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71. Jahrgang, 4SS Ade«ö-A«sgabe Gegrün-et 1SSK DkabtanickrNi« >NaMrt«dt«i, Dr«»d»n iseniwnldrr - Saimnelmnmnrr - LS 241 Nm für Aackteeivräch«! 20011 Bezugs-Gebühr r^lSLI b»> iSolick »««tzullt^rr -iuüillun, frei Hau» Monat Stplimber Z Mart obne Stvrelnummee 10 «vleonla llun„aeblldr. Anzeigenpreise: "uterkaIb2»0Ps,. Offertrnaebülir «Ma. Au»w. Aiiiträae aeaen Bor<,»sde»a>ila. SLrilileüung und Sauvl»«ickiü»8ell«: Mari«»N»ah« 3S 4L Druck u. Verlag von Lievlck » Reta,ar»t tn Dre-Len Poftickeck-Konlo 1L>SS De«.»er» Nackdrnck nur mH deiillicher Quellenanaabr «.Dresdner Nackr.'« „ilSÜIa. Unverlanale LckriOktüare werden Nicki autdewabrt. Abrüstung verkoppelt mtt Sicherheit. Ein kommender französischer Antrag in -er -rillen Kommission des Völkerbundes. Beginn -es Deutschen Grotzhan-elslages. — Der Herausgeber -es Guittaumatschen Geheimberichts unter Anklage. Wteberbelebung -es Genfer Protokolls. Die Grundlagen der gestrigen Rede des Grasen Bernstorsf. Paris. 18. Sept. Der Vertreter der Agcncc Havas in Gens meldet. eS sei wahrscheinlich, dast die sranzösischc Dele gation in der dritten Kommisston einen allgemeinen Antrag einbringcn werbe, der die fragen der Sicherheit und der Abrüstung miteinander verbinden wolle. — Der Antrag soll der Rorbcreitcnden Abrüstungskonferenz »orgelcgt werden, die dieses doppelte Problem in seiner Ge samtheit behandeln soll. Hierbei sollen weder irgendeiner der Gedankengänge noch irgendeiner der Texte des Genfer Protokolls ausgeschlossen werden, dem Frankreich und zahlreiche andere Staaten zugetan sind. <W. T. B.) » Berlin, 18. Tept. Die Antwort der alliierten und assozi ierten Mächte auf Bemerkungen der deutschen Delegation zu den Friedensbedingungen, die am 1». Juni 19(9 Cle me nee au erteilte und auf die Graf Bernstorsf in seiner gestrigen Rede im Abrüstungsausschuß in Gens Bezug nahm, lautet: Teil 1 sVülkerbnndsabschnitt 4): Die alliierten und assozi erten Mächte haben die deutschen Delegierten bereits darauf Hingeiviesen, dast die BölkerbundSakte „die Herabsetzung der nationalen Rüstungen bis auf den niedrigsten, mit der nativ nalen Sicherheit und der gemeinschaftlichen Erzwingung internationaler Verpflichtungen verträglichen Stand" vor sieht. Sie erkennen an, daß die Abnahme der Abrüstnngs bestimmungen durch Deutschland die Verwirklichung einer allgemeinen Einschränkung der Rüstungen erleichtern »nd bc schleunigen wird. Und sic haben die Absicht, unverzüglich in Verhandlungen über die eventuelle Annahme des Entwurfes einer allgemeinen Abrüstung einzutrctcn. Es ver- steht sich von selbst, daß die Verwirklichung eines solchen Pro gramms zum großen Teil davon abhängen wird, daß Deutsch land seine eigenen Verpflichtungen in ausreichender Weise erfüllt. — V. (Bestimmungen für das Landhccr, Seemacht und Lustfahrt) Abschnitt 1: Die alliierten und assoziierten Mächte legen Wert darauf, besonders sestznstcllen, daß ihre Bedingungen, die die Rüstungen Deutschlands betreffen, nicht nur zum Zweck hatten, Deutschland die Wiederaufnahme seiner kriegerischen Angrisfspolitik unmöglich zu machen. Diese Bedingungen stelle» vielmehr gleichzeitig den ersten Schritt zu jener Beschränkung und zu scncn allgemeinen Be grenzungen der Rüstungen dar, welches die genannten Mächte als eines der besten Mittel zur Verhinderung von Kriegen zu verwirklichen suchen, Begrenzungen und Beschränkungen von Rüstungen, die herbeizufllhren zu den ersten Pflichten deS Völkerbundes gehören würden. Abschnitt S: . . . . erst wenn der Angreifer den Weg gezeigt hat, können auch die An gegriffenen in aller Sicherheit ihn bcschreitcn .... Abschnitt 8: .... Deutschland hat bcdingunaSlos einer Abrüstung znzuftimmen, die denjenigen der alliierten und assoziierten Mächte voransgeht. Delgien scheidet aus -em Dölkerbun-srat aus. >D u r ch F u n k I p r u ch.I Gens, 18. Sept. Die heutige Vormittagssttzung der Völkcrbundsversammlung galt lediglich der Erledigung des belgischen Antrags auf Wiedcrwählbarkcitserklärung. Bei der Abstimmung hat Belgien die nötige Zweidrittelmehr heit von 82 Stimmen nicht erreicht, sondern nur 29 von 48 Stimmen für seinen Antrag ans sich vereinigen können. Mit diesem Ergebnis, das die sofortige Wiederwahl Belgiens in den Völkerbundsrat unmöglich macht, wird das Bild für die beule nachmittag um S Uhr angesetzte Neuwahl der drei nichtständigen Ratsmltglieder gänzlich vierschoben. I Nach Verkündigung des Abstimmungsergebnisses betrat Vandervelde die Tribüne, um eine kurze Erklärung ab zugeben, dahin lautend, Belgien habe seine Kandidatur nach Ablauf seiner Natsperwde aus Wunsch einer Anzahl anderer besonders der Locarnomächte ausgestellt. ,D>ie Mehrheit hat sich dagegen entschieden." so führte er aus. ./Die belgische Delegation ist aber durchaus davon überzeugt, daß das negative Votum aus Grundsätze zurückgeht, die durchaus achtenswert sind,und nichts mit irgendwelchen unfreundlichenGe fühlen gegen Belgien zu tun habe». Weiter möchte ich er klären, daß dieses Abstimmungsergebnis uns in keiner Weise verhindern wird, in der aktivsten, aufrichtigsten und ent schiedensten Mitarbeit an dem großen Werke des Völkerbundes sortzufahren, wie in der Vergangenheit." Während dieser Erklärung und nach ihrer Beendigung wurde Vandervelde ein außergewöhnlich lebhafter Beifall zuteil. Die Ablehnung der Wiederwahl Belgiens durch die Voll versammlung des Völkerbundes wird allgemein ans die Haltung der kleineren, insbesondere der süd ameri kanischen Staaten zurückgefllhrt. Die Stimmenabgabe gegen Belgien ist, wie allgemein angenommen wird, aus grundsätzlichen Erwägungen erfolgt, da die kleineren und auch die südamerikanischen Staaten sich prinzipiell gegen die Wiederwahl einer europäischen Westmacht gewandt haben Man nimmt allgemein an. dast die deutsche Delegation ihre Stimme für die Wiederwahl Belgiens abgegeben bat. Die heutige Vormittagssttzung der Vollversammlung des Völkerbundes begann mit einer kurzen Begrüßungsansprache des Präsidenten Gnani für den Präsidenten der Republik L t b e r ia, K i n g, der an der heutigen Sitzung der Bundes versammlung teilnahm und bei seinem Erscheinen mit leb haftem Beifall begrüßt wurde. Hierauf folgte bic Abstimmung über die Wlederwählbarkett Belgiens. Für die heute nach mittag 146 Uhr stattfindenden Wahlen kommen gegenwärtig als Kandidaten Finnland, Kuba und Kanada in Frage. Der Bölkerbundsrat tritt heute nachmittag >44 Uhr zusammen, um die gesamten auf der Tagesordnung des Rates stehenden Fragen zu erledigen. Die Weiterplattenfrage in Gens. Genf, 18. Sept. Unter den Punkten der heutigen Tages orbnung des Rates boten die Danziger Fragen das Haupt interesse. Die Hauptfrage zu Danzigs Antrag auf Verlegung des polnischen Munitionsdepots von der Wcsterplatte war einem Juristenausschuß übergeben worden, der zunächst lediglich zu prüfen hatte, ob die Aufhebung eines früheren Natsbeichlusses zulässig sei. Der Rat hat Danzigs These anerkannt, daß RatSbeschlüssc bet Borltegen neuer Tatsachen nachprüfbar sind. Die heutige Entscheidung des RateS ist aber insofern ungünstig, weil Danzig ans formalistischen Gründen gezwungen wirb, ein neues Verfahren vor dem Völkerbundskommissar in Danzig zu beginnen. Die Frage der Exterritorialität der Westerplatte und baS Klagerccht Danziger Staatsangehöriger im polnischen Bahn dienst vor Danziger Gerichten, erstere auf Antrag Streiemanns, wurden vertagt, sollen aber noch im Laufe der jetzigen Session, also vom neuen Rate, entschieden werden. Wetter wurde heute vormittag eine Reihe von Flüchtlings fragen erledigt. Dabet wurde die Anleihe in Höhe von 9 MO mg Pfund, davon 8OM OM für baS Flüchtllngswcrk. 3 OMOM für Stabilisierung der griechischen Währung und 8 MO 000 zur Deckung deö Defizits der letzten Fahre, genehmigt. Eine gleichartige Anleihe, für die vor einigen Tagen von dem bul garischen Ministerpräsidenten und Finanzminister derVölkcr- bundsrat schriftlich um Genehmigung angegangen wurde, ist heute vom Rate zunächst dem Finanzkomitee des Völker bundes zur Begutachtung überwiesen worben. Verjähren wegen Veröffentlichung -es Guttlaumattchen Geheimberichts. Paris, 18. Sept. Gegen den Heransgebcr der Wochen schrift „Anx Vcontes" ist «egen Bcrösfentlichnng deS Geheim berichtes des Generals Gnillanmat ans Grund des Artikels 1 deS Gesetzes von 1888 gegen die Spionage ein Verfahre» eingeleitet worden In der Mitteilung, die Levi, der angeklagte Leiter der Zeitschrift, tn dieser Angelegenheit an die Presse richtet, be zeichnet er als Zweck seiner Veröffentlichung, eine über triebene Verminderung der Nhetnlandtruppen und eine vor zeitige Räumung des Nheinlandes zu verhüten. Levi ritbmt sich, das Ziel auch teilweise erreicht zu haben. Er verteidigt die auf Umwegen erfolgte Publikation eines geheimen GeneralstabSbertchtcs damit, daß er infolge des Sänmens der Regierung als nattonaler Journalist sich tn einem Kaste »höherer Gewalt" befunden habe. Der »Avenir" begleitet die Mitteilung von der Anklagc- nhebiing mit der Erklärung, die Wiedergabe des Berichtes GuillematS sollte den ausschließlichen Zweck haben, in Frank reich England und Belgien einen Geisteszustand zu schassen, der die französische Regierung bet den Verstand, langen mlt London tn die Lage versetzte, die französischen Truppenbestänbe im Rheinlande nur um das Minimum herabzusetzcn und dadnrch die Folgen der von einem nach, sichtigen Minister dem Reiche gemachten törichten Ver- sprech ungen zu mildern. Japanisches Militär als Aothitfe. Tokio, lö. Sept. Alvsi Soldaten beteilige» sich an den Auf- ränmungsarbciten «nd den Nachforschungen nach Opfern der Springflutkatastrophe aus der Insel Kinshi». Es wurden rund 4M Leichen geborgen. 8M Fischerboote sind ans der Höhe von Nagasaki gescheitert, 25 Fischer ertranken. I« Sawachi wurden zwöls Hotels dnrch die Ueberschwemmungen vollkom men zerstört. iW. T. B.i Tokio, 16. Sept. Die amerikanischen Weltfliegcr Brock und Schlee haben auf Bitten von Freunden und Ber- wandtcn, darunter der Kinder SchleeS, beschlossen, von ihrem weitere» Flug über den Stillen Ozean Abstand zu nehmen. Das japanische Marineministerinm hat den amerika nischen Weltslicgern Brock nnd Schlee de« transpazifischen Weiterflug mit dem „Stolz von Detroit" verboten. Der Grund des Verbotes liegt tn der Furcht, die Amerikaner könnten über die kurz vor der Washingtoner Konferenz vom Jahre 1921 schleunigst heimlich befestigten Boniinseln überfltegrn. Die su-elen-eulsche Frage. Von Ing. Othmar Kallina. Karlsbad, Mitglied des Prager Parlaments. Die 314 Millionen Sudctcnbcutschen bzw. einschließlich der 700 000 in Deutschösterreich und Deutschland wohnenden 4,2 Millionen Sudetendeutschcn empfinden nach wie vor die unter Verletzung des ihnen zugesagten freien Volksentscheides im Jahre 1919 erfolgte gewaltsame Zuteilung zur Tschechischen Republik als ein schweres Unrecht und erhoffen die Unter stützung aller wahrhaft freiheitlich denkenden Staatsmänner, daß ihre berechtigte Forderung nach Durchführung einer Volksabstimmung in dem 26 000 qkm umfassen den geschlossenen Sprachgebiete, welches doppelt so groß ist wie Elsaß-Lothringen, und fast so groß wie Belgien, erfüllt wird. Sie bestehen auf dieser Forderung im Interesse des Weltfriedens, da die tschechische Unterdrückungspolitik nach ipie vor bestrebt ist, das deutsche Sprachgebiet zu tschechisieren, was naturnotwendig zu ständigen Konflikten führen muß. Die Tschechische Republik weist nur 8Ü Proz. tschechische Staatsbürger aus. neben 2S Proz. Deutschen, IS Proz. Slowaken und 8 Proz. Ungarn. Die einseitige tschechische Nationalstaatspolitik und die Zerschlagung deS früheren österreichisch-ungarischen Wirt schaftsgebietes führte zu einer wirtschaftlichen Des- o r g a n i sa t t o n, die in erster Linie zur Erstarkung der kommunistischen Bewegung beigetragen hat, die bei ihrem weiteren Vordringen unter Moskauer Förderung gegen Westen eine schwere Bedrohung des Weltfriedens darstellt. Das starke Anwachsen des Kommunismus in der Tschcchv-Slowakei ist auf die ständigen Wirtschaftskrisen zurückzuführen, die neben der Zerschlagung deS früheren großen Wirtschaftsgebietes auch durch die jetzige unsinnige Nativnalstaatspolitik der Tschechen verursacht worden sind, da die leitenden Staatsmänner sich nicht fragen, was dient der Wirtschaft, sondern: was dient der Tschechisierung der nicht- tschechischen Sprachgebiete der Republik? Da sich die In dustrie des tschechischen Staates zum größten Teile in den Händen der Deutschen befindet svon insgesamt 1127 Jndnstricbetricben, die mehr als 100 Arbeiter beschäf tigen, sind 746 deutsch, 102 tschechisch, 189 utraquistisch), wird bewußt eine Wirtschafts- und Handelspolitik betrieben, die sich für die Deutschen außerordentlich nachteilig auswirkt. Den natioiialpolitischen Machtintcressen werden rücksichtslos die WirtschaftSinteresscn im Dienste der französischen Orien tierung geopfert. Die Folge ist ein großes Heer Arbeits loser bzw. schlecht bezahlter Arbeiter, Verhältnisse, welche für die Ausbreitung des die bürgerliche Gesellschaftsordnung schwer bedrohenden Kommunismus bas gewünschte Betäti- gungsfeld liefern. Daß sich diese Verhältnisse auch nach Ein- setzung der tschechisch-deutschen Regierung nicht geändert haben, beweist z. B. die Tatsache, daß die gesamten Staats bahnen, nachdem die ehemaligen deutschen Prtvat- bahnen für ein Spottgcld enteignet wurden — um nicht an die MinderhcttSschutzbesttmmungen der Friebensvcrträge gebunden zu sein —, tn ein „staatliches Unter nehmen" verwandelt wurden, an dessen Spitze ein 24glied- riger Verwaltungsrat steht. Dieser BerwaltungSrat wurde vor wenigen Wochen neu ernannt, und trotz des gewaltigen Anteiles der Deutschen an der Wirtschaft, der in der In- dustrtc allein 70 Proz. beträgt, befindet sich unter den Ver- maltiingsratsmitgltedern wiederum nicht ein einziger Deutscher. Die Tschechisierung hat auf allen Gebieten um sich ge griffen: Sperrung von mehr als 4899 deutschen Bolksschul- klasien,- Entlassung von Zchntausendcn dentscher Staats- beamten und Bediensteten, Uebcrsührnng von mehr als 899 999 Hektar deutschen Grund und Badens in tschechische Hände, «nd dies auf Grund eines sogenannten Bodenreform, gesctzcS, welches von kommunistischen Eigentum-begriffen ausgcht, denn cs erhielten die ehemaligen Besitzer nur ei« Zehntel des wahren Wertes vergütet. Diese Bodenreform ist aber nicht nur von diesem Gesichtspunkt aus schwer zu be klagen, sondern sie rächt sich auch schon jetzt schwer in wirt schaftlicher Beziehung, denn die früher auf den Großgrund besitzen betriebene intensive Landwirtschaft mußte dem mit unzulänglichen Mitteln durchgeführten Kleinbetriebe weichen, was eine schwere Bedrohung der NahrungSversorgung der Bevölkerung mit sich bringt und selbstverständlich eine Schwächung der Kaufkraft der Bevölkerung und eine außer ordentliche Belastung der Handelsbilanz zur Folge hatte. Dnrch die vor zwei Monaten beschlossene BerwaltungS- rcform wurden die letzten aus Oesterreichs Zeiten bestehenden R e st e der S e l b st v c r w a I t u n g auch in den untersten Ver- waltiiiigSciiihcitcn aufgehoben und die Macht der tschechischen StaatSbnrokatte ins Unermeßliche erweitert. Es ist aber falsch, die gegenwärtige Mitarbeit dreier deutscher Parteien tn der Regierung so zu beurteilen, als ob die seit dem Jahre ISIS von allen deutschen Parteien beim Völkerbund ein- gebrachten umfangreichen Beschwerden dadurch gegenstandslos geworden wären. Die gegenwärtige RegterungSteilnahme einiger deutscher Parteien Ist nur alS ein Verzweiflungsakt der die schwer bedrohten deutschen Wlrtschaftsinteresien in den Vordergrund stellenden Politiker zu beurteilen, die für ihr« Donnerstag, 1». September 1927