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Stresemalms Antwort. Verzögerung -es deutschen Völkerbundseinlrills o-er Schaffung neuer ständiger Nalssitze. Ein sozialistischer Pressebeslechungs-Skan-ai in Wien. — Die Fürslenvermögens-Frage vor dem Aechlsausschuh. Deutscher Reichstag. Berlin, 8. Febr. Die NeichStagStrwünen sind kirnte dichl besetzt, auch die DiPlomatcnlvgc, in der u. a. der englische Botschafter Lord d'Abcrnon und der österreichische Gesandte Dr. Frank »u bemerken sind. Auch der Sitzungssaal stillt sich langsam. Ncichsaußcnminister Dr. Strcsemann nimmt sogleich das Wort zu folgenden Aussührungcn: Die AnSsührungen des italienischen Ministerpräsidenten in? der Sonnabcndsitzuiig der itallenl-schcn Kammer greifen tief in das Verhältnis Italiens zu Deutschland. Sie rollen darüber klinaus die Geiamtlagc auf. die mit dem Abschluß der Bcrträge von Locarno und mit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund in Ber- bmdung steht Der rhctorisck»« Ausdruck des Herrn Musso lini könnt« Bcranlassung geben, ihm in derselbe» Weise zu antworten. Die benische Negierung muß aber adlet,neu, in einem derartigen Tone, der vulgär mehr aus Massenver sammlungen als auf eine Auosprachc mit anderen Nationen berechnet ist. zu antworten. «Sehr richtig!» Wir werden unserseits auSgehrn von dem Tatbestand und von da aus zu den Darlegungen des italienischen Ministerpräsidenten sach lich Stellung nehmen, Gestatten Sie mir, führte Tlrcscniann weiter au«, zunächst einmal die Sachlage fest zu umkreisen. Südlirol sst bei de« Friedeusvrrhandlnnac» Italien zngcsprochen worden. Daran« ergebe« sich politische Sonscaucnren. die wir stets respektiert bade« nnb respektieren werden. Die HobeitSfraae. die Souveränität Italiens über Südtirol ltcbt ohne allen Zweisel da. Aber diese unbestrittene Souveränität Italiens erschöpft nicht die gesamte Situation, auch nicht vom italieni schen Gesichtspunkt aus gesehen. Bei der Begründung der Frtcdcnsverträge haben mir oft genug von anderer Seite zu hören bekommen, daß eS nicht nur ein internatto- naleS Neckt, sondern auch eine internationale Moral gibt. lScbr richtig.» Gleich nach dem Abschluß der Verträge von Locarno ist in verschiedenen Regierungserklärungen von italienischer Seite zum Ausdruck gebracht worden, daß gegenüber den neue« Untertanen deutscher Nationalität in bezug auf Sprach«. Kultur und WirtschaftStnteresse eine in weitem Maße liberale Politik geübt werden sollte. SS ist weiter erklärt wvrden, Italien liege eine Unterdrückung anderer Nassen fern. Die deutschen Schulen und die deutsche Unterrichtssprache sollten weiter beibehalten werden. So hat Tittonl am 97. September lSlb die Erklärung abgegeben, daß Italien der Gedanke einer Eutuationalisicrnng der deuischcu Uuti riancn vollkommen scrnliege, und auch der italienische König hat fich in Neapel damals in ähnlickwm Sinne aus gesprochen. Unter lauten Hört! - Hürtl»Rufen verliest dann Dr. Strrsemann die verschiedenen feierlichen Bersichernngen der amtlichen Stellen Italiens, in Vene» bet der Besitzergreifung Südtirols durch Italien der deutsche» Bevölkerung senes Landes die Wahrung ihrer Kultur und des deutschen Schulwesens in Südtirol zugesagt wurde. Fm Gegensatz z« alle« diesen Zusicherungen hat daS faschistische Regime eine bewußte Ftalianisiernng und Ent- denischung Südtirols vorgcnommc«. lieber diese nicht zu leugnende und auch von Mussolini nicht geleugnete Tatsache ist die Oesseutlichkcit unterrichtet. Sie ist nur verwirrt wor den durch unwahre und entstellte Etnzelnach- richten, wie die von einem Verbot der Weihnachts bäume und der geplanten Beseitigung des Denkmals WaltherSvon derVogelweidein Bozen. Die deutsche Regierung hat diese falschen Nachrichten, denen sie vollkommen scrnstch», außerordentlich bedauert und die Preise zu größter Vorsicht ermahnt. ES ist auch die Vermutung geäußert wor den, daß solche falsche Nachrichten absichtlich von Provokateuren verbreitet würben. Diese bedauerlich«« salsche« Nachrichten Luden» aber «ich«« a« de« Gesamttatbestand der Italianiste» rang Südtirol». In München ist in der Tat von wenigen Privatleuten eine Bewegung zum Boykott Ft aliens ein- geleitet worden. Hinter dieser Bewegung stehen weder die bayrische Negie rung, noch deutsche amtliche Stellen. Ich halte cs für durch aus unangebracht, wenn einige Dutzend Leute glauben, aus diese Weise deutsche Außenpolitik machen zu können. Diese reine Prinatbewegung von unverantwortlichen Leuten Hai den italienische« Ministerpräsidenten veranlaßt, dem deutschen Botschafter gegenüber »« erkläre«, daß er amtlich die Einfuhr dentscher Waren verbiete« nnb zum Boykott Deutschlands ans- sordcrn würde, wen« derartige Bestrebungen nicht aushören. lRufe: Unerhört!» Ich halte «S für ein unmögliches Vorgehen, die von der Regierung gemißbiNigte Bewegung unverantwortlicher Kreise mit dem Bruch internationaler liandels'polittscher Abmachungen beaniwortc» zu wollen. Ans «olchcr Basis ist ein internationales Zusammenleben nicht Der ilalienlsch-deulsche Konflikt im englischen Lichte. »Durch szunkspruch.» London, st. Febr. Sämtliche Mvrgcnblätter veröffentlichen ausführliche Berliner Berichte über den Eindruck der Rede Mussolinis in Deutschland und nehmen verschiedentlich zur Lage Stellung. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" sagt: Sin sehr hoher politischer Stelle sei ihm versichert worden, daß in diesem unglückseligen Streite zwei beruhigende Faktoren zu entdecken seien: l. Die Klugheit, die die britische Regierung zur Zeit der Lvcarnoverhandlungcn bewiesen habe, als sie es ablehnte, irgendeinem Staate im Zusammenhang mit der Brenner- grenze irgendwelche Garantien zu geben. Der zweite erfreuliche Faktor sei, daß Mussolinis Drohung, Frankreich den überzeugenden Beweis oon Deutschlands wirk samer Entwaffnung geben müßte. Die Rede deö bayrischen Ministerpräsidenten sei angesichts der Lage unzeitgemäß und zum Teil kopflos gewesen, so berechtigt auch einige Bemerkun- gen Dr. Helds sein mögen. Der Berichterstatter sährt fort: Soweit die an dem Streit nickst beteiligten Mächte t» Frage kämen, ruse „nur ein einziger Sah" in Mussolinis Rede Ausmerksamkeit hervor, nämlich der, daß Mussolini eine An deutung über die Möglichkeit deS BortrageuS ber it«Iie«ische» Trikolore über den Brenner hinaus machte. Solch eise Drohnng wlirdr, wenn sic ernst gemeint war, die Stellung« «ahme des BölkcrbnndrateS erfordern, denn sie entspreche weder dem Geiste noch den Bestimmungen der Bölkerbunds- sahung und noch viel weniger dem Geiste von Locarno. Die radikale „Daily News" bedauern, daß Mussolini zum natürlichen Sammelpunkt aller Kräfte geworden sei, die die Welt in den Abgrund alter Feindschaften und Eifersüchteleien zurückzuziehen versuchten. In London nehme man den letzten Ausspruch Mussolinis weniger ernst als in Paris. Er sei wohl mehr für den innerpolitischen Gebrauch bestimmt gewesen, wes halb man ibm keine aroße Bedeut»»» sckienken sollte, t Unter der Ueberschrist „Der wilde Mann vo« Europa" veröffentlicht die „Daily N e w S" einen Bericht ihres Berliner Korrespondenten, worin eS heißt: Wenn Mussolini im Jahre 1814 eine solche Rede gehalten hätte, dann würde sie mit der Abberufung des deutschen Botschafters in Rom und einer Kriegserklärung beantwortet worden sein. Selbst die deutsche» Pazifisten fühlten, baß. solange nicht di« europäische öffentliche Meinung sich offen aus die Seite Deutschlands stelle, Deutschland im geheimen oder offen mit de« Wiederansba« einer angemessenen Armee beginnen müsse. Der „Star" schreibt an leitender Stelle, Mussolinis Rebe bedeute eine glatte Ablclmuna deS Geistes von Locarno und eine ebenso grobe Beleidigung des Völkerbundes wie die Italienische Aktion in Korfu im Jahre 1999. Der „Evening Standard" meint, je größere Nachsicht man in der internatio nalen Scbnkdenfraae zeiae. um ko arößer werde die aaaressiv« Haltung der Sckmldnerstaaten, da diele tedcn Pfennig, den sie nicht an Großbritannien zu zahlen brauchten, für die Be- sriedignng ihres militärischen Ehrgeizes verwendeten. Leuyorker Ueberroschima über Berliner Beschwichliounqsvetsuehe. Renyork. 8 Febr. Tie Alen^rresse »eru»teilt einstimmig Mussolinis Rede, die hier die Sensation des Tage» bildet. „Evening World" erklärt, solches Lalclrasseln bringe blutige Auseinandersetzungen. — „Evening Post" erklärt, Mussolinis Rede zeige, warum Europa keine Lust habe, abzurüsten. Als Imperialist denke er. noch dem naben Osten und dem Balkan schielend, natürlich nicht daran, abzurüsten. Um so eigen artiger wirke cs. daß sich in Berliner Meldungen berelts Beschwichtig,ingSverinchc Berliner amtlicher Kreise finde». So meldet „Associated Preß", in der Wilhelmstraßc bofse man, daß der italienische Tex« nicht so hart wie die Uebcrsetzung sei. Auch Senator Dill erklärte in einer Unterredung, daß Mussolini anders gesprochen hätte, wenn es sich um Frankreich oder um England oder um e!» anderes be waffnetes Land handeln würde. Es sei leicht, Deutschland gegenüber eine solche Sprache zu führen. Hochstimmung -er Faschtsten-Presse. »Durch st u n k I p r u ch.» Rom, 8. Februar. Die Morgcnprefse schildert jubelnd den Eindruck der Rede Mussolinis aus da» Ausland. Aus England werden meist ungünstige Stimme» gemeldet. Bei Frankreich wird die Kartellpreise vollständig übergangen »nd eS werden nur die günstigen Arußerungcn der Rechts blätter wiedcrgegebcn. AuS Deutschland melde» „Mcssaagcro" verschiedene Stimmen und behauptet, baß einige Blätter dt- klare Forderung nach dem Brenner auv- sprächen. Das Blatt äußert tn einem Kommentar seine Frende über die günstiaen Stimmen der französische« Rechts presse, lehnt aber daS darin anaebotene Bündnis zwischen Italien «nd Frankreich ab. weil Mnssolini durch seine Rede ich Deutschland gegenüber zwar mit hartem Freimut s!» aus gesprochen habe, aber noch nicht beabsichtige, die bisherige auswärtige Politik des Gleichgewichts und der Berant- wortnng umz,»stoße». Italien sei zwar tn vielen Problemen mll Frankreich einig, wolle aber noch nlchl einen Block bilden, der allzu groß« gefährliche Gegens仫 entfessele. »ögllch. IBel Schluß de» Blatte» danert di« Verhandlung kort.) Intrigen gegen Deutschlands Ratsfitz in Genf. „Daily Telegraph" über -ie Maulwurjs- arbeil. tD u r ch stonktpruch.» London, 8. Febr. Ter diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" schreibt: In britischen und in Bölker- bunbSkrctsen herrsche eine nervöse Stimmung darüber, daß dt« Znwciinng eines ständigen Sitzes im BölkcrbundSrate an De«tsch!and jetzt gewisse Schwierigkeiten hcrvorruscu könne. Die im Rate vertretenen Mächte, die an dem Vertrage von Locarno beteiligt waren, seien verpflichtet, zugunsten der Zu- lafsung zu stimmen. Spanien babe. obwohl es kein Unter zeichner von Locarno sei Deutschland eine ausdrückliche Zu- sage in di«sem Sinne gemacht. Mit anderen Mächten ver- halte e» sich aber, ganz abgesehen von Polen, da» kein Mit glied des Rates sei. etwas anders. Der Berichterstatter spricht von Intrige«, die in gewissen Alliiertenkrcise« ermutigt würde«. Die Lage sei tatsächlich so, daß der Berlreler einer dieser Mächte soweit gegangen sei. anzndeuten, daß er, falls seinem Lande nicht gleichzeitig mit Deutschland ein ständiger Natssitz »«gewiesen werde, er seine Zustimmung zur Zuweisung «inest veutsch?« Sitzes an Deutschland verweigern müßte, wodurch vielleicht Deutschlands Eintritt tn den Völkerbund verzögert werden könne. ES sei daher denkbar, d, ß die britischen Delegierten «nd die britische Negierung im entscheidenden Augenblick zu wähle» hätten zwischen dem Ansschnb der deutschen Zulassung «nd zwischen der Zustimmung znr Ertei lung ständiger Sitze an zwei oder drei Mächte, die keinen begründeten Anspruch ans eine direkte Zu weisung hätten. Der Berichterstatter fügt hinzu, daß der französische Bot- schafter gestern im Foreign Office vorgesvrochcn habe. — „Daily News" bemerkt zu dem gleichen Thema tn einem Leitartikel, die politische Auffassung sei, baß Polen eine Be lohnung sür keine Opfer »nd für seinen „guten Willen" er halten solle, den cs basurch bewiesen habe daß es die Berein- barnngcn von Loeorvv ermöglichte. Da Po'en ferner vi le strittige Fragen mit Deutschland zn regeln habe, sei cs un gerecht. wen« eS «ich» ans de« gleichen Fuße mit dieser Nation bgstehe» würde, skj Da sich ber augenblickliche Grundsatz, »er sie Zusammensetzung deS Völker-miLSrate» beherrsch«, ganz leidlich bewähre, sollte er nur aus sehr guten Gründen eine Acnderung erfahren. (WTB.» « Noch ehe das deutsche Anfnahmegesuch dem Völkerbund« überhaupt überreicht ist. gehen bereits die gefährlichsten In- trigcn an gegen die Zuweisung deS NatSsitzcs. Die einzige Be dingung. die Deutschland für seinen Eintritt in den Völker bunb durchgesetzt hatte. Außer den fünf Großmächten, die dem VölkerbunbSrat ständig angchören. nämlich England, Frank reich. Italien, Belgien und Japan, verfügt der Völkerbunds rat über vier alljährlich wechselnde Sitze, die gegenwärtig von Spanten. Schweden, der Tschecho-Slowakci und Brasilien be- tetzt sind. Wenn nun da» ber englischen Regierung sehr nahe stehende Organ von Intrigen spricht, dle von gewissen Alli- tertenkretten unterstützt werden, so dürfte eS sich dabei wohl um die Tschecho-Slowakei handeln, die tm Aufträge Frank reichs agitiert, um durch Betrauung Polen» und womöglich noch anderer Staaten mit ständigen RatSfltzrn ein sich gegen Frankreich und seine Vasallen richtendes Nrbrrgewicht im BölkerbundSrat zu verhindern und den künftigen Einfluß Deutschland» im Rat« von vornherein zu schwächen. Die Machenschaften tm Völkerbund« sind wieder einmal bezeichnend für den Geist, dem wir dort begegnen werden. Jede Ver größerung de» BölkerbundSrateS bedeutet natürlich auch eine Schwächung seiner Aktionsfähigkeit und eine Verringerung der Aussichten sür un» »n praktischer Mitarbeit, auf die die Neichsregicrung so große Hoffnungen setzt. Die Ueberrelchung -es Aufnahmeqesuchs. Berlin, 9. Febr. Wie berichtet «lrd. ist das Gesuch Dculschland» »m Anfnahme in de» Völkerbund noch gestern abend an de« deutsche« Generalkonsnl ln Gens abgegangen ber die Note heute dem Generalsekretär de» Völkerbundes überreichen wird Der Worttan« de» du«-'«- trsis veröfsentlichts »erben. — ES wird damit gerechnet, daß Deutsch- land an der nächsten Tagung »n Gens Mitte März bereit« teil- nehmen wird. Generalsekretär Drnmmond wird tn den näch- sten Tagen in Berlin erwartet. » Berlin. 9. Febr. Da dem Vortragenden Lcaationsrat Salier von der Presieabteiluna aus GesundheitSrück- sichten vom Arzt ein längerer Klimawechsel verschrieben worden ist. übernimmt er kommissarisch die Leitung deS K o n- s,l«tö t» Jntzöbrtz«