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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 11.12.1913
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1913-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19131211018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1913121101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1913121101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-12
- Tag 1913-12-11
-
Monat
1913-12
-
Jahr
1913
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 11.12.1913
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Rr S4L vfas.na.ren- ^ ^ Vir. s»» Donnerstag, II. Dezember 1«1» ^ I« einem ganz speziellen Halle dem Reichskanzler zu sagen, da» sie mit .einer Behandlung der Frage nicht ein verstanden sind. «Widerspruch und Unruhe.» Wenn ich annelime. das, es zuirisft. das; die sozialdemokratische Partei und die svrl.chiltttiche Bolkspartei in dem Mißtrauens votum die Aufforderung für den Reichskanzler erblicken, zu demissionieren, und die anderen Parteien, die sich au dem Beicht»» beteiligt Laben, eine solche Auffassung nicht Naben, so wurde die Halste der Stimmen für die eine, die andere Hälfte für die andere Auslegung sein. Welche Fol gerungen gezogen werden, das haben wir erlebt. Wir li.rben Aeuverungen L ct, c i d e m a n n s gehört, in denen er in einer — ich will mich vorsichtig auSdrückcn — ieben- «nlls vom Reichskanzler mit Schärfe zuriickgewiesenen per sönliche» .Feindseligkeit davon gesprochen bat. eS sei für den Reichskanzler ein unwürdiger Zustand, das. er »ach diesem Mißtrauensvotum hier noch auftritt. Der sozial demokratische Redner Hat ferner an den Reichskanzler die Frage gerichtet, ob er sich noch geeignet fühle, unsere Ver tretung dem Anslande gegenüber zu führen. Wir haben weiter erlebt, daß die freisinnige Presse es gleich falls in der lebhaftesten Weise zum Ausdruck gebracht hat. das V o t n »i m u s s e zur Demission führen. Und wir haben geiehen. dag im Anslande, wo man unseren ver fassungsrechtlichen Verhältnissen ferner sieht, diese Auf fassung von weiten Kreisen der Presse geteilt wird. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.> Der Reichskanzler ist mit gewohnter Entschiedenheit dieser Auslassung entgegen' getreten, und er bat die Aeugerungcu der sozialdemokrati schen Redner zitiert, in denen diese bei Erlaß der Geschäfts- ordiiuugsbesllmniuugeu auSgesülirt haben, ein solches Miß trauensvotum solle nur die Kritik eines Einzcksalles und liiem.ils etwa eine Aufforderung zur Demission bedeuten. Der Abgeordnete Vedebour hat dann in einer persönlichen Bemerkung — la, ich will nicht Prämien aussetzen «Heiter keit.. sonn würde es naheltegen, einen Taler für den a»S- zusetzen. der ilm verstanden hat — versucht, das abznleng- nen, ivas ivir seinerzeit voranSsagten. daß nämlich die So- zialdemo:rateii water zu solchen Folgerungen kommen würdei!. «Hört, Hort! rechts. Aachen bei den Sozialdemo kraten.. Run !>al der Abgeordnete Bassermann gestern ge sagt. die Schaffung dieser Hft'schüftsordiiungsbestiiiiinuiigc» sei damals zwischen Kommission und Reicl.Sregiernng ver einbart worden. Rach meiner Auffassung nicht. Die Reichsregieruug bat sich den KommisnonSberatiinaen fern- gehalten und sich ,n einer Erklärung des Staatssekretärs Delbrück aus den Standpunkt aestellt. daß es sich um eine interne Angelegenheit des Reichstags handle, in die sie sich nicht mischen wolle. Aber nachdem das eingetreten ist. was wir vvransgesagt haben, wäre cS da nicht richtiger gewesen für die Rcichsregicrung. wenn sic einen scharfen Wiöcrstand erhoben hätte? .Sehr richtig! rechts. Unruhe links.. Auch an die b ii rgerli ch e n P arteie n mochte ich dieselbe Frage richten. Rach der Auslegung, die namentlich der Abgeordneie Bassermann vertreten hat. bedeutet der Be schluß vom «. Dezember nichts weiter als ein Urteil über die Zaberuer Angelegenheit selbst, über einen ganz speziellen Fall. Es handelt sich hier also um ein Urteil über schwebende Angelegenheiten, das in die Unabhängig keit d e r Berichte eingrcifen will. iSehr richtig! rechts, Vachen links.. Wünschen Sie, daß der Reichskanzler und die Vorgesetzten Behörden denjenigen Behörden, die das Urrerl fällen, Direktiven geben, wie sie urteilen sollen? «Unruhe UnkS.i Es isi gesagt worden, die Würde des ReickSiages und das Amelien des Reichstages hätten diesen Beschluß erforderlich gemacht. Ich gebe Ihnen anheim, zu beurteilen, ob die Szenen hier im Reichstage, die sich im Zusammenhänge mit der Interpellanon über die Vorgänge in Zabern ereignet haben, diese Fülle der Zurufe und Unterbrechungen, bei denen die Zurufendcn selbst nicht be- anspructncn, für geistreich gehalten zu werden, die viel mehr nur kränken und den Minister nicht zu Worte kommen lassen sollten, ob diese Borgänge der Würde des Reichs tages und seinem Ansehen entsprochen haben. Was wird nun ans dem 'Beschluß? Wird er auögclegt als Aufforde rung zur Demission oder als spezielles Urteil sür einen Einzelfall? Was wird st a a t s r e ch t l i ch aus dem Be schluß? Kann der Vundesrat dazu überhaupt Stellung nehmen? Scheidemann halte recht, als er sagte, der Be schluß. wie er gefaßt sei, mit den Konseguenzen, die daraus gezogen werden, ist ein RichlS, er wandert dahin, wohin er gehört: in den st e n o g r a p l> i s ch e » Bericht. (Sehr richtig! rechts. Vachcn links.. Die wichtigste Aufgabe unse rer inneren Politik besteht darin, daß Staatsverwaltung und Gesetzgebung Stellung nehmen gegenüber dem Staat im Staate, zu dem sich die sozialdemokratischen Organisationen hcraus- gewachsen haben. «Lachen bei den Sozialdemokraten.. Tie Verhandlungen auf dem Jenaer Parteitage haben uns genug gezeigt. Schctdemann erklärt, daß der Massen streik eine politische Notwendigkeit «ei: „Erst rot — dann Brot." Das isi die sozialdemokratische Parole. Wir sind der Meinung, daß es eine der wichtigsten Aus gaben unserer Oftietzgcbung ist, daß wir gegen diesen Staat ,m Staate Stellung nehmen, daß wir dem sozialdemokrati schen Zwange, dem sozialdemokratischen Terror cntgegcn- treten. «Bravo! rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten.. Wir haben im vorigen Jahre den Antrag auf einen besseren Schutz der Arbeitswilligen gestellt und diesen 'Antrag in diesem Jahre wiederholt. Bei unse rem Anträge handelt es sich um eine Forderung des M i k t e I ft a n d c s. Wir waren die E r st c n . die sich des Mittelstandes angenommen haben. «Lachen links.. Auch der Indnstriebeirat des Hansabunöes verlang! den Schutz der Arbeitswilligen. 'Allerdings Hai das Direktorium des Han'abiindes diele Forderung abgeschwächt. Wir begrüßen cs, daß die N a i i o n a l l i b e r a l c n sich ernstlich mit der Frage des Schutzes der Arbeitswilligen beschäftigen. Ohne ein Verbot des Sireikposlensiehens kommen mir nicht aus. Die Initiative gebührt aber der Regierung, aus sie schieben wir die Verantwortung. Es handelt sich um ein dringendes Lebensbedürfnis der Nation. Wird gegen den sozialdemokratischen Terrorismus nicht eingeichriiten, dann sehen wir mir ernster Sorge in die Zukunft. Die Regierung muß voran. Sie wird bei uns volles Verständnis finden. «Beifall rechts. Lachen links.. LckatIekretär Kühn bestreitet einer Bemerkung des Vor redners gegenüber, daß der Etat nicht mit der nötigen Vor sicht aingestellt sei. Gras Westarp hat auch bemängelt, daß für laufende 'Ausgaben schon Beiträge aus dem Wehrbeitrag eingesetzt sind. Ta zu waren wir berechtigt, denn gewisse fortlaufende Ausgaben können als einmalige Ausgaben be handelt werden. Es ist richtig, daß der Wchrbei- trag keine dauernde Einrichtung sein wird. Diese 'Ausfassung des Vorredners deckt sich durchaus mit dem Standpunkte der Rcichsregicrung. Der Reichstag hat ia auch einen sehr kräftigen Riegel dem Versuche, den Wehr- beitrag zu verlängern, vorgeschoben, indem er die Besitzsteuer beschloß, dcnn es ist bei dem engen Zusammenhänge zwischen Zlimachsstener und Webrbcitrag gar nicht möglich, von 1017 an den Wehrbeitrag weiter zu erheben. Abg. Dr. Wicmcr «Vp..: In unserer Stellung zu dem Be schlüsse vom 4. Dezember weichen wir von dem Zen trum und den Ratio nalliberalcn ab, ohne die Schliißsolgerungen der S o z i a l d c m o k r a t i e zu ziehe». Die Abstimmung vom 4. Dezember ist nicht die Aufwallung eines Augenblicks gewesen und nicht ohne politische Bedeutung, Es Veiremdet, daß der Reichskanzler sich gestern bemühte, die politische Bedeutung dieser Kundgebung herabzusetzen. Wir wollten eine Wirkung nach außen. Die Erweite rung des Interpcllationsrcchts sollte die Rechte des Parla ments verstärken. Besser ist ein parlamentarisches Regime als der Lcheinkonstitutivnalismus, den wir heute haben. «Sehr richtig! links.. I» Zabern bestraft man jetzt die Sol daten und die Bürgerschaft. Man sollte das Regiment gleich wieder nach Zadern zurücklegeu. Dem Kretsdirektor ist e» zu verdanken, wenn di« Dinge nicht noch ärger geworden sind. Da» deutsche Bvlk ist stolz auf dr» Reichsiagsveschluß vom 4. Dezember. Selbstverständlich hat das Militär seine Ebre zu wahre», obwohl wir keinen Unterschied zwischen bürgerlicher und militärischer Ehr« kennen. Es muß fedoch alles aus dem Boden der Gesetze geschehen. Wir protestieren dagegen, daß hier Gras Westarp die Ge- setzeSverletznngen des Militärs beschönigt und verteidigt. «Beifall links.) In Mecklenburg muß das Reich end lich eingretsen. Der bisherige Zustand ist ei» Hohn auf den modernen staatlichen Gedanken. Hoffentlich wird die Mah- nung des Schatziekretärs zur Sparsamkeit auch von Herrn v. Tirpitz und vom Kriegsminister beachtet. Wir ver langen, daß unsere Anregungen aus militärische Reformen auch ernste Beachtung finden. Ernsthafte Vorschläge aus Ein schränkung der Rüstungen und aus eine internationale Ver ständigung müssen geprüft und unterstützt werden. General Keim macht schon ivteder Stimmung für neue Rüstungen. lHört! Hört! links und im Zentrum.. Alldeutsche Tendenzen dürfen nicht in unsere Jugend hineingetragen werden. DaS führt zur Kraftmeierei. Das letzte Steuerwerk verteidigen ivir freudig. Warum ist der Bankdiskont nicht herunter- gesetzt worden? Die bestehenden Gesetze reichen zum Schutze der Arbeitswilligen aus. Wir verlangen eine Aenderung und Besserung unserer Zoll- nnd Handelspolitik. Die Vtcft- uichl treibende Landwirtschaft ist zu stärken. Dazu ist plan mäßige innere Kolonisation erforderlich. Die Reform des diplomatischen Dienstes begrüßen wir. Wir erkennen ay. daß die auswärtige Politik von einem ruhigen und be sonnenen Urteil geleitet morden ist. Die Besserung der Be ziehungen zu England ist erfreulich, auch die heutige Be handlung hinsichtlich der Ausstellung in San Francisco. Wo aber bleibt die Wahlresorm in Preußen und wo die neue Wahlkreiseinteilung im Reiche? ES ist bedauerlich, das, dieses Iubiläiimsiahr, das dem 'Volke lo schwere Opfer auf erlegt bat, abschließt mit schweren Enttäuschungen. fBeifall links.) Pre chischer Krieg-mi,liNer v. Falken!,ay»r: Ich halte die Vorwürfe, daß der Leutnant v. F o r st n e r nicht schnell genug ans der Garnison entfernt und daß in der Sache seiner Bestrafung Geheimniskrämerei getrieben worden sei. nicht für richtig. Der Offizier ist nach Ve° kanntwcrden des Zeitnugsarftkels vom 6. November, der die 'Anschuldigung enthielt am folgenden Tuge zur Rechen schaft gezogen, und cS ist in der Presse festgcstellt worden, daß von einer absichtlichen Beleidigung der eliässnchen Be völkerung keine Rede sein kann. «Lachen links.) Gleich zeitig sind die Vernehmungen der Rekruten, die an der IlistruktivnSstunde teilgcnommcn hatten, eingclcitet wor den. Aber ehe noch die Vernehmungen abgeschlossen waren, setzten die Straßenaufläusc und die Prcßangriffe erneut ein. Von einer Versetzung konnte keine Rede mehr «ein. ehe nicht ordnungsmäßig die Sache klar gestellt war. Was nachträglich in der „Nvrdd. ANg. Ztg." über die Be strafung der Offiziere und Unteroffiziere wegen Beleidi gung ihrer Untergebenen gestanden hat. ist auch in diesem Hause gesagt worden, und zwar durch mich. Ich habe dem Abgeordneten Febrenbach sofort geantwortet. Mehr kann ich auch heute nicht sagen, denn das widerspräche dem Wesen lind dem Zwecke der Disziplinargewalt. Wie ein Diszi- vlinarvvrgesetzter selbständig fühlen soll und wie sein Dtcnstanschc» sein soll, wenn seine Disziplinarmaßregeln im einzelnen der Kritik der Oeft'entlichkeit ausgcletzt wer den, das weiß ich nicht. «Sehr richtig! rechts. Lachen links.) Sie stören mich nicht mit Ihren Unterbrechungen, aber ich möchte bitten, daß Sie in mir den Vertreter der Armee sprechen lassen. iVizepräsident Dr. Dove: Ich bitte nm Ruhe, aber ich muß bemerken, daß die letzten Unterbrechungen doch nicht derart ivaren. Beifall.) Bei der 'Verlegung der beiden Bataillone bandelt es sich nm eine notwendige Maßregel, um Frieden zu stiften. Da sann man nicht lauge überlegen, wer dabei geschädigt wird. Von Dr. Spahn ist der Fall Knittel erwähnt worden. Da von Knittel Revision eingelegt wor den ist. möchte ich nicht im -ftnzelncn daraus eingehcu. Ich stehe aber mit meinen beiden Herren Amlsvorgängern in dieser Frage auf demselben Standpunkte, nämlich, daß die Betätigung eines Offiziers dcS Beurlcmbtcnstandcs in poli tischem Sinne erfreulich ist. Ein Offizier aber, der sich im antinativnalcn oder antimonarchischen Sinne betätigt, kann nicht mehr im Heere gelassen werden. Da Knittel noch heute als Offizier des BeurlaubtenstandcS der Armee angehört, dürfte scststchen, daß an maßgebender Stelle ihm ein solcher 'Vorwurf nicht gemacht worden ist. Abg. v. Morawski «Pole): Ich vermisse noch eine Ant wort auf meine kurze Anfrage in der Ieiuitenfrage. Die Polen leiden hundert Mal mehr als die Elsaß-Lothringer. Dieses Regiernngssnstem ist unmoralisch. (Der Redner er hält einen Ordnungsruf.) Abg. Freiherr v. Gamp «RcichspI: Ich fürchte, die be vorstehende Herabsetzung der Kohlcnpreisc werde nicht ohne Einfluß auf die Löhne der Bergarbeiter sein. Erfreulich ist cs. daß die Ostmarkenzulage wieder in den Etat ein gestellt wurde. Tic starke Beteiligung Deutschlands an ausländischen Emissionen ist die Ursache unserer Geld not. Der Hobe Zinsfuß beeinträchtigt die ganze wirtschaft liche Lage Deutschlands. Unser Bankdiskont ist viel zu hoch. Diese Sache ist ernster als Zabern. iSehr richtig! rechts.) Der Reichskanzler sollte eine Enguetc- Kommission zur Untersuchung der Diskontfrage einsehen. Der Schutz der Arbeitswilligen muß ernktlich ins Auge gefaßt werden. (Zuruf: Scharfmacher!) Bei Zabern möchte man wünschen, daß das Militär nicht cingeg rissen hätte. Dazu ist die Polizei da. Dvn Arbeitswilligen muß man. wie die Dinge liegen, einen Revolver zu ihrem Schutze in die Hand geben. (Große Unruhe. Lärm und Zurufe der Sozialdemokraten.) Präsident Dr. Saemps erteilt wegen eines ZuruseK der Sozialdemokraten einen Ordnungsruf. Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Ich gehe auf einige Fragen ein, die im Lause der Debatte erörtert worden sind: zunächst auf die vom Grafen Westarp angeschnittenen und jetzt auch vom Frctherrn von Gamp ausgenommenen Fragen des Schutzes gegen den Mißbrauch des Koalitiousrcchtes. Selbstverständlich kann ich während der Etatberatung diesen Gegenstand nicht in seinen letzten Konscauenzcn ver folgen. Ich wette hin auf das. was ich vor drei Jahren dem Hause sagte. Das war anläßlich der Interpellation über die Moabiter Exzeße. Ich faßte damals meine Mei nung dahftr zusammen, daß gegen Auswüchse des Koalt- tionswesens nicht eingcschritten werden kann durch Aus nahmegesetze, sondern nur auf dem Boden des ge meinen Rechts, und daß dabei Eingriffe in die Koali tionsfreiheit nicht erfolgen dürfen. «Beifall links.) Ich nehme an, nach den Acußcriliigcn, die bisher im Hause ge fallen sind, daß diese Grundsätze die Zustimmung der bürgerlichen Parteien finden, (Unruhe bei den Sozial demokraten.) Daß in die Koalitionsfreiheit nicht etn- gcgrtften werden darf, ist selbstverständlich. Das Koali- tivnswescn ist eine Elschcinung, die bei uns ebensogut wie in anderen Ländern durch die wirtschaftliche Entwicklung zur Notwendigkeit für die Arbeiterschaft und für daS Unter nehmertum geworden ist. ES wäre ein aussichtsloses, törichtes Unternehmen, durch Akte der Gesetzgebung einer solchen Entwicklung das Leben abstreiten zu wollen. Dieser Grundsatz ändert aber nichts daran, daß wir Auswüchsen, ivo sie konstatiert werden — und sie sind konstatiert wor den —. entgegentrcten müssen. (Zuruf der Sozialdemo kraten: Aber paritätisch!) Gewiß, durchaus paritätisch muß vorgcgangen werden. Das liegt eben in dem Grund satz, daß die Abhilfe auf dem Boden des gemeinen Recht» zu schaffen «ft. Al» ALhUfr ist vorgeschlagen einmal die Revision de» Strafgesetze» und zweitens die ztvtlreän. liche Haftung der Koalitionen. Auch durch das große Ver möge». da- sie besitze», drängt sich von selbst die Erwägung auf. ob die zivilrechtliche Haftung einzusührcn ist. eine Haftung für den Schade», den dir Koalitionen durch Be auftragte anderen im Widerspruch mit den Gesetzen zu- fügen. Im Zusammenhang mit dieser Frage steht bekannt lich die Frage der Rechtsfähigkeit der Bcrussvereine. «ine Frage, die zu lösen fa schon einmal gesetzgeberisch unter- nommen worden ist. aber vergeblich. Ich glaube aus keine,, Widerstand zu stoßen, wenn ich sage, daß diese Frage» der zivilrechtlichen Haftung der Koalitionen und die Frage der Rechtsfähigkeit der B«»ssveret»e, so oft sic auch draußen und hier im Reichstage behandelt worden ist. doch keines wegs zu einem g e s e tz g eb e r t j ch e n Akt reis ist. Was die Revision der Strafgesetze anlangi, so habe ich, als ich vor drei Jahren über diese Frage hier sprach, daraus hiiigcwiese». daß die Kommission, die mit der Revision des Straigesctzbuchs befaßt ist. der Ansicht ist. es müsse in dielen, revidierten Strafgesetzbuch die Freiheit und das Selbst bestimmungsrccht des Individuums schärfer geschützt werden als bisher. ES sind von der Kommission entsprechende Para graphen in den jetzigen Entwurf eines neue» Strafgesetzbuchs ausgenommen worden. Als unser Strafgesetzbuch erlaßen wurde, befand sich das KoalitionSivcftn im Vergleich zu heute noch zu sehr in den Anfängen, und als der Gesetzgeber die Paragraphen zum Schutze der persönlichen Freiheit saßie, hatte er im wesentlichen Angrisse aus die persönliche Frei heit des Individuums durch ein drittes Individuum im Auge, nicht aber Angrisse, die sich ans die Macht von Koalitionen gründen. Wenn »»» die tatsächliche Entwicklung uns gezeigt hat. daß die Freiheit des Individuums fetzt in anderer Form wie früher und auch von anderen Subtcktcn als von den Koalitionen eingeengt wird, so muß die Gesetz- gcbung diesem Gange der Entwicklung folgen. Der Not Wendigkeit dieser Idee muß >» einem revidierten Strafgesetz buch Rechnung getragen werden und darf nicht ans dem Papier stehen bleiben. Nu» bin ich der Ansicht, und ich glaube, Sie wißen auch, daß sich unser Volksenipsindcm bet Ueberspannung des Koalitivnsgedankcns immer euer gisch tatsächlich anfgelcbnt hat gegen den V o n k v t t. wie ich ihn kurz geschildert habe. Ich st i m m e mit dem Frei- Herrn v. Gamp vollkommen überein. Mai, kann diese Stimmungen nicht ablehnen, wie cs die Sozial demokraten tun mit dem Hinweis auf die Scharfmacher. Damit ist gar nichts actan. «Lachen und Unruhe bei de» Sozialdemokraten.) Die Mitteilungen, die uns gestern Herr Bassermann gemacht hat. waren doch recht bezeichnend, und ebenso bezeichnend ist die Haltung einer großen Zahl von Handelskammern, die Kundaebungen des Handwerker standes und schließlich die Stellung des Direktors im Hansa-Bunde. iLachen und Unruhe bei den Sozialdemo kraten.) Die Regicrnna, und das saae ich auch zu den Herren auf der rechten Seite des Hauscü, ist sich der Vcr- antwortuna. die sie acgeniiber den tatsächlichen Erscheinun gen und Stimmungen im Volke hat, voll bewußt, und ich stimme dem Grasen Westarv durchaus darin zu. daß in dieser unser 'Volksleben so kies berührenden Fraae dte Re gierung eine führende Nolle zu spielen bat. und sie wird dem Reichstag eine Aktion Vorschlägen, so bald sie glaubt, daß die Vorbedingungen sür eine solche gegeben sind. Ich habe schon vor län gerer Zeit den Staatssekretär des Innern gebeten, die Er fahrungen, die in dem ganzen Verlaufe der deutschen Ar- beitsslreitiakeiten aesammclt wurden und die Erfahrungen, die in anderen Ländern gesammelt worden sind, fcstzu- stellcn. Ich nehme an nnd hoffe, daß in nicht zu ferner Zeit dem Reichstage diese Arbeit vorgclcgt wird. Sie wird nicht nur. was ich für durchaus erwünscht halte, wertvolle Fingerzeige geben über dir bestehenden Gesetze, sondern sic wird uns auch die Grundlage geben sür die Weiterbehand lung dieser Frage. «Hört, hört!) Ich muß des weiteren auf die Kritik cingchcn, die gestern der Abg. Bassermann und heute Freiherr v. Gamp, wenn auch nur in verhält nismäßig kurzen Worten, an der Haltung des Bundes- rates in der branuschwcigischeu Frage geübt hat. Der Abgeordnete Bassermann bat dem Bnndes- rat den doch immerhin rech« schweren Vorwurf gemach«, daß er in dieser jetzt abgeschlossenen, aber politisch wichtiger. Frage, die im Lause dieses Sommers eine große Erregung der öffentlichen Meinung hervorgcrusen hat sLachcn bei den Sozialdemokraten, Unruhe), nmgcsallcn ist. Ich halte diesen Vorwurf in keiner Weise für berechtigt. «Wider spruch.) Dabei ist übersehen, daß der Bnndesratsbcschluß von 1807 ebensowenig ein Dcfinitivum bat schaffen können wie der von 1885. Beide Beschlüße wollten und konnten im Hinblick auf das von niemandem bestrittene Tbronfolgercchl des welfischcn Hauses in Vraunschwcig nur ein Provisorium Herstellen. 1885 und 1007 kam der Vundesrat zu der Er kenntnis, daß die Thronbesteigung des Herzogs von Eumber- land in Brannschmeig unvereinbar sei mit den Grund prinzipien der RcichSocrsaßung und den zugrunde liegende» Bündnisverträgen. Acndcrtcn sich die Verhältnisse? Uns daß sie sich geändert haben, kann von niemandem bestritten werden. So entstand für den BnndcSrat die Pflicht, neuerdings zu prüfen, ob diese Unvereinbarkeit noch sortbestebt. Wer ietzt dem BnndcSrat eine Inkonsequenz vorwirst, weil er die Vcrzichtfordcrung fallen gelassen Hai. der kann mit demselben Recht den Bundesrat von 1M7 eine Inkonsequenz gegenüber dem BnndcSrat von 1885 vorwerscn. Der Bnndesratsbeschluß von 1885 nennt nicht die VerzichtS- forderung als Voraussetzung sür die Thronbesteigung in Brauitschwcig. Tic Vcrzichtsfordcrung ist im Jahre 1007 neu entstanden, und zwar waren es die damals vorliegende» Verhältnisse, die zu der Vcrzichtsforderung geführt haben. Im Jahre 1008/07 bot der Herzog von Enmbcrland sür seinen Sohn, den Prinzen Ernst August, der den Braun- schweiger Thron besteigen sollte, den Verzicht auf Hannover an. Dagegen sollte der älteste Sohn des Herzogs, Prinz Georg Wilhelm nicht verzichten. Durch diese Stellung konnte nur der Eindruck erweckt werden — ob er gewollt war, laßc Ich dahingestellt —. daß gewissermaßen zwei w elfische Linien gebildet werden sollten, eine braunschweigische und eine andere, sür die der Verzicht ausdrücklich abgelebt wurde und wo die vermeintlichen Rechte auf Hannover beiter bc. hanptet wurden. Diese Differenzierung war selbstverständ lich für den Vundesrat nicht annehmbar und lmt zur Forderung dcS Verzichtes für alle Glieder des Hanfes Cumberland geführt. Seit dem Tode des Prinzen Georg Wilhelm ist der Prinz Ernst August der einzige Erbe des Hauses, und damit sind die sachlichen Umstände, die 1807 zur Verzichtforderung führten, wcggesallen. Der Bundes ratsbeschluß von 1885 stellte also den Verzicht nicht als Borausbcdingung für die Thronbesteigung in Braunsckmcig auf. Ausschlaggebend sür den BundeSrat im Jahre 1885 war die Uebcrzcugung. daß im Falle der Thron besteigung des Herzogs von Braunschweig Braunschweig zum Stütz- nnd Mittelpunkte der gegen den Bestand Preußens gerichteten hannövcrsch-wclfischen Bestrebungen werden würde. Das mar sür Bismarck und die Verbünde ten Regierungen allein das Entscheidende. Bon diesem Gesichtspunkte aus mußte der Vundesrat auch fetzt die Situation prüfen, er hat sie geprüft nnd sich also strikte auf den Standpunkt gestellt, aus die Grundlage, die 1885 gelegt worden war. Von einem Umfall ist also in keiner Beziehung die Rede. Der BundeSrat ist zu der Ueberzeuaung gekommen, daß die Hannöversch welfischen Bestrebungen in Braunschweig unter der Re gierung des Prinzen Ernst August keinerlei Unterstützung finden würden. Ter Buiidcsrat gründete diese Ucber- zcugung auf die Vermählung des Prinzen mit der Tochter des Kaisers, auf seinen Eintritt in die preußische Armee,
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