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MM, 7V. Jahrgang. ALS Mittwoch, S. Januar 1S2S „ »voll. Gegründet 1838 XLKL0.8cttOX0t^vk EXk omiama 6nms gsgs-, 1638. ««E,««», und SS 42 BM»> „>> Ute»Ich » m Dre,d«». V»Wch«»»Ä»nr« lOVS Dr»»»«». Bezugsgebühr Anzeigenpreise. Aachdnx» nur m» ixuttlchn au»ll«nan«<>d» ,.Dr»«dn»r Nachr », »uliWg. Unv»rlangt» SchnIMU», wrrdm n,ch> -uN-nvakN. Die Tonbonmere Julius Dorneslines Weinrestaurant unci Kabarett Niigsl Klsno» «1«»» Mv«»»»«» prsgsr Slrsks S (kingsng Vovk) Die Aufdelkuns der Banknoten-AUre. Dolles Geständnis -es Prinzen Win-ischgrah. — Verhaftung politischer Persönlichkeiten. 25 Millionen Wasserschäden in -er Rheinprovinz. — Neuer Dammbruch in Lolland. — Reist nicht nach Italien! Vor neuen Sensationen. Budapest, 5. Jan. In der FrankenfälschungSangelegen. heit werden neue sensationelle Enthüllungen und Verhaftungen erwartet. Seit heute mittag stehen 18 Personen, die im ungari schen GcscllschaftS» und politischen Leben eine hervorragende Rolle spielen, unter ständiger Polizeiaufsicht, da sie der Mit» schuld an den Fälschungen verdächtig sind. Die Listen dieser hochgestellten Persönlichkeiten haben die sranzöstschen Detektive aus Holland mitgebracht, da, wie jetzt bekannt wird, Oberst Jankowitsch vor den holländischen Behörden ei«, «msassendeS Geständnis abgelegt hat und alle seine Mit schuldige« namhaft gemach« hat. Die bevorstehenden Sen- satlonen werden auch von dem Abgesandten der Bank van Frankreich, Emery, bestätigt, welcher Joiiriialisten heut« mittcilte, er könne aus Grund seiner Vereinbarungen mit der ungarischen Polizei keine konkreten Angaben machen. Soviel könne «r aber verrate», -ah mit den bisherige» Maßregeln die Frankensälschungsangelegenheit noch langje nicht erschöpft sei und dast man für die nächste Zeit weiterte Ucbcrraschnngc« erwarte« dürfe, die die bisherigen noch weit ÜVertresfön werde«. Ucbcr die Personen, um die eS sich handelt, sind die ve.r> schiebensten Gerüchte im Umlauf. Heute mittag wurde Prinz Windischgrätz einem neuen Verhör unterzogen. Vor mittags bereit- hatte er ein tcilwciseS Geständnis abgelegt und der Polizei neues wichtiges Material geliefert. Er gab zu, es tut- sächlich übernommen zu haben, „im Dienste einer patriotischen Sache die Aktion dcS Obersten Jankowitsch zu fördern". Seltne Nolle habe aber nur darin bestanden, dast er die Soften zur Errichtung der für die Fabrikation der falschen Noten er forderlichen SNcrkftätte deckte. In den NachmittagSstunden bat Prinz Windischgrätz ein volles Geständnis abgelegt und mitgetctlt, wie die Fälschung dnrchgcMhrt wurde, und auch die Namen derjenigen genannt, mit denen, ge meinsam der Plan entworfen wurde, sowie auch die Numen derjenigen, die bei der Durchführung deS Planes mitgchvlfen haben. Daraushin gab heute die Staatsanwaltschaft der Ober- stadthauptmannschast Weisungen, um die von Windischgrcitz ge- nannten Personen sofort der Polizei vorzusühren. DaS Verhör dauerte zwei Stunden lang, worauf beim Ministerpräsidenten eine Konscrenz stattsand, au der die zu ständigen Minister und die Leiter der einzelnen Nessortö teil- nahmcn. In dieser Konscrenz wurde beschlossen, daß die weitere Untersuchung von der Staatsanwaltschaft geleite« wer den soll, da anzunehmen ist, dab sich die Polizei mit Rücksicht aus die Molle ihres obersten Leiters in der Fäljchungs- ongelcgcnheit besangen zeige. Den Zeugenaussagen zufolge soll ei» in der Kartographischen Anstalt beschäftigter Drucker namcnS WladiSlaus Spanring die Noten hergcstcllt haben. Epanring ist aber seit einigen Lagen unauffindbar. Es wurde sestgcstellt, dast er in den letzten Monaten viel Geld verausgabt, feine Wohnung neu eingerichtet und lebhaft am Vuüapester Nachtleben tcilgenomineu hat. „Esti Courier" meldet, dast austcr den Banknoticn auch andere ausländische Valuten gefälscht wurden. Die! Unter» fuchungcn der Polizei haben aber noch kein konkretes Er- gebniS gezeitigt. Heute hatte der MinisterprLisibent Gras Bethlen mit dem Franzosen Emery «ine Be sprechung. Emery sprach der Negierung seinen Dank für die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung aus und stellte dem Ministerpräsidenten ncucS Material zur Verfügung. Später erschien Emery auch ans der Polizcidircktion und beriet längere Zeit mit dem Polizcichef. Nach dieser Besprechung verliest ein ganzer Schwarm von Detektiven daS Gebäude des Polizci- birektortumS, um auf Grund des von Emery zur Verfügung gestellten neuen Materials die entsprechenden Beobachtungen zu machen und sonstige Berküaungen zu »ressen. Ucber die Sch nldendeS Prinzen Windis chx» rSh wird aus Budapest berichtet, daß er einer Budapest« kstank 58 MN englische Pfund und «j»em ausländischen Jnstiitut 200 000 Dollar schuldet. Bor zwei Jahren lieh sich Prinz SUndischgrätz von einem bekannte» Pariser Jnivclcnhändlcr 560 0011 Fran ke», die er bis heiite nicht zurückzahlcn konnte. Seine Gc- scmtschnlben bclansen sich aus Uber 8 Millionen Mark. Windischgrätz steht im übrigen icit eineinhalb Jahren unter Kuratel, da er sein Vermögen dnrchgrbracht hat. Seine Frau, eine viclbcwunderte Schönheit, sandte er mit feinen Kindern nach dem Schlosse Sarospatak. ES wird be hauptet, bah diese völlig mittellos sind. Weitere Jeuftenaussagen. vndapek. 5. Jan. Im Laufe des NachmiiltngS wurden in der FälschungSangelegenhelt durch die Polizei weitere Lengen vernommen. Der Chauffeur best Prinzen Windischgrätz hat auSgesagt, dast der Prinz und sein Sekretär häufig in entlegene Stadtteile gefahren wären, dort den Wagen an einer stillen Straf,e hätten halten lassen und dann in irgendwelche Nebenstrastcn verschwunden wären. Tie andere Aussage stammt von einem Journalisten, den Prinz Windischgrätz beauftragt hatte, tn Wien wegen einer Anleihe zu verhandeln. Gegen Weihnachten habe der Prinz dann seinen Auftrag zurückgenommcn. offenbar, da er bereits die Mitteilung erhalten hatte, dast die Placierung der falschen Franken »oten geglückt sei. Wie be kannt wird, hatte der Prinz bereits fällige Schulden in Höhe von 5 Milliarden ungarischen Kronen. Der Polizelchef Rados'y verhafte!. W'cn, 5. Jan. Der LandeSpolizciches Nadossy wurde heute abend, wie die „Neue Freie Presse" auS Budapest mel det, verhaftet. Seine Festnahme erregt noch mehr Aus sehen als die deö Prinzen Windischgrätz, da er sich allem An schein nach nicht nur der Vorschublcistung, sondern der direk ten Beteiligung an der Fälscherei schuldig gemacht hat. Auch der Abg. Ulatn ist heute verhaftet worden. Außerdem wurde der pensionierte Beamte Eugen Olchvary in Haft genommen, der ein Bruder des gestern in Hamburg verhafteten Edmund Olchvary ist, und mit ihm in ständiger Verbindung stand. Wie verlautet, ist die strafgerichtlichc Untersuchung wegen Verbreitung falscher Noten gegen Kaspar Kovacs und DesiderRaba eröffnet worden. (W. T. B.) Gefälschte Vankno!en auch in Serbien. (Durch Funksvruch.i Belgrad, 5. Jan. Die Polizei verhaftete gestern in einem dalmatischen Lokal einen Man» »omenS Mate Madronitsch, welcher einer brr Hauptvcrbrcitcr von gefälschte« Tauscnd- Dinarnotc« im Königreich der Sttdslawcn war. Die Polizei ist anderen Mitgliedern der Bande auf der Spur, die die falschen Noten vertrieben Die Untersuchungen ergaben, dast die gefälschten Noten von der neuerdings in Ungarn entdeckten Gehetmorganisation gedruckt wurden. <W. T. B.s Der Dudopefter kranzSsttche Nelon-le in Paris. Paris, 5. Jan. Der französische Gesandte tn Budapest ist eute in Parts eingctrosscn und erstattete sofort Briand einen Zertcht über den Stand der Untersuchungen in der Notcn- sälscherangelegcnhcit. Die französische Presse verzeichncte die Nachricht von den Vcrhastungen sührender Persönlichkeiten In Budapest mit Genugtuung und stellt fest, dast die ungarische Negierung nach anfänglichem Zögern sich nunmehr zu energi- schem Vorgehen entschlossen habe. Der „TempS" lobt den Haltungswechsel der Regierung. Durch die Festnahme deS Prinzen Windischgrätz und anderer hochgestellter Persönlich- ketten habe man einem Staatsstreich vorgcbcugt, durch den der Er, herzog «lbrecht aus den Thron gebracht wer- den sollte. jTU.) DailknvkrlMfchrrria und Oberste Keeres- lellurrq. Berlin, 5. Jan. Aus Kreisen des etnslism deutschen Genera Ist ab eS dcS Feldheeres wird daraus hi »gewiesen, dast di« Pariser Detektive, die den Mrdapcster Spuren der Frankensälschungsangclcgenhcit nachgchcn, die Behauptung a»Sstr«uen, dast der deutsche Generalstab währen- des Krieges rumänische und italienische Banknoten habe fälschen lassen wollen, um auf diese Weise die Valuta dieser Länder zu ruinieren. Ludendorff hätte damals auch fran zösische Frankcnnoien fälschen lassen wollen, ivaS aber durch Hindewburg verhindert worden sei. Da dies« Verleumdungen auch in einen Teil der ungarischen Presse übergegangcn sind, wird folgendes festgestellt: Die Oberste Heeresleitung ist allerdings während dev Krieges verschiedentlich von Finanzsachverständigen aus dieses Mittel zur Schädigung nicht ctrva der unbeträchtlichen italie nischen und rumänischen, auch nicht der kaum beträchtlicheren französischen, sondern der englischen und amerika- »ischc» Währung hingewtesen worden. Die Oberste Heeres leitung hat jedoch dieses KricgSmittcl rundweg abgclchnt «nd ist niemals auch nur in Erwägunge« über ferne Anwendung eingetreten. ES kann auf das bestimmteste versichert werden dast in keinem einzigen Falle im Auftrag« der Obersten Heeresleitung Vorbereitungen irgindivelcher Art zur Fäl schung auswärtig«! Valuten getroffen uwvden sind. Die NiesensSlfchunge» in London, Amsterdam und Budapest. Conan Donle schildert in einem seiner international be rühmt gewordenen Kriminalromane eine umfangreiche Geld« sälschung, die zum Nachteil der Bank von England begangen wird. Die Regierung und die Nankleitung zittern vor einer drohenden inflatorischen Entwertung des Pfundsterlings. Da erscheint Schcrlock Holmes als Netter und bringt mit seinem gewohnten abgrundtiefen Scharfsinn die Verbrecher hinter Schloß und Nicgcl. Englands Währung ist gerettet. Wer das liest, ist dcS Glaubens, dast hier die Phantasie mit weit gespannten Flügeln in daS Reich der Unwirklichkeiten ent wichen sei. Und doch wird alle schriftstellerische Erfindung weit in den Schalten gestellt durch das, was jetzt an nackte» Tatsachen in London. Amsterdam »nd Nudapcst ans Tages licht gekommen ist. Auch in Deutschland haben mir nicht lange vor dem Kriege einmal eine große Fälscherasfäre gehabt. Ein Angestellter der Reichödrnckcrci namens Griinberg, dem die Vcrbrcnnnnq der wegen leichter, dem Laicnauge gar nicht er kennbarer Fehler zur Vernichtung bestimmten, neuher- gestellten Noten oblag, hatte, begünstigt dnrch eine mangel hafte Kontrolle, die auf seine vermeintliche völlige Ver trauenswürdigkeit zurückzuführen war, eine erhebliche Menge solcher Scheine an sich gebracht und allmählich nmgesetzt. Die Entdeckung erfolgte dadurch, dast ein Kassierer der NcichSbank zwei Noten mit gleicher Serlenbczcichnung und gleicher Nummer in Sie Hände bekam. Der Schuldige beging SclbB» mord und sein Verbrechen wurde Gegenstand eines spannen den Kriminalromans. Ter Fall bildete damals eine un geheure Sensation und war doch nur eine Kleinigkeit im Ver gleich mit dem. was sich fetzt vor Ser staunenden Welt im Film der Ereignisse abrollt. Gegen Ende deS Vorjahres wurde tn London ein Nest non Fälschern ausgchoben. die in einer mit allen Mittel» modernster Technik ausgerüstete» Wcrkstätte portugiesische Noten hcrstclltcn und in Verkehr brachten. Die Bande hatte, als sie unschädlich gemacht wurde, das kleine Land Portugal bereits mit ausgercchnct 60 Millionen Goldmark falschen Geldes überschwemmt. Schon der Summ« wegen verdient diese tn ähnlichen Ausmaßen noch nie dagewescne Gaunerei den Namen der größten Banknotcnsälschung seit der Ein führung des Papiergeldes. Außerdem steht sie aber auch auf der Höhe kriminalistischer Sensation wegen der sozialen Stellung Ihrer Urheber und wegen dcS Zweckes, der damit verfolgt wurde. Die Leiter des Schwindels waren nämlich die Direktoren zweier hervorragender portugiesischer Geld- institute, der Banken Metropole und Angola tn Lissabon. Die Agenten, welche die Noten nach Lissabon schafften, reisten mit vorzüglich gefälschten Diplomatenpässen und entgingen so der Durchsuchung ihres Gepäcks. Die verhafteten Direktoren behaupten steif und fest, daß sie im vollen Einvernehmen mit der portugiesischen Staatsbank gehandelt hatten,- man habe eine Inflation Hervorrufen wollen, um dem hartnäckigen Geldmangel, an dem die portugiesischen Kolonien leiden, auf solche drastische Weise abzuhelsen. In Lissabon selbst hätten die Scheine nicht abgcsctzt werden können, da cs dort nicht möglich gewesen wäre, eine so gesteigerte Tätigkeit der Noten presse zu verheimlichen. Die Verhafteten geben eine Fälschung Überhaupt nicht zu, sondern erklären, die Scheine seien ,^cht", da ihre Herstellung mit Einwilligung der Lissabon« Staats bank und mit deren eigenen technischen Mitteln erfolgt sei. Auf das Ergebnis der schwebenden Untersuchung darf man also angesichts dieser „Ucbersälschung" mit ihren mehr als romanhaften Begleiterscheinungen lebhaft gespannt sein. Nicht minder sensationell, wenn auch der Summe nach nicht so „großzügig", ist die zweite Fälschung, die in Budapest und Amsterdam in Szene gegangen ist »nd die stark aus das politische Gebiet übergrcist. Wenn man de» abenteuerlichen Plan, dessen Aufdeckung in Amsterdam «folgte und dessen Wiege in Budapest gestanden hat, in seinen psychologischen Urgründen erfassen will, so must man sich in die Geistesver fassung der Magnatcnkaste versetzen, die vor dem Kriege in Ungar» daS Heft i» der Hand hatte und deren Vertreter dann von der Höhe eines zum Teil fabelhaften NeichtumS in die Niederungen völliger Verarmung hinabgcstürzt wurden. In Deutschland hat sich diese soziale Katastrophe vcrhältnismqKig rasch und ruhig vollzogen: die von hartem Schicksal betroffenen Kreise haben sich tm allgemeinen, gestützt aus eine disztplt«