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Tageblatt für Ers». tä-l. M.rg. 7U. Inserate. d^Spaltzeile 5 Pf., werden d. Al».7 lSannt. bis TU.) angenommen m der Expedition: Johannes-Allee und Waisenhausstraße «. Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Aßonn. »ierteljahrlich 2« Agr. he.' unrntgeldl. Lieferung in'« -aus« Durch die Kgl. Post »ierteljährlich 2» Ngr. Einzelne Nummer» 1 Ngr. M 87S. Freitag, dm 5. October llblkt». Dresden, den 5. October. — Oeffentliche Serichtsverhand lurigen: Die in den Annalen her Sicherheitsbehörde wohlmarkirte 25jährige Anna Johanna Kathinka Lirbisch genannt Zscharnack stan» gestern vor dem öffentlichen Gericht. Seit dem Jahre 1853 wegen Dieb stahls und Betrugs mehrfach .bestraft, halte sie die zuletzt ihr auferlegten 3 Jahre und 6 Monate Arbeitshaus am 7. Jan. d. I. nur erst überstanden, als sie ihr von lauter Diebstahl und Betrug bezeichnrtes Vagabvndenleben sofort wieder von Neuem begann. Es waren 17! Fälle. auf welch« di« Anklage sich basirte. Am meisten erregt es Verwunderung, wie diese Schwindlerin mehrere Monate lang unentdeckt oder unergriffen ihr verbrecherisches Treiben fortsetzen konnte, trotzdem, daß sie bald von allen Seiten mit Steckbriefen verfolgt wurde. Der bedeutendst« der von ihr begangenen Diebstähle war derjenige, den sie Anfangs Februar bei der verw. Etzler allhier verübt hatte. Zu dieser hätte sie sich unter dem Vorgehen, einen Dienst suchen zu wollen, einstweilen eingemiethet und bereits am dritten Tage bei deren zeitweiliger Abwesenheit eine Masse von Kleidern, Wäscht und andern Effecten, auch Haares Gel», was Alles zusammen einen Werth von ca. 24 Thlrn. reprä- sentirte, theilwelse durch gewaltsame Eröffnung gestohlen und sich damit aus'dem Staube gemacht. Während »er Zeit hatte sie unter dem betrügerischen Borgeben, ein Logis ermiethcn zu wollen, der Postlllonswittwe Mätzel eine Haube abgeschwmdelt, »und sich nach wohlvollbrachter Arbeit von hier nach Sprcmberg gewendet. Nachdem sie einige Zeit dort verblieben, war sie bei ihrer Nückkehr unterwegs bei einer Frau Reinhardt unter fal schem Namen eingekedrt und hatte von da ebenfalls am an dern Morgen eine große Anzahl von Sachen im Wende von ca 13 Thlrn. mitgenommen. Nachdem sic diese in Dresden! theil« versetzt, theils verkauft,- schwindelte sie sich weiter über! Tharand, Freiberg und Chemnitz, wo sie am Charfreitage an langte. Dort hatte sie sich zuerst bei einer gewissen Frau Bir- kig, und als sie sich von dieser entfernt, ebenfalls bei einer gewissen Findeisen nach einer Waschfrau Richter erkundigt und Nachtlager genommen. Bei Beiden hatte sie am andern Mor gen deren zeitweilige Entfernung benutzt und mitgehen heißen, was sie hatte erraffen können, bei Ersterer im Werth« von 4 Tblrn., bei der Letzteren im Werthe von 16 Thlrn. Die Wahrheit einer Episode, wonach die bei der Letzteren wohnende Näherin Andrä die Schwindlerin von Chemnitz bi« zum Wald schlößchen bei Dresden athemlos und uno tenoro verfolgt habe, um die ihr gestohlenen, in jenen mit inbegriffenen Effecten ihr wieder abzujagen, läugnete dir Angeklagte auf da« Bestimmteste. Nachher taucht« sie wieder in Freiberg auf und wohnte einige Zeit bei einem gewissen Richter. Dort stahl sie der verehel. Jungnickel mehrere Kleidungsstücke durch Anwendung eines Nach schlüssel« im Werthe von 11 Thlrn. Bon hier; traf sie in Strehla auf. brachte dort einer Schuhmachersfrau in freund lichster Weise viele Grüße von der Louise Seidel aus Freiberg und erlangte zweimal gcs Nachtquartier, welche Nächstenliebe sie am dritten Tage durch Mitnahme einer Anzahl von Sachen lohnte. Von hier führte sie ihre Wanderung abermals nach Dresden, wo sie eine gewisse Frau Zschieschang auf ähnliche Weise bestahl; dann ging'« nach Großenhain, wo sie «i«er ge wissen Frau Tänzer eine» angeblich von deren Mutter geschrie benen Brief überreichte, in welchem dieselbe die traurigen Um stände einer Frau Ritter in höchst eindringlichen Worten schil derte. Sie erhielt von der barmherzigen Frau zur Abgabe an die Bedauernswerthe 7 Ngr. 5 Pf. baar, eine Scchserzeile Semmel und drei Viertelpfund Kaffee, w«S sie sich nachher trefflich schmecken läßt, aber nebenbei fand sie auch Gelegen heit, der Samariterin eine Anzahl Sachen zu stehlen. Die An geklagte scheint .fliegen zu können oder sehr gut zu Fuße zu sein, denn bald darauf finden wir sie in Leipzig, wo sie zu einer gewissen Frau Brohner kommt und derselben sagt, sie sei ihr empfohlen worden, daher bab« sie ihr ein Töpfchen Butter, eine Quantität Speck, Kartoffeln und dergl, das sie auf dem Bahnhofe zurückgelassen, zugcdacht, mit dem Bemerken, sie solle dieselben sich holen, während sie indeß in der Stube bleiben wolle. Als jene aber wieder zurückkehrt, natürlich ohne die tm Geiste ihr schon prächtig schmeckenden Jngrevienzen gefunden und erhalten zu haben, ist die Schwindlerin verschwunden und hat aus- geräumt. So ging« nun fort von einem Orte zum andern, zunächst wieder in Dresden, dann in Alt Ebersbach bei Zittau, m Pillnitz, wo sie dem Eilberkammergehilfen Lange einen selbst« fabrizirten zärtlichen Brief von dessen Frau überreicht, worin diese um Zusendung von 2 Thlr. bittet. Dieser aber war klug und weise und merkte den Braten, weil das gar nicht die Hand und Schreibweise seiner Frau war, sie redete Ihn z. B. mit den Wor ten: „lieber Gemahl" an. Die Betrügerin machte sich, als sie Unraih witterte, eiligst au« dem Staube und kehrte nach Dresden zurück, wo sie das alte Spiel aufs Neue begann und abermals mehrere Schwindeleien und Diebstähle verübte. Von hier ging sie noch einmal nach Leipzig um dort eine gewisse Fr. Botte auf ganz gleiche Weise zu brandschatzen. Dir gestohlenen Gegenstände hatte sie alle theils versitzt, theils verkauft, theils hier oder da liegen lassen, vielleicht als Aequwalent für Zechschuldm c er in der Eile der ergriffenen Flucht, oder als nobler Tausch für c was da« ihr irgendwo besser gefiel, als ihr zeitweiliges Befitztdthnw Nach Schluß der Beweisaufnahme hielt der Herr Staatsanwalt Held seine Anklage au recht. Herr Adv. Fränzel, der dir Dtt- theidigung führte, empfahl schließlich die Angeklagte der richterlV-