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71. gahrgang. ^ SSI Sonntag. 17. Juli 1SL7 Drabianickrift: Skachrictzten Dresden Kernivrccker-Sammeln,immer: 2S 241 Nm iür NachlaeivrScke: 20 011 vom IS. dis 31. Jul, isrr bei läali» ,weima»,er Ausielluna frei Laus 1.20 Lte, üezUgS'GetlUyr Poftbeiussvrets iür Monal Juli 3 Mark odne Poftmftellunasaebübr. «tn,e»»n»«»r »6 «vfennt« SckrtstleiNm, und Lauvtaeicküiteslell«: Martenstraß« ^-142 Druck u. Verlag von Vievlck ck Veickardt in Dreeden Poftickeck-Konio >OSS Dresden Nachdruck nur in» veullicke, Quellenangabe l.Dresdner Nackr.'i ,uMMg. Unverlanate^SckriMücke^iverdei^iIck^utbeivadrl^ »KMlll lÜK idlliWKlW? 1^.0 ttunstspislpisnos I «ockfa^-9^ aalt 1634 dsstdswLiintss kZusIitätsksbi-ikst Veranstaltungen sieke Inserat. Heiken r» "77.L SsutrGN ,' Iie Eisenbahn in Lestemich Mgelegt. Eine Machtprobe -er Sozialislen. — Die Grenze nach Bayern militärisch beseht. Die Kritik -es neuen Schulgeseheniwurfs. — Ein deutscher Militärattache für Paris? — 115 Opfer -er Kitze in Amerika. Generalstreik in Wien. Innsbruck, 16. Juli. Heute früh wurde in Innsbruck offiziell bekannt, dak in Wien der Generalstreik proklamiert worden ist. Dieser hat ans Tirol insoweit übcrgegrissen, als auch hier heute morgen um 8 Uhr aus Anordnung der Gewerkschaften der Eisenbahnverkehr eingestellt wurde. Die Tiroler Landesregierung hat alle Maßnahmen getrofscn. um die Ruhe im Lande anfrechtzuerhaltcn. Mili tär. Gendarmerie und Polizei liegen seit gestern in höchster Bereitschaft. Nach einer Führcrbesprechnng deS Republi kanischen Schutzbundes wurde der Tiroler BiindeS- siihrer von der Landesregierung ansgcfordert, im Interesse deö Landes aus keine Anhänger beruhigend einzuwirkcn, da jede Aktion deS Bundes. die z« Ruhestörungen führt, ans energische Abivcbrmafinahmcn der Tiroler Landesregierung stoßen würde. Heute nacht fand auch eine Führcrbcsprechung der Tiroler Heimatwchren statt. ^ Auch der telephonische und telegraphische Verkehr zwischen Wien und den Bundesländern ruht voll ständig. Um 7 Uhr abends ist gestern vor dem Innsbrucker Parlament ein Bataillon Infanterie mit Maschinen gewehren aufinarschtert. um das VolkshanS vor einem An sturm zu schlitzen. Die Ruhe ist noch nicht gestört. Auch in den übrigen Bundesländern ist es vollkommen ruhig. Selbst wenn eS znr Ansrnsnna einer sozialistischen Republik käme, ist nicht anznnebmcn. daß die übrigen Bundesländer dem Holge leisten würben. Der Landeshauptmann von Tirol. Dr Stumps, der sich in Urlaub befand, hat sich ans die Nachrichten ans Wien sofort nach Innsbruck begeben. Keine Bahnverbindung mir Oesterreich. Berlin. 16. Juli. Der über Passan gehende Schnell zug nach Wien, der gestern abend gegen 7 Uhr den Anhalter Bahnhof verliest, ist in Passan liegcngcbliebcn, da die öster reichischen Bundesbahnen keine Züge mehr übernehmen. Ebenso ist auch derGegenzug heute morgen S,«8 Uhr ledig lich aus Passan ohne die Wiener Wagen in Berlin eilige- troffen. Nach Mitteilung der Reichsbahn ruht auch aus den übrigen deutsch-österreichischen Uebcrgangsstationen Sim- b a ch — K n s st e i n und Salzburg infolge des General streiks jeglicher Verkehr. Die über Bodenbach —Prag gehenden Schnellzüge verkehren vorläufig nur bis zur tschechisch-österreichischen Grenze. Auch der Prager Zim traf heute ohne den Wiener Kurswagen in Berlin ein. Selbst verständlich rnb« anch der Güterverkehr mit Oesterreich, so das, beispielsweise die von und nach Italien über den Brenner bestimmten Transporte jetzt über die Schweiz umgelcitct werden müssen. Nur -er Luftverkehr funktionier! Im Gegensatz znm Eisenbahnverkehr funktioniert, wie die Deutsche Lusthansa mittctlt, der Luftverkehr zwischen Deutschland und Oesterreich nach wie vor, und zwar sowohl in Berlin wie von München und Glciwitz ans. Da die Flug- zenge seit gestern das einzige Verkehrsmittel sind, mit dem Wien erreicht werden kann, sind natürlich alle Plätze im Handumdrehen ausverkanft worden, so dast der Einsatz von Sondermaschinen notwendig war. Heute nach mittag 1,18 Uhr ist bereits nuf dem Tcmpclhofer Held ans,er der plann,ästigen Wiener Maschine anch ein Sonderflugzeug dorthin gestartet. Minislerrat un- Sozialislenvorslan- lagen in Permanenz. Da seit Freitag abend der Telephonverkehr Wiens mit allen europäischen Hauptstädten gestört ist, läßt sich über die Lage in Wien kaum ein einheitliches Bild gewinnen. Nach richten von Wien kommen säst nur über Prestburg, Prag und Innsbruck: Prehbnrg, 16. Juli. lDurch Funkspruch.j Aus Wien wird g,meldet: Gestern nachmittag wurde ein mehrstündiger Mi- nisterrat abgchalten. zu dem anch Polizeipräsident Schober. Geucralpostdlrektor Ho heikel nnd die leitenden Beamten deö Bundeskanzleramtes hinzngezogcn waren. In den Abend stunden fand eine Aussprache zwischen dem Bundeskanzler und den sozialdemokratischen Abgeordneten Bürgermeister Scitz und Dr. Bauer statt. Tie Negierung hat alle Vor kehrungen getroffen, um ein Wicdcrnusslackcrn der Unruhen in den folgenden Tagen nach Möglichkeit zu verhindern. Dar über. ob und wann der Nationalrat einbcriifen werden soll. Unruhen geschaffenen politischen Lage Stellung zu ncttzktE'^r noch keine Entscheidung getroffen, ob wohl diese Frage schon Gegenstand von Besprechungen zwischen dem Bundeskanzler und der früheren Opposition war. Der Ministcrrat hat sich für pcrmanent erklärt. Er wird hentc früh ohne weitere Einberusnng i« Bundeskanzler amt znsammentrcten. Prag, 1«. Juli. Meldungen, die a«S Wien hier ein gingen, besagen, dast das Wiener Präsidium der österreichi schen Sozialdemokratischen Partei sich in Permanenz erklärt hat. Auch daS ganze Plenum des Ausschusses der Gewe r k - schastSzentrale wurdc znr Mitarbeit eingclaben. lieber diese Tagung wurde bisher kein ossiziellcr Bericht aus gegeben. Es verlautet, dast beschlossen wurde, für Wien und Umgebung den Generalstreik z« proklamiere«. Der Streik soll anch aus die Bnchdruckereibetriebe ausgedehnt werden. Von den Wiener Blättern erscheint nur die „Arbeiterzeitung". Die Strastenbahnangestellten und die Beamten des Post» und TelegraphendicnfteS habe« sich mit der Arbeiterschaft solidarisch erklärt. Wie verlautet, hat daS Präsidium der Sozialdemokratischen Partei de» schlage«, «in« Deputation zu BnudeSkanzle» Dr.Seipel zu schicken, um ihn zu« Rücktritt aufzusprder». Gestern abend um 6 Uhr erschiene» dte ausISn-ifche« Gesandten bei Bundeskanzler Dr. Seipet» um mit ihm über die Lage zu beraten. Eine gröbere Schiebe rei soll gestern noch in der Nähe der Oper ftattgcsnuden habe«, wobei kV Personen getötet worden sein solle«. In den Strasten Wiens wurden Flugblätter verteilt, in welchen der Rücktritt Seipels und Schobers verlangt wird. Die ausländischen Journalisten sehen die Stellung der Negierung als erschüttert an. Entgegen den Meldungen, dast daS Militär versagt haben solle, wsrd sestgestellt, dast das M'li- tär deshalb nicht ciiischritt, weil es vom Bürgermeister Dr. Scitz davon zurückgehalten wurde. Der Juftizpalast ist bis aus den Grund nicdcrgebrannt. Es wnrben sämtliche Grmidblichcr, Prozestakten und zahlreiche andere Dokumente vernichtet. Die üslrrreichisch-bmirische Grenze mililäris» beseht. München, l6. Juli. Die bayrisch-österreichische Grenze ist bei Engclhardtszcll »»« österreichische« Bundestruppen besetzt worden. Der heute morgen in Passan nach Linz abgelassene Dampfer wurde in Engelharbtszell an der Wcitersahrt ver hindert. Der ganze Verkehr von un» nach Oesterreich zu Schiss un» mit der Bahn ist damit stillgelegt. .Verhehle Massen. Der Bericht eines Augenzeuge«. Berlin. 16. Juli. Von einem Augenzeugen wirb dem „Berliner Lokalanzetger" aus Wien berichtet: AuS den Keller, geschossen des brennenden Jnsttzpalastes brechen Flammen. Im erste» und zweiten Stock sieht man kleine Grnvven von jungen Bursche«. Berbrechertype«. Sie werfe« den Fener- brand von Zimmer z« Zimmer, bahnen dem roten Element den Weg. An allen vier Fronten deS Riesengcbänbcs das selbe Bild. Rings herum stehen die wohlgeordneten Organi sationen des Bundes znm Schutze der Republik. Dabet Feuer wehr. untätig- Ich gehe zu einem der kommandierenden Männer: Gestatten Sic. ich bin Auslandssournalist. ich ver stehe die Situation nicht. Das Palais brennt ja völlig nieder! Da sicht er mich last entgeistert an: Ja. daraus «arte« «tr sal In der Schilderung bcistt eS dann weiter. In der Josef- stadt krachen Schliffe. I« der Nähe des Rathauses Polizisten, entwickelt in Schützenlinie. Gewehr im Arm. Wenig vor 8 Uhr: Polizisten im Lansschritt. Gewehr im Atm. kommen über die Ningftraste. Dasselbe Bild wie vormittags: Steine stiegen. Holzklötze, getroffene Polizisten solle n. und doch behält die Polizei bemerkenswerte Ruhe. Aber jetzt gcht's nicht mehr. DaS erste Glied kniet, ein Säbel blitzt. Ein scharfes Kommando — die Salve kracht. Im R« ist der Platz vor dem ParlamentSgebSude leer Die Führer der verhetzten Masse« hatte« sich kurz vor der Salve noch rechtzeitig rückwärts in Sicher heit gebracht. Djc Kur ist hart. Sie kam — daS must der überlegene Verstand einaestchen — einige Stunden zu spät. Biel Blut konnte hentc in Wien gespart werden. Die furchtbare Verantwortung aber tragen die Führer, die die Masten zu früher Morgenstunde in die schlafende, friedliche Stadt hetzten. Aus dem Jnstizpalast lodern Flammen. Nun dringt die Polizei ein. Die Masten haben sich gelichtet. Aber w«S ge. blieben ist. bekennt sich znr Gewalt. Auch die Männer in grünen Uniforme« mit roter Schleis«, die vorgebe«, die Re publik zn schützen. Aus der Menge fallen Pistolenschüsse. Steine fliegen, verwundete Wachtleute stürzen zu Boden — und nun folgt die zweite Salve. Die Szenen von vor her wiederholen sich. Der Platz ist tn wenigen Minuten leer. Die Feuerzeichen in Wien. Ganz plötzlich ist in Wien, bas dem Fcrnerstehenden noch immer als dte Stadt der heiteren harmlosen Lebenslust und der echt österreichischen Gemütlichkeit gilt, die Flamme des Aufruhrs emporgeschlagen. Ueberraschend sind die Hiobs posten von dort aber doch nur für solche Kreise gekommen, die der Entwicklung in der österreichischen Metropole keine tiefere Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Die politischen Nach richten über die Zustände in Wien gehen im allgemeinen nur spärlich ein, und so konnte man sich bet uns im Reiche viel fach tn dem Glauben wiegen, daß die sozialistische Herrschaft in Wien so einigermaßen im Lote wäre. Manchmal trafen aber doch Meldungen über große Beamtenstreiks, schwere KorrupttonSaffären, schulpolitische und wirtschaftlich« Ex perimente soztalreooluttonären Charakters «tn. die blitzartig das Dunkel erhellten und einen Einblick in die wahren Ber- hättntsse erSffneten. Nähere Beobachter dtr Wiener sozial demokratischen Mißwirtschaft sagten denn auch voraus, baß daS Ende mit Schrecken, nicht ausblciben könne, und diese Prophezeiung ist durch den jetzt entzündeten Brand nur allzu rasch bestätigt worden. Vorläufer ber gegenwärtigen Kata. strophe waren bereits die von radikalen Agitatoren pro. vozierten Studentenunruhen der jüngsten Zeit und der Links terror aus Anlaß des von der Regierung beschlagnahmten sozialdemokratischen geheimen Waffenlagers im Arsenal, daS vom Schutzbunde mit drohender Geste gegen die staatliche Autorität besetzt wurde. Bei jenen Gelegen- heilen gelang es der Regierung noch, durch einen gewissen Energieaufwand, verbunden mit gütlichem Zureden, den Schutzbund zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Diesmal aber ist es hart auf hart gekommen, und dte Fackel des Bürger krieges ist mit ihrem falben Feuerscheine emporgeslammt. Ein der Sozialdemokratie nicht genehmes Gerichtsurteil mil politischem Anstrich war der äußere Anlaß, der die Massen in Bewegung setzte. Die eigentliche Ursache aber liegt tiefer, und um sie zu verstehen, muß man sich des wesentlichen Unterschiedes bewußt werben, der zwischen der deutschen und der österreichischen Sozialdemokratie besteht und aus dem sich die gefährliche revolutionäre Eigenart der letzteren erklärt. Bet unS im Reiche hat sich ber Scheidungsprozeß zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in so ausgesprochener Weise vollzogen, daß eS heute selbst dem radikalen linken Flügel der Partei nicht mehr ernsthaft in den Sinn kommt, auf die blutrünstigen kommunistischen Phrasen zu reagieren und Politik mit Mitteln der rohesten Gewalt treiben zu wollen. In Wien dagegen ist dieser Scheidungsprozeß noch nicht in Erscheinung getreten. Sozialisten und Kommunisten sind dort noch in einer Partei organisiert und, wie es bei einer solchen Ehe selbstverständlich ist. die radikalere Richtung führt daS Zepter. Das Instrument, das dem Wiener Sozia lismus als jederzeit bereite schlagfertige Waffe zu Gebote steht, ist der Republikanische Schutzbund, der ein wohlgebildctcS, diszipliniertes Heer, gewissermaßen eine bolschewistische Rote Armee im kleinen, darstellt. Diese sozlalisttsch-kommiinistischi' Truppe hält regelmäßige militärische Hebungen ab. ist gut bewaffnet und rekrutiert sich ausschließlich aus dem jungen sozialistischen Nachwuchs. Der Republikanische Schutzbund ist zn Rner Macht geworden, die einen Staat im Staate bildet unv der Wiener Sozialdemokratie dte Herrschaft gewähr- An unsere Tortakonnenlen! -n Rrnen lagen toMinl cker Lrlestnllger MI Fönen, n« Re fN» De R» „Vrnnänen Nackrletten" ,n tannirr«», t» kotige» li« Ren« Nngekegenteil »asarl. «la«it kein, liniert»««tn», I, äer Znnkelknng 6» Zeitung Antritt Kür vnnteltnn^n. R« »aet 6«» W. Fall ansgegete» wrräe». rrtet« R« Ton« An« tonäergebötr. Versag 6er Vvesäaee Vaekrickea