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Dresdner Nachrichten : 02.06.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187006022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18700602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18700602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1870
-
Monat
1870-06
- Tag 1870-06-02
-
Monat
1870-06
-
Jahr
1870
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 02.06.1870
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Letzten von den „letzten Zehn vom vierten Regiment": Ernst EPiflka« Blume, au« Pirna in Sachsen, kam als Handwerks bursche 1829 nach Odessa, wurde dort in die russische Armee gepreßt und mußte unter Dibitsch nach Polen marschiren; deser- tirte während einer Schlacht und wurde von der die Vorhut commandirenden Amazonen Fürstin Stcrnitzky, welche den wacke- ren Sachsen lieb gewann, dem rühmlichst bekannten vierten Re gimente zugetheilt. Herr Blume ist der einzige Ueberlebende der zehn Helden, und nicht, wie europäische Blätter irrthümlich berichteten, der unlängst verstorbene Hauptmann DebinSky. — Die neueste Rümmer der „Gartenlaube" enthält einen "Ausruf zur Sammlung einer Ehrengabe für Roderich Benedir, der im Januar 1871 sein 60. Lebensjahr vollendet. Dieser' talentvolle Dichter, dessen heitere Muse die deutsche Bühne mit so mancher schönen Gabe bereichert hat, dürste es wohl um Deutschland verdient haben, das; sein Alter ein leichtes und sorgenfreies sei. ES ist eine Ehrenpflicht des Volkes, dem Dichter, der ihm so manchen Alviid durch Scher; und Frohsinn versüßte, auch seinerseits den Lebensabend heiter und wolkenlos zu gestalten. Der Ausruf, der wohl Gehör finden wird, so weit die deutsche Bühne reicht, ist unterzeichnet von Eduard Devrient, E. Keil, Bürge,ineister I)r. Koch, 0r Heinrich Laube, Freih. v. Münch-Bellinghausen u. A. — Die von uns schon erwähnte vollständige Eröffnung der Kettenschleppschisfahrt fand gestern in soweit statt, das; von Dresden aus der in Buckau Magdeburg erbaute Dampfer Rr. III mit acht großen bewimpelten und beflaggten Schiffen sich früh nach 8 Uhr zur Fahrt nach der Oberelbe in Bewegung setzte. Me auf früh 7 Uhr gesetzte Abfahrt fand in den, Umstande leine Verzögerung, daß der von Meißen kommende Ketten dampfer in der Nähe von Kaditz längere Zeit verweilen und mit großem Geschick ein Stromhinderniß beseitigen mußte, weil daselbst kurz vorher zwei große, fremde Elbkähne nicht nur auf den Strand gcrathen waren, sondern auch noch einer der - selben versunken war und quer im Fahnvasser lag. Das Direktorium und eine kleinere Zahl eingeladene,' Gäste bestieg beim Packhof das Schiff und passirte unter den Klängen des mitgenommenen Pionir Musikkorps die alte Elbbrücke, auf welcher zahlreich die Passanten standen und dem imposanten Zug nach blickten. Die „Eisenbahn auf dem Wasser", wie Einer der Gäste die Anfangs mit neun, später mit zehn großen ;usam»,engekop;>el ten Frachtkühnen dahinrauschende Flotille bezeichnete, löste in der Nähe von Loschwitz ihre Böller, während gleichzeitige Grüße dieser Art von den beiderseitigen Ufern erklangen. In Losch witz entstand ein kleiner Aufenthalt, indem der Dampfer Nummer III. über die hier - noch hemmende Fähickette dem Dampfer Nummer I. die Schleppkähne übergab. Jetzt wehten die sämmtlichen Flaggen, ivelche in ihren bunten Farben Sachsen, England, Böhmen und Norddeutschland repräsentieren. Die Elbe war in die sen Stunden in Folge eines günstigen Windes ungemein von Schiffen belebt, deren gebauschte Segel einen hübschen An blick gewährten. Alle grüßten und staunten den langen Schiffs zug an, den der kleine von Schlick gebaute Dampfer umkreiste oder pfeilschnell ihm zur Seite ging. Wenn bei Laubegast wegen der engen Wasserstraße ein kleiner Aufenthalt durch die Menge der thal- wärtS gehenden Schiffe veranlaßt wurde, so ivar dieß kurz vor Pirna nicht minder bei der sogenannten „Brautfuhrt" der Fall. Den Gästen aber konnte keine Langeiveile ankommen, indem auf dem einen der großen Schiffe der hierzu beauftragte Restaurateur Herr Kneift, für eine solenne kalte Küche und Weine gesorgt hatte. Die Böller krachten, Pirna wurde erreicht, wo am Ufer sich schon seit Stunden eine große Menschenmenge versammelt hatte; Kanonenschüsse donnerten herüber, weiche daS Echo in den Bergen weckten, und mit freudigem Antlitz kamen trotz des strömenden Regen« an zwanzig der Bewohner Pirna'S aus den höheren Standen mit der Fähre auf das Schiff. In Vogelge sang verließ Referent Dieses den Kettenzug. der mit seinem Gefolge den Lauf nach Königstein und Schandau fortsehte. — Remse, den 31. Mai. Einen Beweis des glücklichen Einvernehmens zwischen "Arbeitsgebern und deren ^Arbeitern lieferte die am 28. d. M. hier abgchaltcne Festlichkeit. Die hier unter der Firma: Mahla und Gräser bestellende Papier fabrik feierte r.n diesem Tage das 25jährige Jubiläum ihres Bestehens. Ein Nachmittags von der am rechten Mulvenufcr gelegenen Fabrik aus unter Musikbegleitung und Fahnenschmuck unternommener Zug. an welche», außer dem Gründer dieses Etablisscmei t-, Herrn Louis Mahla, und den jetzigen Inhabern desselben, d.n Herren Emil Mahla und Richard Gräser nebst dessen Familien, sich das gesammte Beamten- und Arbeiter- personal betheiligte, bildete den Ansirng. In, sinnig und reich geschmückten Saale hiesigen Gasthoss wurden hierauf Seiten des Vorstandes hiesigen königl. Gerichtsamtes, Herrn Gerichts amtmann Böhme, die von der hohen Staatsregierung den beiden mit anwesenden, seit dem Bestehen der Fabrik in derselben ununterbrochen beschäftigten Arbeitern: Heinrich Zellmann und Jacob Meister verliehenen großen silbernen Preismedaillcn in feierlicher Ansprache überreicht. So unverhofft diese Decoration den Anwesenden kam, so groß war allgemein die Freude darüber', und gewiß jedem Anwesenden dieser Moment ein erhebender. Ein Tänzchen beschloß diese würdige Feier, welche einen fröh lichen Verlauf nahm und welche sicherlich bei jede», Theilnehmer in angenehmer Erinnerung bleiben wird. — In Lausigk verunglückte der Hausbesitzer Starke aus Kleineschefeld, Werksührer in der Schneidemühle zu Lausigk, in dem er in die Maschinerie gerieth und ihm der Kopf und ein Arm vom Rumpfe getrennt wurde. Der Verunglückte hinter läßt eine Wittwe und vier Kinder. — In St. "Michaelis hat sich eine junge Wittwe, Namens Butze, durch Erhängen entleibt. — Am Abend des vergangenen Dienstags wurden in einem Steinbruche deS Plauen'schen Grundes von einer "Menge Sachverständigen aus Dresden und der Provinz, Versuche mittels Sprengmittel gemacht, ivelche die Firma Gebrüder Krebs u. Comp, in Deutz a. Rhen, für 60 Thlr. pro Eentnc, liefert Es ist das Ganze ein bräunliche Masse, die den Namen ,Mhofracteur" (Steinbrecher führt und die so weich ist, daß sie mit dem Messer zerschnitten werden kann und sonst un gefährlich ist, da sie bei», bloßen Anzündcn in, Freien ruhig, ohne Gefahr, verbrennt. Bei den, erwähnten Versuch wurde ein 10,210 Pfo schwerer Eisenblock gesprengt, der im Walz werke Ober - Earrborf als Ham,ne,-kränz gedient und in zwei ganz gleiche Theile getrennt wurde. Wi« wir hören, hat die Firma „Schröer und Geißler" auf der Marienstraße in Dresden eine Niederlage dieses praktischen Materials. — Im Wermödorfer Forstrevier bei Oschah ist vor Kur zem durch Unvorsichtigkeit eines Waldarbeiters dein, Kaffeekochen ein Waldbrand entstanden, der zwar bald gelöscht wurde, aber doch einen Schaden von ca. 200 Thlr. anrichtete. — Ein gefährliches Duell hat i» vergangener Woche in Görlitz stattgef,inden. Zwei junge Kaufleule geriethen mit ein ander in Streit, der schließlich mit einer Forderung auf Pisto len endigte. Zur festgesetzten Stunde finden sich Paukanten »nd Seeundanten ein, letztere mit dem obligaten, die "Mord waffen bergende» Kästchen unter den. Arm. Die Distanzen werden abgeiinssen, alle Förmlichkeiten erfüllt; man öffnet das verhängnißvolle Kästchen und zieht daraus — zwei Stücke Varinas-Rolltabak hervor Allgenieines Gelächter und eine solide Kneiperei machten den Schluß des ergreifenden Trauer spiele« jA n g e l ü ndigteGeri ch t S v e r h andl u n ge n. Heule Donnerstag, den 2. Juni, finden folgende Einspruchsverhand lnngslermine statt: VornütlagS 9 Uhr wider Johann Will). Fischer hier, wegen Diebstahls. — Uhr wider Earl Adolph Schmidt hier, wegen Betrugs. — 10! Uhr wider Herrmann Zimmer hier, wegen Unterschlagung. - I l j Uhr Privatllag- sache Friedrich August Liebschers wider Earl Heinrich Jähnichei, in Linz. — l 1 s Uhr Privatllagsache Friedrich Kög'er'S wider Wilhelm Wolf hier. Vorsitzender: llr Müller " Berlin, I. Juni, Nachmittags. Die soeben erschienene „Prov. Corr." bestätigt die heutige "Abreise des Königs nach Ems zum Besuche des Kaisers voi, Rußland. Graf Bismarck wird den König welcher bis zun, 4. d. seinen Aufenthalt in Ems nimmt, dorthin begleiten — Die „Prov. Eon." bestätigt ferner, daß die NeichStagSwahlen voraussichtlich Mitte Septbr., die Wahlen zun, preußischen Landtage aber in der zweiten Hälfte des September stattsinden werden. (Dr. I. Bern, 31. Mai, Nachmittags. Italienische Flüchtlinge bildeten in Lugano eine Bande und überschritten in der Nähe des Comcr Sees die italienische Grenze. Die italienische Re gierung schickte ihnen zwei Bataillone entgegen. Der Bundes rath ordnete die Jnternirnng der in der Schweiz zurückgeblie denen Flüchtlinge sowie eine scharfe Ueberwachung der Greine an. Die von italienischen Flüchtlingen in Lugano gebildete Bande ist durch italienische Truppen zerstreut worden. Viele Mitglieder der Bande begaben sich nach der Schweiz zurück und wurden hier verhaftet. Dr. I. Florenz, 31. Mai. Nach dem „Corriere di Milano" ist Garibaldi in die Untersuchung über die republikanische Be wcgung miteinbezogen. Er erklärte brieflich an seine Freunde, „er wolle mit dabei sein, ivenn der letzte Schlag gegen die Tyrannei, Italiens geführt werde." — Aus Neapel wird gemeldet: Die Assisen sprachen über die Bande Manzo, welche die Engländer "Mons und Murray brandschatzte, drei TodcS- urtheile aus Neun Banditen wurden zu lebenslänglicher, drei zu 21 jähriger, einer zu Mjähriger Zuchthausstrafe verur- theilt. Dr. I. Newyork, 31. Mai. Der untenn 18. Mai d. I. von Hamburg abgegangene Postdampfer ist heute „ach einer schnei len Neise von 9 Tagen 12 Stunde,: wohlbehalten hier angc- koinmeu. (Bericht von "Adolph Hessel in Dresden.) * Nach einer in der Litfaß'schen Hofbuchdruckerci zu Ber lin erschienenen Lebensbeschreibung von Ernst Renz, der jetzt zur Messe in Leipzig weilt, bringt das „Leipz. Tageblatt" vom l8. v. M., zu Nenz' Geburtstag, einen kurzen Auszug, den wir hier in der Hauptsache wiedergeben. Renz wurde 1816 in Karlsruhe geboren. Der Hang zun, Phantastischen und Wagehalsigen war ihn, schon in früher Jugend eigen; als fünfjähriger Bube wußte er sich bei einer in der Vaterstadt spielenden Schanspielertruppe Eingang zu verschaffen und mit Beihilfe des Theaterschneiders sich phantastisch aufzuputzcn und vor und hinter den Coulissen allerhand Klcttcrkunststücke aus zuführen. Ein Jahr spater kam die Kunstreiter und Seil tänzergesellschaft "Marwall nach Karlsruhe. Der sechsjährige Renz ließ sich nun nicht mehr halten, er ruhte nicht, bis ihn Marwall als Lehrling in die Manage nahm, um ihn zum Reiter und Springer auszubilden Fünf Jahre blieb er bei dieser Truppe, bis sich dieselbe eben auflöste, da die Direktorin sich vom Thurmseile zu Tode gestürzt hatte. — Die weitere Ausbildung des elfjährigen Knaben fand in der Bach'schen Truppe statt. "Rach zweijährigem Cursus trat er bei Brillof ein und blieb in dieser trefflichen Truppe als ausgezeichneter Artist, Seiltänzer auf dem Draht und Equilibrist, Forcereiter und Groteskfpringer zu Pferde und auf dem Parterre, Schul- rciter und sogar Vorführer selbstdressirter Pferde, dreizehn Jahre, bis 1841, wo Brillof starb, der erst sein Lehrer, dann sein Chef, Pflegevater und Freund war und dessen rechte Hand und Hauptstütze Renz geworden war. Reih, allerdings nur im Besitze seiner Kunst, seines Pferdes und seiner Garderobe, war unternehmend genug, 1841 mit drei seiner bisherigen Col lege», den beiden Carrff und dem Voltigeur Louis Salomonsky, eine gemeinschaftliche Direction zu gründen mit einem Mar- stall von zusammen — sechs Pferden und einem Personal von sieben Köpfen, darunter auch "Renz' Gattin. Die Irrfahrten der kleinen Gesellschaft nach Naumburg, in das man nur durch Versetzen von "Renz' Taschenuhr beim CH«,uffee-Einnehmer ein- passircn konnte, und anderen kleineren und größeren Städten dauerten mit de», durch Holtei's köstliche Schilderungen solchen abenteuerlichen Lebens bekannten fortwährenden Wechsel von Glück und Mißgeschick, Ebbe und Fluth, Glanz und Elend fort bis zum Mär; 1845, wo sich die Gesellschaft in München einsand und das Terrain leider durch Souliv's Truppe bereits vorweg eingenommen sah. Die Mitdirectoren und Mitglieder verloren den Mull), traten bei Souliv ein und ließen Renz das Geschäft mit — sechs Pferden und drei Mitgliedern (er selbst, seine Frau und ein Künstler, Namens Schumann) allein fortsührcn Nenz' Selbstvertrauen imponirte aber, drei seiner früheren Mitarbeiter lehrten zu ihm zurück — gegen Sicherung ihrer Gage durch Verschreiben von drei seiner' Pferde! Erste Vorstellung am 26. März 1845 bei vollem Hause: der Tircu« Renz wird Mod« und macht wochenlang die besten Geschäfte in München, Souliö's Künstler gehen zu ihm über. Daher dqs Jubiläum von, 26. "März 1870 zu Berlin, ein Fest, das durch die Verleihung des königlich preußischen Kronenordens zur Anerkennung von Renz' "Verdiensten um die Reitkunst und den modernen Circus schon a», 18. März einen glüihendeu Anfang erhielt. Im Mai 1847 spielte r»id ritt er in Dres den, seine dortigen "Verehrer widmen ihm einen silbernen Ehren pocal. In demselben Jahre trat er zum ersten Male in Ber lin auf, dann 1849, 1850 und 1851. Seit letzterem Jahre, wo er Dojcans Eoncurrenz, deS DirectorS des berühmten Pa riser Circus in dem damals neu erbauten massiven Circus zu überwinden hatte, blieb er Herr der Situation, nachdem er da selbst schon einmal, es war i», Bewegungsjahre 1848, an, Rande des "Abgrundes gestanden hatte, uns seitdem ist Glück und Ruhm sein steter Begleiter gewesen. * Ein Narrenprozeß Ein Herr Du Puy-Parlie, befand sich auf Veranlassung seiner Gattin als geisteskrank in Eharenton, obwohl derselbe ganz gut bei Vernunft war. Die Geschichte machte Aufsehen, die Familie des vermeintlichen Narren legte sich ins Mittet und verlangte dessen Auslieferung aus de», Spitale. Diese Angelegenheit wurde kürzlich vor der ersten Kammer verhandelt. Jules Favre plaidirte für die Familie, während Leroux die Direction des Irrenhauses vertrat. Here Puy Parlier wohnte der Sitzung bei und da ereignete sich ein höchst komischer Vorfall. Während die Richter sich zur Bera thung zurückgezogen und wie gewöhnlich im Saal sich Alles erhob un, sich zu unterhalten, die Advocaten von ihren Freun den und College» begrüßt wurden, entfernte sich Herr Puy Parlier ruhig und ungesehen aus dem Saale, ohne wieder zu erscheinen. Vergebens mar alles Suchen. Er war und blieb verschwunden. Das Tribunal erklärte sich für incompetent und erst später erhielt man die Nachricht, daß Herr Puy-Parlier glücklich in London eingetroffen, wo er sich von zwei englischen Aerzten untersuchen lassen will, um, falls dieselben ihn für zu rechnungsfähig erklären, einen Proceß gegen die Aerzte, welche ihn als Narren behandelt, einzuleiten. * Arsenik als Hilfsmittel gegen ehelichen Uy frieden. Adolf L., Schauspieler bei einem der kleineren The ater von Paris, lebte seit längerer Zeit schon in sehr schlechten« Einvernehmen mit seiner Frau. Neulich Abends nach einen; Streit, der noch heftiger war als die alltäglichen Zwistigkeiten der Eheleute zu sein pflegten, rief der Gatte aus: „Es ist bester endlich einmal ein Ende zu machen, als dieses elende Dasein noch weiter fortzuführen." „Wahrhaftig", sagte die Frau, „mehr als einmal schon habe ich daran gedacht, nrich zu vergiften, und ich thuc es auch." — „Gut! dann wollen wir zusammen sie, ben ; ich werde Gift holen." — „Das ist mir eben recht." — Sofort bcgiebt sich der unglückliche Gatte nach der benachbarten Apotheke und fordert Arsenik, um die Ratten zu vertilgen, die, wie er sagt, bei ihm großen Schaden anrichten. „Gewöhnlich", bemerkt der Apotheker, „liefere ich Giftstoffe nur auf ärztliche Anweisung hin, aber, da ich Sie kenne, so glaube ich mit Ihnen eine Ausnahme machen zu können." Sodann übergiebt er dem Käufer ein Päckchen und räth ihn, an, sich desselben mit Vor sicht zu bedienen. Zn Hause angekommen, nimmt der verzwei feite Künstler zwei Gläser, vertheilt darin das Gift und vor dünnt cs mit Wasser. Dann reicht er stumm eines der Gläser seiner Frau, nimmt selbst daS andere und beide leeren ihr Glas zu gleicher Zeit. „Nun ist'S um uns geschehen!" sagt Adolf und fängt an zu weinen. Die Frau weint ebenfalls und die Gatten nehmen für diese Welt von einander Abschied und be geben sich alsdann zur Ruhe. Eine Stunde nachher sagt Adolf mit schwacher Stimme: „Frau, bist Du todt?" „Nein", ant wortet sie, „noch nicht, und Du?" „Ich auch noch nicht" Nach Verlauf von abermals einer Stunde ist es die Frau, welche dieselbe Frage thut, und dieselbe Antwort erhält. Dies« Scene wiederholt sich sechs Mal während der Nacht; als end lich um 6 Uhr Morgens die unglückliche Gattin zum letzten Mal fragt: „Adolf, bist Du todt?" antwortet dieser seufzend: „Nein, aber ich habe einen schrecklichen Hunger." „Ich auch", sagte die Frau. Darauf stehen Beide auf; Madame macht Kaffee und sie frühstücken, ohne ein Wort zu sagen, mit dem größten Appetit. Endlich bricht Adolf das Schweigen: „Liebe Fra,;", sagt er, „es scheint, daß der liebe Gott noch nichts von uns wissen will." Sie stößt einen tiefen Seufzer aus. „Wenn wir noch fortführen zu leben, indem wir in Zukunft jede Ge legenheit zum Streit zu vermeiden suchten, was meinst Du?" „O, ich schwöre Dir, daß ich Alles thun werde, um Frieden zu halten." Seit diesem Augenblick lebten sie mit einander im besten Einverständnis Ter Apotheker hatte, als er die aufge regte Miene Adolfs bemerkte, etwas Arges vermuthet und dem Ikünstler kein Arsenik gegeben, sondern — Magnesia. * Fortschritt. Jmnwr mehr wird die Handarbeit durch die Maschine verdrängt. Der Direktor eines französischen Pro vinzialtheaters, dem die gemiethete Claque zu theuer geworden,' hat sich eine mechanische construirt. die weit wohlfeiler ist und zugleich ihren Zweck besser erfüllt. Unter den Sitzen des Par-, quets sind, ähnlich einer Elaviatur, Hämmerchen angebracht,' die das Geräusch der zusammenschlagenden Hände täuschend, nachahn,en und von der Bühne aus in Bewegung gesetzt wer den können. Das Publikum hat die neue Einrichtung mit Gutmütigkeit ausgenommen und den hölzernen Hämmerchen kräftig klatschen helfen. So dürsten denn bald die Tage der Claque gezählt sein. * Seltsamer Selbstmord. Vor .Kurzem entleibte sich in Oppeln der 24jährige Tischler Paul Hoffmann durch einen Pistolenschuß in die linke Seite. Man fand bei dem Entseel ten, außer einen, Notizbuche, den von ihm früher fleißig ge lesenen Holtei'schen Roman „Haus Treustein", dessen Seite 158 cingcschlagen war. Die bezügliche Stelle lautet dort: „Alsffü hat auf's Herz gehalten, die Kugel war mitten durchgegaiMl,' das schöne Antlitz unverstellt, um den Mund ein traurig Lächeln.' wie der Verstorbene es hatte, wenn er zu Aeußerungen, die ihn schnunzlich berührten, sich schweigend verhielt." Und in dem Notizbuche deS Entseelten ist mit Bleistift geschrieben: .Fiebr Eltern, verzeiht meinen Schritt «nd wisset, daß es mir ging wie Alexis ".
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