Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 10.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189908100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990810
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-10
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 10.08.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Belletristisch« Beilage zu den «Dresdner Nachrichten". Seite 376 Atteste* für? Sie Ar?<rrrerrrr-ett. Mrrksprnch: Hattest Du nicht Liebe und liebende Sorgen — Wie trügst Dn den Abend, wie trügst Du den Morgen? Ein Geheimnitz. Alfred und Emma liebten sich, wie nur ein neu- VermShltes Paar sich lieben kann — so innig, so selbst- und weltvergessen, so treu und so sterbenslangweilig für alle Anderen. Alles hatte sich vereinigt, um ihr Glück anfbauen zu Kelsen: außer der gegenseitigen Neigung günstige Vermögensverhältnisse und die Zustimmung der beiderseitigen Mütter — denn Alfred wie Emma waren von väterlicher Seite verwaist. Die beiden Mütter, jetzt Schwiegermütter, hatten jede auf ihre Weise gewetteisert. das Glück ihres Kindes zu begründen, und hatten dem Pärchen das reizendste Heim bereitet, über welches ein junger Hausstand je verfügte. Dieses ward nach der üblichen Hochzeitsreise bezogen, und nachdem die Neuvermählten seßhaft geworden, erschienen an bestimmten Abenden regelmäßig die beiden Schwiegermütter zu Besuch, um sich an dem Glücke ihrer Kinder zu weiden. Und die beiden alten Damen vertrugen sich sehr gut. so grundverschieden sie auch in ihrer äußeren Erscheinung und in ihrem ganzen Wesen waren. Emmas Vater war Kaufmann gewesen, und seine Wittwe, eine gntmüthige. heitere und wohlbeleibte Frau, bot den Eindruck einer behaglichen, durchaus schlicht bürgerlichen Erscheinung; während Alfreds Mutter von altadeliger Abkunft und im Vollgefühle ihrer Würbe als Geheimrathswittwe. als die Vornehmheit selbst erschien. Dennoch waren die alten Frauen ein Herz und eine Seele und auch in dem einen Punkte: in der bingedenden Liebe für ihre Kinder. Jedoch noch eine andere Aehnlichkeit sollte sich zwischen diesen grnnd- verschredeuen Wesen offenbaren, eine gemeinsame Eigenheit, die in ihrer geheimnitzvollen Äeußerung verdüsternde Wolken über den ehelichen Glücks himmel des jungen Paares heraufbeschwören sollte. Im Anfänge, bei den ersten Abendbesuchen, machte sich dieses mysteriöse Etwas noch nicht bcmerk- lich: die beiden Termen blieben nie lange und wenn Alstcds Mama trotz allem Zureden sich bald verabschiedete, erschien auf den Lippen des jungen Mannes ein flüchtiges Lächeln: ganz dieselbe Erscheinung hätte Alfred bei Emma gewahren können, wenn ihre Mutter seiner Einladung zum Souper durcharis nicht nachgedcn wollte. Später blieben die Damen länger, aber je länger sich die Besuche ansdehnten. desto stockender ward die Konversation; Alfreds Mutter seufzte leise. Emmas Mutter flüsterte: „Ach du mein Gott!" worauf das junge Paar unisono sich theilnehmend nach dem Befinden der Schwiegermütter zu erkundigen begann. Aber unter sich sprachen die jungen Leute memals über diese beunruhigenden Erscheinungen. Eines Abends trat eine neue, noch mysteriösere Phase ein. Erst erhob sich Alfreds Mama und huschte, während die Anderen lebhafter konversirten. in ein anstoßendes, dunkles Kabinet. Ta sie längere Zeit nicht zurückkehrte, fürchtete Emma, cs könnte der Schwiegermutter unwohl geworden sein. Als sie in das Kabinet trat, sah sie bei dem eindringenden Lichte, wie die alte Dame rasch einen Gegenstand Versteckte. Emmas theilnehmende Fragen aber beantwortete sie mit erzwungenen Scherzen. Kurze Zeit darauf stand Emmas Mutter aus und huschte in das entgegengesetzte, an den Salon anstoßende Kabinet. Diesmal machte sich Alfred aus die Suche nach der verschollenen Schwieger mutter und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß die alte Dame ganz enchrvckcn etwas Vor chm versteckte. Mit umwölkter Stirn kehrte er in den Salon zurück und verhielt sich für den Nest des Abends in einem grollenden Schweigen, während Emma von Zeit zu Zeit leise seufzte. Am nächsten Abend waren die jungen Leute allein, und es lenkte sich das Gespräch ans die Zeit vor ihrer Verheirathuna „Tu hattest wohl viele Verehrer, ehe Du mich kennen lerntest?" fragte Mfred mit einem lauernden Blick aus seine Frau. ,.O. nn- rählige!" verletzte diese schnippisch. Er warf ihr einen regelrechten Othcllo- vlick zu- „Und wußte Deine Mutter darum ?" fragte er dumpf. ..Gewiß!" .Und sie ließ es Drr angeh'n?" Emma sah ihn erstaunt an. „Duldete sie nicht auch Deine Werbung?" „Ja, meine, das ist etwas Anderes!" rief er mit der Logik der Eifersucht. „Und Du." rief Emma jetzt zornig. ..quälst mich letzt mit diesen Dingen — weiß der Himmel, wie viele Verhältnisse Tu schon Haltes, ehe Tu Dich um mich bewarbst!" „O, unzählige!" lopirte er höhnisch. „Und wußte Deine Mama darum?" „Gewiß!" „O, ich glaube es!" ries sie bitter. „Wer weiß, welche Geheimnisse sie bewahrt!" ,.O, was das anbelangt, da kann ich dasselbe bei Deiner Mutter verrauchen — man hat so seine Gedanken!" „Ja, man macht sich seine Gedanken! Ich unglück liche Frau!" und sie brach in Thränen aus. Alfred der Barbar aber ließ sie weinen, ohne den Versuch zu machen, sie zu trösten, was zur Folge hatte, daß Emmas Thränen bald versiegten. Am nächsten Besuchsabend lagerte eine schwüle Stimmung über der kleinen Gesellschaft. Die lungen Leute trotzten; Alfreds Blicke überwachten ,ede Bewegung seiner Schwiegermutter, während Emma Alfreds Mama nicht aus den Augen ließ. Endlich trat der Augenblick ein, auf welchen Beide mit Spannung warteten. Die Geheimräthin stand auf und schlich nach dem Kabinet links. Im Augenblick war Emma ans gesprungen und ihr nachgestürzt. Diesen Ausbruch benützte die Knnsnianns- wittwe, um nach dem Kabinet rechts zu huschen, aber da war schon Alfred seiner Schwiegermutter nachgeeilt und rief ihr ein donnerndes „Halt!" zu. -Aber, liebe Emma, ich bitte Dich!" deprecirte die Schwiegermutter an der Schwelle des Gemaches links, als ihr die junge Frau einen Gegenstand ans der Hand winden wollte. „O, Tu mein Gott, Alfred, was bist Du denn für em Wütheuch geworden!" jammerte die Schwiegermutter rechts, als Alfred mit einem Tigerblick ihren Arm erfaßte, im Augenblicke, da sie einen ver hüllten Gegenstand aus der Tasche zog. „Betrug! Sie bringt ihr ein Bittet von einem alten Verehrer! Schändlich!" schrie Alfred wüthend. „Verrat!)! Sie vermittelt Liebesbriefe? Gräßlich!" zeterte Emma. In diesem Augcn- blick brachen die alten Damen wie aus ein gegebenes Zeichen in ein schallen des Gelächter aus und reichten sich, immerfort lachend, die Hände. Verdutzt sahen sich die lungen Leute a». „Also auch Hie, liebe Baronin!" „Ja. wenn ich gewußt hätte, daß auch Sie, beste Freundin —" „Natürlich! man hätte sich nicht vor einander genirt —" „Und vor diesen ungezogene» Fratzen da, die ihre Mutter meuchlings überfallen, schon gar nicht." Während des Gesprächs enthüllten die Damen ihre geheinmißvolle» Gegenstände: die Kanfmannsfrau eine große, runde, schwarze Schnupftabaksdose und die Geheimräthin eine kleine, diamantenbcsetzte Tabatiore. „Eine Prise gefällig?" erklang es beiderseits. „O Mutter, Dein abscheuliches Laster!" schluchzte Emma vorwurfsvoll. „O Mama, Deine Schwäche!" flüsterte Alfred be schämt. Die Gatten sanken sich in die Arme, und dieSchwiegermütter, deren Gebeimuiß auf so gewaltsame Weise enthüllt worden, zitirteu lächelnd zwischen zwei Prisen: Eifersucht ist eine Leidenschaft, Die mit Eifer jucht, was Leiden schafft. «. Bruch-Zinn. Der Friedhof im Walde. Fahrendes Volk zog aus staubiger Land straße dahin. Ein kleiner Epheuzweig war von irgend Jemand verloren worden, und die braune Ilona bückte sich mitleidig nach der grünen Ranke. Am Waldessaum, von düsteren Tannen umrauscht. lag der stille Friedhof. Ter Morgentau flimmerte auf den blühenden Grabhügeln und in der klaren Lust jauchzte die Lerche. Das schlanke Zigcuuerweib pflanzte den Epheu hart au der Mauer, ins feuchte MovS und folgte dann leichtfüßig den voran- ickreiteudeu Genossen. — Jahre sind darüber hingegangen Wie damals blüht und düstet es auf den Gräbern, wie damals jubelt die Lerche im lachenoen Himmelsblau. In der entlegensten Ecke des Gottesackers ist ein schmuckloser Hügel Keine liebende Hand hat ihn gepflegt, doch üppig und friich über-. wuchert es glänzender Epbeu. Von außen rankt er sich über sie kalte Mauer und umsängt M!t seinen Armen zärtlich den verlassenen Hügel. Die thörichlen Menschen bekreuzen sich scheu, wenn sie da vorüberichreiten, wo man vie arme Heidin begrub, welche todlkrank dereinst in das Dorf zncückknm. Ilonas Grab ist es, und Ilonas Epheu lohnt ihr nun die Barmherzigkeit. EU-, s>»duer. waldpocsie. O Zauber heiliger Waldeinsamkeit! Dn vast Dich wieder sonst um mich gewoben, Mich aus dem lauten Treiben dreier Zeit Hinauf in'S Land des füllen Glücks gehoben. Wie attnn' ich auf in diesen, Eichenhain Lori ticscr Ruhe und erhab'nem Schweigen ! Hier bin mit meinci» Herren ich allein, Und »reinen! Goll nur geb' ich mich zu eigen. Wie reich bin ich! Wie labt doch und erhebt Mich diese wunderbare traute Stille! Hoch über aller Erdenkleinbcit schwebt Mein Geist, und uiigebrmdncr ist mein Wille! Der Menschen Sillen ,md der Welt Gebrauch Und Alles, was dort lästig, ist vergehen: Frei bin ich! Bin ein Gott! Und selig rauch' Ich in ein Meer voll Wonne, unermcsicn ! Ich lieg' und strecke mich auf weichem Vsübl, In süße Träume wiegt mich bebrer Friede. Und was ich sinne, was ich denk'und suhl', Das hauch' ich aus in einem frohen Liede! Denn meine Seele Rast und Einkehr hält, Ermüdet von dem wogenden Getümmel, Dort draußen in der viclgeichäst'aen Well — Hier baut aus Glück sich mir ein st illerHimmel. In diirst'gen Zügen trinke ich die Ruh', Es will die Brust sich immer weiter dehnen. Ausindcln »röchle ich! — Doch ab und zu Da ist es mir. als ob ein beimlich Lehnen Sich in der Ticse meines Herzens reg! — Ich schau' hinein in's grüne Wawcsvnster Und horche — nirgends sich ein Blatlbewcgt, Und dennoch: um mich rcithselhast Geflüster. Waldvoesie! Wie eine Lichtgestalt Bist leise Du an mir vorbei gegangen. Und mächtig, wie mit magischer Gewalt Nimmst Tu aus einmal Herz und Sinn gefangen! Du sprichst von Liede, ach! so innig süß. Don einem scl'gcn Glück, das heul' noch blühet So schön und rein wie einst im Paradis Und nnmnermchr von Gottes Erd' «mstiehet . . . Hinr.ch Zchlilt. Lrgäiljungs -rrätbscl. Aus den Silben da. ga, ty. ter, wer. har. le sollen mit Ergänzung von noch 6 Silben 6 Worte gebildet werden, welche bedeuten: ei» Musikinstrument, eine mythologische Schönheit, einen weiblichen Namen, eine Delikatesse, einen deutschen Dichter, einen preußischen General. Sind die Worte in die richtige Reihenfolge gestellt, so ergebest die ergänzten Silben von oben nach unten gelesen ein viclgelcsenes Buch. Lösungen der Aufgaben in Nr. 76, 77, 78, 79, 80 u. 8k. Windbeutel. — Bilderbuch. — Edelstein. — Last, List, Lust. — K. Aar, Samos. Kamcnm, Avril, Hut, 9t. Ergiebt: Ka m erun. — Kapital, Kapitol. Kapital, Ka p i 1 e l. — B e r » st e i n. — R e i f. — Bismarck — Stammbaum. — O, Alm, Seda», Kamerun, Oldenburg, Tibet, Taube. Arm, g. Ergiebt: Oldenburg. — Bogen — Streich holz. — Männertreu. — Makrone, Matrone, Marone. — Hochzeit. — Geistreich. — G ot ts ch al l. — I una sr au. — On k cl. Enkel. — Falter, Alter. — I ed er. — Himm els ch lüss el. — D er See. die Lee. Nichtige Lösungen sandten ein: Geschwister Lang. Bertha und Rlivin Lehnen, Theodor Hieronymus, Earl Liebernlckcl, Johanna Feucreißeir, Martha Delling. Moritz Weiße, Georg Lossack. Margarete und Gertrud Lorenz, Johanna Oerrmann, Käthe Mirtschin, Reinhold Vohiner, sairuntlich in Treyden. Jenny Theile in Eonstappel, Rosa P?ols ln Priesen, Marie und Gertrud Zschoche und Sofia Richter in Dcutschendora, C. schenk in Stadt- snl;a, Gertrud Boehme in Bischofswerda. Johanna Dietrich in Lommayich, Emma Rechen und Elsa Meister lir Brambach. Paul, Hurt und E. Knhnein-inn und Karl Bogel in ZipiÄau, Reinhold Köhler rn Rostock, Alma Bögler in EoSwig. »in» «M IlödEachiichtg, Gegründet 1856 ^ »A H o. VA, Donnerstag, den 10. August. 18VV. Richard Harrig. Original-Roman von vr. W. K. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Und Plötzlich kam cs über sie wie ein Gefühl der Erleichterung, die Wilden, wirren Gedanken verflogen, Ruhe lehrte ein in ihr Herz. Thränen füllten ihr die Angen und die Hände faltend, sank sie nieder an dem Bette, auf dem ihr Liebling lag und die Augen auf das Schmcrzensbild gerichtet, kam es leis und innig über ihre Lippen: „Herr, Gott, ans Dich vertraue ich, in Deine Hände befehle ich mein Loos, führe Tu es zum guten Ende!" 24. Kapitel. Als Richard den Gutshof verlassen, lenkte er seine Schritte dem Walde zu. Er batte zwar gestern die Absicht ausgesprochen, den heutigen Abend im Pfarrhaus zu verbringen, aber ec fühlte sich zetzt nicht in der Stimmung, dem Vater nntcr die Augen zu treten. Er befand sich in heftiger Erregung. Drinnen im Zimmer, als er Herrn von Buchow gegenüber gestanden, hatte er die Herrschaft über sich bewahrt, w lehr es i» seinem Juucrii gekocht, er hatte sich nicht von der Leidenschaft Hinreißen lassen, war kalt und überlegt geblieben, jetzt, da er allein war. da er sich keinen Zwang mehr anizulegen brauchte, jetzt fühlte auch er. wie das Herz in ihm hämmerte und das Blut an die Schläfen pochte. Er mußte erst ruhiger werde», ehe er des Vaters forschenden Blick nilshnitcn und mit ihm über glcichgiltige Dinge sprechen konnte. Am leichtesten und sichersten bewirkte dies ein Gang durch den Wald, durch den schweigenden, stillen Waid, wo kein schriller Mißton den Frieden stört, wo Einem das sanfte Rauschen der leicht bewegten Wipfel umweht, dort wird die Stirn freier, da klären sich die Gedanken, da koiuste er am besten mit sich zu Rathe gehen. Und rstüig schritt er aus. Er bereute nicht, was geschehen, noch was er gesagt, im Gegentheil, freudige Geinlgtbuuiig erfüllte ihn, daß er dein Baron die Maske vom Gesicht gerissen und ihm rückhaltlos erklärt, was er von ihm halte, eine treffende Ant wort war cs gewesen auf sein gemeines Horchen an der Wand, das hatte der saubere Wicht wohl nicht geahnt, daß seine Hpionircrei solch' einen Ausgang nehmen, daß mau den Spieß nmdrehen und ihn selbst ob seiner Ehrlosigkeit brandmarke» würde. Er halte es ihm heimgezahlt, was er an ihm und Agnes gethau. Und auch darüber, das der Streit aus blutigem Wege, durch die Pistole, zum Auslrag gebracht werden sollte, war er vollkommen zufrieden. Er batte sich das schon oft in schlaflosen Nächten überlegt, er war längst zur Ueberzengung gekommen, daß eine Lösung aus friedlichem Wege unmöglich sei, selbst wenn die Krisis heute Abend »och nicht hereingedrochen, selbst wenn er vermocht haben würde, mit seinen Anklagen dem Baron gegenüber bis nach ErnstS Genesung zu warte», es hätte daS keinen Unterschied gemacht, die Folgen wären dieselben gewesen, das Resultat hätte gar kein anderes sein dürfen. Er war stets ein prinzipieller Gegner des Zweikampfes gewesen, die studentnchen Mensuren, denen er selbst einst obgelegen, rechnete er nicht hinzu, er hatte oft die Behuuptniig aufgestellt und vettherdigt, daß sich jedes Duell vermeiden lasse, daß stets eine Söhnnng aus dem Wege des Gesetzes möglich sei. und doch, wie hätte dies in seinem Falle geschehen könne». Selbst wenn er es vermieden hätte, den Baron in io tödtlicher Weise zu beleidigen, wen» er sich wirklich nur aus den Boden des Gesetzes gestellt hätte, wie hätte der verworrene Knoten der Verhältnisse in friedlicher Weise gelöst werden können, ohne daß er aus Agnes verzichtet hätte? Und das war ja ausgeschlossen, das war unmöglich! Jetzt, nachdem die ganze Vergangenheit enthüllt, nachdem er erfahren, in welch' niederträchtiger Weise sie gegen ihren Wunsch, gegen ihre Neigung znm Altar gelockt worden, nachdem sie ihm gestanden, daß sie stets nur ihn geliebt habe, jetzt war ihr Besitz sein einziges Lebensziel. Aber die Ehe zwischen dem Baron und Agnes war eine völlig gütige, die nur ansgelöst werden konnte durch Tod oder durch Scheidung. Der Baron sah wahrhaftig nicht aus. als ob er ihm den Gefallen thun würde, bald mit dem Tode abzugehen. Und selbst wenn er die Gewißheit gehabt, Buchow würde binnen cincm halben Jahre sterben, Agnes dürfte nicht eine Minute länger, als Ernst's Krankheit erfordert. an der Seite dieses Mannes bleiben! Er würde sich vor sich selber schämen, wenn er z» einen, derartige» Abwarten seine Zustimmung Hütte geben wollen. Es blieb also nur die Scheidung Aber war dafür ein stichhaltiger Grund vorhanden? Er hatte keine juristischen Kcuutuiffe. davon war er aber doch überzeugt, daß es keinen Richter geben würde, der, wenn er nur der Wahrheit gemäß aburtheilte. die Ehe trennen könnte. Daß Agnes vor ihm. dem Jngendsrcund, dem Retter des Kindes, auf die Knie gcmnkcn und ihm vom Gründe ihres Herzens aus gedankt, das war doch kein Scheidnngsgrnnd! Oder, daß ihn Baron von Buchow über rascht. daß er, von seinen Gesichten hingerissen, sie an seine Brust gedrückt und sic geküßt? War das ein Schciduiigsgrund? Selbst wenn Agnes offen gestanden, daß sic ihn geliebt, lange, ehe sie ihren Gatten kennen gelernt, daß sie heimlich mit ihm verlobt gewesen, daß ihr Herz noch immer ihm gehöre, nur ihm und nicht dein Baron, wo war der GesetzcSparagraph, der darauf hin die Ehe geschieden haben würde, nein es gab kein anderes Mittel, rasch und sicher eine Lösung berbeizusühren, als die Waffe, nichts Anderes war zu thnn, als dem Schicksal seinen Laus zu lassen! Und was würde das Schicksal sein, was würde sein Schicksal sein ? Er war früher oft als Knabe mit deni gleichalterigen Petersen, dessen Vater damals schon in Burgdors Förster war. auf die Jagd gegangen und hatte damals sich einT guten Blickes rühmen können, niemals hatte er seitdem ein Gewehr wieder rn den Händen gehabt, viel weniger einen Revolver. Aber würde das letzt noch genügen ? Freilich, lange Jahre lagen seitdem dazwischen, gleichviel: „er oder ich!" war schon am ersten Abend, da Agnes chm die Angen geöffnet und er des Barons Handlungsweise durchschaut, seine Parole gewesen, jetzt gab es kein „Zurück" mehr, was auch geschehen werde, was chm auch bevorstand, er wollte es tragen Und wenn er siele, dann fiel er wenigstens für sie, dann würden alle die Qualen des Daseins ein Ende haben! Freilich Agnes blieb dann allein zurück! Was würde ihre Zukunft, ihr Schicksal sein, wenn ihn die Kugel des Gegners wegraffen sollte? Ter Gedanke beunruhigte ihn schwer. Er hatte Menschenkenntnis genug, um zu wissen, daß die Welt ste verurtheilen würbe. Sticht der Beweggrund für eine That ist für die Meisten auslchlag- qcbeild, sondern das Resultat; wenn er fiele, dann würde man sicher über Agnes den Stab brechen! Zwar er wollte ein Schreiben hinterlaffen, das den wahren Sachverhalt darlcgte, das Agnes in ihrem wahren Lichte zeige, das beweisen würde, daß sie frei von aller Schuld sei. daß man ihr die Achtung nicht versagen dürfte, würde es aber seinen Zweck erfüllen? Würde man ihm glauben? Wer den Sieg hat. hat meist den Beifall der Menge, wenn der Baron schwor, daß er seine Ehre gerächt, wenn er den Meiner!» beging, daß er niit eigenen Augen gesehen, wie seine Frau die eheliche Treue gebrochen, dann würden wohl alle reine, des Todten. Versicherungen umsonst sein, man würde sie für leere Ausflüchte halten, die höchstens ein spöttisches Lächeln verdienten und Agnes würde ohne Rückhalt, ohne jeden Freund in die Zukunft schauen. Ohne jeden Freund? Rein! Er wußte einen Platz, wo man seinen Worten glauben schenken, wo man sie nicht abweiscn wurde, auch wenn Alles sie verachte, im Hurgdorfer Pfarrhaus würde sie stets ein Asyl, eine Zuflucht finden können! Daß der Vater in seinem strengen, reli giösen Sinne den Zweikampf mißbillige, daß er ihn. was auch immer der Ausgang sein würde, schwer beklagen würde, davon war er überzeugt, aber er wollte auch ihm einen Brief zurücklaffen, der ihm Alles offenbarte und wenn er sein Vergehen auch nie billigen würde, er würde es doch vielleicht verstehen, warum er io gehandelt, und er kannte seinen alten Vater zu gut. um nicht zu wissen, daß er die letzte Bitte seines einzigen Sohnes erfüllen, daß ec Agnes, die arme, verlassene, heimathlose Agnes, unter sein Dach auf- iichmen würde, selbst wenn die ganze Welt sich gegen sie verbünde, er würde die Tochter seines alten Freundes nicht im Elend umkommen lassen Ta blieb er plötzlich stehen, eine nahe Kirchthurmglocke schlug an sein Ohr. Es war die zehnte Stunde. „To spat schon." murmelte er überrascht vor sich hin. ,JInd wo bin ich denn eigentlich? Das muß die Uhr von Rönbach gewesen sein!" Er blickte sich kopfschüttelnd um, er hatte in der wilden Fluth der Ge danken eine falsche Richtung eingeschlagcn. Aber seinen Zweck hatte er erreicht, sein Hirn war freier, die Erregung war verflogen, er hatte seine Ruhe wiedergeinnde». Rönbach war ein Ott, der gerade in entgegengesetzter Richtung von Lanpa lag, er mußte also zurück. Doch halt, da siel es ihm ein. wenn er noch eine kurze Strecke weiter ging, dann mündete ein schmaler Waldweg ein, der ihn schneller nach Burgdors zurückbrachte, als die Srraße. die er eben gewandelt. Rasch eilte er vorwärts, richtig, er hatte sich nicht getäuscht, dort war der Pfad, nun kannte er sich aus. Wenn er noch einmal im P'arrhauie voriorecben wollte, dann mußte er sich beeilen. Der Vater pflegte sich zeitig zur Rübe zu begeben. Aber Tante Liese wurde sicher noch wach sein, die ging ja selten vor Mitternacht zu Bett. Sonderbar, wie wohlig es ihm mit einem Male wurde, da er an sie dachte. Wenn »och der geringste Zweifel in ihm bestanden, daß der Vater gegen Agnes' Unlcrknnst ini Psarrhause Einspruch erheben, aus Tante Liese konnte er seine ganz bestimmte Hoffnung bauen. Sie, die in seiner Jugend so treu Mutter stelle an ibm vertreten, die ihn liebte, als wäre er ihr eigen Kind, sie, die schon um seine Liebe gewußt, da er noch Student war, sie würde auch diesmal ihm bcistehcu! Sie mußte er in's Vertrauen ziehen, ihr mußte er es gestehen, was ihn zumeist hcdrückt, sie würde sicherlich für ihn und seinen Wunsch Partei nehmen, sie würde, wenn er sie bat, sicherlich ihre Liebe für ihn aus Agnes übertragen, ihr und ihre Sorgen mußte er sein Lieb im Falle seines Todes anvcrtrancn. Kräftig schritt er aus. bald sah er die ersten Häuser von Burgdors wieder vor sich. Es war schon still im Dorfe, nur hier und da schlug ein Hofhund, durch seine Schritte auiacstört. laut und zornig an. Im Pfarrhaus war noch Licht, er trat an eines der niederen Fenster. Es war zwar verhangen, aber dnrch eine kleine Ritze konnte er hindurch luge». Wie er vermnthct, so war es. Tante Liese war allein im Zimmer, sie war in ihre Liedlingslcktüre, de» Lämmer Zeitung, vertieft. Leise klopfte er an. „Wer ist da?" srug die alte, bekannte Stimme. ^ „Richard ist's, Tante! Stach' aus und laß mich noch ein paar Augen blicke herein!" „Gleich, mein Junge, gleich!" antwortete freudig die Tante, die an s Fenster getreten und den Vorhang zur Seite gezogen, „gleich öffne ich ine Thur'. lind wenige Minute» später trat Richard in s behagliche Wohnzimmer. „Nun. Richard? Woher des Weges so spät? Ist aus dem Gute etwas nicht in Ordnung?" war ihre erste Frage.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)