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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 30.06.1926
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260630023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926063002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-06
- Tag 1926-06-30
-
Monat
1926-06
-
Jahr
1926
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l' 7lr. Z02 Seite 2 Welche Irreführung: Ohne Iebertreibung darf man sage», eA hent« i« Rußland Uderha»»« keine Zufriedenen gibt Wie ein greller Blitz beleuchtet der Selbstmord des vvn der Regierung gehätschelten roten Poeten I e s s e n i n die ver logene Situation. SllS Mann der Isidora Duiican ist er durch seine brutalen Lkaiidalszelien, nMnentlich in Amerika, bekannt geworden. Mit sich selbst zerfallen. hat er sich da- Leben genom men. Doch nicht das interessiert, sonder» das; er eine« Stoß von Gedichten flinterlasse» hat. die eine einzige b i t t e r e B e r h ö h n u n g d e r heutigen Machthaber n n d i h r e S T n st e m S b i l d e n. Ist da» nicht bezeichnend? Und wie es in Wahrheit hinter der Fassade au-sieht, da- hat neulich in erschuttcraüer Weise ein au- Moskau Heimgekehrter in der «Neuen Lodzer Zeitung" dargelegt: «Geht einmal, helfit cS da, «ossenen AngcS durch da» Gewühl der Gasten und Plätze, mit ihrem holprigen Pilaster, sitzt mit dem Volke an den schmutzigen Tischen der kleinen Kneipen, dringt ein in die grauenvollen Höhlen, die man hier Wohnungen nennt. Hier lebt ein Volk in bitterster Not unter einem despotischen Druck, wie ihn Europa seit den düstersten lagen des Mittelalter» nicht mehr kenn«. Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten wüten erschreckend unter den wimmelnden Menichenherde». Wohl sind die Lüden voll Waren, wenn auch meist minderwertiger Art. Dabei sind ->e Löhne niedrig und die Zahl der Erwerbslosen, ist Legion, lieberall der «chatten der Geheimpolizei. der G. P. tl., die die Tscheka abgelöst hat. Wie Spürhunde -ringen sie in jedes Hans, jeden Betrieb, ja sogar in jede Be hörde und Truppe. Sie sitzen in jeder Kneipe und strecken ihre Fangarme bis in die intimsten Kreise der Kamille. So tränt hier niemand dem anderen. Wen» sich Bekannte in einer Wohnung lrefsen, so lassen sie die Türe» ans, um nur keinen Verdacht zu erregen. Ich habe noch nie so viel flüstern hören, wie liier in Moskau So ist die G. P 11 die eigentliche Be herrscherin des Sowjetstaates. Die ossenen Massenerschießnn- gen haben freilich anfgehört. da die alte Intelligenz so aut wie tot ist. Aber noch immer knattern von Zeit zu Zeit die — »Vre»»«« A«h«1chtr,- — Masihtnengewehrsalveu hinter den undurchdringlichen Maiuern des türenzl und die Transporte der Verschickten wandern den leidm'llen Weg »ach Sibirien wie seit Jahrhunderten.' DaS sind keine Uebertretb«»«en. Amtliche Zeugnisse be- statigen sie. Lunatscharskt. der galante UnterrichtSkvmmiffar, hat nemlich geschildert, wie trostlos die Lag« der D t u d e n t e n . Proletarier ist, sie hungern, und der Gedanke an tmS täglich Brot läßtk einen Gedanken an die Wtssenschasten aus- kommem. Und der GesundhettSkvmmissar Demaschko klagü« der Presse über die zunehmende Verkommenheit der Kurorte in der Krim, die, seitdem sie dem Proletariat Vorbehalten sind. Schiveliiestäüe geworden seien. So gärt cs den» gerade » »ter der Arbeiterschaft. Unruhe» und Streiks werden vo» den verschiedensten Gebieten gtmelder und bestätigen längst Gesagtes. Gin guter Beobachter, Dr. v. Ranteln, hat auf diese p s y ch o l o g t s ch e U m st r l l u n g der Avbetterschaft hingcwiesen, sie ist in offene Opposition gegen die Sowjetregierung getreten »nd hat sich dabei in zwei Lager gespalten. Die älteren Arbeiter, die noch den Krieg und die Revolution mitgemacht haben, wenden sich, erbittert über den Zusammenbruch ihrer Hoffnungen und die verschlechterte Lage der Arbeiter, gegen ihre Führer, von denen sie k»ie radikale Durchführung des kommnnistilchen Pro- grammS und die Abkehr vom neuen Staatskapitalismus so» der». Petersburg ist ihr Zentrum. Die tüngeren zahlen mäßig stärkeren Elemente, zu denen auch die grobe Zahl der Arbeitslosen gehört, sind dagegen zu weiteren Zugeständnissen an den Lka.itSkapitaltSniiiS, ja, an die Prtvatwirtschast ge neigt. Sie halben dtc enge Berbindung mit dem Heimatdorf noch nicht verloren und vvn dort den typischen Hab dcS rus sischen Bauern gegen den Bolschewismus mit- gebracht. Bickher hat cS die Regierung freilich immer noch ver standen. durch eine Kompromiß-Politik den tiefen grundsätz lichen Gegensaetz zu verschleiern, aber wird das ans die Dauer möglich sein? Werden die taktischen Manöver der Regierung, hinter denen sich ihre ausfallende Ziellosigkeit verbirgt, die Massen noch l»nge zu besünftlgen vermöge»? Auch wer die Passivität des Rüsten in Betracht zieht, vermag eine bestimmte Antwort darairs nicht zu geben. Fragezeichen Uber Frage zeichen! Annahme der englischen Achtstundenbill. Persönliche Angriffe auf Daldwin im Unterhaus. London, 30. Juni. Nachdem die Debatte im ll n l er bau s e be! der zweiten Lesung der Regierungsvorlage über den Achtstundentag im Bergbau ohne Zwischenfall verlausen war. brach aestern spät abends ein Sturm ans, als der Marine- sekretär Brid g e in a n ausstand. um die Debatte zu beendigen. Mitglieder der Arbeiterpartei riefen groben Lärm hervor und forderten den Premierminister auf, aus die Angnsse, die während der Debatte ans seine Unbescholtenheit im Zusammen hang mit seinen Anteilen an seinem alten F-amiliciibesstz er hoben worden waren, zu antworten. Baldwin bezeichnet«.' die Anklagen als falsche Bchauptungrm und sagte: Wenn er aus dem Kriege Bvrleile gezogen hatte, io hätte er sein Geld in Staat «'papieren »der im AuSlande ge winnbringend anlegcn können. Wie dem auch sei, er habe sein Geld lieber in der britischen Industrie investiert. Der Pre mierminister stellte eS ferner nachdrücklich in 'Abrede, das, die Regierung ans den Bericht der Kohlenkommisiivn irgendeinen Hm tlu st au «-geübt habe. Während der übrigen Debatte brach noch einmal ein hef tiger Tumult ans so daß es Bridgeman unmöglich ivar, sich verständlich zu mache», woraus der Sprecher die Debatte schloß. Daraufhin wurde der Ausatzaittrag der Arbeiterpartei mit 3ä5 gegen It>3 Stimmen abgelehnt und die Regierungs vorlage ln zwciber Lesung angenommen. Einige Mitglieder der Arbeiterpartei begannen währen- der Abstimmung die Rote Flagge zu singen, was durch den Sprecher sofort verboten wurde. iW. T. B.j OunehmenLe Arbettslosiqkett tn England. London, 30. Juni. Die Zahl der Arbeitslosen tn Eng land betrug am 2t. dS. MlS. 1 034 700, das bedeutet eine Zu nahme um 4 701 im Vergleich mit der Vorwoche und um 33?>053 tm Vergleich mit der gleichen Woche des Vorjahres. Die ^iabl schliefst nicht die eine Million feiernder Bergarbeiter ein. sW. T. B.» » London. 30. Juni. DaS spanische KönigSpaar trifft am Donnerstag zu einem vierzehittägigen Aufenthalt in Loit-on ein. sT. U.> Italienische Sparmahnahmen. Rom, 30. Juni. Um die Produkttonsfähigkeit des Lande« zu Heden, beschloß der M i n t st e r r a t, die gesetzliche Arbeits zeit um eine Stunde z« erhöhen. Hr beschloß weiter, um die strengste Sparsamkeit im Publikum durchzunthrcn, vom l. Juli ab keine weitere« Konzessionen für Bars, Hasös. RcstanrantS, Konditoreien und Vergnügung-lokale zu erteilen. Die Ans« gäbe der Tageszeitungen soll auf 6 Seite» beschränkt werden. Das Urteil im Autisker-Prozeh. Berlin, 30. Imst. Kurz nach ll!-4 Uhr verkündete der Vor sitzende. AiinSgerichtsrar Dr. AüIsdors. das Urteil. Er er klärte einleitend, das? bei den Slaatsfinanzräten keine straf bare Handlung oorliege. Ho handele sich bei dem Angeklagten Kutisker um einen Menschen von so adgrnndticser Verlogen heit, wie er in den legten 130 Jahren seit Eagliosiros Zeiten noch nicht wieder vorgekommen ist. Der ttneilsspruch lautet: Iwan KutiSkcr '» Jahre Zuchthaus, « ..ttnoncn Mark Geldstrafe, ly ">ahre Ehreurecktsverlnst. Die Angeklagtei, Griegcr. Blau. Blei. Alexan- der KntiSker. Grobe werden zu je st Monaten Gefäng nis verurteilt, bei einer Bewährungsfrist von drei Jahren. Der Angeklagte Holzmann wird zu 1>- Jahr Gefäng nis verurteilt, der Angeklagte St riet er zn l's Jahr Ge fängnis, anszerdcm wird gegen ihn -Haslbeschl ausgesprochen, da er entflohen ist. D>e Angeklagten Daniel und Mar KutiSker worden frei- gesprochen. Die Untersnchungöhast wird bei allen Ang-sG-ten angcrechnct. Das Urteil im Sprilschieberprozek Weber. tDurch Funklvruch.I Berlin. 311. Juni. Im Berliner Sprits chteber- prozcst wurde heute das Urteil verkündet. Der An geklagte Kriminalkommissar a. D. Peters erhielt 2 Jahre 3 Monate Gefängnis und 2000 Mk. Geldstrafe, der Angeklagte .Kriminalkommissar a. D. Beyer 2 Monate Gefängnis und 300 Mk. Geldstrafe, der Angeklagte Hermann Weber eine Gesamtstrafe von 1 Jahr 0 Monaten Gefängnis und 20 000 Mark Geldstrafe, der Angeklagte Heinrich Weber 1 Jahr Gefängnis und 5000 Mk. Geldstrafe, die Angeklagten Ge brüder Liemke 6 Monate Gefängnis, der Angeklagte Halsmann 2 Monate Gefängnis und 3000 Mk. Geldstrafe, der Angeklagte Dr. Cantrop wurde freigesprochen. Die empfangenen Bestechungsgelder In der Gesamthöhe von 21 000 Mark wurden als für die Staatskasse verfallen erklärt. Den Angeklagten wird die erlittene Untersuchungshaft angerechnet. Tie Haftbefehle werden aufgehoben gegen Peters, Hermann Weber, Robert Siemke und Dr. Cantrop. <W. T. B.) Mittwoch. 30. Imil 1«S Oertliches und Sächsisches. Mitteilungen aus der Sitzung de» Geiamtrale» am 23. Iuntt Di« Nnterhaltiingsvvraiijchläge für die StiftungS-ru»-» Nücke auf das Rechnungsjahr 1020 werden mit in-gesamt SV 4*1 Reichsmark ordentlichem Aufwand und öd 301 Reichsmark außerordentlichem Aufwand aenehmigt. Den Stadtverordneten wird die Bcivtlligiing von SOOO Reichsmark zur Erwerbung eines LtadtfilmS Dresden vor- geschlagen. Die Steuer-Vorauszahlungen am 10. 8utt. Um den häufig in «der Praxis bestehenden Unklarheiten über die Errechnung der am 10. Juli tzLchviifrist diesmal bis zum 24. Juli» fälligen Vorauszahlungen ans die Einkommen- bzw. Körperichafts,teuer zu begegnen, sei folgendes bemerkt: Nach einer Mitteilung der Nachrichtenstelle de» Reichs- finaiiziiiiiiisteriiims sind die Finanzämter angewiclen worden, den Lteiierpslichtlgen die Einkommen- bzw. KörverschaftS- steiierbcscheide tunlichs« bis 10. Juli zuziistcllen. Diese ent- halten neben der endgültigen Festsetzung des Tteuersoll» die Höbe der eventuell noch zu leistenden Nachzahlungen, die eventuell zu erstattenden Beträge, eine Erläuterung zur Stciierfestsevniia und endlich die Festsetzung der für den laufenden Steuer,ilischnltt zu leistenden Vorauszahlungen, die künftig allgemein am 10. Januar. 10. Avril. 10. Juli und ttl. Oktober sällig sind. Dieser BoranszablniigSbeschetd ist also für die Bemessung der BvrauSzahlungen maßgebend und bedeutet eine wesentliche Vereiiisachnng des ganzen Ver fahrens. die den Stenerpslichlige» wie den Finanzämtern schon jetzt in weitestem Maste zugute kommen soll. Daher ist diesmal auch die Schvnsrist bis zum 24. Juli verlängert worden, um auch den Steuerpflichtigen, die ihre Steuer bescheide erst nach dem 10. Juli bl« 17. Juli einschließlich er halten, die Möglichkeit zu geben, ihre Vorauszahlungen auf die Einkommen- bzw. Körperschaft-steiler schon nach dem ver einfachten-Verfahren al''»inlireii. Steuerpfltchllne. die bis zum 17. Juli noch nicht i 'Besitze ihres Steuerbescheide- sein sollten ldtes werde» voraussichtlich die wenigsten sein), haben ihre Vorauszahlungen noch gemäß den Bestimmungen der zweite» Steneriivtvervrdninig und des Steuerüberleitungs- gesetzes, also nach den Umsätzen dem Kapital oder dem Ueber- schuß der Einnahmen über die Ausgaben zn errechnen und ab- ziifüliren. In der Regel werden das auch Betriebe sein, die erst im Jahre 1020 gegründet worden sind. Eine Ausnahme hiervon machen jedoch die buchfübrenden Gewerbetreibenden iisw., die, soweit sie ihre Einkommen- bzm- Körverschafts- stcucrerklärungen bis zum 8. April d. I. elngcreicht batten, schon am 10. April ein Viertel ihres für den vergangenen Steiieralsschnitt selbst errechnet«'» StciicrlvllS abfübren dursten. Diese Pflichtigen können am lO. Juli ebenso verfahren, müssen aber nach Empfang de« VorauSzahliingShescheides innerhalb eines Monats eventuell Uiiterschiedsbetrügr nachzalilen. fall» sich nämlich Herausstellen sollte, daß sie ihre Vorauszahlungen zu niedrig bemessen haben. Ermähnt sei noch, daß die-mal ausnahmsweise die bis zum 24. Juli verlängerte Schvnsrist auch für die Umsatzstcuer- voraiiSzahlung gilt, die am 10. Juli d. I. fällig ist. —* Der nenernannte badische Gesandte bei der sächsischen Regierung, Franz Xaver Hon old. hat dem Minister, vräsidentcn unter Ueberreichung dcS Beglaubigungsschreibens seinen Antrittsbesuch gemacht. —* Eine große Kundgebung dcS Jnngbentsche« OrbenS wird am Sonntag, dem 4. Juli, ans dem Landberge stattfinden. Sie wird veranstaltet tm Aufträge der Ballet Elbgau von der Bruderschaft WilSdruff. Dabei wird Gelegenheit sein, den Hochmeister des Ordens. Arthur Mahraun, reden zu hören. Und zwar wird, nach einem WaldgotteSdienst, den Pfarrer Luthardt-Grumbach halten wird, der Hochmeister von ll bis 12,30 Uhr im Kreise feinere Ordensbrüder weilen und zu ihnen reden. 2km Nachmittag von 2 bis 4.30 Uhr wird vor dem Gasthause Landberg eine weitere Kundgebung stattfindcn, bei der die Ocsfeiitlichkcit einen Eindruck von dem sozialen und politischen Wollen dieser Gemeinschaft deutscher Menschen erhalten wird, die sich f«ngdeutlch nennen, weil ihnen da» Ver- langen im Herzen brennt, alles, was alt und morsch an unserem Bolle geworden ist, durch das Band der Brüderlichkeit wieder mit einem jungen, frischen, werkschaffenden Geist zu erfüllen »nd da- Kriegsbeil zu zerschlagen, da« die Schichten unsere» Volkes tn Klassen und hadernde Parteien spaltet. 3« allen Personalfragen lg Nrd»N»a»eh«,I, »I« »m»,»e»«sch»r »et, Dsrlchl», lg »»»«rtinditch »n» I»g»t Ih»»» »Ichl». Anruf: 25881 u. 24831 Dresdner Opernfragen im Lanükag. Im allgemeinen haben Sie deutschen Parlamente zu Fragen der Kunst wenig Fühlung. In der Beziehung kann uns der weit feinfühliger kulturell eingestellte Parlamentaris mus etwa der Franzosen oder gar der Italiener beschämen. Immerhin genießt zum Beispiel der Sächsische Londtag den Vorzug, in mehreren Parteien einzelne künstlerisch wohl unterrichtete Abgeordnete zn besitzen. Dgrum ist auch die gestrige Debatte über die Dresdner Staatsthcatcr wieder in ganz sachlichen Bahnen verlausen. Man hat dieser Debatte in den interessierten Kreisen diesmal mit besonderer Span nung entgegengelehen. weil sich iu jüngster Zelt allerhand Zündstoff im staatstheatralischen Revier angehäust hatte. Aber das erwartete Explosiv-Fciierwerk ist ausgeblieben. Der vielberufcne »Fall Mora" hat nur wie ei» schon historisch ge wordenes Ereignis hcrcingespielt. die von verschiedenen Zeiten gegen den Generalintendanten gerittene Attacke ist durch das sehr einfache varlaineittarische Mittel eines Mehrheitsbeschlusses einstweilen abgeschlagen worden. Und man konitte auch wieder aus offiziösem Munde hören, cö sei bei den Dresdner Staaisthcatcrii im großen und ganzen alle- in schönster Ordnung. Daß dieser Botschaft jedoch im einzelnen der dazu gehörige Glaube fehle, ergab sich trotzdem a»S manchem „Wenn" und „Aber" nicht nur der Abgcordnetenredcn. son dern auch der offiziösen Antwort des Bolkobildiingsmiiiisters selbst. Dieser bat freilich zweifellos darin recht, wenn er vieles von dem, was doch nicht so ist wie cS sein sollte, den veränderten Zcitvcrbältnissen zur Last legt. In der Tat muß iede wirklich fruchtbare Kritik am derzeitigen Thcatcrwesen mit diesem Umstand rechnen. Wenn man daher immer wieder sagen hört: „Ja. aber unter Scebach wäre so etwas nicht möglich gewesen! Und Schnch. der machte das »nd daS..." so Ist dem nur stets eittgegenziihaltcn: das waren eben andere Zeiten; beute könnte Secbach und Schuch auch nicht mehr da», was sic damals konnten! Wenigsten« das Organisatorische steht im Zeichen der Zeitenwende. Das Künstlerische nicht im gleichen Grade. Und darum ist dem Minister auch nicht zuzu- stimmen, wenn er z»in Beispiel auch die offenkundigen Mängel unseres Spielplans der Zeit zur Last legt und meint, vor hundert Jahren sei eS in der Beziehung besser und leichter gewesen. Die Spaltung des Bolksgeschmackes in auSeinanderklasfendc Richtungen ist im Gegenteil vor hundert Jahren womöglich noch stärker gewesen als heute, wenigsten« auf dem Gebiete der Oper. In Wien vergaß man damals Beethoven über Rossini, in Dresden hatte Weber einen Exfstenzkampf mit Morlacchi z» bestehen, in Berlin war der „Freischütz'-Erfola ein Großkampftag gegen die Spontini-Anhänger. zu denen sogar der deutsche Erz- romanliker E. Th- A. Hofsmann schwor. Also der Gegensatz zwischen deutsch und fremdvölkisch, der nicht durch Gewalt samkeiten, sondern durch einen vernünftigen Ausgleich ge schlichtet werden muß, ist nichts Neues. Und eS ist auch nicht richtig, daß zum Ausgleich heute die wirklich wertvollen Stücke fehlten: mit Mozart, Weber, Wagner, Psitzner — um nur diese zu nennen — läßt sich ein deutscher Ausgleich gegen Verdi, Puccini, Bizet und Genossen, die wir ja beileibe nicht vermissen oder unterdrücken wollen, schaffen. Andere Bühnen — stehe München, siehe die Berliner Städtische Oper unter Bruno Walter — schassen ihn. Dresden schafft ihn nicht. Wir haben keinen Psitzner, wir haben manchmal wochenlang keinen Wagner (— neulich waren zum Beispiel zwischen „Holländer" und „Walküre" drei Wochen ohne Wagner- 'Ausführung —Wir haben von Mozart regelmäßig nur die „Entführung", selten die „Zaubcrflvte", ganz selten den „Giovannt", -a8 andere überhaupt nicht. Wir haben zum Weber-Tag, obwohl das eine ganz besondere Dresdner An gelegenheit war. nur den „Freischütz", nicht „Enrnantbe", nicht „Oberon" gehabt. Jüngere deutsche Komponisten, die, wie zum Beispiel BraunfelS, an anderen Bühnen Dauer- Aufführungen erleben, sind tn Dresden unbekannt. Und leibst Dresden» große Entdeckung, Richard Strauß: wir haben seit zehn Jahren keine „Elektra" gehabt; „Frau ohne Schatten" ist sang« »nd klanglos verschwunden, „Intermezzo" scheint !m Begriff zn sein, denselben Weg zu gehen, „Feuers not" ist durch eine unmögliche Ncnetnstudlerung zu Fall gebracht worden. In Berlin, tn Wien, tn München und an mancher kleinen Bühne kann man alles da- hören, bei uns nicht. Das sind zum Neberdruß oft beklagte Tatsache», die sich nicht durch den -Hinweis auf das „Fehlen einer natio nalen Kultur" erledigen lassen. Zum Teil hängt das zweifellos zusammen mit den be sonderen Neigungen des GeneralmiistkdtrcktorS Fritz Busch, dessen Persönlichkeit ja auch in der Landtagsdebattc eine Nolle gespielt hat. Wenn gesagt wurde, er sei „kein Wagner- Dirigent", so ist das wohl etwas scharf alt-gedrückt: aber ein Körnchen Wahrheit steckt drinnen, insofern Busch iede». falls zu einem Hauptwerk Wagners, zum „Ring", bis setzt nicht dtc beherrschende Einstellung zu finden wußte. Das wäre aber nicht so schlimm; stechen doch hierfür in Kiitzschbach und Ztricgler stilknndige Helfer zur Verfügung, und Busch selbst hat „Meistersinger". „Tristan" und „Lohengrin" sich voll zn eigen gemacht Bedeutsamer erscheint, daß BuschS allge meines künstlerisches Interesse, nicht so stark, wie daS wünschenswert wäre, auf Wagner und auf die überlieferte Sptelplanopcr überhaupt eingestellt ist, sondern, daß sei» Sinnen und Trachten vor allem darauf geht, Dre-ben »u einer „Nraufstthrungsstätte" zu machen. Da» ist fa an sich gewiß ganz schön, und wenn man sicht, wie zum Beispiel die Leipziger Oper durch ihr völliges Versagen an Initiative bedeutungslos zu werden droht, kann man nur froh sein, «daß hier ein frischer Wind weht. Aber Tag und Nacht irnr den einen Gedanken wälzen: Wie kann ich möglichst viele und möglichst sensationelle Uraufführungen machen? — DaS Ist auch nicht daS Rechte. Das goldene Wort vom rechten „AuS- gleich" muß auch hier mahnend erklingen. Sonst leibet nicht nur, wie Beispiele zeigen, der Splclplan, sondern auch da- Durchschnittsuiveau der Ausführungen, das sehr richtig vo» einem 'Abgeordneten als „so so" bezeichnet wurde. Manch mal bleibt cs auch noch unter „so so". Das liegt hinwiederum auch mit an der Pcrsonalpolitik, an der ebenfalls mit Recht Kritik geübt worben ist. In der Tat: wenn schon in der Leitung der Staatsthcater alles hübsch beim alten bleiben soll, dann Ist eine Ueberpriisung der Personalpvliiik dringend nötig. Man soll zum Beispiel nicht Künstler engagieren, die beim Probcgastlpiel einstimmig vo» der Kritik abgelchnt worden sind. Man soll engagierte Künst ler nicht, wenn man Verdruß mit Ihnen gehabt bat. spaziere»' gehen lassen und dafür minderwertige Gäste nehmen oder de» Spielplan zerbrechen. Man soll nicht Leute anS guten Posten wcgholcn, wenn ihnen hier die Enttäuschung minder wertiger Veschästigima und alsbaldige Kündigung droht. In all diesen Tinaen wird mehr gefehlt als nötig wäre, doch haften diese Fehler weniger an einer Persönlichkeit als am ganzen Snstcm. Ein solcher Snstemfchler Ist auch die Scheu vor der Oessentlichkeit. die man zum Beispiel bet der Be handlung just des Falles Mora wieder bekundet hat. ohne zu bedenken, daß schließlich die öffentliche Meinung die lebte Instanz ist. die praktisch und tatsächlich über das Schicksal d«S Theaters entscheidet, und die man deshalb vor allem zu über zeugen hat. waS nicht durch Ukase und Reden, sondern nur durch Tatsachen geschehen kann. Ein Theatcrbetrieb. der die öfseittllche Meinniw geschlossen gegen sich hätte, könnte jeden falls von keinem Ministerium und keinem Parlament mehr gehalten werden. Dr. EugenSchmttz. Kunst un- WiNen'tkmkt. f" Mitteilungen der Sächsischen Staat»'Water. Opern haus : Freitag, am 2. Juli außer Anrecht: „DerBarbier von Sevill a" mit Richard Tauber a. G. «Almnvlvai Ltesel v. Schuch. Waldemar Stacgrmann, Adolph Schoepslin, Ludwig
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