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Dresdner Nachrichten : 06.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189904063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990406
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990406
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-06
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 06.04.1899
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Seite LS4. Belletristische Douuerstags-Beilage «u de» „Dresdner Nachrichten' Atkevksr Hie Avcrrrenrvetl Merkspruch: Was Unglück und Sörzen Di', bringen, ES ist nicht vergebens? Immer aus dunklem Grunde sprnrgen Die Quellen deS Lebens! Fr BodiNstrdt. Osterbetrachtungen. Wenn auch draußen der Winter noch gerne «achholen möchte, WaS er erst versäumt bat. wenn er auch dem Lenze den berechtigten Regierungsantritt möglichst schwer zu macken sucht, — es ist dock eben nur noch eine Frage der Zeit, und der König Frühling nimmt Besitz von dem Throne, der ihm gebührt. Und nun kommen in seinem Gefolge die tausend Herolde, die Heerschaaren. die ihn immer begleiten! Wie lange wird es dauern, und jeder schattige Winkel, jeder Weg und Sieg wird von den Trabanten des Königs Lenz besetzt sein. Jeder Baum wird seine tausend Augen der Hellen Sonne lächelnd öffnen. Jede Blume, die erst sich schüchtern noch verborgen hielt, wird sich mit ihren bunten Farben bervorwagen. Jede-. Grashalm, der letzt noch still im Dunkeln schlummert, wich lustig im laueu Winde schwanken und flattern als grünes Wimpel. Und alle die tausend Käfer und Käserchen, die Insekten, die man nicht alle nennen kann, so viele verschiedene Arten sind es, — die Mücken und die Fliegen, die Maikäfer und die Falter, Alles wird Hervorkommen. Und wie herzlich begrüßen wir sie wieder! Wir denken gar nicht daran, daß die Mücken uns im Sommer wolil wie jedes Jahr wieder mit unangenehmen Stichen peinigen werden, daß die Fliegen uns mit ihren krabbelnden Beinen aus manchem schönen Mittags- schlafe aufstören werden. — daß die Maikäfer vielleicht unsere Bäume ratzekahl abfresseu werden, oder daß die Kohlweißlinge unsere schönen zukünftigen Kohl- stauden vernichten werden. Das ist uns beute Alles noch ganz gleickgittig. Wenn sie nur Alle kommen, und mit ihnen endlich der Frühling! — Jeder Mensch, auch der grämlichste und gleickmüthigste, Mit etwas in sich von der Erwartung, von dem freudigen Fieber des neuen Lebens, des Wachsens und Werdens, das jetzt in Allem aufweckr. Der eifrigste Gelehrte hebt seine Blicke von dem einförmigen Schwarz und Weiß der Buchstaben in den Büchern, um hinaus zu sehen in den lustigen Sonnenschein. Dem Kaufmann wird oft für Augenblicke der ewig gleiche Klang des Geldes zum Ekel und er lausch: gern dem Hellen Gezwitscher der Finken oder dem Pfeifen der Llmstln draußen rm Freien. Etwas wie eine Vorbereitung zum Empfange des Früblings regt sich fast in allen Menschen. Am meisten sind es die Kinder, die lubelnd hinausstürzen aus, den engen Stuben in die Freiheit der Gärten. Die Haus frau hat wieder eine andere Art. den Lenz zu empfangen. Da gilt es. Haus und Heim festlich zu macken. Kein Stäubchen, kein Winterruß darf bleiben und von dem düsteren Regiments des Winters Zeuaniß oblegen. An den Fenstern die Hellen Vorhänge, die blühenden Zimmerblumen müssen würdig das Fest des Frühlingseinzuges markiren. ES rst aber auch werti,. dafür zu sorgen. Wie es heißt: Ern Unglück kommt selten allein, so kann das auch einmal umgedreht der Fall sein. Auch ein Glück, und der Frühling ist ja ein solches, kann noch ein größeres im Gefolge haben. Und wer kennt es nickt, das herrliche Fest, das mit dem ersten Lenze, mit Schneeglöckchen, mit Veil chen, mit halb offenen Baumknospen, mit all' diesem Erwachen der Natur so eng verbunden ist — das herrliche Auferstehungsfest der Natur wie der Seele. Ostern! — Wie wundervoll ist diese gebeime Verquickung von Anierstebrrng in der Natur mit der Auferstehung im Menichenherzen! Nicht umsonst feiert inan das holde Auferstehungsfest zugleich mit der Auferstehung der 'Natur Eine köstliche Mahnung, schöner und eindringlicher als rede Predigt in engen Tempeln, ist dieses allgemeine Auferstehen rings umher für die Menschen. Die Sprache ist stumm, aber doch wie ein großer Schrei, der alles schlafende Gute im Menschen wachrufen möchte: ..Wir stehen auf I ThutIhr desgleichen! Wir schütteln EiS. Kälte und enge Hüllen ab! Folgt uns nach!" — Und über Allem, über diesem Blühen und Werden, scheint Er zu stehen, der Geist der Liebe, wie er Magdalenen erschien. Lins all' dem Erwachen der Natur rings um unS steigt Er auf mit seinem großen und sonnigen Liebe-Micke, ruft er uns zu: „Ich bin auferstanden! Thut Ihr das Gleiche!' — Wie Viele feiern Ostern, aber nur aus Gewohnheit! Sie freuen sich auf die Feiertage, auf die Ruhe, auf den Besuch, auf den selbstgebackenen Kuchen und vergessen darüber die schönste Ostergabe, die Jeder sich >o mühelos nur aus den Händen des großen Osterhelden, des Anferstandeneu, zu nehmen braucht, den Frühling im eigenen Herzen! Darum hinarrs mit allen Sorgen, mit allen Kleinlich keiten, mit allen falschen Rücksichten! Schäme man sich nicht, lote so Viele thun. freudig zur heiligen Schrift zu greifen und sich die herrliche Aus erstehungsgeschichte selber reinigend und freudespendend in's Herz scheinen zu lassen! — Das ist es: ich habe einmal eine Lame brechen wollen für das öftere und eifrige Lesen der Bibel! — Es ist schlimm genug: aber eS ist leider wahr, daß Viele sich förmlich schämen, das heilige Buch zur Hand zu nehmen. Es ist doch so schön, und es ist ein größerer Genuß als mancher Roman, mag er noch so geistvoll geschrieben sein. — Welchen Trost könnte mancher Sorgenvolle daraus saugen, wenn er sich nicht in falscher Scham vor feinen Angehörigen scheute, es in die Hand zu nehmen. Die Bibel sollte ein Buch für alle Tage sein, nicht nur ein Ausnahmebuch I Möge diest kleine Frühlingspredigt hier und da auch ein Samenkörnchen zur Auferstehung locken. Das Ich. Wie staunte die Wett, wie schüttelte sie ungläubig da? Hauvt, als dereinst Kopernikus ihr verkündete: „Nicht die Sonne bewegt sich um die Erde, sondern die kleine Erde muß sich um die Sonne drehen st Das ganze stolze Gebäude astronomischer Weisheit stürzte mit dieser kühnen Behauptung kn Trümmer. Und beute? O. daß doch wiederum ein Kopernikus aufstände »ad mit seinem gewaltigen Work da? alte, mächtige Bollwerk der Sclbwuch! und Selbstliebe zerstörte! Wir meinen ja nur zu oft, alles Andere müsse sich um unter unbedeutendes Ick bewegen. Alles muffe sich nach unserem Willen richten. Dem Herrgott selbst möchten wir die Wege von'chretben. die er unS führen soll, wir murren und zürnen, wenn seine Weisheit es anders bestimmt, als wir gehofft, gewünscht in thörichter Verblendung und Eigenliebe. Wir dünken uns gar mächtig, sind wir doch die Herren der Erde! Sind wir aber nicht auch Staub, wie sie? Sind wir mehr, denn ein Atom im weiten All? Sind wir nicht vergänglich, wie alles Erschaffene? Wir gleichen der Blume, die heute in glühender Farbenpracht duftet und morgen — morgen schon stirbt. Und doch sind wir so stolz! Doch stellen wir immer und immer das eigene Ich voran. O, Menschlein, denke daran, daß Du Staub bist, wie der kleine Wettenkörper, ans dem Du geboren! Oder bist Du eine Sonne, daß Du glaubst, alles Lindere müsse sich um Dich drehen ? Eine wirkliche Sonne, bell und rein, erleuchtend, erwärmend, belebend, lauter und licht? Nein, nein, Du bist nimmermehr eine Sonne! Gar viel fehlt Dir dazu. Darum thue es der Erde nach, verlange nickt, daß Alles und Jedes sich bedingungslos Dir imterordne. Deinem stolzen, herrischen Ich. Sei hübsch demütbig und bescheiden. Dulde auck^ nicht, daß man in Deinem Heim, wie es so oft geschieht. Dein Kind zur Sonne macht, um die sich das ganze Haus bewegt. Lebre frühe Deinem Kinde die Wahrheit Dessen, was Kovermkns einst gepredigt. c-u- e>n-nec Lrülflingsscbnsuobt. Holder Schläfer, wach' ans. wach' aus! O. nimm uns'rc Herzen gefangen! Sehnsuchtsvoll warten schon lange ans Dich Wir Alle, mit heißem Verlangen! Zaub're mit Deiner zarten Hand Das Grün auf Wiesen und Bäume! Ruse herbei der Vöglein Schaar. Auf daß sie nicht länger säume! Wecke der Knospen schwellende Pracht l Bring' mis würzige Düste! Hauche Genesung den Leidenden zu Durch laue, liebliche Lüfte! Mach' wieder stob manch' traurig Herz' Entbiete die Sonnenstrahlen, Daß eS. — durchleuchtet und erwärmt. — Befreit wird von seinen Qualen! Fesselte junge Herzen still Liede, die treue und wahre. — Sag' ihnen: „Wenn tch wiederlehr'. Begleit' ich Euch zum Altäre!" Eile drum, holder Frühling Du, Deine Vasallen um Dich schaare! Du bist und bleibst ja immerdar Unter Liebling im Laufe der Jabre! rr ä t h s e l - L ck e. Im kühlen Wald zur Sommerzeit Wird Dich die Erste laben: Die letzten Beiden kannst Du seh'n Beim munter'« Spiel der Knaben Das Ganze ist so zierlich, fein. Ein allerliebstes Bügelest Silben-rrätstsel Aus folgenden 33 Silben: alp, bier, den, deck, dam, e, ei, ei. en. sei. or, i. k, kil. lep^ lo. len, lav, lü, mumm, ne, nis, iww, no, gi, Pi. ro, re, ge, raz, sie. u, sind 18 Wörter zu bilden, deren Anfangsbuchstaben von oben nach unten gelesen den Namen eines Dichters, und die Endbuchstaben von unten nach oben gelesen den Titel eines seiner Lieder ergeben. 1. Bösartige Krank heit 2. Champagner-Sorte 3 Blutstockung. 4. Römischer Kaiser. 5. Ger manischer Vvlksstamm 6 Verwandter. 7. Französischer Fluß. 8. Name eines bekannten Schauspielers in Dresden. 9 Stadt in Irland. lO. Stadt in Deutschland. 11. Bischof. 12. Ein Gebirge 13 Stadt an der See. Fr!» E-ikN Vrslstlbigcs Zal'lcn-rlathssl. Ich ging an ihr vorbei — Sie lud mich ein durch 1 und 2 Ich möge bleiben 2 und 3. Jedoch mich überkam ein eig'ne? Bangen Ick durfte niemals 1, 2, 3, Wie nah' sie meinem Herzen sei — D'ntm bin ich rasch dobongegäugen. W«. 4». 18»». AMristische Donnerstags-Anlage zu den „Sresdner Nachricht?»". Donnerstag, den 6. April. Im Mund der Leute. Erzählung von Luise Glast lAsrNetzunz.) Bstnhagen sah jetzt die Zeichnungen zärtlich an wie eigene Kinder: kein Zorn- und Neidgesühl war mehr vorhanden, er batte Besitz ergriffen und begann sich den sachlichen Studien hinzugeben, die durch die Notizen in den blauen Heftes sehr erleichtert wurden. Nun galt es. Abschrift zu nehmen und die Zeichnungen zu köpften: eine große Arbeit, unbequem auszuführeir in dem Zimmerchen. das hier und da ein Familienmitglied betrat, um die Auswärlerin zu beaufsichtigen. Die Familie! An die Familie hatte er noch gar nicht gedacht. Er stand wieder ans und begann eine neue Wanderung durch das Zimmer. — Alles erwogen, bedeutet der Plan doch für die Familie gar nichi-s: ein Sohn, der den Bau übernehmen könnte, ist nicht da — höchstens bringe ich sie um die paar Tbaler Preisgeld. Nun. deshalb werde ich also das Opfer bringen und nicht ausziehen. Ein sehr großes Opfer: scbr groß, aber ich bringe cs — und — hm — das scheint das Einfachste! Komme ick durch dies Rathhaus wirklich zu Rubin und Brot, dann heirathe ich eincs der Mäoche» Ob Vater oder Gatte. Mann oder Schwiegersohn den Ebren- svld einstrcicht. das bleibt sich gleich. Mit einer Heirath entschädige ich sie bis ans den letzten Rest, Malli ist sanft und bildsam — ick glaube, sie würde eine treffliche Frau werden: Meta ist klüger — sehr klug — zu klug. Und die Malli ist hübsch, sehr hübsch, sehr — Birnbagen saß in seinem Lehnstuhl lind sah nach der Decke, während er die beiden Schwestern miteinander verglich. MetaS Kmrstverstand, der ihm sonst als Leistest und Kritik so wertbvvll gewesen war. schien jetzt ein gefähr licher Spion: immer lockender schwebte ihm Malli vor, als Hausfrau ohne geistige 'Ansprüche. Ja, Malli. Er war entschlossen und lächelte dem Traumbild entgegen: sein seines Gewissen fühlte sich beruhigt. So kam Lilles in'S Gleiche, mit freiem Herzen und gutem Appetit konnte er zu Tische gehen. Er sprach theilnebmend iin Vorbeigehen unten vor, sah aber nur Meta, die ihn mit abwesenden Gedanken begrüßte. Zu thun gab es nichts: Ehrestensen und Steppbnhn besorgten alles Notbwendige. Lttevphuhn folgte dein jungen Hausgenossen bis zur Treppe in leiser, eifriger Berichterstattung. ..Wissen Sie, Geld ist natürlich blutwenig da, und Rechnungen gicbt's wahrscheinlich auch noch. Aber Großmama Rothenbeck behält sic im Haus, sie will im Nothfall die Miethe stunden, und die große Stube mit Reimaim's darcustiegcndem Schlafzimmer kann vermiethet werden. Na, Frauen schlagen sich ja dnrch's Leben, man weiß manchmal nicht wie: da wird's hier wohl auch gehen, ans tüchtigem Holz sind sie ja geschnitten." Binbagen wünschte, er wäre gar nicht unten hineingegangen: die Ent hüllung Stepphuhn's nahm ihm wieder alle Stimmung, er war eben sein Leben lang ein Pechvogel. Trotzdem ging er zum Buchbinder, bestellte eine purpmrothe Mappe mit Goldpressung nach demselben Maße, nach dem man vor acht Tagen die graue .für das Archiv" gearbeitet habe, und kaufte Zeichenkartou zu der bevor stehenden Arbeit, Im ..Reichsadler" aßen die meisten der jungen Herren zu Mittag, dorthin lenkte Bftnhagen seine Schritte, fand überall ans den Straßen Ottoberfcst- vorbercstungcn, im Gasthos Leben und Treiben und gleichermaßen im gegen überliegenden Künstlerhaus ein ungewöhnliches Ab und Zu. Im Eßzimmer sah er den jungen Brennecke und setzte sich, unwillkürlich dem vekannren Gesicht nachgehend, an seine Seile. Es gab ein paar theil- nebmende Worte, ein Reden überden Todte», dem Brennecke des Ortes wegen, zu Bftnbageu's heimlicher Befriedigung, ein schnelles End? bereitete. Stumm aßen sie ihre Gänge ab: plötzlich fuhr Brenneckc auf, eilte mit ausgesircckler Hand einem Eintretenden entgegen und rief: „Grund, alter Junge! Gespcnstert's? Wo kommst Du bei? Was willst Du hier?" Der Llngenstene schüttelt? dem Bewillkommnenden kräftig die Hand. „Zunächst essen." Cie lachten sich Beide an: Brennecke machte einen Platz neben sich frei, stellte Birnbagen flüchtig vor und ries nach dem Kellner , Scheinst bier zu Hause." „So ziemlich: des Mittags allerdings nur aus Gaswolle, da meine Mama verreist ist, übrigens aber kann ich Dir diese zum Reichsadler aus gewachsene Taube aus gründlicher Erfahrung empfehlen." „Dante. Du kannst mir noch Mancherlei empfehlen. Ist ja ein richtiger Studentendnsel. daß tch Dich bier auf dem ersten Wege gefunden habe." „Ja, was suchst Du denn eigentlich in Bicberstv, Du bester aller Söhne der reichsbauvtstädtischeii a!ma mator? ' „Bin kein Sohn mehr dieser Mutter; bin wohlbestallter Doktor der Schneide- und Heilkunst, mit io und so vielen sauberen Einsen und dem - 'Unna enn» Irn-a». nebst einer vterst in estrigen Ll'ststenienlrn'bK':! hin-.» n-ft Jetzt aber denke ich. Bieberfeld mit dieiem vortrefflichen, kenntnißreichw Menschen zu beschenken." „Was?" „Will mich hier niederlasseii." „Mensch! Grund! Du?" rief Bremiecke und fügte leiser hinzu: „Willst Du hier verhungern? Versauern? Armenprakttkant werden? An Fälle mangel verdummen?" „Alles mit Maßen," sagte der junge Doktor Grund bedächtig. . Ich Hab» einen kleinen Lotteriegewinn gemacht, der mich drei, vier Jahre oben hält. Zu gleicher Zeit wurde mir erzählt, daß die Hauptärzte Bieberfelds sich alle rn jenem gewissen Alter befänden, wo man ansängt, aus ungestörte Nachtruhe und irdisches Bebagen. Werth zu legen — Anschauungen, die sich just mit unserem Berus schlecht vertragen. Irgendwo muß ich anfangen, also nahm ich's für einen Schicksalswink und fuhr nach Bicberseld." „Aber Du! der Fanatiker der Weltstädte, der Schwärmer für Kliniken urrd Riesenkrankenhäuser." „Es wird auch hier schöne Fälle geben," war Doktor Grimd's menschea» freundliche Ueberzcugung. „In der Großstadt kann ich zwei Jahre sitzen und noch keine Katze behandeln dürfen. Außerdem bat man die Meirichen hier näher, lernt sie besser kennen und weiß genauer, warum man sie verachtet." Fritz Brennecke lachte über s ganze Gesicht. „Auch ein Lebenszweck, wenn schon ein ungeselliger. Da haben wir ja den ganzen alten Grund von Anns daznmal, wo ich meiner Mutter die paar Naschjahre auf der Universität ab» getrübt hatte. Famose Zeit war's doch, trotz Pessimismus, Welihaß, Umsturz» gedarrten und Menschenverachtung. War eben unsere Schwarmpcriode — und mit Dir umgehen will ich, trotz der Gefahren des Näherkennengelerntwerderis." Ec lachte wieder hell und frisch in das Gastzimmer hinein, als Grund be» merkte, ein Versuch sei nicht tödtlich. „A!w dableibeir. Sofort?" „Sofort. Ich suche mir Wohnung: .Kisten und Koffer stehen schon in Berlin bereit, und für heute bin ich im „Raihsherrn" abgestiegen." „'Natürlich siedelst Du zu mir über, bis Du etwas gefunden hast; unsere trippelnde Minna ist bis auf's Kochen auch in Musters Abwesenheit brauchbar." Die letzten Besprechungen waren in gleichmäßigem Geiprächston geführt worden, nicht mehr in Ausrufen und jähem Wechsel von laut und leite. Birnhagen hatte sie verstanden, er benutzte den Augenblick, um Doktor Grund Reimann's Wohnung anzubicten und in allen Tönen zu empfehlen. „Drei Damen" stimmten den jungen Arzt zunächst bedenklich, aber da Birnhagen selbst dort wohnte, und Brennecke den Gedanken für merkwüdig vernünftig und die drei Damen für die einwandfreisten Frauenzimmer der Stadt erklärte, beschloß er. nicht eher nach etwas Anderem zu suchen, bis er diese gerühmte Wohnung gesehen habe. Birnhagen aber war sehr init sich zufrieden, als er nach Tische auf'- Rcithbans ging. So thatkraftig sorgte er für seine Freunde, so sicher packte er den Augenblick beim Schopf! 12. Kapitel. » Eben wollte Brenuecke dem neugesundeuen Freund „etwa? Bicberseld" zeigen, als ihn die strömenden Menschen daran erinnerten, daß Ehrestenstn'A Schmettcrlingsbild im Kunslvercin ausgestellt sei. „DaS lohnt!" rief er. schleuderte opferwillig die kaum entzündete Cigarre in weitem Bogen über die Straße und stürmte in's Künstlcrhaus. Grund schleuderte verwundert hinter ihm drein. Der Schmetterling war im Bildcrsaal. der Eingangstbür gegenüber auf« gestellt, und freundlich leuchtete .Heimchen dcir jungen Männern entgegen. Auch Grund meinte, das sei allenfalls eine Cigarre werth. Fritz aber fand das Bild hier noch viel warmer als Tags zuvor in de» Hausflur. Sie ist wirklich das niedlichste Mädchen von Bieberfeld, und die Maler haben einen merkwürdigen Mcrkstduwas für derlei Dinge. Grund pfiff leist vor sich hin, begriff die geopferte Cigarre, ließ den Ver» liebten schwelgen und tauschte mit Vergnügen ans die mannigfaltigen Urtheitt und Deutungen, die unter den Betrachtenden laut wurden. Gerade als die Gesellschaft sich im Symbolischen, Gebildeten, Llllegori» scheu und Sinnreichen recht ernstlich was zu Gute tbat, trat ein blonder, kräftiger Mann durch die offene Thür und brachte eine gewisse Bewegung unter den Versammelten hervor. Erst ein Drehen und Gucken, dann ein Flüstern und Wispern, zuletzt löste sich ein junge? Mädchen aus der Gruppe, schwebte ans den Mann zu, denen Augen mir wunderlichem Ausdruck vom Bilde zu den Beschauern, von de» Beichauern zum Bilde gingen, und sprach: . Hochverehrter Meister, wir sind so furchtbar entzückt, wenn wir nur wüßten, waS cs claeirtlich bedeuten soll." Eine zweite kam heran „Ach bitte, bitte: die Deutung' —wir möchte« uns nicht inen. Eins meint, es bandle sich um die Kncnpenzeit. die man genießen solle, weil sich das Alter nabt mir dem schleichenden Schritt : ei» anderes: da? leichte Spiel des Gemisst? gäbe Jngcndlcböne. strenge Arbeit dagegen mache alt und häßlich; Herr ^clke erklärt cs sogar sift eine Kritik der sozialdemokratischen Theorien: die Flügelsee sei die schöne Zeit der frei« bewegten Kräfte und Künste, die Alte da? unter-:'.: Joch der GleichbeitsMverr»
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