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Dresdner Nachrichten : 09.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189911098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18991109
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18991109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-09
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 09.11.1899
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Teile asv. Belletristische Beilage zu de« „Dresdner Nachrichten*, .Und Strapazen nnd Beschwerden aller Art würden Sie nicht schrecken?" , .Nein!" Christine richtete sich straff empor. .Ich bin viel kräftiger und leistungsfähiger, als man mir Zutrauen möchte, und ich habe sehr viel festen Willen und Selbstüberwindung in mir. Wenn ich eine Aufgabe, eine wür dige Ausgabe zn erfüllen Hütte, so würde meine Kraft und Energie jeden Tag. jwr Stunde daran wachsen." .So kann ich Ihnen helfen!" Merkwürdigerweise hatte Christine dieses Wort erwartet. Sie hatte sich tmch ihre eigene Beichte, durch das Ungewöhnliche der Situation, durch das fast unerhörte Heraustreten aus ihrem eigenen, verschlossenen und verschwie genen Ick in eine Aufregung hinein gesteigert, die sie über sich selbst hinaus hob, ihr das Seltsamste ganz erklärlich und natürlich erscheinen ließ. In der Art und Weise ihres Begleiters, in dem Ton. in welchem er zu ihr sprach, In dem Blick, mit dem er sie anschaute, hatte zudem etwas gleichsam Ver .Ich kann Ihnen helfen!" wiederholte Paulus Späth noch einmal. „Ich habe sehr viele Verbindungen, ich kann Ihnen alle Mittel und Wege geben, das zu erreichen, was Sie wollen. Sie bedürfen keiner Vorkenntnisse. Sie bedürfen keines Geldes, man wird Sie lehren, was Sie leisten sollen, — in Amsterdam, in London, in Hamburg, wo Sie wollen mein Wort und meine Empfehlung genügt. Nur wünsche ich nicht, mich zwischen Sie und Ihre Angehörigen zu stellen! Nichts von dem. was geschieht, darf mit Heimlich keit in's Werk geietzt werden: Sie müssen vor Gott und der Welt einstehen können, für das. was Sie thun!" »Das wird Kämpfe kosten, aber die sollen mich nicht schrecken! Wenn kch das erreiche, was ich mir ersehne —" .Sic werden! Sobald Sie Gottes Beistand, Gottes Segen aus tiefster Seele, in Demuth und in Zuversicht zugleich, erbitten, so muß Ihr Vorhaben, das an sich gut und löblich ist, gelingen!" Sie holte ties Athem. .Wenn — wenn ich." fing sie schüchtern an. „in Ihrer Nähe sein — eicht unter Ihrer Aussicht arbeiten könnte! Sie sind so muthig und so -Ihre Hauptstärke muß in Gott ruhen, wie es auch die meine thut! Nächst ihm in Ihnen selbst!" .Gewiß! Aber wenn es Dich wenigstens sür den Anfang machen ließe, — Zhre Nähe würde mir noch mehr Halt und Zuversicht geben —" Er sann einen Augenblick nach. .Ich meine, es ließe sich thun! Mein Hauptweg liegt, so weit mensch liche Berechnung reicht, klar vorgezeichnet da. doch sollen einzelne wichtige Nummern in meinem Lebensprogramm noch ausgefiillt werden." — er lächelte gedankenvoll, wie er das sagte — „und aus welche Weise das geschieht — solches steht nicht bei mir allein! Immerhin — wenn ich Sie an die deutsche Milsion in London empfehle, so könnten Sie dort genügend vorbereitet und mir später nachgesandt werden . . . doch wäre cs ein weiter Weg, de» Sie zu nehmen hätten. er führt bis nach China!" Christine hatte auf der Zunge, zn sagen: „Wenn ich Sie dorr finde, Kimme ich auch nach China!" allein sie unterdrückte noch zur rechten Zeit diese gar zu persönlich gefärbte, allerlei Deutungen zulassende Aeußerung und bemerkte statt dessen: „Wenn ich mich loslöse von Allem hier, mein ganzes bisheriges Leben hinter mich werte, so gilt mir das Land, in dein ich leben soll, und die Entfernung, die mich von der Heimath trennt, gleich!" „Sie sind hoffentlich gesund genug, um das Klima dort zu ertragen!" Paul Späth musterte das neben ihm herschreitende Mädchen unbefangen. Ach selbst habe, in meiner Eigenschaft als künftiger Missionar, einen Kursus in der Krankenpflege durchgemacht, mir einige medizinische Kenntnisse angceig- uet, weil man dort häufig ohne Arzt durchkommen und sich lelbst helfen muß. — daher weiß ich. wie wichtig die gesundheitliche Frage ist!" „Ich bin eigentlich nie krank!" gab Christine ohne jede Ziererei zurück. „Ich sehe wohl nicht sehr stark aus, weiß aber, daß ich meinem Körper viel zutrauen darf, wenn es darauf ankommt. Das. was die Meinigen meine „Nerven" nennen, was sich zuweilen in Unlust, Mattigkeit, vielleicht auch in reizbarem Wesen äußert, ist bei mir nichts Anderes, als die Empfindung, nie das zu können, was ich mir wünsche, und beständig am falschen Platz zu stehen!" „Sie sollen mit Gottes Hilfe den richtigen Platz finden. Bauen Sie fest auf Gott?" „In letzter Zeit nicht so. wie ich sollte! Ich habe früher oft jo inbrünstig gebetet, er möge mir helfen, und es ist nicht geschehen —" „So waren Sie dessen noch nicht würdig! Hat denn nicht Prediger Deinhardt Ihren Religionsunterricht geleitet, und ist er nicht ein sehr eifriger und treuer Diener Gottes?" „Das schon! Aber wir. ichsowohl, als auch meine Geschwister, sind in der Stadt konfirmirt worden. Meine Eltem wünschten das so für uns. Wir haben leider Io gut wie gar keinen Verkehr niit dem Pfarrhause. Es hat da einige Differenzen gegeben —" .Und die vermochten Sie nicht auszugleichcn, wie es das schöne Amt der Frauen ist?" „Ich vermag gar nichts bei mir zu Hause!" gestand Christine bitter. .Auf Niemand von den Meinigen übe ich den geringsten Einfluß aus. Im Ganzen ist mir das ziemlich gleichgiltig, im betreffenden Fall aber nicht. Ich stünde gern mit allen Teinhardt's im Verkehr, — den Prediger halte ich für einen seltenen, edlen und guten Menschen, die Frau macht den liebens würdigsten Eindruck. — und die Tochter ... sie war noch ein halbes Kind, als sie das Elternhaus verließ, um bei einer Tante zu leben. Jetzt ist sie zurückgekommen, und ich kenne weiter nichts von ihr als ihr reizendes Gesicht, — aber das kann nicht trügen, — und die Tochter solcher Eltem kaunz nicht ohne inneren Werth sein!" «Sind nicht noch andere Kinder da?" „Ein erwachsener Sohn, den kenne ich fast gar nicht, er war seit langen Jahren von Lubenow fort, nur zuweilen zu den großen Ferien hier; dann noch ein kleines Mädchen von sechs Jahren, aller Welt Liebling und Spielzeug." Sie waren während des letzten Gewrächs allmählich aus dem Walde herausgetreten. Der Weg siel sanft abwärts, und bei einer Krümmung des Pfades sah man plötzlich Schloß und Dorf Lubenow im Hellen Sonnenschein, in üppiges, lattes Grün gebettet, vor sich liegen. Paulus Späth blieb stehen und iah aus das friedliche Bild. Was er dachte, davon war nichts in seinen! Antlitz zu lesen. — Christine sah seinen charaktervollen Kops ini Profil; dies schien wie aus Granit geformt, so fest Umrissen waren seine Linien. .Dort liegt das Pfarrhaus!" sagte sie und wies links hinüber. Sein Blick folgte ihrer deutenden Hand. Da lag das weiße Hänschen, halb von seinem dunklen Evheumantcl verborgen. In der Nähe des Gartcn- zauns, dort, wo die Bäume spärlicher standen, sah man einen Hellen beweg lichen Punkt auf- und niederhüpfen, es sah aus wie ein großer, weißer Schmetterling. „Das muß Naemi sein!" nieinte Christine. „Das Leine Töchtcrchcn von Pfarrer Deinhardt, von dem ich Ihnen sprach!" „Naemi!" sagte er wie in Gedanken vor sich hin. „Die erwachsene Tochter heißt Maria!" „Ich weiß!" Und auf den erstaunten Blick des Mädchens setzte Späth hinzu: „Pfarrer Deinhardt ist der liebste Freund meines Vaters, und ich gehe mit seinen Empfehlungen zu ihm!" Sie schwiegen Beide und gingen, wie auf Verabredung, rascher voran, bis das Dorf dicht vor ihnen lag. Der Weg zum Lubenower Schloß zweigte sich rechts ab: um zum Pfarrhause zu gelangen, mußte man das Dorf passircn. „Ich danke Ihnen, daß Sie mich bis hierher geführt haben!" Der junge Geistliche zog seinen Hut und reichte seiner Begleiterin die Hand zum 'Abschied. „Sie danken mir?" fragte Christine erstraunt. „Was ist der kleine unbedeutende Dienst, den ich Ihnen leisten durste, gegen das, was Sic für mich thun wollen?" „Wir Menschen sind dazu da. einander zu helfen!" entgegnetc er ruhig. „Da darf man nicht abwägen, wer niehr thut. wer weniger." „Und Sie — Sie werden Ihr Versprechen nicht vergessen?" meinte sie zaghaft. „Verzeihen Sie." fügte sie hastig hinzu, „es fällt mir gewiß nicht ein, an Ihnen zu zweitel», aber ich bin es gar nicht gewöhnt, daß sich Jemand um mich kümmert!" „Es wäre schlimm, wenn ein Diener Gottes sein gegebenes Wort nicht halten könnte!" erwiderte er ohne jede Empfindlichkeit. „Sie sollen bald von mir hören!" yS-oll ich — darf ich den Meinigen von Ihnen erzählen?" Er sann einen Augenblick nach. „Ich und mein zukünftiger Beruf werden in Lubenow nicht unbekannt bleiben >" bemerkte er dann. „Ich hoffe, Pfarrer Deinhardt überläßt mir die nächste Sonntagspredigt, damit ich den Leuten sagen kann, wer ich bin und was ich will. Es fügt sich dann jedenfalls, daß ich mich Ihrer Familie be kannt mache, und ich reklamire Sie dann sogleich für Ihren künftigen Lebenszweck! Christine lächelte beklommen. „Sie werden auf sehr starken Widerstand stoßen. Man wird Sie gar nicht verstehen . . . auch nicht verstehen wollen. Man wird mich Ihnen im ungünstigsten Licht dai.iclleir . . Er machte eine schlichtende Gebärde mit der Hand. „Was thut mir das? Wenn Sie Gottes Eigenthum sein, ihm dienen wollen in Werken der Barmherzigkeit, — da darf kern menschlicher Einspruch und Machtspruch Sie hindern. Ich darf nicht uur ein demüthiges Werkzeug in des Höchsten Hand sein wollen ... ich muß auch ein Streiter Gottes sein können, wenn cs Noch thut! Sie dürfen getrost von hinnen ziehen, — in dem Zeichen, in welchem wir kämpfen, werden wir siegen!" 'Aus seinen glänzenden Augen, aus dem festen Druck seiner Hand, mit welchem er von Neuem Christinens Rechte faßte, strömte etwas von seiner Kraft und Zuversicht zu ihr hinüber. Ihr war. als habe sie seit einer Stunde einen neuen Menschen angethan, als sei die frühere Christine von Küster mit all' ihrer Bitterkeit, ihrem Groll und Kuinmer auf immer hinter ihr im Walde zurückgeblieben. „Ich danke Ihnen!" sprach sie freudig und wollte ihre Hand aus der seinigen ziehen. — aber er gab sie noch nicht frei. „Glauben Sie noch immer," sagte er langsam und senkte seinen beredten Blick in den ihrigen, „daß es ein blinder Zufall gewesen ist, der uns Beide heute zusammengeführt hat?" Sie schüttelte stumm das Haupt. „Sie dürfen solches nie wieder denken!" betonte er beinahe streng und hielt immer noch ihre Hand fest. „Gott, in dessen gewaltiger Hand unser Erdball nur ein winziges Etwas ist, — vor dessen Auge wir kaum wahrnehm bare Atome sind. — Gott leitet uns dennoch die richtigen Wege, sobald er in uns ist und wir sind in ihm I Es ist sein Wille, der zu geschehen hat!" Ohne ein weiteres Abschiedswort wandte sich die hohe Gestalt des Mannes von ihr fort und schritt dem Lnbenower Pfarrhause zu. 17. Kapitel. Lubenow, im Juli 1695. Mein lieber Vater! Ich weiß, daß Deine Gedanken jetzt mehr denn je bei mir weilen, daß es Dich danach verlangt, von mir zu hören. „Ich werde die Zeit kaum erwarten können," so sagtest Du beini Abschied zu mir, „bis ich Deinen ersten Brief aus Deutschland in meiner Hand halten werde I" Nun, da ist er, dieser so sehr von Dir ersehnte Brief, und absichtlich fasse ich ihn in deutscher Sprache ab. — trotzdem die englische Sprache mir ae- Belletriftische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Sette SSI läufiger ist — weil ich weiß, wie sehr Du diese Sprache liebst. Immer ist es Deine Sorge gewesen, Deine Kinder könnten „halbe Engländer" werden. Aber, glaube mir, wenn wir auch, wie das ia nur natürlich ist. die Sitten und Gebräuche des Landes, in dem wir leben, sowie dessen Sprache uns anaceignet haben. Gesinnung. Herz und Sympathie ist bei uns allen Dreien so durchaus deutsch, daß Ihr zufrieden sein könnt, Du und iinsere gute Müller Für sie ist dieser Breis selbstverständlich ebenfalls bestimmt, — wird er doch von Thalsachen und Dingen handeln, die ihrem weiblichen Gemüt!) wohl noch näher liegen, als Deiner Sinnesart, lieber Vater. — Wie meine Reise verlief, was ich in Hamburg und Berlin mit meinen Kollegen und insonderheit in der Mission erlebte, das sagten Euch meine kurzen Vorberichtc schon. — Briese konnte man sie eigentlich kaum nennen. Ich hatte überall den freundlichsten, ja, ich darf sagen, den schmeichelhaftesten Empfang, — man setzt in der Mission so hohe Hoffnungen und Erwartungen in mich, daß es mich förmlich beschämt hat und ich all' meine Kräfte hingcben will, um dies schöne Vertrauen zu rechtfertigen. Man führt einen ganzen Tag mit der Bahn, um von Berlin nach Ost preußen zn gelangen. Die Strecken, die man durchquert, sind ziemlich öde und reizlos. — doch läßt sich dies von dem Landstrich, in dem ich gegenwärtig lebe, keineswegs sagen. Lubenow liegt sogar ungewöhnlich hübsch und malerisch, ich habe oft schon hier an die Landschaften, die man in Kent sieht, denken müssen. Wasser, Wald, hügeliges Terrain, grüner, saftiger Wieswuchs. Blumen die Fülle, — das Auge weilt mit Wohlgefallen auf alledem, das Prediaerhaus liegt wie ein Idyll da, ich bin an meinen lieben Vikar os Wakesicld erinnert worden. „'Aber." — so hör' ich die Mutter sprechen! — „so laß' doch die ost- preußische Landschaft und die Lage des Pfarrhauses, und rede endlich von den Menschen, die dieses Haus bewohnen!" Gute Mutter, ja, das kommt Alles, — aber Du kennst doch Deinen Sohn: es muß bei ihm immer ein gewisses System sein,—dasDurcheinander würfeln liebt er nicht, und Vater liebt es ebenfalls nicht, — wohl die wenigsten Männer mögen es leiden. Zum Ziel konimen wir darum doch, — nur ein wenig Geduld!! — Ich bin auch hier sehr freundlich empfangen worden und in jeder .Hinsicht vortrefflich aufgehoben. Deutsche Küche bin ich ja durch unsere Mutter gewöhnt, aber in Ostpreußen gicbt es noch ganz besondere Gerichte, die mir indessen allesammt gut munden und ebenso bekommen. Meine Gesundheit ist so ausgezeichnet, wie nur jemals, wofür ich Gott dem Herrn nie genug zu danken vermag. Tie Bewohner des Lubenower Pfarrhauses bestehen aus dem Ehepaar Deinhardt, den beiden Töchtern, einer Stiefschwester des Predigers und den Dienerinnen. Der Sohn des Hauses hat seinen mit großer Bestimmtheit, ja, mit Leidenschaft ausgesprochenen Wunsch, Maler werden zu dürfen, bei seinem Vater, mit Hilfe der Taute und der Mutter, durchgesetzt, und er war bereits am Tage vor meiner Ankunft nach der bayerischen Hauptstadt München ab- gercist, um daselbst sobald wie möglich seine Studien zu beginnen. Diese Earriörc des einzigen Sohnes, die so gar nicht mit feinen eigenen Wünschen übereinstimmt, ist für Prediger Deinhardt ein schwerer Schlag, eine bittere Enttäuschung, die er wohl nie ganz überwinden wird. Er hat volles Vertrauen zn mir gefaßt, wie zu einem lieben Freunde, und er hat in 'Ausdrücken tiefsten Kummers zu niir von der Prüjnng gesprochen, die Gott unser Herr ihm auferlegt hat. Immer noch sinnt und grübelt er darüber, ob er das Richtige gcthan hat, als er sich die Erlaubmß zu dieser Carriere seines SobneS von dem jungen Menschen, mehr noch von dessen Tante, seiner eigenen Schwester, ab- dringcn ließ. Sein ganzes Herz hat er auf den Wunsch gesetzt, dereinst in dem Sohn seinen Nachfolger im 'Amt zu sehen. Sein edles Herz ist keines Neides fähig, und doch hat er mir bekannt, daß Anwandlungen des Neides über ihn gekommen wären, wenn er Deiner, lieber Vater, gedacht Hütte und der Freude, die meine Berufswahl Dir bereitet. Was er wirst noch non mir sprach, war so überaus gütig und wohlwollend, daß er des Guten zu viel that, — ich erwähne dessen nicht weiter. — Ich habe getrachtet, den vor trefflichen Mann über diesen Fehlschlag seiner Hoffnungen nach Kräften zu trösten, — lieber kein Geistlicher, als einer, der lau wäre in der 'Ausübung seines herrlichen, hohen Berufs! Deinhardt hat mir darin Recht geben müsse». — der Anblick des Sohnes aber und dessen unausgesetzte Beschäftigung mit Leinwand und Farben, das ganze Aufgehcn des >ungcn Menschen in der Kunst hat ihn. den Vater, so nanienlos geguält und unglücklich gen,acht, daß er selbst es gewesen ist. der Johannes die rasche Abreise nach München er möglicht hat . . er konnte es nicht mehr ertragen, den Jüngling um sich zu haben. Tille Einwohner des Hauses waren noch wie verstört, als ich m Lubenow eintras, — der Abschied ist sehr ergreifend gewesen, — Pfarrer Deinhardt in einer Erregung, die die Seinen ein schlimmes Nachspiel be fürchten ließ. In diesem Sinn kann ich behaupten, zur rechten Zeit hier eingetroffen zu sein und durch nieine Gegenwart, inein gütliches Zureden den Scelenzuftand Deinhardt's sichtlich gebessert zu haben. Welch' ein edler Menich rst Dein Freund, niein lieber Vater! Wahrlich, hätten wir niehr solche Diener Gottes. — es stünde anders und besser uni unsere Kircke. Ein Gemüth. so lauter und rein, so ohne Falsch, wie die Taube! Eine Opferwiüigkeit und Hilfsbereitschaft, die unerschöpflich ist, die sich an keinen Undank, keine fauche Auffassung kehrt. — eine Milde der Denknngsart, die etwas Erhebendes hat. — eine Reinheit und quell klare Lauterkeit der Gesinnung, die in der heutigen Zeit fast beispiellos dasteht, zumal auch Deinhardt in feiner Gemeinde und um sich her viel Wider wärtiges und Abstoßendes erlebt. Gänzlich weltfremd und rührend unpraktisch, wie der ganze Mann ist, würde er noch weit mehr ausgebeutet und überlistet werden, als cs jetzt schon thatsächlich der Fall ist. wenn nicht seine mehr auf das Nützliche und Weltliche gestellte Gattin hier ein heilsames Gegengewicht bieten möchte. Frau Johanna hat ein höchst einnehmendes Aeußercs und ein ebensolches Wesen, sie liebt ihren Gatten zärtlich und fügt sich ihm und seiner Autorität blindlings da, wo nicht die Kinder mit in's Spiel konimen. Es ist ein Verhängniß für diese an sich weich und liebevoll geschaffene Fraueu- seele, daß die mütterlichen Instinkte und Gefühle mindestens ebenso stark in ihr ansgebildct sind, wie die Gattenliebe. Es iverden ans diese Weise ihm. wie ihr stark eingreifende Konflikte nickt erspart bleiben. Die sonnige Heiter keit. die unsere liebenswürdige Haussrou sonst anszeichnct, bat jetzt durch den Zwiespalt mit den, Sohn, durch b>e Trennoux- von ihm einigc Einbuße er litten. bricht aber dennoch zuweilen von Neuem hervor Frau Johanna ist eine gläubige Christin, — von dein starken und herrlichen GotteSglauben aber, der ihren Gatten wie mit Adlersslngcln rmporträgt. den Ihr, nieine theuren Eltern, beide besitzt . . . von einem solchen weiß ihre Seele nichts. Und darum bangt niir um sie, wenn das Kind ihres Herzens, zugleich der Liebling ihres Gatten, ihre Tochter Maria in Frage kommen wird. „Und kommt sie nicht zunächst für Dich in Frage, mein Sohn?" höre ich Euch wiederum sprechen. „Wird sie nicht Deine Maria heißen?" „Und so iveh es nrir um Euch, Ihr Geliebten, thut, — ich muß mit „Nein!" antworten! „Ihr habt cs schnlichst gewünscht, und ich wünschte es gleichfalls, ich möchte die Tochter eines Geistlichen mit mir hrnübernehmen als mein Ehe weib in mein neues Leben, in meinen neuen herrlichen Berns' Und eine Deutsche sollte cs sein, keine „halbe Engländerin". — hcrübergeholt aus dem Lande, dem Ihr. meine Eltern, entstammt, ein Kind des Volkes, das Euch geboren hat! Was lag wohl näher als der Gedanke, bei Deinem alten Freunde Deinhardt anzuklovscn, lieber Vater? Alles, was er uns von seinem Kinde, von dessen Seclencntfaltnng. seinen Kämpfen und Zweifeln, »einem redlichen Aufstrcben zu Gott berichtet hatte, erregte unsere Theilnahme. unsere freudige Rührung. Das kleine Bild, das Deinhardt uns einst nach London herüberschickte, zeigte uns ein liebliches, zartes Kind, das uns wohlaesiel. Ich sehe noch Mutter und die beiden Schwestern sich voller Interesse über dieses Bildchen beugen, höre noch Magdalen's bewunderndes: „Ob, kanlus, — ckear sbs is auckulch protch!" Was würde Magdalen sagen, wenn sic Maria Deinhardt jetzt sähe und feststellcn könnte, was die wenigen Jahre inzwischen aus ihr gemacht haben! — Ehen zwischen Missionaren und Töchtern von Geistlichen, selbst wenn sie einander noch nie zuvor gesehen Huben, sind nichts Seltenes. Sic kommen oft zu Stande, und sür mich, wie ich einmal bin, hat dieser Gedanke nichts Störendes. Der Missionar, der sich eine Lebensgefährtin nimmt, muß in erster Linie ihre Frömmigkeit, Sanftmuth, Hilfsbereitschaft in Betracht ziehen. An sich selbst und etwaige besondere Wünsche seines Herzens darf er gar nicht oder doch uur sehr wenig denken. Das Mädchen, das einwilligt, eines Missionars Gattin zu werden, ihm in einen fremden Erdtheil zu folgen, Kampf, Noth und Sorgen aller Art mit ihm zu theilen. wird auch weniger den Gatten, den ihre Seele sich ersehnt, in ihm finden und lieben wollen, als den GotteSstreitcc. an dessen Seite sie sich stellen, dem sie bei seiner hohen, verantwortlichen Aufgabe helfen soll. Wozu brauchen zwei solche Menschen, denen der Berus des Mannes die Hauptsache ist, sich gegenseitig zuvor noch kennen zu lernen, um festzustellen, ob sie Wohlgefallen aneinander finden? Die Sache, der sie dienen, diese erhabene und heilige Mission, — sie muß jedes persönliche Empfinden siegreich überwinden! — Ich habe Euch das gesagt, aber Ihr wäret nicht meiner Ansicht. Ihr wünschtet Beide, ich möge die künftige Gattin kennen lernen, in eigener Person um sie werben. Wohl? Ich habe Euch den Willen geihan, da ich ohnehin vor meiner großen Reise über das Weltmeer noch nach Deutschland hinüberzngehen beabsichtigte. — aber beinahe schon beim ersten Blick auf Maria Deinhardt ist es mir klar ge worden : „Sie wird nicht Deine Frau. — sie paßt nicht zur Gattin eines Missionars. — und selbst wenn Du Dich überwinden und um sie werbe» wolltest ... sie würde niemals einwilligen, die Deine zu werden l" Ueberwinden! Mißversteht mich nicht, meine Lieben l Dies Wort ge braucht der Missionar, nicht der Mann Paulus Späth! Daß Maria Dern- hardt irgend einen'. Mann, und wäre er selbst der anspruchsvollsten einer, mißfallen könnte, glaube ich nicht, und ich bin überzeugt, daß viele Männer, tritt sie erst in's Leben, ihr Alles daranietzcn werden, sie und ihre Liebe zu gewinnen. Sie ist wie ein Juwel, das ohne jede Vordringlichkeil doch prangt und schimmert, — ein Juwel, das da verdient, in goldener, kostbarer Fassung hochgehalten und bewahrt zu werden; sie ist von einer unbeschreiblichen, zarten Schönheit, auch ist sie klug und hat viel von der herzgewinnenden Liebenswürdigkeit ihrer Mutter, — aber zu den Frauen, die als Mitstreiter- inncn ihres Mannes zu den Heiden ausziehen, um ihnen das Evangelium des Herrn zu verkündigen. — zu diesen starken, anserwählten Frauen wird Maria Deinhardt niemals gehören. Ich bin ihr trotz dieser Erkenntlich nicht aus dem Wege gegangen. — im Gegentheil, ich habe getrachtet, ein Bild ihres Seelenlebens, ihrer religiösen Auffassung zu gewinnen, und da ich mehrere Tage ganz im Kreise der Dein- hardt'scheu Faniilie verbrachte, unser Freund, der Pfarrer, durch die Vertret ung eines schwerkrankcn Ämtsbrnders sehr in Anspruch genommen, seine Gattin vielfach in der Wirthschaft und mit der 'Anlernling einer neuen Dienerin beschäftigt ist, so war ich aus die Gesellschaft der Tochter des Hauses angewiesen, und es gelang mir in der That allmählich, sie kennen zu lernen. Leicht gerade bat sie mir das nicht gemacht. Bei aller Freundlich keit ihres Wesens ist sie nicht schnell zu ergründen, ihre entgegenkommende Liebenswürdigkeit ist zum Theil etwas Aeußerliches, wie man es bei wohl erzogenen jungen Damen aus guten Kreisen auch oft in England sinder. Im Uebrigen benahm sie sich im Verkehr mit niir vollkommen frei und unbcjangen, sie konnte wohl keine Ahnung haben, was mich hauptsächlich hierher geführt hat. und ihre Mutter hat diese meine Vermuthuna bestätigt: Deinhardt, hat gewünscht, seine Tochter möge den Zweck meines hiesigen Aufenthalts «fahren. — Frau Johanna aber hatte ihrek Gatten inständigst gebeten, das junge Mädchen in Unkenntlich der Sachlage zu erhalten, und. wie die Dinge null einmal liegen, kann ich ihr nur dankbar dafür fein. (Fertigung konnisLck
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