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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 30.09.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260930014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926093001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926093001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-09
- Tag 1926-09-30
-
Monat
1926-09
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 30.09.1926
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V-r»ner»log. 20. September 1SL — .Dresdner Tlachrtchten" — Mmana md «null wieder src!ges»roche>>. Das Urteil. «erll». ». «e»t S« »«« R«»tss»«s»r»zeb Knßman«. »«,« wnrde hem« da» Urteil ««stillt, da» dahin geht, daß der etsprech«»»« der »«geklagte« bestätigt «erde. Die «osten de» Äersahre«» salle« der Staatskasse »nr Saft. — Das Urteil «irvde im Zuhoreriaum mit Beifall ausgenommen. Der Gen«rodstaatsanwalt hatte nach «ingehendeim Plädoyer «egen dt« Angeklagten Kußmann und Knoll je eine Ge- sängniSstraf« von je drei Monaten beantragt. Der Ver- leidiger, R.>«. Dr. voetter, hatte auf Freisprechung beider An- geklagten plädiert und ausgeführt, der Angeklagte Kußmann habe nur seine Pflicht und Schuldigkeit getan. Nachdem Oberstaatsanwalt Tetzlass noch einmal die recht liche Seite beleuchtet und Generalstaatsanwalt Liudow einen Protest beS srüheren Berliner Polizeipräsidenten Richter argen die Zeugenaussagen bekanntgegcben hatte, führte der Angeklagte «noll in seinem Schlußwort u. a. auS: „Ohne «eine Tätigkeit «viire Hiijl« beispielsweise hcnte noch Post minister, »lbgcordnete bezogen Gelder und auch ein früherer Reichskanzler hat hohe Summen bekommen, damit er für ge wisse Leute eine Ausfuhrbewilligung innerhalb 24 Stunden turchbrttckte. Die höchsten Dienststellen waren unsauber, so daß der frühere Reichspräsident sogar durch sein Bureau in Mißkredit gebracht wnrde. Bei diesem Tatbestand konnte ich nicht anders handeln." Der Angeklagte «nftmann wendet sich in seinem letzten Wort gegen den Generalstaatsanwalt, der ihm politische Be tätigung vorgeworsen habe. Gegen eine solche Verdächtigung könne er sich nur wehren, indem er energisch dagegen pro testiere. „Ach würde hente ganz genau so handeln, wenn ich wieder l« die Lage käme. Ich wollte nnr einige Beamte nicht blobftelle» und ich schäme mich durchaus nicht, daft lch hente hier stehe." (Beifall im Zuhörerranm, den der Vorsitzende scharf rügt.) Nach etwa einstündiger Beratung verkündete LandgcrtchtSdtrektvr Bernau dann das mitgeteiltc Urteil. Wie -le „Aole Fahne" lügt. Berlin, 28. September. Die kommunistische „Note Fahne behauptete, kurz vor feiner Abreise nach Genf, am 26. August, habe Reichsaußenminister Dr. Stresemann mit dem stell vertretenden Bunbesvorsitzenben beS Stahlhelm». Oberst- leutnant Düstcrberg, dem Führer der vaterländischen Ver bände. Grafen von der Goltz, dem Adjutanten des Reichs präsidenten, Major v. Hinbenbnrg, und einem Vertreter beS NeichöwehrmintsteriumS in der Berliner Wilhelmstraße eine Konferenz abgehalten. Als Ergebnis der Be sprechungen sei frstgcftcllt worden: 1. Die Verbände erkenne» die gegenwärtige StaatSsorm nicht an, stehe» aber hinter der derzeitigen NeichSregierung. 2. Sie werden insbesondere die Vülkcrbundspvlitik der Regierung nicht störe». 3. Sie verpflichten sich, Hitler sowohl und Ehrhardt fallen zu lassen. Dagegen soll Stresemann den Verbänden «nter Zu stimmung dcS Vertreters im Ncichswehrmlnisterium eine engere Verbindung mit der Reichswehr zugesichert haben. Weiter soll Neichöanßenminister Dr. Stresemann seiner festen Zuversicht auf den baldigen Fortfall der die deutsche Rüstung so sehr cinengendc» Entwassniingsbestimmungen und ans den Weggang der KvnIrvNkvmmission Ausdruck gegeben haben. Aus diesen Ausführungen hätten die Verbandsführer die -Hoffnung entnommen, das, bei der sehr bald vermutlich ein tretenden Verdoppelung des Rcichsheer « s mit der lieber» ahme eines gewissen Kontingents von Stahlhelm- osfizieren in die Truppe zu rechnen sei. Am Auswärtigen Amt ist von solchen Besprechungen nichts bekannt. Berlin, 23. Scpt. Der Führer der Vaterländischen Ver bände. Generalmajor v. d. Goltz, bezeichnet cs in einer Erklä rung als unwahr, das, er an einer Konferenz zusammen mit dem Außenminister Tr. Stresemann, dem Oberstleutnant Düstcrberg, dem Masor v. Hindenbiirg und einem Vertreter des Neichswchrministerinms teilgcnoininen hätte. bin „Sofort-Programm" für die bedrohte Sstmark Kastlnbe an die ostpreutzische Landwirtschaft. Königsberg i. Pr., 29. September. Netchsminister Dr. HaS linde, der eine mehrtägige Besichtigungsfahrt durch di« Provinz Ostpreußen unternommen hat, stattete heute u. a. auch der La n d w i r t s ch a f t s k a m m c r Königs berg einen Besuch ab. Der Präsident der Landwtrtschasts- kammer, Dr. Brandes, begrüßte den Minister im Namen der ostpreußischcn Landwirtschaft. Dr. Hnslinde ging in seiner Erwiderungsrede zunächst ans die besondere Lage der Pro vinz Ostpreußen ein. die die Unbill des Krieges in einer Schwere ausgekostet habe, wie keine andere und die nach dem Kriege durch das unselige Friedensdiktat von Versailles vom Muttcrlande abgeschnürt, die Nvt unserer Zeit in besonderem Maße fühlen müsse. Die zentralen Stelle» im Reich und in Preußen seien bemüht, soweit es In ihrer Macht stehe, einen Ausgleich zu schassen. MS Resultat -er seit Wochen geführten Verhandlungen zur Unterstützung Ostpreußens und der übrigen östlichen Grenz gebiete liege nunmehr ein ,-S o f o r t - P r og r a m m" vor, das in den letzten Tagen die Zustimmung des Rcichskabinetts gefunden habe. Hiernach soll auf dem Wege eines Nachtrags etats ein Betrag von 24 Millionen Mark für kul turelle und wirtschaftliche Zwecke in den östlichen Gebieten, besonders auch zur Unterstützung der landwirtschaft lichen Produktionsförderung, bereitgestellt werden. Gleich zeitig habe die NeichSregierung mit den Kreditinstituten nach der Richtung Fühlung genommen, die Ungunst in der Zu führung von Kreditmitteln für die ostpreußtsche Wirtschaft nach Möglichkeit anszugleichen. Für die tu der Hauptsache noch bevorstehende Verwertung der ostpreußifcheii Ernte werbe die Exportmöglichkeit von besonderem Einflüsse sein. Die Pferdezucht, der Stolz der Provinz Ost preußen. werde demnächst aus Mitteln -er Neichsgetretdestclle besondere Unterstützung erfahren. Durch den für den LandarbeiterwohnungSba« vom Reich und von Preußen bcreitgestellten Betrag von je SN Millionen Mark werbe der Wohnraum unserer Land arbeiter eine wünschenswerte Erweiterung und Verbesserung und der Baubc-darf Ostpreußens eine wesentliche Entlastung erfahren. Eine besondere Belebung und Steigerung des Wirtschaftslebens der Provinz Ostpreußens erwarte er von -er Durchführung des Stedlungswerkes, für das das Reich für fünf Jahre je kill Millionen Mark zur Ver fügung stelle. (W. T. B.j Maßnahmen gegen -ie Auslandsarbeiter in -er Landwirtschaft. Berlin, 29. Scpt. Die NeichSregierung hat im Nahmen des ArbeitsbeschassungsprogrammS und im Ein vernehmen mit der preußischen Regierung beschlossen, die Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigte« Ausländer er heblich einznschränkcn. Das Genchmignngsverfahren für die Zulassung ausländischer Arbeiter, das sonst erst am Ende des Jahres dnrchgcsührt wurde, wird für 1927 deshalb bereits jetzt in Anspruch genommen, um die Landwirte nach Möglich keit »och im Herbst d. I. zu etner verstärkten Bautätigkeit anzuregcn. Da cs vielfach für die von der Kontingent- Verkürzung betroffenen Arbeitgeber finanziell nicht tragbar sein dürfte, den Ausfall der ausländischen Arbeitskräfte durch Bau von Wcrkwohnnngen für neuanzusetzende Dcputandcnfamilien anszugleichen, hat sich das preußische Wohl- sahrtsministerinm zu einer Sondcrmaßnahme entschlossen. Es erklärt sich bereit, den Bau von Werkwohnungcn für die als Ersatz der Ausländer einznstellenden dcntschftämmige« Landarbeitcrfamilic« durch Bewilligung von Znsatzbarlehe« über den höchsten zulässigen Fördernngsbeitrag hinaus z« erleichtern. Die preuhische Wirtschaftspakte! gegen -en Verkauf -es „Kaiserhofs. Berlin, 29. Scpt. Im Preußischen Landtag ist ein Antrag der Wirtschaftspartei eingegangen, der das Staatsministerium er sucht, ans die NeichSregierung dahin einzuwirkeu, daß der An kauf des Hotels „Kaiscrhof" unterbleibt. Angesichts der Not- läge der Gesamtbevölkernng, insbesondere des ungeheueren Steuerdruckes, unter dem besonders der deutsche Mittelstand zu erliegen drohe, müßten derartige Absichten des Reichssinanz- ministerinms geradezu wie ein Spott aus die Not des Landes empfunden werde», ganz abgesehen davon, daß die Verwirklichung der Absicht eine große Anzahl der in der Um-, gebung des Grundstücks wohnenden Gewerbetreibenden und Hunderte von Angestellten des Hotels brotlos machen würde. Es wird die Ausarbeitung eines Planes gefordert, der eine« nnvcrzüglichcn Abba« aller überflüssigen Reichs- und preußi schen Ministerien znm Ziel hat. Das Eindringen der ösfent- lichen Hand in die Privatwirtschaft durch Ankauf von Aktien, Geschäftsanteilen usw. soll unterbunden werden. c. 4»S Seile 3 Der Prozeß Dr.Levts gegen -en „Völkischen Beobachter". Berlin, 29. Sept. Vor einem Berliner Amtsgericht be gann heute ein Prozeß, den der sozialdemokratische NeichS- tagsabgeordnete Dr. Levi gegen den Redakteur des „Völ kischen Beobachters" in München, Alfred Rosenberg, angestrengt hatte. Dem Verfahren lag folgender Tatbestand zugrunde: Am 8V. April 1926 veröffentlichte der „Völkische Be- obachter" unter der Ueberschrift „Der nngchenere Skandal dcS Femcansschnsses deS Reichstages. Wann wird sich der sozial demokratische Berichterstatter Levi von dem Borwurs reinigen, bezahlter englischer Spion gewesen zu sein?" einen Artikel, in dem cS u. a. heißt: „Der Berichterstatter de- FemeausschusscS Levt ist derselbe, von dem feit über einem halben Jahr in der Zeitschrift „Volksvergiftnug" behauptet wird, daß er von englischen Spionen Geld genommen habe. Dieser als niedriger Landesverräter Hingestellte ist Präses des Nechtsautzschiisscs des Deutschen Reichstages und Referent im FemcauSschuß. Er erhält als ein des Landesverrats Bezichtigter Einsicht in die innersten Geheimnisse deutscher Wchrverbänbe. Wer garan tiert dafür, daß Levi nicht auch honte noch bezahlter englischer Spion ist und als solcher im Deutschen Reichstag sitzt?" —> Der Vertreter des Angeklagten, Rechtsanwalt Herold, stellte folgendes unter Beweis und benennt dafür Zeugen: Der Privatkläger lmt seit I!>>8 an der Zerstörung des deutschen Widerstandes gearbeitet. Er ist zu wiederholte» Malen tu der Schweiz gewesen. Im Oktober 1918 fand eine Konferenz des Spartakusbundes statt, ans der Levi ein Flugblatt vorlogt«, das zur Massendosertion aufsorderte. Es wurde be schlossen, diese Stelle zin streichen. Levi versprach, sie fort- zulaffen, hat aber dann trotzdem den Text wieder hcrgestellt und das Flugblatt in großen Mengen verbreitet. Es ist nachher ein wesentlicher Grund für den Zusammenbruch der deutschen Front gewesen. Seit 1929 ist Levi bekannt, daß ihm von seinen Freunden versteckt der Vorwnrs gemacht wnrde, Gelder von kapitalistischen Mcstmächtcn bezogen zu haben. Dr. Levi erklärte dazu, er habe »ic mit der Verbreitung von Flugblättern etwas zu tun qchabt »nd auch nie Mittel dafür besessen, er habe nie Gelder in Empfang genommen, Gelder verwaltet, oder Gelder der Parteikasse zugeführt. Jedem finanziellen und technischen Apparat in der K. P- D. habe er stets fern gestanden. — Rechtsanwalt Herold führte weiter aus, daß es in der Folge zwischen Levi und Laufsen- berg, der gleichfalls an der Konferenz des Spartakusbundes teilgenommen hatte und für die Streichuna der Stelle über die Masiendcsertion eingetreten war, zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten wegen der Verbreitung des Flug blattes kam. Sie führten schließlich dazu, baß Levi bei der dritten Internationale die Ausschließung von Lauffenbera und Wolfhetm auS der Partei durchsetzte. Auf die Frage des Nochtsanwalts Herold, ob der Privatkläger ln dem Vorwurf, Gelber von russischer Seite erhalten zu haben, auch eine Be leidigung erblicken würde, erwidert Dr. Levi, daß diese Frage mit dem gegenwärtigen Verfahren nichts zu tun habe. Er könne aber die Erklärung abgcben. daß dnrch seine Hände weder englische noch sonst welche Gelder gegangen seien. Nach weiterer Erörteruna einigte man sich mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Materie nicht in wenigen Stunden zu erledigen sei, dahin. Ende November oder Anfang De zember eine neue Verhandlung anznberanmen. In der Zwischenzeit soll das Material ausgetauscht und weiter vorbereitet werden. Deraeruz -mch eine Slurmftuk heimgesuchk. Die Ausräumungsarbeiten in dem vor etwa zehn Tage« durch einen furchtbaren Wirbelsturm zerstörten Gebiet von Florida sind noch im Gange und schon kommen Meldungen von einer neuen Sturmkatastrophe, die diesmal die Küste von Mittelamerika heimgesucht hat und in ihrem Ausmaß dem Un glück an der amerikanischen Riviera nicht nachsteht. Die Stadt Beracruz ist am Dienstagmorge« von einem furchtbare» Orkan heimgcsucht und fast vollständig zerstört worden Gleich zeitig wnrde die Stadt durch eine Flutwelle von 1^4 Meter tief unter Wasser gesetzt. Der Sachschaden ist sehr groß «nd auch die Menschcnverluste dürfte» schwer sei«, da Veracruz nur einen Meter über dem Meeresspiegel liegt. Sämtliche Ver bindungen von Beracruz und Mexiko-Stadt sind zerstört. Die Züge gelangen nur bis zur Station Larebo, 28 Kilometer west lich von Beracruz. Mehrere Schiffe sind im Hafen von Veracruz gesunken. Die Stadt steht noch voll ständig unter Wasser, das in den öffentlichen Gebäuden noch sechs Fuß hoch steht. Während der Nacht kam eS z« Plündernngsversuchen, die energisch von der Polizei unterdrückt wurden. > Me kbenrte veräen vierter länger! 8cN»I1ei> 81« »Icd «In» »nxenrkm« Vnt«i1>»ltlln<k ln Idrem tteün. 81« Ilixien r»«»« Nurck «ln z-ule» NuncklunIcgerlN von ALtIr»»«sd»«, Lcice sloritz- uncl kin§rtraüe. V^ Kunst und Künstler bei Komer. Von Dr. Emil Waldmann, Direktor der Bremer Knnsthalle. Als Heinrich Schllcmann im Jahre 1878 in Mykcnä in ocn steinernen Gräbern die goldenen Köntgslcichcn fand, telegraphierte er, im ersten Taumel deS Schatzgräbcrranschcs, an König Georg, den Herrn des modernen Griechenland, er hätte ,X>em Könige der Könige ins Antlitz geblickt". Schlie- mann glaubte, die Leichen Agamcmnons und KlytacnmacstraS, Aegisths und Kassandras unter den Händen zu haben. Die mykc »Ische Kultur war eine Kultur für sich, allem Bekannten gegenüber so fremd, daß die Wissenschaft diese Funde zunächst für Fälschung oder für indochinesischen Import hielt. Rund ein Viertclfahrhnndert später, als man in KnossoS und PhaistoS ans der Insel Kreta die Paläste des einst auch für sagenhaft gehaltenen Königs MinoS, das Labyrinth des Düdalos, ansgrub, sah man, daß diese „mykcntsche" Kunst eine festländische Abart -er kretisch- minoischen war, ein Zweig jener ägätschen Kultur, die um die Mitte des zweiten Jahrtausends v. Ehr. alle Küsten des Mittelmeeres erobernd besiedelt hatte. Die Fürsten, dte dort In Mvkenä so prunkvoll bestattet waren und die dort und mit ihresgleichen in Ttryns und Orchomenos so prunkvoll gelebt hatten, waren nicht dte homerischen Helden, sondern sie ge hörten älteren Dynastien und wahrscheinlich auch einer an deren Rasse an. Dieses herrliche Kunstgewerbe, bas sie hatten, diese getriebenen Goldbecher mit Stterfang und Stierwetde, diese in vielerlei Metallen eingelegten Dolchklingen, diese Prachtgcfäße, Stierköpfe aus Silber und vergoldete Hörner, elfenbeinerne Haarkümme und Akrobatcnfiguren, diese Gefäße ans Lapislazuli und Bergkristall, Straußeneier in Gold ge faßt, und alle diese Tausende von goldenen Schmucksachen, Halsketten und Armringen, Dlademcn und goldenen Blättern mit graviertem Tintenftschornament. diese ganze, so über raschend lebendige und, tm Gegensatz zum Orient wie zu Aegypten, kaum stilisierte Kunst, hat Agamemnon nie gesehen, nur, vielleicht, von ihr gehört, wenn die Sagen vom „gold- reichen Mykcnä" der Vorzeit an sein Ohr drangen. Die homerischen Helden sahen tm Leben wett einfacher anS als Liese Zwingherren, -ie einstmals auf ihren Burgen tief im innersten Winkel von ArgoS gesessen und von ihren Habichts- nestcrn das Land und die See gebranbschatzt hatten. Die» glaubte man seit Sem Anfang beS 20. Jahrhunderts mit Sicherheit sagen zu können. Durch neue Funde aber und Deutung von Inschriften tst die Frage wieder in» Rollen gekommen. AuS hcttiMchen Inschriften weiß man jetzt, daß die Namen die Hemer seinen Helden gib», zum großen Teil historische Namen sind. Der Trojanische Krieg ist Geschichte: Ajax hat gelebt. Homer war glänzend bestätigt. Und nun möchten einige Homerglänbige gleich auch die mykenische oder die kretisch-minoische Kunst wieder in Zusammenhang mit Homer bringen. Die Träger dieser alten Kultur sollen die alten Phönizier, von denen bei Homer als den Bringern von Kunst soviel die Rede ist, entweder selbst gewesen sein, oder cs soll doch die mykenische Kunst ein Ableger der phönizt- schen Kunst sein. Als Beweis wird Bernstein angeboten. Man hat in Mnkenä nämlich auch Halsbänder und sonstigen Schmuck ans schön bearbeiteten und geschliffenen Bernstein- perlen gefunden und bei Homer gilt Bernstein als eine große Kostbarkeit. Diese Bcrnsteinstücke stammen nun nach unzweifel haften chemischen Untersuchungen von der deutschen Ostsee- küste. Es waren aber im zweiten vorchristlichen Jahrtausend, soviel wir wissen, die Phönizier die einzigen, dte mit ihren Schissen um die Säulen von Cadix herumfuhren und die nördlichen Meere kannten. Der Beweis, daß die phönizischen Händler Bernstein ins Aegätsche Meer einführten, ist damit er bracht. Und wenn die Phönizier nun auch noch eine eigene Kunst hätten, wäre es möglich, daß die Träger der kretisch- ägäischcn Kultur phöntzisch waren. Aber eine eigene phönizlsche Kunst gibt eS nicht, wir hahe» sie nicht und kennen sie nicht. Diese Leute waren ein See fahrer- und -Händlervolk, Vermittler zwischen den Kulturen. Allerdings gelten sie bei Homer als Bringer von Kunstwerken. Aber was sie brachten, sieht doch bei Homer ganz anders auS als alles Mykenische. Wenn Odysseus von einem Gastfreunbe ein besonders kostbares Geschenk bekommt, dann hat eS regel mäßig ein phöntzischer Mann gebracht (oder gemacht): aber das ist dann ein silberner Becher mit goldenem Rand, nichts weiter, kein Relief, kein« Bilder drauf, keine Einlagen in vielerlei Metall. Und Homer, der den Schild des Achilles in ein paar hundert Versen beschrieb, hätte es sich bei seinem Liebling Odysseus nicht nehmen lassen, zu schildern, was alles auf dem Becher drarrf war, wenn etwas dranf gewesen wäre. Er beschreibt aber nur ein Meisterwerk der Treibarbeit, nicht ein Meisterwerk der Knust. Auf dem Schilde des Achilles, diesem Wunderwerk von göttlicher Herkunft, passiert nun aller dings sehr viel an Genrcdarstellung. Aber gar nichts, nicht eine Szene, die mit den zahllosen mykentschcn oder kretischen Dingen irgend etwas zu t»n hätte. Kein Stierkampf und kein Stierspicl, keine Löwcnhctze zwischen Felsen, keine Enten jagd im Schilf, nichts. Und von der so typischen, mit nichts anderem zu 'ergleichcndcn mykenischen Dekoration, die ihre Motive immer aus der Flora und der Fauna deS Meeres nimmt, kommt im Schild des Achill und bei den anderen kunst gewerblichen Stücken Homer» auch nicht die leiseste Anspielung vor: während die mykenische Kunst gairz frei über die Flächen weg dekoriert, ist der Schild des Achill streng geometrisch ge ordnet, in Ringe und Zonen und Streifen etngetetlt, immer symmetrisch mit geraden Bändern. Weder Motive noch Stil der homerischen Gegenstände sind mit den mykenischen Dingen, die heute im Nationalmuseum zu Athen vor aller Augen ans gebreitet liegen, in einen Zusammenhang zu bringen. Die Mykenäer waren ein Sccvolk mit tnptscher Seckultur. Die homerischen Helden ein Landvolk, Rossezüchter und Ackerbauer» und Odysseus, der Held eines Schiffermärchcns, ist dennoch eine verschlagene Landratte. Wäre die mykenische Kultur phöntztschen Ursprungs unS hätte Homer die mykentschcn Dinge gekannt, er hätte, wo er -I« Phönizier wegen der Kunst, -te sie brachten, so rühmte, sich die Schilderung dieser Herrlichkeiten nicht entgehen lassen. Er kannte sie eben nicht, un- das .^olbreiche Mykenä" war für ihn »nd seine Zeitgenossen nnr noch eine Sage, so wie für das hohe deutsche Mittelalter das Nibelnngengold, versunken, eine Legende, aber keine Anschauung mehr. Jeder Künstler beschreibt, waS er kennt, und so beschreibt Homer, wo er von kunstgewerblichen Dingen spricht, die Kunstwerke seiner eigenen Epoche. Es Ist die Epoche des sogenannten orientali- sterenden StileS, der auf den geometrischen Stil folgte und sicher über daS achte Jahrhundert hinauf reicht, jenes Stils, -er auf der Basis einer durchaus geometrisch gesetzmäßigen An ordnung viel« orientalische, wesentlich mesopatmische, weniger ägyptische Elemente benutzt und sie mit dem europäischGriechi- schen und dem Ionischen verschmilzt. Ein reizvoller Mischstil, an dem die Phönizier als Techniker, wenn auch wohl kaum als schöpferische Künstler, auch mitbeteiligt sein mögen. Die Bernfteinperlen sprechen nicht dagegen. Seltene Materialien werden von seefahrenden Händlern oft als Rohmaterial ver kauft »nd für dte Künstler in Mykcnä, die in allen möglichen Stoffen und Techniken arbeiteten, die von den Aegyptcrn dti Fayence-Skulptur in Kleinformat gelernt hatten und in Elfen bein arbeiteten und Lapislazuli schlissen, die an zerbrechliche Straußeneier goldene Montierungen ansügten, werden auch wohl Bernstein haben bearbeiten können. Wegen -es Bern« steins also brauchen die Träger dieser Kultur keine Phöniziet zu sein und wegen anderer künstlerischer Leistungen auch nicht, Dte Mykenäer waren viel künstlerischer als die Händler auS Sidon und TyrnS. Wer sie waren, wissen wir nicht, einstweilen nicht, solange ihre Schrift noch nicht gelesen werden kann. Dt« Acgypter, die rvährcnd der Zelt EchnatonS (Amenophis IV.j mit ihnen im regen AnStanschverkehr standen, nennen si< Keftiou, „dte Großen von den Inseln, die im Meere liegen". ES sind dte Aegäer —mehr kann man nach wie vor nicht sagen trotz und wegen Homer.
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