um eine tzsabe bittend. „Geben Sie ja nicht alles einzelne Geld," flüstert mir ein Arbeiter zu, .der Schaltcrbeamte wechselt oft nicht!" Ich hatte kein einzelnes, mußte deshalb statt zwei Lire fünf be zahlen, sonst hätte ich Lableiben müssen. „Ja uns Arbeitern, uns nehmen sie noch di« letzten Pfennige, die wir so sauer und schwer verdienen müssen. Ja früher, früher war'S anders! Wir waren anch arm, aber frei, glücklich und zu- frieden. Na, denen kommt -er Tag auch noch, ob wir'S er. leben, oder unsere Kinder!" Im Zug kommt die Fahrkartenkontrolle: auf italienisch wird die Karte verlangt. Ich verstehe natürlich nichts, die Arbeiter um mich auch nicht! „Bitte, Fahrkarte," wendet sich der Beamte höflich an mich, sie wird kontrolliert, dann barsch auf italienisch dieselbe Aufforderung an die eingeborenen Mit reisenden: mürrisch werden die Karten geholt und gezeigt. Bozen, das liebliche Bozen, steht heute, das merkt man gleich bei der Ankunft, im Zeichen besonderer Vorbereitungen. Der Mittelbau des Bahnhofs ist geräumt, Purpurvorhänge schmücken den Hanpteingang, auf dem Dache prangen Stern und Insignien des italienischen Königshauses, Trikoloren in schwerer Meng« werden geschleppt, elektrische Beleuchtung, wohl zu Jlluminationszwecken, wird rund am Gebäude ge legt. Im jetzigen Schalterranm, dem Ostbau, wird alles übereinander in der einen Eck« verstaut. Ein« Menge Arbeiter sind bemüht, di« Stell« zu umkleiden, große Reklame- bleche werden darum gestellt. Nach etwa drei Stunden ist man fertig. Einer der Arbeiter erkennt mich wieder, hatte ich doch im Anfang zugesehen, wie man ihnen kommandierte. „Na," sagte er höhnisch, „haben wir das nicht fein gemacht?" Alles lacht vergnügt ob ScS Witzes. Unter -rückender Hitze gehe ich zur Wassermaner, vm Abschied zu nehmen vom lieben Rosengarten, dabei gedenke ich eines Abendspazierganges dort, vier Wochen vorher, als, am glühenden Berge vorbei, fröhliche Schulklassen marschierten. „Das Wandern ist LeS Müllers Lust" und „In -er Heimat ist eS schön," erklang aus den frischen Kehlen der deutschen Schuljungen, allem Zwange zum Trotz. Ich setze mich auf eine Bank, dem Rosengarten gegen- über, neben einen alten Herrn. „Haben Sie eS schon gesehen, wie sie »ovbereiten. Der König kommt, wir sollen ihm huldigeni O ja, e» wird schon, aber nur äußerlich! Wenn er wüßte, wie eS inwendig ausschaut, er käme nicht! Sehen wird er von nnS Deutschen niemanden, das können Sie gewiß sein." Tränen rinnen dem Greis in den Bart. ,Hch erlebe ihn nicht mehr, den Tag der Freiheit, aber Ihr, Ihr sollt helfen, daß ihn mein« Enkel erleben! Drei Millionen kostet der Empfang, und wir. die wir so arm geworden sind, kaum noch Luft haben -um Atmen, wir müssen das Geld aufbringen I" Der Walierplatz scheint »um Haupt empfang auSersehen z« sein. Tribünen werden gebaut, an einigen Gaststätten prangt schon der Stern tm grünen Gewinde. Walter von der Äogclweid« steht in eherner Ruhe und sieht dem Schau spiel zu. Um ihn herum wird sich die Hauptfeicr vollziehen, er aber wird alle um ihn aufgestellten Ehrenbogen usw. über ragen und künden, -aß -er Boden deutsch ist und hoffentlich auch deutsch bleiben wird. Wehmütig gestimmt, nicht nur, weil eS gilt, von dem herr lichen Erdenfleckchen und meinen so geliebten Bergen für ein Jahr Abschied zu nehmen, gehe ich zum Bahnhof zurück. Der Rom—München-Aug Hai Verspätung. Der Bahnhof wimmelt von Militär, alle Gattungen scheinen vertreten. Neben mir steht eine Landfran in Tracht, eine der wenigen, die ich noch sah. „Bleiben Sie denn nicht zu dem großen Tage?" fragt sie vorsichtig. Ich muh lächeln, und verneine. Darauf traut sie, ihrem Herzen Luft zu machen: ,Hns wttschtcschtc Gcberg mecht i lieber gehn, alS den Tag in Bozen zu verlebcnl Uns die Schand' anzutun, daß wir das erlenn müssen!" Sie kann aber nicht anders, muß noch einen Witz machen. „Schan's, er ischt halt su a gar kloans Mannderl, drum ham's ach nur a su e kloans Türl gelassen," flüstert sie mir, auf die Purpurumkletdung des Portals zeigend, zu. Der Zug läuft ein, -er Faschistengruß wir- fleißig ge grüßt. — Wir steigen ein. — Mit blutendem Herzen, ob des großen Leides der deutschen Brüder hier unten, nehme ich Abschied von meinen Bergen. „Bis auf nächstes Jahr!" grüße ich den Rosengarten zum letzten Male. — „Bleibt deutsch und treu!" die Bewohner -es Tiroler Landes, „wie eure Väter l" Schön, zauberhaft schön, sin- und bleiben -t« Dolomiten Mt ihren sagenhaften Gestalten, ihrem schroffen Gestein, zn dessen Füßen und anf dessen Pässen lieblichste Matten, Tausende von leuchtenden Blumen blühn! An dessen Hängen uralte Lärchen dem Wanderer Schatten spenden, auf deren saftigen Almen friedlich läutend das Bich weidet. Friedlich und still bieten die, von der Dolomltenstraße Mt ihrem internationalen Autoverkehr abltegenden Ort schaften dem Müden Rast und Erholung. Gehegt und ge.
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