Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.01.1909
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19090107015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1909010701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1909010701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-01
- Tag 1909-01-07
-
Monat
1909-01
-
Jahr
1909
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.01.1909
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
— Lee «lbfteom zeigt« im Gegensatz zum verflossenen Sonn- tage am gestrigen Hohneujahrstage em imkerst trübseliges Aus sehen. An die Stelle blanker, von Scharen sich lustig darauf tllmiuelnder Mensche» belebter Eisflächen waren schmutzig- grau«, durch Wasserstreifen getrennte Felder getreten. Als traurige Ueverrrste ragten vor der Carola-Brücke aus dem Eisgesilde die kleinen Fichtenbäumchen hervor, die die Fischer zur Kennzeichnung des Uebergangeo aufgestellt hatten. Auf der oberen Strecke hielt die Decke noch fest zusammen, so daß die Hoffnung vieler Spaziergänger, da» imposante Bild des Eis gang«» zu erblicken, am gestrigen Tage nicht in Erfüllung ging. Die starke Strömung an den Brücken, namentlich vor und unterhalb der Auaustusbrücke, hat zur Folge, daß sich weithin offen« Wasserflächen zeigen. Wie niedrig übrigens der Walserstano ist, Iaht sich am besten an der Kaimauer zwischen der Carola- und König Albert-Brücke erkennen, wo die Köpfe der Spundwandhölzer zutage trete». Das Flußbett ist dort teilweise sichtbar, und große Massen Schnee von der Strahenreinigung usw. harren des Abschwimmens. Der Wasser mangel in den Gebieten des oberen Elvlauses dürste ein erheb liches Ansteigen wohl kaum erwarten lassen. Die Klagen über die Unzuverlässigkeit der Witterungslage, deren trüber, reg nerischer Charakter den Gesundheitszustand höchst nachteilig be einflusst, sind allgemein. Zu warne» ist erneut vor dem Be treten der brüchig gewordenen Eisdecken. In dieser Beziehung liehen sich an den Elbusern gestern verschiedentlich Beodach tungen machen, da es immer wieder Vorwitzige gibt, die über die Gefährlichkeit ihres Beginnens dem Anschein nach nicht die richtige Vorstellung haben. — llrber de» tödlichen Absturz von der Gans bei Rathen am 3. Januar, dem der Dresdner Klempner Paul Lösch» er zum Opfer siel, wird dcni „Pirn. Anz." noch geschrieben: Durch verschiedene Zeitungen ging eine Darstellung des Falles, die einen schweren Vorwurf für die Kletterer, nicht nur für den Abgestllrzten enthielt. Man sollte, entgegen der sonstigen Ge pflogenheit, nicht die Nagelschuhe abgelegt und Kletterschuhe an gelegt haben. Bei den mit Schnee bedeckten Felsen und Vor sprüngen aber ist, noch dazu bei Tauwetter, die Benutzung der Kletterschuhe ausgeschlossen, da der Schnee sich ballt und die tSesahr des Absturzes nur vermehrt. Wenn ein Vorwurf er hoben wird, so ist nur der berechtigt, dah der Verunglückte ohne SeU ging. Die Höhe, aus der er herabstiirzte, ist ganz beträcht lich. Dah er mit seinen Nagelschuhen das Gesicht eines im Kamine befindlichen Kletterers gestreift habe, ist eine durch nichts verbürgte Erzählung. Erst durch einen dumpfen Fall und durch einen Schrei wurde man aufmerksam. Die Kameraden des Verunglückten beteiligten sich in ausopferndster Weise an der Bergung des Leichnams. Beim Transport des Körpers, der schon in der Totenstarre lag, über all die vereisten Stufen tal wärts aber zeigten sich neue Schwierigkeiten. Es machte sich der Mangel einer Tragbahre geltend. Gerade Rathen wird von so vielen Klettervereinigunaen als Ausgangspunkt für ihre Klet tereien benutzt. Gegen llngliickssälle ist niemand gefeit, auch im Sommer unter den günstigsten Verhältnissen sind sic nicht aus geschlossen. Man muh damit rechnen, solange der Klettersport geübt wird. Es dürfte sich daher wohl die Anschaffung von verschiedenen Rettungswerk,zeugen, speziell aber einer leichten Tragbahre, empfehlen. Die Kosten sind nicht allzu groh und dürsten von den Mitgliedern des Klettersportes sehr leicht auf gebracht werden. — Die Internationalen Heiteren Künstler-Abende auf dem Belvedere, die bisher schon durch die vornehmen Darbietungen eines ausgesuchten Künstleroölkck>ens reiche Anerkennung gefun den haben, üben in diesen Tagen eine besondere Anziehungs kraft aus. Ist doch der komischste aller Komiker wieder einmal in dem anheimelnden Kabarett-Saal des Belvedere erschienen, Theodor Franke, dessen sonnige Heiterkeit, köstlicher, nie verletzender Witz und unerschöpflicher Sarkasmus allen mensch lichen Schwächen gegenüber das ganze Auditorium in prächtige Laune versetzen. Dieser Mann ist Original. Das bedeutet viel. Und er ist bisher noch nicht kopiert morden, tann nicht kopiert werden. Das bedeutet mehr. Aus sich selbst heraus schuf er seine Kunst. Seine Natur, die Art seines Könnens schildern, hiehe einen Schwank erzählen. Man muh ihn sehen, seine Ge stalt — er kommt mir immer vor wie einer, der gut soupiert hat, ein fideles Haus, das voller Witze steckt und erst ganz glück lich ist, wenn er sie an den Mann gebracht hat —: man muh sein Wesen persönlich auf sich wirken lassen, die Gutmütigkeit, die Treuherzigkeit, die so durch und durch echt ist; man muh den Schalk aus seineni Auge, seinem ganzen, lieben Gesicht lachen sehen, wenn man seine Eigenart erfassen will. Er ist der Humorist der guten Stube, das cvl.int lorrible der Gesellschasts- abende, der — Salon-Simplicissimus. Und er ist unerschöpflich. Sein Repertoire ist in Fülle und Abwechslung einzig. Da taucht wieder eine Erinnerung an die Glanzzeit des Ueberbrettls aus, wo wahre Künstler am Abend den Gönnern darbotcn, was der Tag ihnen eingegeben hatte. Hört man Frankes ironische Schnurren, dann ist's, als ob er sie eben im Antichambre er sonnen hätte. So unmittelbar, so urwüchsig wirken sic. In die internationalen Belvedere-Abende passt dieser Künstler, der vor kurzem auch des Kaisers Beifall fand, ausgezeichnet. — Auch sonst offenbarte die Januar-Premiere ein Elite-Programm. Die Damen Berber und Cola bewiesen wieder in einer ganzen Reihe neuer, melodiöser Duette und Einzclszcncn, dah sie ihre Kunst auf die Hobe Stufe der Vollendung erhoben haben. Zu dem zeigten ihre schönen, cbenmähigen Gestalten kostbare Toi letten von entzückendem Reiz, der das Auge nicht nur der inter essierten Damenwelt bannt. Das bereits früher nach Gebühr gewürdigte Talent eines Georg Kaiser, Charles Leduc und Paul Palles verhilft dem Abend zu einem großen, gewiß nachhaltige» Erfolg. Mit den temperamentvollen Duetten ..Tanzstudien", „Moderne Ehe". „Geschiedene Ehe" ernteten Frl. Cola und Herr Kaiser reichen Vcifall. ebenso wie Frau Berber und Herr Lednc mit dem bis ins Detail ausgearbei teten Vortrag französischer Lieder. In der Boheme-Szene be kunden Madame Verber. im „Schmackeduzchen" Frl. Cola Meisterstücke graziösester Vortragskunst. Mit einer solchen Künstlerschar wird der Wert der Belvedere-Abende nicht bloß erhalten, sondern erhöht. — Kür Ball und Karneval! Unter diesem Titel Uot die Kirino Ni. Donner. M ü h l I» o n s e n i. Thür., einen reichiNustricrtc» Katalog hcronsgegeben, der ei» reichhaltiges Preisverzeichnis von Kostümen, Masken, humoristtsrtien Kopfbedeckungen, Kotillou- Dourcn, Kotillon-Ordcii. Dasel-Dekorativnen, Sckierzartikcl nsm., sowie von Vereins- und Theater-NIegnisite» enthält. Ei» Anhang bringt eine große Answahl in vorzüglichem Anssührnngsinatcrial lTheatcr-Aistftthrungcn, Aiissiihrungsscherzc». »insikaltschc» Scher zen, Kostüm-Tänze», Tanz-Anssiihrnngen nsm. Außerdem enthält »er Satalog ein diesbezügliches Bücher- und MnsikalienverzcichniS. — Mit Genehmigung des Kultusministeriums wird das mit der Realschule zu Pirna verbundene Realprogymnasium zu einem Realgymnasium erweitert, so dah kommende Ostern die Obersekunda, 1810 die Unterprima, 181 l die Ober prima aufgesetzt wird. — Die Voruntersuchung gegen den Kanimann Theodor Grosser aus Steglitz bei Berlin wegen seines Attentats im Reichsgericht näbert sich ihrem Ende. Vergangene Woche ist dem Reichsgerichlsrat Macnner von dem die Untersuchung führenden Richter die zerschossene Amtsrobe, welche bis dabin als Beweisstück bei den Unterinchnngsaklen sich befand, wieder zu- gestellt worden. Der GerichlSdienrr brachte die Robe dein noch immer krank darniederliegcnden Neichsgrrichtsrat in die Wohnung. Ob Grosser vor Abschluss der Untersuchung noch ans seinen Geistes zustand untersucht werden wird, siebt »och nicht fest, wenigstens hat die Verteidigung der Rechtsanwalt Dr. Halvert-Berlin über nommen und hat einen diesbezüglichen Antrag »och nicht gestellt. — Vorgestern gegen mittag zogen in Leipzig etwa 100 Arbeitslose vor das neue Rathaus und entsandten eine fünfgliedrige Deputation an den Oberbürgermeister, um diesem die Bitte um baldige Vornahme von Notstandsarbeiten vorzu tragen. Oberbürgermeister Dr. Dittrich empfing die Deputation und teilte ihr mit, dah der Rat bereits die nötigen Maßnahmen in dieser Richtung getroffen habe. Es sollen die Notstands- arboiten sofort in Angriff genommen und schon von heute ab dürften 100—150 Arbeitslose eingestellt und beschäftigt werden. Der Trupp, der sich durchaus ruhig verhalten hatte, zerstreute tzch «iH«. , . ^ ! — Ein aufregender Vorgang spielte sich am Diens tag früh in dem Grundstück Fröbelstrahe 3 zu L.-Plagwttz ab. Ein zu Besuch bei seiner Mutter in L.-Lindena» weilender Soldat eines österreichischen Regiments feuert« in Gegenwart seiner Geliebte» einen Revolverschuh auf sich ab. Die Kutzel drang dem Manne in den Kopf. Schwer verletzt wurde er kns Krankenhaus gebracht. Er ist bald darnach seinen Verletzungen erlegen, — In Schönheide stürzte am 5. d. Akts, der Invaliden rentner, frühere Musterzeichner Emil Höhl so unglücklich die Treppe herab, daß er nach kurzer Zeit stgrb. — Amtsgericht. Der Arbeiter Ernst Otto Freuer stacht vor Weihnachten voll eitlem Tafelwagen, der im Hose der Zc»tra>lailospa»>»ullg stand, einen Sack, enthaltend Oil Pfd. Mandel». Er trug ihn zu seinem Freunde, dem Arbeiter Emil Bruno Wehnert. nw er den Scick erst öff nete niid Kenntnis von seinem Inhalte erhielt. Die Man deln wurden in Tüten verpackt und von den Arbeitern Ernst Friedrich Z ach n i ch c n und Otto Clemens Z e nt f ch in Schmikwirtschasten an den Mann gebracht. Frey er wurde aber ermittelt: mit ihm kamen seine -Helfershelfer unter Anklage. Sie gaben das ihnen zur Last Gelegte zu, fo dah von der Vernehmung der goladencn Zeugen abgesehen werden kann. F-rcycr erhält 1 Mvuat Gesäng.nis. Wcch- nert und Zeutsch kommen mit je 2 Wochen davon. Zähni- che» war kürzlich wegen der Entwendung dreier Billard bälle aus einer Sct>ankwirtfchast zu 0 Woche» Gefängnis verurteilt worden, die er seht verbüßt. Zn dieser Strafe treten weitere 10 Tage Gefängnis hinzu. — Gegen den Maurer Dante del Fabrv, Ist?;! in Nvrdftalie» ge boren, ist St rasa nt rag wegen Beleidigung eines lOjächriqc» Mädchens gostellt worden. Er halte zu dem Kinde »»sitt liche Aenßerunge» getan, die ihm l Woche Gefängnis ein trage». — Lcsseutlichc Versteigerung,!,, in auswärtigen Amtsgerichten. Krcitag, n. Januar. Neustadt: Karl Kriedrich Rudolphs Wohn- lmns mii 2 Anlniuc» und Garten i2,7 Ars daselbst, 17 Mi M , wo von »5>t»i M. aus Maschinen und sonstige Zubcliörltückc entfallen. Loinlnavsch: Die der Firma Gebrüder Klos, in Kanicnz gehörigen Grundstücke in Lommaysch bcz. Zöthain: l. Wohnhaus mit Bäckerei, Hosraum und Garten «!,-'> Ar>, 'Kossener Straße, t> t2» M.: 2. Feld stl Ars, tsttä M. Pirna: Kriedrich Albert Karl Wilhelm Stielcro Grundstück: Feld und ausgerodctcS Buschland sll,2 Ars in Copitz, lüü» M. Das Grundstück eignet sich zur Bebauung. Meisten: Theodor Karl Albert und Georg Max Theodor AillS' Grundstück: Wiese und Scheune s2 -Hektar 7,2 Ars in Gröber«, «508 M TluS de« amtlichen Bekanntmachungen. Die Hundesteuer für das Jahr 1908 ist mit 9 Mark für Hunde, die lediglich zum Ziehen verwendet werden, und mit 15 Mark für jeden anderen Hund vom 25. d Mts. bis mit 1 Februar im Stadtstcueramte .ä zu entrichten. Konkurse, Zahlungseinstellungen uf«. Im Dresdner A m I o g c r i ch t s b c z i r k: Ucdcr das Vermögen der Prioata Emma Emilie LiSbelh Ressel, hier, in Firma A l b er t Nätzsch 2! a ch s., Klorastraste 6, ist das Konkursverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt A. Schlechte, hier, WaiscnhanSstraste 62, zum Konlnrsvermaltcr ernannt worden. Äonkurssorücrungen sind bis zui» 20. Januar anzumelden. Bereinskalender für heute: D. u. Oc. T.-K., Sekt. Dresd. d. Oe. T.-K.: Hauptversammlung, „!! Raben", 8 Uhr. Ortsgr. Niederscdl. u. Umg. d. Eeb.-Ver. f. d. Sächl. Schweiz: Vertreterwahl, „Ratskeller", 5 Uhr. Wetterlage in Europa am «. Januar Ittvv. Aon der Bieikanasec erstreckt sich ein Rücken hohen Drucks bis nach ü csterreich herein, während im Nordwesten und Norden tiefer Druck lagert: eine flache Teildepressicm bat sich über Südengland ausgebildet. Bei leichten, um West schwankenden Winden herrscht meist trübes, nebliges Wetter mit wenig veränderter Temperatur, im Südwesten ist wieder Frost emgetrcten. Bei der Enisernnng des nordwestlichen Minimum« und unter dem Etnsluk des hohen Druckes.ist allmähliche Aufklärung mit abnehmen der Temperatur zu erwarten. Prognose für Donnerstag den 7. Januar INNS. Cüdwcst - Wind: aufhctternd, kälter: kein erheblicher Niederschlag. Wastcrftand der Elve »nd Moldau. Budweo Kriwenitz Pardubitz Meinst Eet,inert« AuNia Dresden L. Januar — 20 — — 78 — oa — io — 60 — 197 6. Januar — 20 — — 76 — 70 — 61 — 78 — 22l Der Krieg in der Gegenwart. Unter dieser Ueberschrift bringt das neueste Heft der „Deutschen Revu e" einen Artikel, de», wie bereits ge meldet, der Kaiser beim N e u j a h r s e m p f a n g der Kom mandierenden Generale diesen mitgeteilt, und mit dessen Inhalt er sich einverstanden erklärt hat. Mit Rücksicht hierauf geben wir Leit Ecdankengang des Aufsatzes nachstehend wieder: Der Artikel schildert zunächst die Fortschritte in der mili tärischen Rüstung Deutschlands und Frankreichs. Die übrigen Mächte muhte» diesen Wettstreit mitmachen, wenn sie nicht ui Europa wie auf der ganzen Erde hinter den beiden tonangebenden Staaten allzuweit Zurückbleiben wollten. Aus führlich werden dann im einzelnen die großen Fortschritte der militärischen Technik bei allen Waffengattungen geschildert, ebenso ihre Folgen für die Kriegführung der Zukunft. Die Schlachten würden mit größeren Heeren auf größeren Schau plätzen zu schlagen sein und tagelang dauern, ohne dah die Aussicht aus die Erringung entscheidender Siege ge stiegen sei. Der Feldzug werde sich hinschleppcn, lang- dauernde Kriege aber seien zu einer Zeit unmöglich, wo die Existenz der Nationen auf einen ununterbrochenen Fort gang des Handels und der Industrie begründet sei und durch eine rasche Entscheidung das zum Stillstand ge brachte Räderwerk wieder in Lauf gebracht werden müsse. Eine Ermattungsstrategie lasse sich nicht treiben, wenn der Unterhalt von Millionen den Aufwand voll Milliarden erfordere. Nicht genug damit, hätten Frankreich wie Deutschland seit 1870 Be festigungen an der gemeinschaftlichen Grenze errichtet. Hüben und drüben brach ein langer, erbitterter, noch keineswegs erloschener Kämpf zwischen den Ingenieuren und Artilleristen aus. Diese erfinden immer neuere, größere, sicherere Geschütze, wirksamere Oieschosse, jene stellen immer widerstandsfähigere Werke her. Frankreich sperrte alle Ercnzpässc, links kam )hm Belgien zu Hilfe. Die Niederlande suchten gleichfalls sich selbst wie Frankreich vor deutschen Angriffen zu schützen. Italien sah in den französischen Festungsbaute» nicht sowohl eine Ab wehr als vielmehr eine Drohung und beeilte sich, dem ganzen Festungssystem auf der Westseite der Alpen ein Fcstungssystcm aus der Ostseftc cntgegenzusctzen. Auch die Schweiz blieb nicht untätig, sondern verbarrikadierte die Pässe und Fluhzugänge durch Befestigungen. Den gleichen Weg beschütt dann Rußland, um Deutschland den Weg nach Moskau zu verlegen und sich gegen das diesem verbündete Oesterreich zu verteidigen. Sa mare» die Dreibundstaaten wie durch ein« westliche Llnie auch durch eine östliche Linie von dem übrigen Europa geschieden. Im Norden hat Dänemark die Zugänge zur Ostsee in die Hand genommen, und England hat sich ein Ausfalltor von einem jütischen Hasen nach Schleswig hin ein gesichert. Zuletzt hat auch Italien sich gegen das ver bündete Oesterreich und dieses gegen jenes befestigt. Der eiserne, um Deutschland und Oesterreich geschlagene Ring mar nur nach dem Balkan zu offen geblieben. Auch diese Lücke ist jetzt durch die Türkei, Serbien und Montenegro ausgefüllt worden. Da mit ist die militärische Lage Eurovas gegeben. InderMitte st chen,ungeschützt,DeutschlandundOe st erreich, rings herum hinter Wall und Graben die übrigen Mächte. Der militärischen Lage entspricht die politische: Zwischen den cinschlichenden und den eingeschlossenen Mächten bestehen schwer zu beseitigende Gegensätze. Es ist nicht ausgemacht, dah die Leidenschaften und Begehrlichkeiten sich in gewaltsames Handeln uinsetzen werden, aber das eifrige Be mühen ist doch varhaildcn, alle diese Mächte zu in ge meinschaftlichen Angriff gegen die Mitte zu- sammenzusühren. Dl« Gefahr erscheint riesen- groh. Dah die Koalition zu kriegerischen Taten übergehen wird, ist auch vorläufig keiueswegs notig. Die Stellungen, die die verbündeten Mächte eingenommen haben, sind so günstig, daß sie allein durch ihr Vorhandensein eine beständige Drohung bilden und selbsttätig aus das durch den Wirischaftskamps und die Ecschäftstrisen erschütterte deutsche Nervensystem wirte». Dieses Bild hat sich in letzter Zeit plötzlich verschoben. Durch die jüngsten Ereignisse aus der Baltanhälbinsel sieht sich Oester reich für geraume Zeit nach jener Seite gebunden; es verlangt von seinem Verbündeten Unterstützung, kann ihm selbst eine solche nicht gewähren. Der gegnerischen Taktil ist es gelungen, jedem der beiden einen gesonderten Kriegsschau platz anzuweisen, sie zu verhindern, mit vereinter, vernichtender Ile Verlegenheit erst einen, dann dey anderen Gegner nieder zuwersen. Oesterreich muh die Front nach Süden. Deutschland nach Westen nehmen. Rußland behält sich vor. mit voller Kraft die Entscheidung hier oder dort zu geben. Sind indessen auch nach der Trennung Oesterreich wie Deutschland noch immer zu stark, so sollen sie durch inneren Zwiespalt geschwächt werden. In Oester reich wird der Nationalitätenhader emsig geschürt: wie in Deutschland der gleiche Zweck mit einem kurzen Zeitung-, artikcl, mit hinterlistig zusammengestellten verjährten Anklagen zu erreichen ist, hat sich erst kürzlich gezeigt „Und doch." so schließt der Artikel, „ist für den ferneren Kamps — er mag mit den Waffen in der Hand oder mit anderen Mitteln geführt werde», wenigstens nach außen hin ein „einig Volt von Brüdern" nötig, sowie eine große, starke, mächtige Armee, die non einer festen Hand geführt wird und von unbedingtem Vertrauen erfüllt ist." Verfasser dieses Artikels soll der frühere Chcs des Großen Generalstabes. Generaloberst Gras Schli essen, sein, dessen Name vom Kaiser bei dem Ncujahrsempsang der Kommandie renden Generale mit rühmenden Worten genannt wurde. T'lstcslleschichte. Die Handelskammern gegen die Znscratensteucr. Nunmehr haben alle Handelskammern sich mit der Zu scratensteuer beschäftigt. Sehr bemerkenswert ist, daß fast ohne Ausnahme alle -Handelskammern betonen, daß an der Znscratensteuer besonders der Mittelstand, der »klein Handel und die Kleinindnstrie getroffen werden, nnd weiter hervorhcben, daß diese Steuer eine Belastung der geschäji lichen Arbeit nnd nicht des geschäftlichen Gewinnes bedeute. Tie Handelskammer Heidelberg hebt hervor, daß die An zeigesteuer im Falle der Abwalzung ein für viele Geschäfts zweige unentbehrliches Betriebsmittel treffen würde. Die Handelskammer Friedberg stellt folgende Gesichtspunkte in den Vordergrund: „Tic vvrgcschlagenc Znseratensteuc>- erscheint der Handelskammer unannehmbar, da sie in erster Linie die Geschäftsunkosten des Rüttelstandes erhöhen würde und ihre Durchführung nur in ungerechter Weise zu ermöglichen wäre. Vor allem würden unangenehme, indistrcte Einblicke in die Geschäfte und Schikanen in vielen Fällen nicht zu umgehen sein." Die Oldenburger .Handelskammer seht auseinander, daß die Steuer in erster Linie die kleinen Inserenten treffen würde. »Sic müssen notgedrungen inserieren, um nicht zu sehr in den Schatten gedrängt zu werden." — Ter in der Vorlage hcrvovge- hvbcn« Gesichtspunkt, daß die Kleinen geschont werden sollen, während die Großen bezahlen, dürfte nach unseren Darlegungen nicht als stichhaltig gelten können." Deutsches Reich. Die „Kreuz-Ztg." teilt im Gegensatz zu dcil bisherigen Meldungen mit, daß der Text der Neu jahr sprcdigt iu der Schlvßka pelle gelautet hat: „Er aber, der Herr des Friedens, gebe euch Frieden allent halben und auf allerlei Weise." i-'. Thess. 8, 16.) Die Meldung ans Lübeck über einen Automobilunsall des G roßhcrz 0 gs von Mecklenburg-Schwerin ist unzutreffend. Zn den lehren Tagen ist überhaupt kein Automobil des Großherzogs unterwegs gewesen, und der Größt,erzog ist Dienstag mit der Bahn aus Gmunden über Berlin und Ludwigslust nach Schwerin zurückgekehrt. Wie aus Berlin verlautet, wird die Novelle zum R e i chs b a n k g c s ch in den nächsten Tagen in den Bun- dcsratsausschüssen und sodann im Plenum des Bundcsrats beraten werden. Wann sie im Reichstag cingcbracht wird, steht noch nicht sicher fest. Tic Verabschiedung des Ent wurfs in dieser Session ist jedoch nötig, weil über die Verlängerung des Bankgcschcs bis 1009 Beschluß ge faßt sein mutz. Die Novelle verfolgt den Zweck, die Bar mittel und die Widerstandskraft der Reichsbank nachhaltig zu stärken, um ungünstigen Folgen von Krisen vorzu beugen. Die diesjährige Hauptversammlung des Deutschen F- l 0 ttc nv e r e i ns wird in der Zeit vvm 2. bis 6. Juni in Kiel stattfinden. Für die Dauer eines Tages sind die Delegierten vvm Prinzen Heinrich zur Teilnahme an den Manövern der Hochseeslotte in der Ostsee eingeladen. Der italienische Botschafter in Berlin Panw hat dem Auswärtigen Amt den Dank seiner Negierung für die Entsendung der Kreuzer „Hertha" und „Victoria Luise" wie für die sonstige tatkräftige Hilfeleistung Deutsch lands übermittelt. China. Zn Amon sind amtliche Nachrichten über eine M enteret unter den chinesischen Truppen in der Mandschurei in der Nähe von Mulden cingegangen, wonach am vergangenen Lonntaa zwischen 1000 aufständischen Sol daten und regiernngstrenen Truppen ein Gefecht stattg, sllttdc» hat, bei dem die Ausrührer geschlagen wurden. Nach Gerüchten, die in Eingeborenenkreisen umlaufen, solle» die Regicruiigstrnvpcn geschlagen sein und 60 Mann ver loren haben, jo daß Verstärkungen verlangt werden. Die Aufständischen befänden sich, wie cs heißt, in einer unein nehmbaren Stellung: in Amon würde für sic geworben und pro Mann und Tag ein Dollar geboten. Kunst und Wissenschaft. !' Mitteilung aus dem Bureau der Köuigl. Hofthcatcr. Herr Kammersänger Bürrig n wird vor Antritt seines vertraglichen Amerika-Urlaubes noch die folgenden Par tien hier singen: Radamcs in „Aida" lheute Donnerstag, den 7. Zannars. Tristan in Richard Wagners „Tristan und Isolde" lMontag, den 11. Zanuar) nnd Matthias im „Evangelimantt" «Mittwoch, den 13. Zanuar). s- Köuigl. Hofthcatcr. -Zm Opcrnhause wird heute „Aida" gegeben: im S ch a n s p i c I h a u s e geht „Das Glück im Winkel" in Szene. s Ncsidcnzthcatcr. Heute „Die Förster-Christi" s Ccntral-Thcatcr. Heute „Der hrpscre Soldat", f Königl. Schauspielhaus. Frau Hermine Körner brachte als zweite Rolle die „Elga" in Gerhart Hauptmanns gleichnamigein Nacturnus. Was ihre Manna Vanna jo schön verhieß, hat ihre Elga glänzend erfüllt. Frau Körner ist mehr als eine treffliche Schauspielerin, sic ist eine Künstlerin von ganz hervorragenden Qualitäten. Das Ensemble des Königl. Schauspielhauses hat in den letzten Jahren manche wertvolle, nur teilweise ersetzte Kraft verloren, hier bietet sich Gelegenheit zum Gewinn einer Persönlichkeit, die interessiert. Eine Per sönlichkeit, die interessiert, das war es, was man oft mit Bedauern vermißte. In erster Linie steht selbstverständ lich die Dichtung und deren Wiedergabe durch ein harmonisch zusammengcstimmtes Ensemble, auch der minder mit Talent Be gabte kann darin zur Geltung kommen, aber das erhöhte Inter esse wird sich nicht der konventionellen Bravheit, sondern dem »uwenden, der etwa, zu sagen weih und jene echte Wandluna». Dpes-n-r Nachrichten. 7. Seite Ä. »» Donnerstag, 7. Januar 1SCS
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)