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MN Krieg mit Frankreich wegen der Anwesenheit des jetzigen Kaisers in der Schweiz. Nach einer telegr. Nachr. des „Dr. I " sind die Rüstungen in der Schweiz allgemein. Die Züricher Studenten haben sich zu Militärdiensten erboten, die Volksbegeisterung wird als wach send geschildert. Ein deutscher Agent, welcher der Unruhestif tung verdächtig war, ist ausgewiesen worden. 3n Bezug auf Englands Stellung zur Neuenburger Frage hört man, daß eS sich dagegen verwahrt, die Schweiz in ihrer Weigerung bestärkt zu habe». Es habe vielmehr in Bern, sowie in Berlin, zur Mäßigung gerathe», dort Nachgiebigkeit empfohlen und hier den diplomatischen Auftrag befürwortet. Die entgegengesetzte Behauptung, so verbreitet sie auch sein mag, wird von unterrichteter Seite bestritten, und verdankt sie wahr scheinlich den Anhänger» der französisch-russische» Allianz, der sich Preußen anschließen soll, ihre Entstehung. Der Punkt hat seine Bedeutung für den Fall, daß es doch noch zu einer euro päischen Cvnferenz über die Frage kommen sollte. — I» Lon don ist man lebhaft mit den Zurüstungen zum Kriege gegen Per sien beschäftigt; 6 Regimenter (zusammen 8Ü00 M.) haben Be fehl erhalten, sich zum Einschiffen bereit zu halten. Die vier Kammern des schwedischen Reichstags haben nach vierstündiger lebhafter Debatte sämintliche von der Negie rung vorgeschlagene Modifikationen inBezug auf die Freiheit der Presse verworfen. Ein Amerikaner hat wieder einmal einen Plan ausgeheckt, den Niagarafall speculativ auszubeuten. Er meint, man solle ein Wasserrad von ungeheuren Dimensionen, und begreiflicher Weise auch von nie dagewesener Stärke, durch die stürzende Was- scrmaffe ini Schwünge erhalten lassen und mit diesem Wasserrade alle Maschinen der Union durch riesige Wellen, Triebräder und Schwungriemen in Verbindung bringen. Dan» könnten die theuren Dampfmaschinen getrost hingehen, woher sie gekommen sind, und warum sollte nicht eine Köchin in Louisianna ihre Kaf- feniühle durch ein vom Niagara aus in Bewegung gesetztes Schwungrad mahlen können? Es kämebloß auf einenVersuch an. Weihnachts - Literatur, ix. Während wir bisher fast nur Kinder- und Jiigeudschriften besprachen, — und wir habe» dabei auS der großen Masse, die auf unser», Büchertisch aufgeschichtet liegt, nur die wirklich guten herausgehoben — seien zum Schluß noch einige Werke allgemei ner» Inhalts, wie sie mehr zu Festgeschenken für Erwach sene geeignet sind, namhaft gemacht. Wir weisen zunächst noch mals auf die von v. Weller zum Besten der Schillerstiftung her- auSgegebenen „Dichterstimmen der Gegenwart" hin, von denen in Dresden durch die seltne und uneigennützige Mühwaltung des Herausgebers bereits über 100, in unserer Nachbarstadt Chem nitz in Folge eines von Moritz Horn und Adolf Stern erlassene» Aufrufs zur Subscription, an deren Spitze sich Herr Bürgermstr. Müller stellte, fast bereits ebensoviel Eremplare abgesetzt sind. Als ein Seitenstück zu dieser Sammlung bietet sich das in dritter ver besserter Auflage erschienene „Pantheon deutscher Dichter", her- auSgegeben von A. Stern dar. (Leipzig, H. Matches.) Wäh rend v. Weller auf möglichste Vollständigkeit bedacht sein mußte, batte A. Ster» in der Wahl dessen, was ihm der Aufnahme in das „Pantheon" würdig schien, völlig freie Hand, und er hat diese Freiheit mit soviel Geschmack, Umsicht und Sachkenntniß benützt, daß diese Anthologie, die nichts gemein hat mit jenen berüchtig ten Blumenleslereien, als eine Auswahl der besten Stücke deut scher Lyrik einen wirklichen literarischen und ästhetischen Werth hat. In prächtigem Mosaikband gebunden, mit Goldpressungen und Goldschnitt verziert, behauptet das „ Pantheon " einen ersten Rang unter der diesjährigen Weihnachtslitrratur. Ueberhaupt hat sich der Verlag von H.MattheS, seitdem er an E. O. Schur« mann übergegangen ist, merklich gehoben. Mit einer sinnigen Widmung an I. M. die verw. Königin Marie von Sachsen ein geleitet, erschienen soeben in zweiter Auflage daselbst die „Gedichte" von Anna Löhn, Lyrische-, Episches und Dramatisches enthaltend. In den epischen Gedichte», ebenso interessant durch die Stoffmahl wie vollendet in der Form, bekundet sich das Talent der vielseitig gebildeten Verfasserin auf das glänzendste. „ FieSko " von Anna Löh» erinnert an Platens berühmten „Pilgrim von St. Just", „Johannes der Täufer" von derselben und ihre meisterhafte Vi sion „ Claudia Protula" an Freiligraths kräftigste und farben reichste Schilderten. Das lyrische Drama „Jduma" ist eben falls eine reizende Dichtung. Wir müssen darauf verzichten, Auna Löhn's Gedichtsammlung eingehender zu besprechen, waS voraussichtlich die Feuilletons größerer Zeitungen und die eigent lichen literarischen Fachblätter nicht unterlassen werden. Der Dichter der berühmt gewordenen Pilgerfahrt der Rose, Moritz Horn, gab in gleichem Verlage außer der von uns bereits angezeigten Dichtung „Dorfgroßmutter" noch eine neue „die Köhler von Burg" heraus, ein frisches Büchlein voll derber Charakteristik und herrlichen Naturschilderungen. Königliches Hoftheater Das Lustspiel „Gottsched und Gellert" von H. Laube dürfte, »ach der neulichen erfolgreichen Wiederaufnahme desselben und nach dem Beifall, der auch die vorgestrige Darstellung begleitete, zu urtheilen, im Laufe des Winters gewiß mehrfach wiederholt werden, eine Voraussicht, die ebenso in den erheiternden und le bendigen Elementen des Stückes, wie in der hiesigen so tüchtigen Vertretung der Hauptrollen ihre Berechtigung hat. Das Be- dürfnifi nach heiterer Unterhaltung ist ein so tief in der mensch lichen Natur begründetes, daß man dem Lustspieldichter, wenn er einen historischen Stoff behandelt, gern eine auf Kosten der geschichtlichen Treue erzielte Potenzirung des Komischen nachsieht und nicht pedantisch mit ihm über Kleinigkeiten rechten mag. Der auch am Sonntag sehr zahlreich anwesende Zuschauerkreis schien diese Ansicht zu theilen, wie der lebhaft gespendete Beifall und das in häufigem lautesten Gelächter sich kundgebende beglei tende Milspiel desselben dokumentirte. Hr. Porth stellt GellertS anfänglich bescheiden vermittelndes, später festes und bewußtes Auftreten so edel und charakteristisch dar, daß wir den Wunsch nicht unterdrücken können, ihn öfters mit größeren Charakter rollen bekleidet zu sehen, während Hrn. Winger's Natur im Voll besitz der derbere» Farben ist, welche zur Zeichnung Gottsched'S gehören, wobei Fräul. Vanini als Frau Gottsched freilich sehr in den Hintergrund tritt. Sie lese in der zweiten Auflage des „Dresdner Albums" nach, waS I). Klemm daselbst über diese „Frau Professorin" zum Besten giebt. Ueberhaupt sind die Frauenrollen in diesem Lustspiel nicht dazu angethan, größere Effecte zu erringen, außer etwa die Käthe, die von Fräul. All- ram, unserer Jungemägdedarstellerin psr oxoellonoe, sehr wirk sam vorgeführt wird. Eine der besten, wo nicht die beste Lei stung in „Gottsched und Gellert" ist Hrn. Liebe'S Cato. Die Leichtigkeit und Eleganz der Bewegungen, welche diesem treffli chen Künstler so wahr und natürlich wie nur Wenigen zu eigen sind, sichern ihm immer ein dankbares Publikum. Im 4. Akte steigerte sich feine Deklamation zu einer Meisterschaft, für die der schallende Applaus des ganze» Auditoriums der wohlverdiente Lohn war Hr. Kramer als Wachtmeister greift mitunter etwa- zu sehr nach dem Burlesken, dagegen ist Hr. Walther als Prinz eine feine Erjcheinung, die allgemein ansprach. Drollig bis zum Aeußersten ist Hrn. Räders Schladritz. Hr. Meister ist ein echt sächsischer Gottfried, Hr. Dettmer als Graf trägt einen Fra und eine Perrücke, besondere Kennzeichen dagegen hat er kein,. I. Scham