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Dresdner Nachrichten : 22.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189908228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990822
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990822
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-22
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 22.08.1899
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Sette 384. Belletristische Beilage zu den »Dresdner Nachrichten". »Warum haßte man meine Hoheit denn so ungewöhnlich heftig?" »Sie fragen? Herrn Bennot legten Sie mit einer zudringlichen Offen heit an den Tag. daß Sir ihn in die Klaffe der Paviane einrangirten. Frau Bennot's Eitelkeit trugen Sie nicht einmal insoweit Rechnung, daß Sie ihren viersilbigen, allen „Pasquille" bewunderten. Meine Freundin Tderese. me wirklich ein vortreffliches, liebes Mädchen ist, behandelten sie. als ob Sie fürchteten, sie werden Sie eines Tages mit einer Liebeserklärung überfallen, und endlich versetzten Sie dem Buben Alfons täglich eine solche Portion steifer Lehren und Maulschellen, daß sein Geschrei durch's ganze Schloß ertönte. Daß man Ihnen unter solchen Umständen keine Standbilder errich tete. vielmehr den Augenblick erlösend fand, an dem Sie mit der Marquise Dijon das Schloß verließen, erscheint bei einigem Jntellektnel verständlich I" „Sie vergaßen, zu erwähnen. Frau Marquise, was ich getban habe, um mich bei Fräulein Ms, der Stütze, so über die Maßen m Mißkredit zu bringen!" »Sie scheinen vergessen zu haben, daß Sie eines Tages erzählten. Sie litten geträumt, daß Fräulein Ms bei einer Landpartie ihr Gehirn ver- »Äber das brauchte ich doch gar nicht einmal zu träumen. Frau Marquise. Ich habe niemals etwas bemerkt, das aus irgend welche derartige Lubstanz in dem Haupte dieses von der Schöpfung mit so auserlesenem Mangel an Reizen versehenen Fräuleins hindeutete. Wenn ich allein bedenke, welche Unterlippe sie besaß, rieselt Schaudern durch mein Gebein! Ein Modell für einen Wagenkitt!" „Ihre Malice, Monseigneur, wird verletzend! Brechen wir lieber ab! Sehen Sie hinter den Stachelbeerbüschen das kleine Lebewesen anstauchen? Das ist eine Landmerkuria, die uns sicher melden soll, daß Schinken und Eier bereit stehen!" „Vortrefflich! Tann gehen wir? Gehen wir in dem seligen Bewußtsein, die Familie Bennot ein- sur allemal, ja, bis über das jüngste Gericht hinaus abgeschüttelt zu haben. Uebrigens das eine Tome wie Sie, Frau Marquise, in einem solchen Hause stupider Thorheit Freundschaftsblumen pflanzen und sogar ausbarren konnte, wird mir bis in mein Ewigkcitsalte: unverständlich bleiben. Ich kann mir denken, daß es Menschen giebt, die geringeres Talent besitzen, sich und Anderen das Leben angenehm zu machen. Und dann der Hochmuth! Er quillt über, um den Schloßkeller damit zu füllen." „Bedenken Sie, daß Sie dort Hauslehrer waren, mein Herr! Vergessen Sie nicht, daß ein guter Vorstehhund auf dem Lande weit höher geschätzt wird und weit größere Rechte aus Beachtung und auf gute Behandlung besitzt, als ein Monsieur Schulmeister! Sie kamen eben mit ganz schiefen Ansichten nach Haxter. Tas war ihr Fehler, daran scheiterten Sie und sind nur auf die Gnade der liebenswürdigen Frau Marquise von Dijon an gewiesen." „Ja. Gott lob! Und ich füge begeistert hinzu: Nicht auf die Gnade angwie'en, sondern besitze das Wohlwollen des schönsten und klügsten weib lichen Wesens, das auf einhundertundeinundzwanzigtausend Quadartmeilen Ausdchnungsumfang zu finden ist." Die letzten Worte fanden keine Erwiderung. Es folgte eine Miene und ein Blick, die deutlich zu verstehen gaben, daß Monseigneur zu vergessen scheine, wer er sei und wem er solche Komplimente sage. Tann aber erschien wieder ein anderer, ein so warmherziger, daß dem Doktor Paul Halbe, Sohn des Küsters Halbe in Bründe. heiße Flammen durch die Brust schossen. Sie aber, nachdem sie ihn durch diesen entschädigt hatte, schlüpfte mit ihrer schlanken Gestalt rasch voran, in die Wirthsstube hinein. Als sie das Früh stück verzehrt hatten, ihre Wandening nach dem adeligen Gute Knoopholz mitralen und nun eben einen sich an einer Au entlang windenden Wiesenweg beschritten, änderte Marianne Dijon den leichten Ton und sagte, einem gewissen, ihrem stark ausgeprägten Pflichtgefühl entspringenden Bedenklichkeits- drang folgend: „Ich habe Ihnen nachgegeben, Herr Doktor, diesen Abstecher zu machen! Ich bitte aber. lehen Sie nach der Uhr. Es darf nicht zu spät werden. Meine Mutter ist sehr streng. Wenn sie wüßte, welche Extra vaganzen ich mit Ihnen heule treibe, würde sie mich mit Vorwürfen über schütten." „Nein, nein, fürchten Sie nichts, gnädiges Fräulein! Wir kommen zur rechten Zeit. Die Pferde können nachdem tüchtig ausholen!" bemhigte Halbe und verlieh' auch nun seiner Redeweise einen anderen Charakter. Plötzlich fand er sich einer ganz Anderen gegenüber. Ihre Mienen waren nachdenklich, ernst. Sie " —''—' ' '' wandte sie wieder den Blick zu, erfreute ihr Auge an einem Waldsaume zustrebte „Es ist plötzlich etwas Fremdes zwischen uns gerochen —" wagte Paul, seiner Enttäuschung Ausdruck verleihend, zu sagen. „Doch nicht!" betonte Marianne. „Aber mai und überdies kamen mir Gedanken an zu öde, öde Zeit an mich heran." s schmerzt mich, daß irz. .Sie sind nicht gern im'Elternhauie, gnädiges Fräulein?" fügte er rück sichtsvoll. die frühere Vertraulichkeit beschränkend, hinzu. Marianne schüttelte den Kopf. „Mein Vater ist gut und nachsichtig gegen mich. Aber meine Mama spannt mich förmlich ein. Sie findet "Alles unpassend und eifert fortwährend gegen die Amüsements. Ich aber bin einmal anders geartet und ich bin doch lung. Da möchte man genießen." Und abblechend: „Was gedenken Sie jetzt vorznnehmen, Herr Doktor? Bleiben Sie einstweilen in Bründe?" „Ich weiß noch nicht, wie mein Schicksal sich gestaltet, mein gnädiges Fräulein. Allerlei Fragen spielen dabei mit." <F«rl??zung Tonnersi-g.) Richard Harrig. Original-Roman von vr. W- K. (Nachdruck verboten.) (Schluß.) Richard hatte sich bei den ersten Worten herumgedreht. er war bleich geworden. Er sah in der Hand Hermanns das kleine, gelbe Kouvert, aber die daraus gedruckten blauen Lettern „Western Union Telegraph Co." tanzten ihm vor den Augen. Was würde es ihm bringen? War es eine gute, war es eine böse Nachricht? Er hatte so lange nichts von drüben gehört, war es eine neue Trauerkunde, die seiner überfluthenden Freude einen Dämpfer auf setzen würde. Rasch riß er das Papier auf und auseinander. Aber diesmal war seine Befürchtung umsonst, tiefathmend las er. was es enthielt: „Alles aufgeklärt, Unschuld sestgestellt, Brief folgt. Otto." 35. Kapitel. wei Tage später wurde Petersen beeidigt. Bcht aus Hards Island, der öden Insel inmitten des Sundes, wo sich der Armenkirchhos der Stadt New-Uork — Lotters Lelä — befindet und wo mehr denn sünszigtuusend Bettler und Unbekannte, nur Nummern bezeichnen ihre Gräber, ihren ewigen Schlas schlafen, sondern in Vre-miroä Onwterz-, wohl dem schönsten Kirchhof der Welt, da kaufte ihm Richard eine letzte Ruhestätte. Tort, wo allabendlich die Blätter der hohen Linden und Kastanien vom Winde der nahen See bewegt, geheimnißvoll weben und rauschen, als wollten sie sich flüsternd erzählen von dem vielen Weh, das die in ihrem Schatten ruhenden Menschenkinder während ihrer kurzen Erdenlanfbahn durchlebt, dort ließ er den Spielgefährten von einst einbetten, und mit tiefem Mitleid im Heyen warf er drei Hände voll Erde hinab aus den Sarg, der Pctersen's sterbliche Hülle umschloß. Tann aber, nach New-Aork zurückgekehrt, begann er seine Vorbereitung zur Abreise, der Boden brannte ihm unter den Füßen. Nur Ottos ver sprochenen Brief wollte er noch abwarten. Und er kam. Er war eben bei MD. Ward gewesen, als dessen deutsche Korrespondenz eintraf. Ahnend, daß deMbe Dampfer auch für ihn Nachricht von drüben gebracht, war er eiligst davongestürmt und nach Haus geeilt. Richtig, er hatte sich nicht getäuscht, zwei Briefe von Deutschland lugen auf dem Tisch. Er kannte die Handschriften wohl: der eine von Otto, der andere vom Vater. Er ergriff den elfteren zunächst, rasch riß ei das Kouvert auf und las ihn. Otto schrieb Folgendes: „Laupa, 10. Oktober. Mein lieber Richard! Aus dem Poststempel ersiehst Tu. wo wir uns zur Zeit befinden, unter „uns" verstehe ich Agnes und meine eigene Wenigkeit. Bor wenigen Minuten habe ich an Dich gekabelt, jetzt folgt der versprochene Brief. Ich habe Dich bereits wissen lassen, daß Alles aufgeklärt ist, ich kann mir also Zeit nehmen und Alles fein säuberlich der Reibe nach erzählen. Du erinnerst Dich, daß ich sofort nach Anhörung Deiner Lcidensgeichichte die Vermuthung aussprach, daß der Baron vielleicht von jemand Anderem erschlagen worden sei. Ich kannte Jemanden, der vielleicht auf den Baron eine noch größere „Pieke" haben könnte, als Tu selbst, und dieser Jemand war Petersen, unter früherer Förster. Ich wußte nämlich, daß Buchow, als er zum ersten Mal im Sommer bei uns gewesen, mit unserem Kammermädchen. Peterien's Braut, ein Verhältnis unterhalten, und ich nahm an, daß die Geschichte vielleicht später, nachdem Buchow dauernd nach Burgdorf gezogen, eine Fortsetzung gefunden hatte. Und da ich Petersen s jähzornige Natur kannte, so dachte ich. vielleicht ist das eine Spur! Sobald ich hier ankam. hatte ich natürlich die Absicht, den Mann man kann nicht immer scherzen Hause. Nun Kitt wieder eine „Es schmerzt mich, daß irgendetwas Jhien^Sinn^trübe macht," siel Paul aufznsuchen. Aber da erfuhr ich. daß er schon seit mehreren Monaten seine Stellung aufgcgeben und nach Amerika ausgewandert sei. Tas bestärkte mich in meinem Verdacht ganz gewaltig, erschwerte jedoch natürlich die Situation. Aber ich erfuhr noch, daß er allein gegangen sei und seine Familie zurück- gelassen habe. Es galt denn also, tue im Stich gelassene Frau aufzusuchen. Ta war guter Rath theuer. Niemand wußte, wohin sich Marie — so hieß die Försterin — mit ihren Kindern gewandt. Weder im Torf noch im Pfarr- hause konnte man mir Auskunft geben. Bis dahin hatte ich zu Agnes nichts gesagt, ich hatte gehofft, allein die Feststellung Teiner Unschuld durchführen zu können, nun zog ich sie aber doch in's Geheimniß und theilte ihr meine Vermuthung und die Gründe dafür mit. Tu hättest da Agnes sehen sollen! Zuerst wurde sie weiß wie 'ne Kalkwand — sie siebt schon an und für sich mehr aus wie eine wandelnde Leiche, als wie eine dreiundzwanzigjährige. junge Frau, dann starrte sie mich an. als sähe sie einen Geist — dann, ja dann that sie. was wohl die meisten Frauen unter solchen Umständen getban haben würden, sie weinte eine Viertelstunde lang, als ob ihr das Herz brechen wollte, und dann endlich sagte sie mit einem Ton, den ich nie vorher von ihr gehört: „Ich werde Marie finden, gleichviel wo sie ist und sollte ich selbst daran zu Grunde gehen!" Na, Gott lob, zu Grunde gegangen ist sie nicht, obschon es nicht eben leicht war. die Verschwundene ausfindig zu machen. Es war die reine Tetectivarbeit. ich erzähle Dir später die Einzelheiten; genug, nach langem Absuchen von Laupa, dann nach einer falschen Spur in Leipzig hörten wir. daß sie sich in Berlin aushalte. Hier, nach tagelangem Suchen, wobei meine Mutter uns treulich half, fand schließlich Agnes ihre spielten auf dem Boden. Ein Blick sagte uns Alles, bitterste Armuth und Marie schwindsüchtig. Als sie uns erkannte, wurde sie beinahe ohnmächtig. Belletristische Beilage zu de« »Dresdner Nachrichten". Seite 383. Zuerst wollte die arme Person Alles leugnen, ihr Mann sei in Amerika und sie wisse von nichts. Als aber Agnes sie schließlich daraus aufmerksam machte, daß Amerika weit und sie krank sei und daß ihre Kinder vielleicht bald in's Waisenhaus kommen würden, während, wenn sie gestünde, was sie wüßte, sie ihr versprechen wollte, sich stets der Kinder anzunehnien und so weiter — veil, schließlich gab sie ihr Leugnen aus und gestand Alles. Meine Vermuthung war richtig gewesen, das alte Vcrhältniß war auch nach der beiderseitigen Ver- heiratbung noch fortgesetzt worden, Petersen hatte davon Wind bekomme» und Buchow in seiner eifersüchtigen Wuth erschlagen. Er hätte seine Dbat ihr gegenüber gar nicht in Abrede gestellt, sagte sie. aber er habe ihr gedroht, sie, die Kinder und sich zu erschießen, wenn sie ihn verrathen würde, und so habe sie alle die Zeit geschwiegen selbst nachdem Petersen sie verlasse». Tu kannst Dir vielleicht vorstcllen. wie es uns zu Muthe war. Ich hätte laut aufjubeln können, nur die Rücksicht auf die kranke Frau hielt mich ab. Und Agnes saß da und hatte ihre Hände gefaltet und sagte zuerst kein Wort, aber aus ihre» Augen leuchtete ein Strahl »nendlicheii Glückes »nd ihre Züge trugen zum ersten Mal wieder, seitdem ich nach Burgdors ziirückgrkehtt. den frohen, heiteren Ausdruck, den sie in ihrer Kindheit gehabt. Wir kamen rasch zum Entschluß. Agnes blieb die Nacht über bei Marie, und gestern in aller Frühe fuhren wir wieder nach Laupa. wo ich heule früh den Staats anwalt benachrichtigte, und cs ist jetzt noch leine Stunde her, daß das volle Gcsländniß beschworen, beglaubigt und zu Protokoll gegeben wurde. Morgen früh wird wahrscheinlich sie ehrsame Stadt Laupa erfahre», daß Doktor Harrig unschuldig ist, und ich wette, dieselben Basen, die seiner Zeit ihn am meisten beklatscht, werden jetzt sein Loblied im höchsten DiSeant finge» Wir ober werden binnen einer Stunde hiuauSsahren »ach Burgdors. werden im Pfarrbause vorsprechen und dort Tcinem allen Vater und der Frau Liese die frohe Mär übelbringcn und dann — dann weide» wir in Ruhe abwaric», bis wir von Dir hören, hoffentlich wird cS die Nachricht stj„. daß Tn an dem und dem Tage einkissst. Sei überzeugt. Richard, wir Alle brennen darauf. Dir die Hand drücke» zu können, der kleine Ernst voran, der immer von „seinem Doktor" spricht, und ich, der sich freut, nueudlich stellt, wenigstens einen kleinen Theil seiner großen Schuld abgetragen zu babeu, und Agnes — doch balt, sie sagt, sie brauche Dich nicht zu bitte», sie wüßte, was Tein .Hcrz Tir befiehlt. Eines nur sei gesagt, ich kenne nur eme» Arzt, der meiner Schwester bleichen Wangen die stühcre Farbe wiedergeben kann — es II,nt Noth daran, der Arzt legt bald Hand a» ! Packe Deine Sachen rin, Richard, komm' herüber, komm' bald herüber »ach Teiner herrliche» deutsche» Heimaih und Denen, die Tich lieben! Tein Otto!" Richard hatte den Brief dnrchgclcscn. so rasch er gekonnt, jetzt ergriff er den zweiten, der die wvh!beka»»tcn Schrrstzüge seines Bnlers trug. Ei schrieb : „Mein innigstgeliebter Sohn mein Richard ! Ter Herr hat »n iu Flehe», meine Gebete erhört! Tcine Uwchuld ist erwiest», Tein Name gerechtjerligt vor den Augen der Welt! Ans den Knieen habe ich ihm inbrünstig gednull. Nie habe ich daran gczwcifelt, daß eiucs Tages Deine Unschuld nn'S Licht kommen wird, aber als soeben Agnes in die Stube stürzte und mir schluchzend an den Hals fiel, als Otto freudestrahlend auf mich zu eilte »nd mir snbclnd znries: „Richard ist uiischnldig, wir haben den Thäter gesunden!" als endlich die arme, gebrochene Marie, die ihren Fehltritt so schwer gebüßt, vor mich hin trat, um meine Verzeihung zu erbitten, da übcrmniuilcii mich meine Gesichte, die Freude drohte mich zu ersticken. Mein Richard, was hast Du, Armer, Alles erlitten und wie tapfer, wie brav hast Tn Alles ertrage»! Doch nnn soll Lilles wieder gut werden, denn, nicht wahr. Richard, nnn kehrst Du zurück ? So lang' bist Tu mir wieder fern gewesen, mich dünkt cs fast eine Ewigkeit! O, wie sich mein Herz darnach sehnt. Dir noch einmal in die treuen Augen, Deiner Mutter Augen blicken zu dürfen. Dir noch einmal meine Hand aus's Haupt legen zu können, Dir, meinem einzigen Sohn! Meine Tage weiden bald gezählt sein, bald wird man auch mich zur Erde bestatten; Richard, weile nicht so lange in der Fremde, laß Tich bald wieder o» des Vaters Herz drücken! Ich hätte Dir so viel zu sagen, aber die Auge» gehe» mir über, die Hand zittert mir, ich kann nicht nichr schreiben, »och einmal nur. Richard, kehr' zurück, kehr' bald zurück in die Arme Deines alten Vaters " Tbränen rollten über "Richards Wangen und er schämte sich ihrer nicht. Tie Briefe hatten keine Neuigkeiten gebracht, er hatte schon vorher gewußt, wer der Mörder gewesen und warum der Baron vom plötzlichen Tode ereilt war, dennoch war er in seiner innersten Seele erregt. Welch' treue Freund schaft sprach aus Ottos Brief, welch' herzinnige Liebe aus des Vaters Zeilen Ja, des Vaters Hoffnung, das Vertrauen der Geliebten sollte nicht getäuscht werden, es gab kein Zaudern mehr für ihn, Nichts hielt ihn mehr im stemdc» Lande. Mit dem nächsten Tamvfer wollte er hinübereilen in die Hcimath, wo treue Herzen ihm enkgegenschlugen, wo offene Arme seiner wartete», in die Heimath. nach der er sich so unendlich gesehnt. O. wie glücklich, wie glücklich wollte er nun endlich werden, nun. da chm nach Kampf und Streit der Frieden winkte. Welch' frohes Wiedersehen wollte er seiern, nun war all' die Trübsal, oll' das Leid von chm gewichen, bald, o bald sollte er den Vater, sollte er seine Agnes» sollte er alle seine Lieben da drüben a»'s Herz drücken. 36. Kapitel. Vierzchn Tage später befand sich ganz Burgdors in fieberhafter Auf regung. Wenn der Landesfürst sein Erscheinen ungesagt hätte, sic hätte nicht größer sein können. Von Mund ;» Mund, von Hof zu Hof war die Kunde geeilt: „Ter Pastors-Doktor kehrt henie zurück!" und alle die Tvrsbcwvhncr. x:lt und Jung, waren von Heller Freude erfüllt, hatten sie doch nie au Richards Unschuld gezweiselt! Und letzt kühlten sie Alle mit ihren« greisen Seelsorger, der den einzigen Sohn aus der Fremde zurückerwarteke, sie freuten sich mit ihrer jungen Gutshcrrin, deren geheimen Kummer man längst er gründet hatte. Agnes hatte kein Hehl daraus gemacht, daß ihr Her, um Richard kauere, nicht um den todlen Gemahl, und seit gestern, seitdem die Tepesche aus Bremerhafen eingelausen war. daß er glücklich den deutschen Boden betreten, hatte sie das schwarze Gewand abgelegt und sich in hellere Farben gekleidet. War auch hier nun der Schnee bereits gefalle», im Gebiv zieht der Winter zeitig ein, in ihrem Herzen war Heller Frühling, ihr Auge leuchtete in verklärtem Glanze inniger Liede, ihre Wangen färbten das zattr Roth ncuerivrosscner Lebensfreude. Jetzt. eS war in der sechsten Stunde, die Dämmerung war schon lange hercingebrochcn. da waren die Drei, die wobl zumeist Richard sebnsüchkg erwarteten, in der trauten Wohnstube des Pfarrhauses versammelt. Aber während der alte Pastor Harrig unruhig im Zimmer auf- und adging, noch immer fürchtend, irgend ein böirr Zivitchcnfall könnte ihm abermals die Freud« vernichten, während Tante Liese emsig hin- und hcrtrivpelte. ihre Aufregung hinter einer nie zur Pause kommenden Geschäftigkeit im Hauswesen verbergend. !aß Agnes still auf dem erhöhte» Sitz am Fenster, da. wo der Tante it» Nähtiichcheii sich befand, und spähte emsig hinaus in die Nacht. Genau so wie Otto sie in ihre» Briefen beschrieben, als sie Marie gefunden, so saß sie da, die Hände gefaltet, über ilne Lippen kam kein Wort, nur auS ibrrn Angen sttahlte cS wie »nendlichcs Glück. Schon seit mehr denn einer halben Stunde saß sie hier und lauschte, ob sie nicht de» Wagen, mit dem Otto dem Freunde zur Wachstation entgegen gefahren. kommen hotte, aber ihr eigenes Herz klopfte so laut und ungrstnm, daß rS ihr säst »lunögljch erschien, irgend etwas Anderes zu veriielmien. Die Minuten schlichen ihr wie eine Ewigkeit dahin. Ta! Horch! War das nicht das Rollen der Räder über den kiesigen Boden der Straße ? Gespannt hielt sic de» Atheni an nnd lauschte, ja sie täuschte sich nicht, er kam näher, sie hörte das Belle» der Hofbunde. das Klatsche» der Peitsche, mit der Otto sein Konmieii anzcigte, dort bog er schon um die Ecke herum, Otto fiihr selbst, dir Pserdc waren mit Schweiß bedeckt, er kam gerade ans das PsanbauS z», jetzt hielt er vor der Thür, eine hohe Manncsgeslalt stürzte aus dem Wagen heraus und in'S HauS — eS »vor Richard, ihr langersehnter Richard! Und >ctzt ging dir Stubenthüre ans, er eilte herein, zuerst siel er dem alten Vater »in de» Hals, dann preßte er der allen Tante die Lippen aus den allen, gute» Mund nnd dann — dann stand er vor ihr. Sie war un fähig. sich von ihrem Sitz zu erheben, sic suhlte sich wie grläbiiit. hilflos und doch so selig — ach, so selig schaute sie ihm entgrgr». Und jetz» umfaßte er die liebe Gestalt mit seine» beiden starken Amien. ictrt zog er sie lest an sich, zinn erste» Male vor dem Vater, vor de» alle» Lirlr liißle er sie. seine Agnes, um derentwillen er io schweres Leid erduldet, die er sich endlich, endlich errungen. Es war ein stiller feierlicher Angcnblick, eS war, als flöge ei» Engel der Liebe durch s Gemach. CS »liebt Augenblicke, i» denen der Mund nicht in Worte z» kleiden vermag, waS das Herr bewegt, in denen dir herrlichste Poesie rin elendes Geschwätz sei» würde im Vergleich zn dem Hoden Lies, das im Menschenbuse» singt nnd klingt, in dem stilles, heiliges Schweige» eine beredtere Sprache reoet als alle Jubrllönr der Erde, »ur die Anaen können verkünde», was gelieimnißpoU da drinnen ii» Heizen lebt i»id luvst. Minutenlang hielte» int, die Beiden in glücklicher Seligkeit »»»Ichliiiigr»; den l-eiden Allen, die inst still gefaltete» .Hände» dabristaiidc», wuidcn die Augen »aß. „Meine Agnes!" flüsterte endlich Richard, „mein Alles, mein Lieb, nun bist Du inei» »nd keine Mackst der Erde soll »nü wieder trenne» I" Und sich lest an ihn nnichiniegcnd blickte sic zn ihm auf, eine Welt doll Seligkeit strömte ihm rnlnegeii. „Richard!" so flüsterte auch sie leise, „gedenkst D» noch der Worte, die ich an lenem Abend an Dich richtete? Ich bab' Dich geliebt, so lange lch denken kann, ich Hab' Dich geliebt, selbst als ich eliien» Andere» angeborle. ich lieb' Dich heule, da ich s»ei bi», wie »ur eines Weibr'S .He>j zu sirt>e>» vermag, und ich werde Dich lieb haben, io lange mein armes — »ei», so lange mein glückliches, ach, so »»endlich glnrklicheS Herz schlagen wiid. »Inn» mich hin als Tein Eigen, sür Dein, sü» inein ganzes Leben, bis de» Tod »nö scheidet!" Und noch einmal kegle sich heiß und voll Lippe ans Lippe »nd besiegelte im innigen Kuß dieteö Gelöbnis!. Dann aber Kalen sie Beide ve»esi»t vor den alten Vater hin »»d mit dirnlbniein Blicke »ach oben legte er segnend seine .Hände ans die Häupter der endlich Vereinte». Ta llopsle eü an dir Thür nnd Otto nnd der Mrdsiinalrath Kate» rl». Freudestrahlend eilte Otto ans den Freund und dte Smweste» zu, als Erster lcineii Glückwunsch dnr.znbringrn, während de» Mediztmrlmlh aul de» allen Pastor zntrnt nnd ihm Kristin die .Hand schüttelte. ..Na. was Hab' ich gejagt," ries er aus, „als unser Richard damals ln die Ficinde zog? Meinen Kops will ich verwetten, leine Unsihuld konunt noch an den Tag nnd dann weiden dir Lnuvarr rS beinien, daß sie >o bo»»irt gewesen. Ich sage Dir. soll die ganze Stasi war an> den» Bahnbos, als eS hieß, Doktor Honig kvnnnl heute durch, lelbsl der horbiwlbpelnllrhr .He« Staatsanwalt war da. »in leine» Kmtzlnß zu miirlir». »ber Rtchaid lhat Recht daran, sich »»> die wrttr»ve»dilchr Gelellichasl »lcht zn kUnunrii» und die Vorhänge in seinem Eonpä znsnmmenznh,illen " „Hätt'S auch io geinncht! Mußte selbst in einen anderen Wage» steigen, aber ans der Wuldstalioii habe ich wir derz Ausreißer grlaust und bin mit ihm hergesnhien. Pst» aber nichl gleich »ist '»rsi» gekommen; wußte la. daß hier außer Tir und der Fra» Licke »mH irinnnd Anderes ans ihn waltete, nicht wahr, junge Fm» ?" jagte er dann, indem er ans Rül»»d und Agnes inkat, „letzt werden die Rvicn aus den Bnrlrn bald wieder blühen! Und baß Sir ml« ihn nun sesthntlen. den Vogel Fliegst» db-Weit I" „Keine "Angst, -Herr Medirinalralh," erwiderte Richard lächelnd, indem er seine» An» «cst um "Agnes schlang, „keine Angst l Ich Hube genug gehabt von der „Welt", ich bin sin iininer eingelanien in bei» ruhigen Vnri. In Burgdors habe ich meine glücklichen Kindeimhir verbracht: als sich Alles va» mir abwandtr, Burgdors hat treu zn inlr gestanden. Bnrgdo»! wtid auch von »nn an meine stete Heinnsth bleibe». Ich hoffe, der.Himmel wi»d es ml» vre» gönnen, daß ich auch eins! ineliie Tage hier beschließen kan»." Und leuchtenden, glückstrahlende» Auges schaute Agnes zu Ihm aus.
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