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70. Jahrgang. Z» »4 Donuerokag, ri. Januar INS „ svsai. so sn. Bezugs-S«büh, Lau» >L0 Muek. SckrNsrttmw RRd » »i«t«N«>« SS/-»L ». B«»», «» N»«,» » »«a«r»« » P«tUch«<»-aoiUo I0SS Le«»«». »«chdru» »« «t, »«aUch» LueUenongild» .Dr«dn«r iloa>r' stiNMto Unoerlnnal» SchrEita» «erden nrcdi uuIdemadN. Julius ^euriek NUS«, ^27 p'-no- prsgvss Strsks S (kingsng l^usikksu» Soek) I//VS «FV0 ^ksnsporlsbl« Hercle IN Sek"n,»ü»o>»»n unc» Su0 - s»vo-»u,r« k»»vr«»»l« k>r«I«>ac»r-ta unct prastlinsli» Siactslurigntrarck« floiisn Lroekvkts Usektolgek »L:' Orsaetsn-^, DüpfsrntrslZ« S. 13. IS Frankreich verleugnet Locarno. Keine Herabsetzung -er Desahungssliirke.—Die kommende Besprechung Chamberlain-Brland. Freispruch im Münchner Prozetz. - Das Buch -es Prinzen WindischgrSH vor -em Berliner Kammergerichk. — Amerikanische Anmabuug. Anmatzen-e Sprache -er Kavas-Agentur. Paris, 20. Fan. Der Londoner Berichterstatter der Agen tur -Havas spricht über die vermutlich erst Anfang Februar staltkindcnde Zusammenkunft zwischen Chamberlain und B r i a n d. Drei Fragen seien eS, die zu bcsvrechen seien, die Ausführung der Entwassnungsbcstimmungen Deutschlands, die Lage, die geschaffen werden müsse, im Augenblick wo dieKontrolle der Interalliierten Militärkonimission aufhöre, und die tton- trollbesugnissc aus den Völkerbund übergingen, und schließlich die Frage der Kontingente der alliierten Truppen sitr die be setzten Gebiete. Ucber die Frage des Uebergangcö der Kontrolle auf den Völkerbund habe bereits ein Meinungsaustausch zwischen den Alliierten stattgcfunden. Fm Iabrc 1021 habe der Völkerbund bereits ein Snstem auSgearbeitct. gegen das Deutschland aller dings protestierte. — Was schließlich die dritte Frage anlange, so erwähnt Havas den Protest des deutschen Botschafters in London und schreibt: Vor dem 15. November sei tatsächlich in der 2. und 8. Zone nur eine Truppenstärke von k5000Mann gewesen. Wenn man sich also strikte an die These halten wolle, könne cs sich nur um eine Herabsetzung um lliooo Mann handeln. Außerdem sei noch zu ermähnen, datz die Alliierten hinsichtlich der Zahl der Besatznngstruppen durch keinen Vertrag gebunden seien, datz sie sic erhöhen ober herabsctzen könnten. Deshalb sei es möglich, datz mau den deutschen Eiuwand berücksichtige. Aber man könne weder in London noch in Paris zugeben, datz es wichtig sei, dieser Frage eine sehr baldige Lösung zu geben. Die französische, belgische und englische Negierung hätten sich endgültig über die Verteilung von 75 000 Mann ge einigt Für den Augenblick bleibe man daraus bestehen. lE'.s Die Abmachungen von Locarno scheinen für die Agentur -Havas nicht zu bestehen! Berlin, 2l>. Fan. Zu der Harms Meldung Uber die Be- satzungsstürkc erfährt die T.-ll. von unterrichteter Seite fol gendes: Die Behauptung, datz die ResatzuugSmächte sich end gültig aus die 75 00N Mann geeinigt hätten, trisst » cht zu, zumal der Havas-Vertrctcr selbst erklärt, daß diese Frage erst noch bei der Durchreise Chamberlains durch Paris zwischen dem englischen Außenminister und Briand besprochen werde. Auch die Verhandlungen, die durch die Vorstellungen der deutschen Botschafter eingcleitet worden sind, sind »och nicht abgeschlossen. Rislrer ist die Zusage gegeben worden, daß am 1. April eine -Herabsetzung um 5000 Mann einlrttt nnL daß bas Kontingent dc^ verheirateten Unteroffizier« von zwei Drittel auf ein Drittel herabgesetzt wird. Die deutsche Neg crnng gibt sich aber mit dieser Zusage nicht zufrieden. Wenn -Havas behauptet. Deutschland habe in der zweiten und dritten Zone lm Frieden selbst 85 VOO Mann unter halten. so wird, im Gegensatz zum Versailler Vertrag, das Saargcbiet eingerechnet, e!» Versuch, den sich die deutsche Negierung nicht gefallen lasse» kann und wird. Au der Be- Häuptling von Havas, daß die Alliierten sich nicht vertrag lich zur Herabsetzung der Besatzung verpflichtet hätten, ist daraus hinznwci-sen, daß in der von -Herr» Briand unter- ictchnctc» Note der Botschasterkonscrenz vom 16. November NlSss ausdrücklich versprochen worden ist, daß „die Stärke der Bcsatzungstruppen erheblich herabgesetzt werden soll". Ans diesen in feierlicher Form gegebenen Versprechungen süßen die von der NctchSregicrung eingcleitctcn Verhnid- lungcn. Es wird damit gerechnet, daß sie in den nächsten Tagen noch stärker in Fluß kommen, da der französische und der englische Botschafter wieder In Berlin eingetrosfen sind. Lord d' Abernon allerdings ist im Augenblick noch durch eine leichte Erkrankung behindert. Daß diese Frage im Aus- ivärtigen Amt augenblicklich besonders eindringlich behandelt wird, geht daraus hervor, daß der N e i ch s k o m m i l s a r für die besetzten Gebiete, Baron Langwerth von Sim- mern. heut« und morgen zu Besprechungen in Berlin weilt. Dir Bcsatzungsfrage wird auch In der NegierunaSerklärnng. die der Kanzler am Dienstag im Reichstag vortragen wird, eine erhebliche Nolle spielen, um die Alliierten darauf auf merksam zu machen, datz Deutschland auf die Einhaltung der Verpflichtungen den größten Nachdruck legt. Man mutz mit allen Kriegsmögllchkellen rechnen! Der sozialistische Minister Bandcrvelde znr Locarno-Beratung. Brüssel, 20. Fan. Die Kammer beriet heute den Gesetz entwurf über die Ratifizierung des Abkommens von Locarno. Außenminister Bandervclde stellte mit Freude fest, daß die ganze Kammer dem Abschluß des Vertrages zu- stimme. Der Vertrag von Locarno, so führte er weiter ans, enthalte keine geheimen Klauseln. Alle Verträge Belgiens ivcii'en einen defensiven Eharakter auf. Belgien besaß für den Fall eines Angriffs di« Garantie Frankreichs. Jetzt be sitze es die britische und die deutsche Garantie. Der Vertrag von Locarno wurde von den VolkSmasfcn gewollt. Schwierig keiten sind noch vorhanden. Es ist nicht nötig, von einer Herabsetzung der Hccresbcstänbe zu sprechen, denn man mnß mit allen Kricgsmöglichkcitc» rechnen. Der Minister sagte zum Schluß, er rechne auf den guten Willen aller und auf den Willen der Arbeiter, um den Frieden zu verwirklichen. Die englische Rheinflotte in Strahburg. Paris, 20. Jan. Die englische Rheinflottc ist heute, anS Mannheim kommend, in Strahburg eingetrosfen. Sie wird zur Rückfahrt nach England die französischen Kanäle benützen. sT.-ll-s Die Regierungsbildung und ihre Rück wirkung aus Sachsen. Wenn man die KabinettSliste de- zurlickgetretenen Kavt» nctts Luther mit der der neuen Reichsregierung vergleicht und dabei seststcllen muß, daß von den zehn Namen sechs un verändert wiedergekehrt sind, so greift man sich an den Kopf, daß zu dieser Ergänznngsaktton mehr denn sechs Woche» voll unerfreulichen Feilschend und MarktcnS vergehe» mußten. ,He inniger das deutsche Volk mit dem Parlamen tarismus verwächst" — eine Stilblüte, die in demokratische« ZritungSbctrachinngen gern wtcdcrlchrt —. um so mehr Ge fallen scheint cS an dem kleinlichen Schacher um Minister sessel Gefallen zu finden. Oder nicht? Ist nicht vielmehr die Empörung Uber die Unfähigkeit und Engstirnigkeit deS Pa^etbvnzeutumS in den letzten Wochen so hochgeschlagen, datz die Erörterung grundlegender staatsrechtlicher Verände rungen einen breiten Raum in der Prelle einnahm und der Reichspräsident in nicht mitzzuvcrstehender Weise an die „Peitsche der Verfassung" erinnern mutzte, die ihm beim Ver sagen deS Parlamentarismus zur Verfügung steht? ES ist nicht zu ergründen, weshalb die Fraktionen, die doch sonst so hellhörig sind, wen» sich Mißfallen in der eigenen Wähler schaft regt, dieser gesunden Reaktion gegen die schäbigen Kuh- händcl in Berlin durchaus nicht Rechnung tragen wollen; eS liegt doch klar auf der Hand, daß sich derartige Krisen nur ein- oder zweimal zu wiederholen brauchen und der berühmte „Leutnant mit zehn Mann", der im übrigen durchaus keine Uniform zu tragen braucht, beginnt das große Aufräumen in den Parlamenten, die ihre Pflichten so gröblich verkennen. Wenn wir diesmal noch mit einem blauen Auge davon, gekommen sind, so ist das wahrlich nicht das Verdienst der Parteien; sie mögen sich bet Htndenburg bedanken und sich bewußt bleiben, daß nur die verzweifelte wirtschaftliche Not die Massen politisch stumpf gemacht hat. Bei Vergleich der alten und der neuen Regierung fällt aber noch ein zweites auf. An Stelle der stärksten Partei im Reiche, der deutschnationalen, ist eine der »schwächsten getreten, und doch hat die Demokratische Partei Forderungen gestellt, die denen ihrer Vorgänger aufs Haar entsprechen. Das ist ein Widersinn, der die offene Krisis von vornherein in eine schleichende verwandelt, denn es ist letzten Ende» parlamen tarisch unerträglich, die entscheidenden Ressorts der Innen politik an eine Partei auSzuliefcrn, von der nur eins un bestritten ist: daß sie die erdrückende Mehrheit des Volkes gegen sich hat. Zwar soll zugegeben werden, daß man in Neinbold und Külz Persönlichkeiten gewählt hat. die durch ihre Vergangenheit einen kleinen Teil des Mißtrauens gegen ihre Partei entkräften, aber ein gutes Schulzeugnis ist noch kein Garantieschein für Zuknnstserfolgc, und die aus drückliche Erklärung der demokratischen Fraktion, Külz teile als künftiger Innenminister den politischen Standpunkt des Fraktionsvorsitzendcn Koch in vollem Umfange, gibt sehr zu denken. Das Ucbcrgewicht der Demokraten läßt nicht mehr daran zweifeln, daß der Ratschlag der „Germania", das Kabinett so zusammcnzusctzcn, baß es die Politik der Großen Koalition treibe, ohne ein Kabinett der Großen Koalition zu sein, Geburtshelfer der neuen Negierung gewesen ist. Des halb ist cS schlechterdings unmöglich, dem Kabinett Luther anders als mit äutzerster Zurückhaltung gcgentiberzutrcte«. zumal eS aufs neue einen Mann wie Dr. Marx an ent scheidender Stelle auftreten läßt, der in nationalen Kreise» nicht der geringsten Sympathie begegnet. Eben erst hatte er sich mühsam gegen die schweren und nur allzu begründete» Vorwürfe verteidigen müssen, die anläßlich des Genfer Stellenskandals gegen ihn erhoben werden mußten — und schon sitzt er wieder als oberster Hüter des Rechts in Berlin. Dem Laien erscheint dies unverständlich — nicht so dem Parlamentarier, der in einem Jnstizmintster nicht den un- dingten Schützer der Gerechtigkeit, sondern den Partet- mann sicht, der z. B. die Streitfrage der Fürstcn-Entschädi- gung im gewünschten Sinne zu lösen bereit ist, der die Skandalprozcsse des letzten Jahres, soweit sie der Linke» fatal wurden, auss tote Gleis schiebt, der die Repubiiktrcue der unabhängigen Richter überwacht usw. Wir wollen damit keineswegs behaupten, daß wir Dr. Marx für einen Mann hielten, der einer Rechtsbeugung fähig sei. — es mutz jedoch offen ausgesprochen werden, datz Männer wie seinesgleichen den großen Rechtsfragen der Nation in einem Geiste gegenitberstchcn, der auf bürgerlicher Sette als falsch und höchst schädlich bekämpft werden muß. So sehen wir der Entwicklung der deutsche« Innenpolitik mit schwerer Sorge entgegen, ohne dabei gewisse Moments Freispruch im Münchner Rotgardisten-Prozeß. Die Urieilsverkün-unq. (Von unserem Sonderberichterstatter.) München, ro. Jan. Um 7 Uhr wurde das Urteil im Prozeß Pölzing —Prüsert verkündet. Die beide» An geklagten wurden sreigcsprochen. Der Haftbefehl wnrde aus- gehoben. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auscrlcgt. Bekanntlich war die Urteilsverkündung bereits ans 5 Uhr nachmittags angckündigt worden. Es halte sich zu dieser Zeit eine gewaltige Menschenmenge in den Gängen deS JnstizpalasteS und vor allem auch vor dem Gebäude ange- sammclt. Der Andrang war so groß, daß polizeiliches Aufgebot die Gänge räumen mußte. Der Vorsitzende ver las zunächst eine große Reihe von Drohbriefen, anonymen Schreiben und ähnliche» Dingen, aus denen hervorgeht, wie stark dieser Prozeß HUr in München die politische Leidenschaft entfacht hat. Es sei nur ein Bries aus der große» Zahl er wähnt, in dem ans Steiermark berichtet wird, das; sich dort ein ehemaliger V i z e w a ch t m e i st e r der deutschen Armee rühme, die in Frage kommenden 12 Perlachcr erschossen z» hoben. Der Vorsitzende des Gerichtshofes erklärt sodann, daß sich das Schwurgericht durch keinerlei Drohbriefe ober ElmnnterungSbriese irgendwie beeinflussen lasse, sondern sein Urteil aus Grund des sachlichen Ergebnisses der BcweiSaus- nnhme und aus Grund der eigenen Ueberzengung fällen werde. Nach nochmaliger kurzer Beratung des Gerichtshofes wurde dann das berichtete ircisprcchcnde Urteil verkündet- Dle Begründung de» Urteil» befaßt sich zunächst ausführlich mit dem positiven Ergebnis ber Beweisaufnahme. Es ist sehr ausführlich gehalten »nb seine Verlesung nahm säst eine Stunde in Anspruch. Bor allem weist die Urteilsbegründung immer wieder aus daS mangel hafte Be weis material hin, welches aus die große Zeitspanne znrückzusühren ist, welche seit der Tat zurücklicgt. Das Schwurgericht hat sich in dem einen Punkt in Gegensatz zu den beide» Sachverständigengutachten gesetzt, datz nämlich die Erschießung der Perlachcr Bürger objektiv nicht gerecht fertigt gewesen ist. Die beiden Sachverständigen hatten be kanntlich die Tat sowohl subjektiv alö auch objektiv als zu Recht erfolgt erklärt, während der Zeuge NoSke ebenfalls, wie die Urteilsbegründung, die Tat objektiv alS nicht gerecht fertigt bezeichnet hat. Die Urteilsbegründung weist jedoch sodann im einzelnen nach, datz aus Grund der Fassung deS NoSkc-Schictzerlasses und vor allem aus Grund der praktischen Anwendung dieses Erlasses in den verschiedenen Kämpfen die beiden Angeklagten sich subjektiv zu der Erschictzuug für be rechtigt halten dursten. Daß der Angeklagte Prüsert den B e- fehl von Pölzing erhalten hatte, die Exekution vorzu- »ehmcn, nimmt daS Gericht alS durch die Beweisaufnahme alS erwiesen an. AIS Gesamtergebnis der Beweisauf nahme habe infolgedessen Freispruch erfolgen nSitssen. Prüsert wurde vom Gericht noch darauf aufmerksam ge macht. daß gegen ihn wegen der Anklage des zwölfsachen Mordes der Haftbefehl aufgrlioven worden sei, datz er aber wegen Verbüßung Ser Strafe infolge Diebstahls in Haft bleibe. LlrakantraatmProzeh gegen bayrifcheAbgeordnete Leipzig, 20. Jan, Im HocliverratSprozeß gegen die ban- rischen kommunistischen LandtagSabgeordnrt ln wurde heute abend folgender Strafantrag gestellt: Schlaffer ist zu 8 Jahren S Monaten Gefängnis und 850 Dtark Geldstrafe. Götze zu 8 Jahren v Monaten Gefängnis und 850 Mark Geldstrafe, Tckwab zu 2 Jahren 9 Monaten Gefängnis und SVO Mark Geldstrafe M verurteile». (W. L. BI