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Freitag. 17. Oktober 1924 Oertliches und Sächsisches. Der..junge Oberregierungsrat«vor dem Landtage Die Angaben der vier sozialistischen Mtntster Uber den OberreaierungSral G ü » t h e r i» ihrer bekannten Broschüre haben ote deutschnattvnale LandtagSsraktlvii veranlaßt, fol» gende zwei Ansrane» an die Regierung zu richten: 1. In der Broschüre «Die angescindeie Beamtrnpolittk der Regierung Heidt* ist ans Seite 15 dargelegt, das, der »och sehr iunge vberregicrungsrat Günther unter dem Ministe- rtaldirrktor Dr. Lempc, der Chef der Personalabteilung war, .aus eigene Faust drei höhere Beamte entfernte*. Lind diese Beamten wieder eingestellt und entschädigt worden? 2. In der Broschüre „Die angefeindete Bcamtrnpolitik* ist auf Sette >1 zu lesen: „Eine» Tage» wurden ei» paar Hun dert Mann Polizei mobilisiert und »ach Zwickau dirigiert, um dort Unruhen zu bekämpfen. Die Zwtckauer Behörden wnstten nichts von Unruhen. Dem Genossen Günther war eben eine Verwechslung passiert.* Wer hat die .stosten diese» Tran». Porte», Tagegelder usw. bezahlt? Ist OberregternngSrat Günther hierfür haftbar gemacht worden? Die Adferttgung unlersliiyungsberechttgler lMelnrettlner. Die beutschnationale Landtagsfraktion hat folgenden An- trag eingebracht: „Bis 1. Mai dieses Fahre» wurden die unter- stützten Kleinrentner durch die Fürsorgeämter nach „herauö- gchobener Art" abgesertigt. Jetzt werden diese Unterstützte» in der gleichen Weise wie die übrigen Fürsvrgebcrcchtigtcn behandelt, obgleich da» durch keine Verordnung verlangt wird. Der Landtag wolle beschlichen, die Negierung zu ersuchen, das frühere Verfahren wieder anzuordncn." Aettgton und Philosophie in Kampf und Wechselwirkung. Rortrag von MaxWundt im Luther-Verein zur Erhaltung deutscher evangelischer Schulen im Ausland. Max Wundt. der namhafte Jencnier Philosoph, für da» unterrichtete Deutschland mehr als nur der Soli» seine» berühmte» Vater» Wilhelm Wundt. ein Befreier de» deutsche» Denken» zur Dentschhcit. trat seit seiner Tätigkeit am Dresdner Königlichen Gnmnasium vor mehr als zehn Jahren am Donnerstag zmn erste» Male wieder in Dresden vor die OesfenUichketi. Gr sprach vor dem Luther-Verein zur Erhaltung deutscher evaiigcltjcher Schulen im Ausland über den K a in p s u m die Religion in der Gegen wart und die deutsche Philosophie. Ein strenger Denker, im Aenhcrcn und Inneren kaum iigcndmie an den Vater erinnernd, von mitncliincnder Vor tragsweise, tritt Max Wundt vor die Versammlung. Er be- ginnt von den Gcsahrcn, welchen da» evanaelische C h r i st e n t u m der G e g c n io a r t auSgcsevt ist. Das, man zweifeln könnte, ob cS den» überhaupt »och eine Zukunft habe —, und aller Werl unsere» Lebens ist doch darein ge setzt. Siegessicher scheint der Weg der katholischen Kirche: sie strebt zur Einheit de» Christen tum» zurück, und e» lässt sich wohl zweifeln, ob die protestantische Weltanschauung der Ge- schlvssenheit dieses Kirchenbekenntnisscs gewachsen ist. Wer möchte da einen Hilscblick aus die Philosophie richte»? Ist von ihr. aller Erfahrung gemäh. nicht eher Feindseligkeit, mindesten» Kritik und Skepsis gegenüber der Religion zu erwarte»? Aber Max Wundt meist die Vorstcllnna als irrig wett von sich. Weil wir die grvstcn Denker dcS deutschen Geistes vergessen haben, weil durch Jahrzehnte planmästtg verdunkelt, verleidet, verfälscht ist, was unser großes Erbe sein sollte, darum scheint cs uns so. Vor 100 Jahren etwa hat der Abfall des deutsche» Geistes von sich begonnen. Wir Deutschen sind noch nicht zur angemessenen Gestaltung unseres eigenen Lebens gekommen. Ter Kampf unserer arostcn Denker, Lcibniz, Kant, Fichte, Schelltng, Hegel, galt dem Zeitgeist, der heute »och bestimmt. Denn vergessen ist. was jene Tieferes gelehrt. Entscheidendes gesunden haben. Mit kritischer Besonnenheit deckte Mar Wundt ans, waS die Nichtungcn des evangelischen Christcn - tums bedeuten. Tie rechtgläubige N t ch t u n g hat das bleibende Verdienst, an der Wahrheit der Osscnbarnng sestgehalten zu haben. Ihre Schwäche ivar. daß sic die An sprüche der Verminst, in dieser Wahrheit sich selber wieder- zufinden, auf weite Strecken glatt von sich wies. Sic gab der Verminst damit die Richtung aus eine Entwicklung abseits der Religion: das technische Leben, aus die Sclbsthcrrlichkeit des Menschen begründet, grünte heraus: die Religion wurde zur Nebenerscheinung. Wo die Orthodoxie die Verminst abgewiesen hatte, da nistete die Aufklärung sich ein. Ste will die Religion abseits der llcbcrlicserung begründen: „auch in der Verminst must Gott sich Visen baren" Allmählich erscheint die neue „natürliche" Gotteslchre als die haltbarere: dann schleicht Skepsis sich ein. „Religiöse Wahrheiten sind mit der Ver minst nicht zu erkennen." Zuletzt gilt die Reliatv» idem >8. Jahrhunderts als eine Erfindung der Priester, idem Ar Jahrhunderts als die Schöpfung eigensüchtiger -Klassen. Die blasse verächtliche Wesenlosigkeit solcher Ausfassung hat Hegel erwiesen. — Dresdner Nachrichten — Die liberale Tbi-ologte sucht zu vermitteln Im Stile der historischen Richtung, die sede religiöse Wahrheit al» bloß geschichtlich bedingt und gültig ansicht. liegt das Schul ideal, bei dem den Kindern „zur Aus wahl* die „vorrätigen* Religionen vorgelegt würden. Dieser ist S ch I e t r r m a ch e r » Religion au» Gefühl, die gerade letzt so viele Anhänger findet. Aber bereits Hegel hat den Abfall dieser „Religiosität* von der Religio» nach- gewiesen. Wohl verkündet kie Religion sich im Herzen, aber die Erkenntnis ihrer Wahrheit stammt nicht von da. Aus den Inhalt, nicht auf da» anregende Gekülil kommt eS an. In da» Gefühl geht alle» rin, da» Allcrwcrilcseste und das Aller wertvollste. Gefühl hat auch das Tter. Aber der Mensch erhebt sich darin nicht zu sich selbst. Er wird Mensch ja erst, wenn er sich selbst vergißt, wenn er an das Wahre sich ent äußert und im obscktiven Leben der Gottheit verglüht. Und zuletzt hält auch der Glaube der Kantianer, daß Religion al» sittliche Forderung, al» ein Gebot au» der Unzulänglichkeit aller menschlichen Selbst- bcfrclung durch da» Wollen de» Guten, bestehen könne, nicht stich. Die Lehre von der Gnade und von der Versöhnung Gotte» mit der Welt bleiben dabei anSgcschaltet. Zu dreien Malen hat die Philosophie ihre Kräfte in die Religion cingcstrahlt: da» erste Mal zur Zeit der Kirchen väter iAngustini, da» zweite Mal in den Tagen der Scholastik: zum dritten Maledenn Ne war berufen durch len Protestantismus — in der großen Epoche der deutschen Philosophie. Und die» war ihre sclbsterkannte Aufgabe: die religiösen Wahrheiten nicht letztlich zu entschleiern: denn da» wird nie ein Mensch vollbringen. Aber sie ansznzetgen. daß sie Wahrheiten sind, mit den Mitteln der ge- wonnrncn Erkenntnis, lind Hegel sagte da» Tiefste. Gott ist Geist: diese Welt ist aber die Offenbarung des Geiste». Der klimmt am höchsten in die Geheimnisse der E h r l st e n l e h r e. der die Trinität beschreibt: und nun ist die Welt ein Abbild ewigen DreiklangeS. Gott schließt sich nicht ab von der Welt: er eröffnet sich und füllt sich ln ste hinein. Er erwacht zu sich selbst im Menschen, und die Ge- schichte ist keine Kette ratloser Begebenheiten, sondern die Sclbstciiträtselung — vernchmt's! — der Gott- heit. Slsenbabnnn'aN bei Pirna. Niemand verletzt. Heute früh fuhr ein von Dresden kommender Vorortzug bet Bahnhof Pirna einem auSsahrenden Güter,',ug in die Flanke. Der Lokomotivführer dcS Persvncn-uges hatte die Haltstcllnng de» Einsahrtslgnals nicht rechtzeitig erkennen können. Als er dann bei Erkennen der Gefahr bremste, glitt der 'Erg, weil die Schienen infolge des Reifes schlüpfrig waren, über das Einfahrtssignal hinaus. Mehrere Wagen des GüterzugeS, sowie die Lokomotive und der Zugsührer- wagcn des PcrsonenzugS entgleisten. Personen sind nicht verletzt worden. <W. T. B.s —* Der KrelSanSschuß hält am Freitag, den 24. Oktober, ll Uhr, eine öffentliche Sitzung ab. —* Die Vereinigung ehemaliger Crucianer veranstaltete am Mittwoch, wie schon gemeldet, im Ausstcliungspalast ein Festkonzert zugunsten des SchülcrhcimS der Krcuzschule und würdiger bedürftiger Kreuzschülcr. Zahlreiche alte Crucianer, die zum Teil sogar von auswärts mit ihren Angehörigen ge kommen waren, hatten sich eingcsundcn, um ihre Anhänglich, kcit an ihre alte Schule zu zeigen, und einmal mit den sungen Eruciancrn zusammen zu sein. Die von staatlichen und städtischen Behörde» wie von der Reichswehr zahlreich er schienenen Vertreter bekundeten gleichfalls warmes Interesse für die Wohltätigkcitöveranstaltnng. Bevor da» Konzert seinen Abschluß fand, begrüßte der Vorsitzende der Cruciancr-Pcr- ctniguna, Rechtsanwalt und Notar Th time, die erschienenen zahlreichen Ehrengäste, die alten und jungen Crucianer und ihre Angehörigen und die erfreulicherweise säst vollzählig an wesenden Lehrer des Krcuzschulkollcgiums mit dem Rektor an der Spitze. ES wurde den Künstlern, die sich in den Dienst der guten Sache gestellt hatten, wie dem Krcuzchorc und seinem bewährten Leiter der herzlichste Tank für das Dar- gcbrachtc ausgesprochen und durch den Vorsitzenden aus den Zweck des Abends, die alten und sungen Crucianer einander näher zu bringen, wie auch Mittel zur Erhaltung des Schülcrhcims zu gewinnen, hiiigcwicscn. Die Ansprache endete mit einem Hoch aus die altehrwürdige Kreuzschnlc mit ihrer nun schon über 700 Jahre alten Tradition, in das alle Anwesenden freudig etnstimmtcn. An den ersten Teil schloß sich der zweite, gesellige mit Tanz an. Ein ehemaliger Ciueiancr, Schauspieler Carl Z i m m c r m a n n vom Ncn- städter Schauspielhaus, erfreute Im Verein mit seiner Gattin, Lotte Friedrich, die an dem gleichen Kunstinstilut tätig ist, durch heitere Rezitationen die dankbaren Zuhörer. —* Kabclancschaltung. Zu den von uns bereits uiit- geteilton Unterbrechungen in der Strvmlicscrung schreibt uns das städtische BetricbsamI: Am Mittwoch mußte ein be schädigtes Kabel, das die SUdvvrstaöt speist, ausgcschaltet wer den. Durch Ucbcrlastung der übrigen Kabel war die Strom lieferung in diesem Stadtteile am Mittwoch und Donnerstag abend zeitweilig gestört. Die Behebung der Störungs- Ursache wurde sofort in die Wege geleitet. Nr. 42S Seile Z —* Bunte» Abend in der „Delwa*. AIS letzte gesell schaftliche Beranstaltuna der 4. Deutschen Leinen, und Wäsche-Sckau wurde am Donnerstag in dem non Pros. Dr.-Jng. Schubert und Handelsrichter Hecht mit künstle rischem Feingeschmaet dekorierten Oauvtsaale de» Aus siellungspalastes ein Bunter Abend nebvten. der außer ordentlich großen Zuspruch gesunden hatte. Kein Wunder übrigens, da man tm vvrau» wußte, daß bcsvndcr» beliebte Kräfte dcrStaalSover und des N e s i d e n z - T l> e a t c r s miteinander wetteifern würden, ihr Publikum aut zu unlec halten. Nach dem Verklingen einiger Nonzerinuinmern, mii gcwvhnter Schwungkrasi gespielt non der Heibigschcn Kapelle des ltz. Ncichswehr-Jns-Negis., begrüßte der „An sager" des Abend». Kaufmann Karl Radlols. die Besucher mi» einer launigen Ampraciw. in der er u. a. durchblicken ließ, daß zwar nicht alle Erwartungen, die man von Ver käuferseitc auf die „Delwa* gesetzt habe, sich erfüllt hätte«, daß aber namentlich die Qualitälsware der mittleren Preis linic lehr guten Absatz gesunden habe. Jedenfalls kei ihm all seilia versichert worden, daß aus den Messen zu Köln. Front surt und Leipzig in der Wäschcbranchc nicht annähernd soviel Kunden zur Stelle aewcsen wären, wie aeacnwäctia aus der Dresdner Delwa. Nur der Umsatz von LuruSwaren habe — wie überall — an der Geldknappheit gelitten. Tie ersten künstlerischen Svloaabcn des Abend» bot Grete Mer rem Nikisch mit drei entzückend voraetraaenen Liedern von Brahms: später ließ sie diesen noch drei heitere Liedchen von Erich Wolfs und da» „Ständchen" von R. Strauß folgen. Am Flügel bcalcitcte ste mit bekannter Warmblüiiakeit und Ge schmeidigkeit Tr. A. C h i tz. Einen auch für den Musiker aparten Genuß bedeuteten die Gesänge zur Laute von Tr. Peter Bach »Berlin«. Noch Texten von Morgenstern, Wtldaans. Stefan George. Tehmel. Bierbaum u. a. hat der Berliner Lautcnsünacr, der einer berühmten alten Mnsiker- familie. wenn auch nicht der Bachschxn. entstammt lder Name Bach ist Pscudvmuni. überaus charakteristische und humorvolle Weisen mit einem seingcarbeiteten Lautensatz erfunden, die er mit einer hübschen Natursliminc und bealcitet von einem überwältigend komischen Mtucnspiel vvrtrua. Zwischen den inmitten des großen Saales nebolcncn Vorträgen belustigte sich die Jugend eitrig an Shimmn. Foxtrott. One- und Two- sicpp. bis endlich — cs mar inzwischen nahezu kl Uhr ge worden — die längst erwarteten Mitwirkenden vom Residenz- Theater erschienen. Die Braven halten erst ..des Dienstes ewig aleichacstellle Uhr" aus der Zirkuöstraßc ablausei, lasse» müssen. Zuerst gab's einen von Ballettmeister Gassert einsludicrtcn graziösen Tanz von sechs iunaen Damen des Residenz-Theaters in Pniama Anzügen, dann e!ncn zweiten in duftigen Ballkleidern iaelicscci von der ßicstaen Firma Job. Kupkes und später einen dritte,, in bunten Kimonos, wozu Kapellmeister Kunz-Krause am Fliiacl ohrcn- umschmeichelndc Opcrettcniveiieu erklingen ließ. Dazwischen hinein zündete Georg Wörlge einige seiner besten Conplet-Nakelcn an, die er mit einem Potpourri der crjolg- rcichstcn modernen Opcrcttcnschlager-Ncsrains krönte. Zu letzt vereinigte er sich noch mit den secvs Tänzerinnen zum Vortrag eines Hauptschlagcrs ans „Prinz Don Inan", bei denen diese sich in dezenten Naöekostümen auch als Sänge rinnen und — Salonakrobatinnen zu betätigen hatten. — iür viele Besucher natürlich der Elou des lanaausacdchnten Abends, der in der Tat an Buntheit, Belebtheit und Stim mung nichts zu wünschen übria ließ. »—* Raubüberfall durch einen Radfahrer. Am 16. Oktober gegen 541 ll.hr nachmittags wurde einer Dame ans der Stolpe- ner Straße von einem unbekannten Nadsahrcr die Handtasche mit Inhalt entrissen. Ter Unbekannte stand mit seinem Rade hart am Schnittgcrinne: als die Dame di« Stelle passiert«, sprang er auf sic zu. entriß ihr di« Handtasche und flüchtete aus seinem Rade stadtivärts. Die Handtascli« aus mattsclxwarzcm Leder enthielt einen größeren Geldbetrag, einen Hausschlüssel. ein weißes Taschentuch mit blauer Kante, Ni. H. gezeichnet, und einen Garantieschein der Firma Kclling. Der Räuber wird wie folgt beschrieben: Etwa 28 Jahre all, 175 Zentimeter groß, schlank, vermutlich kleines Schnurrbärt- chcn, trug diinkeßbrauucn Jaclettanzug, hellgelbe Schnür schuhe und hellbraune Sportmütze ssog. Lndcmnützcs. Er hatte ein altes Fahrrad mit schwarzem Anstrich bei sich, auf dem Hinte» ein Sack oder Paket ausgeschnallt war. Personen, die den Vorgang beobachtet und Angaben über den un bekannten Räuber machen können, werden nach der Kriminal polizei gcbclcn. —* Durch eine Lnstbiichscnkngcl verletzt. Am 1. Oktober gegen 546 Uhr ivnrdc ein Maschineiil>aiierlehrli»a, der ans der Bcrginannstraßc vor dem Grundstück 2t stand, von einer Spitz- kugcl, die vermnilich ans einer Lustbiichsc ans einem gegen überliegenden Grundstück abgcschvssen worden ist, am Kopse verletzt. Personen, die Mitteilungen über den Täter machcn können, werden nach der Kriminalpolizei gcbcicn. gaben Se abgearbeile'e Nerven, '«den s. an Erschöpfungszuständen .m-> Blutarmut. ^ün,°7'°eL",e?^ OeganpeLp»«»» ^ooitNIn-VIutpIIIvn «IseNo „ c o - t. I >. Wohe«n»Up»IH«I>e, Leer»«», PirnaNcher gNatz tz Die römischen Kirchen länger in Dresden. G c w c r b c h a n s, am 46. Oktober. Der Chor der römischen Basiliken hat auf seiner Konzert reise durch Deutschland wie überall, so auch in Dresden eine glänzende Aufnahme gesunde». Seit langem Hai man den große» GewcrbehauSsaal nicht mehr so voll gesehen, wie gestern beim Konzert der Römer, und auch die Zusammensetzung des Publikums, in welchem die Geistes- und die Gesellschaft»- aristotratie ganz besonders stark vertreten war, wteS auf «in außergewöhnliches Ereignis hin. Ein solches war der Abend in der Tat schon rein äußerlich, insofern jetzt wohl zum über haupt ersten Male solche Träger der heiligen Musitübcrlieie- rung Roms tm Konzcrtsaal erschienen sind, und zwar ganz in der Form, in der sic sonst an heiligem Ort ihren künstlerischen Dienst tun. Die sechzig Länger, Männer und Knaben, er schienen in der geistlichen Tracht ihres Amtes, im mcißcn und violetten oder roten Chorrock. Das gab an sich ein ganz hübsches Bild: aber irotzdcm vermochte man sich eines leichten ästhetischen Unbehagens nicht ganz zu erwehren, das liturgische katholische Gewand so gleichsam zur Saaldekvration verwendet zu sehen. Dann wäre cS doch stilvoller gewesen, das Konzert in der katholischen Hoskirche abzuhaltcn. Im übrigen fand man nicht allzuviel Zeit, solchen Be- trachtungcn nachzuhcingcn, da die mnsikalischen Leistungen des Chores alsbald rein für sich völlig fesselten. Der Chor besteht aus Mitgliedern der Sixtinischen Kapelle und der Sänger- schäften von San Giovanni in Lacerano, San Pietro-Vattcano und Santa Maria Maggiore. DaS sind uralte Musikinstitute, deren Wirken sich rund ein halbes Jahrtausend znrückvcrsolgen läßt und die zeitweise Zcntralpunkte der europäischen Musik- «ntwickiilng waren. Besonders im 16. Jahrhundert haben zahl- reiche führende Meister der Tonkunst von JaSgnin bis Pale- strina als Länger in diesen Instituten gewirkt, in denen sich also eine beispiellose künstlerische Tradition verkörpert. Viel von dieser Tradition ist in dem Chor, der nun Deutschland bereist, noch lebendig. Eine hervorragende Musi- kalität und Treffsicherheit vor allem, ein nicht geringeres Stil- gcsühl für den Vortrag, und dann die besondere Art stimm- licher Begabung und Beherrschung. Es sind in allen Lagen, im Sopran, wie in, Baß, vor allem auch im Tenor, Organe von elementarer Klangiras! vorhanden. Ihr Ensemble wirkt für ein deutsches Ohr averdiuaS manchmal mehr verblüffen-, als einschmeichelnd. Besonders die Knabcniopranc und die Tcnöre »eigen sehr zu lener flachen, scharfen Tongebung die dem Italiener als Gipfelpunkt klanglicher Intensität gilt. Da- bet sind die Tcnöre ganz nach der Singtechnik des 16. Jahr hunderts, das diese Llimmgatluiig sogar für hohe Altlagen mit verwendete, auf stark entwickelten Falsctton eingestellt, der manchmal fast etwas kastratcnhnstes im Klang hat, obwohl natürlich von wirtlichen Kastratcnstinuncn keine Rede sein kann. So klingt das Forte dcS Chores strahlend, gellend fast, wie Trompclenschall. das Piano wiederum erstaunlich weich, weiblich, verhauchend. Ein Ehvrklang also, der nicht durchaus unseren Ideale» entspricht, den man aber dvch als nparcen Eindruck bewundert und genießt. Dessen Eigenart außerdem vortrngstechiiisch noch lnattlix verschärfte Unterstreichung findet. Trotz aller alten Tradition sind nämlich die Sänger und ihr Leiter, Monsignore Nasfacle Casimiri, doch Italiener von heute und neigen alö solche zu moderner dra matischer Lebhaftigkeit. So holt der Dirigent, der seinen Ehor unaufdringlich mit leichten schmiegsamen Hand- und Finger- bewcgungcn führt, alle Steigerungen und Al»dampsu»gen bis aufs äußerste zugcspitzt heraus, ebenso wie das Tempo von schleppender Schwere bis znm kühnsten Schwung schattiert wird und alle rhnthmisctien Feinheiten beinahe übcrbclichtct er- scheinen. Es ist das ein tcniperamcntvollcS Musizieren, das der rnhiäcn Schönheiislint« dcS altklassischcn VokalsttlS zu- nächst beinahe widersprechen zu «vollen sclieint, aber trotzdem zu deren Seele vordringt. Tenn nichts wäre falscher, als anzu- nehmen, die Musik PalestrinnS und seiner Umgebung habe sich in einer gewissen langweiligen, unabgctöntcn Feierlichkeit erschöpft. Dicker Musik tm allgemeinen und Palcstrina im be sonderen ist nämlich naturgemäß das Programm der römischen Kapcllsänger gewidmet gewesen. Abgesehen von einer sehr stark tonmalcrischcn madrigalcSken Moicttc Orlando di Lassos und einem mehr altertümlich niederländischen Tonstück jenes Firmin Le Bel, in welchem die neuere Forschung den Lehrer Palcstrina» gesunden zu habe» glaubt, hörte man nur Werke de» großen Präncstiners selbst sowie seines von ihm kaum zu unterscheidenden spanischen Rivalen Ludovico da Vittoria. Der ureigentlichste schlichte Palestrtnastil mit seinen scheinbar Homo- vhonen DrciklangSsolgen trat dabei aber fast ganz zurück hinter der künstlicheren Art „zu ungleichen Stimmen", das heißt, in streng polnphoncr, lontrapunktisch verwickelter Sotz- meisc. Alles natürlich in reiner ä-cempclia-AuSführung. denn iedwcde Instrumentalbegleitung war iin päpstlichen Kapell- gesang stets verpönt. Sine Fülle von Schönheit und Charak teristik int sich immer wieder in dieser Musik aus. Das anders ciiigcstcilic neuzeitliche Ohr hat cS freilich nicht leicht, die Einzclcharakteristik dieser unter sich zunächst sv sehr ähnlich erscheinenden Gesänge zu erfasse», wenn nicht, wie etwa bet dem wundervoll dunkel getönten KarfrcitagSstück für Männer» stimmen von Bitlorta, Besetzung und Stil ganz apart sich her- aushcbcn. Und doch ist au sich zwischen dem blühenden Stil etwa der Hohenlied - Motette „Vox ciiiecii mal" und den spröden Trancrtöncn des „O gumOns iuclu^" und dem hin wiederum den Jubclklängc» eines ..CxnIIciic l)eo" ein Abstand wie zwischen den koniraslierendcn Sätzen einer neuzeitlichen Sinfonie. Das Dresdner Publikum ledcnfalls ließ sich gern in den künstlerischen Bann dieser eigenartige» srcmdc» Weil ziehen und spendete den italienischen Längcrgäsicn begeisterten Bei fall. Daß diese ihrerseits mit einem lateinisch gesungenen Gruß an Dcnlschlnnd den Abend begannen und schlossen, ver lieh der Veranstaltung noch den Charakter besonderer pcrsvn- lichcr Herzlichkeit. Dr. Eugen Schmitz. Kunst unö Wissenschaft. 4-* Wochcnspiclplan der Staatstheatcr vom 16. bi» 27. Oktober. Opernhaus: Sonntag NV.s, außer Anrecht: „Tristan und Isolde" <146 bis lv«: Montag, AnrcchtLrcihc 8: „.lkcrxes" l^8 bis >410«: Dienstag, Anrcchtsreihe 8: „Der Vajazzo*, „Stzilianischc Banernchrc" l7 bis lv«: Mittwoch, außer Anrecht: „Salome" <548 bis 6): Donnerstag, Anrechts- rethe 8: „Die Äohome" (8 bis 54t1s: Freitag: l. Sinfonie- Konzert der Anrcchtsreihe 8 <548». vorm. 4612 ökscntl. Haupt probe: Sonnabend, außer Anrecht: „Abenteuer des Casanova* <548 bis >0«: Sonntag 126.«, außer Ainccht: „Die Meister singer von Nürnberg" 15 bis I»i: Moniaa, Anrcchtsreihe „XerxeS" <548 bis 5416«. — Schauspielhaus: Sonntag <19.s, vorm. 5412: Morgenfeier Beethoven, für die Montags- Anrechtsrcikc 8 des 13. Oktober: „Robert und Bertram" (548 bis 5411«: Montag, Anrcchtsreihe F: „Don Carlos* <547 bis 10«: Dienstag, Anrcchtsreihe „Die heilige Johanna" s7 bis 10»: Mittwoch, Anrcchtsreihe „Jeder mann* (8 bis 5416s: Donnerstag, für den Verein Dresdner Volksbühne: „Die Familie Schroffcnstcin" <7 bis 10«: Frei tag. Anrcchtsreihe „Tie Familie Schrvsfcnstein" l7 bis I0>: Sonnabend. Anrcchtsreihe >e: „Hasemanns Töchter* <548 bis 5411 Uhr«: Sonntag «26.s, außer Anrecht: „Tie heilige Johanna" <7 bis 10«: Montag, Anrcchtsreihe 8: „Der Kauf mann von Venedig" <7 bis 5410«. 's* Mitteilungen der Sächsischen SiggtStbegter. Opern haus. Sonntag. l!1. Oktober: „Tristan und Isolde" mit Curt Taucher ilctzics Auftreten vor seiner Amcrikasahrti, Adolf Schocpslin. Eva Plaschkc v d. Osten, Friedrich Plaichke, Rudolf Schmalnauer, Irma Tervani, Heinrich Knvvtngcr, Robert Vüssel, Hanns Lange. Musikalische Leitung: Fritz Busch: Spielleitung: Georg Toller, Anfang 546 Uhr. Die Orchester- nnd Arrangierproben zum „Inter- mezzo" sind in vollem Gange. Dr. Richard Straub trifft