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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 25.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030425028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903042502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903042502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-04
- Tag 1903-04-25
-
Monat
1903-04
-
Jahr
1903
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Nachrrchte Sonnabend, 25. April IVO» »M Ar. 1L4 L Atzung bleibt jeder der Zentrale anaelchlossene Verein für seine eiaenen Arbeiten, wie für die Mitarbeit an der Zentrale völlig selbständig. Nur im Interesse der Sacke, der die Zentrale zu dienen veltrebt ist. loftd der Zusammenschluß dringend gewünscht. Seitens des Aruienamtes und der Wohlfahrt-Polizei erfreute sich die Zentrale des bereitwilligste» Entgegenkommens, sie suchte Fühlung zu gewinnen mit den ärztlichen Bezirksvereine» Dres den-Land und Dresden-Stadt: der erstere erklärte seinen Beitritt, der legiere bezeigte sein Wohlwollen durch die Mitteilung, daß den Einzelgliedern des Vereins die Bestrebungen und Wünsche der Zentrale eulpsoblen worden seien. Zur Gewinnung von Einzel- mitglieder» sind von der Zentrale fort und fort Werberuse aus- gesandt worden. Freude verursachte die Ueberweijuna von 100 Mark von unbekannter Seile. Die Zentrale erkennt beiAuSubung ihrer Tätigkeit immer mehr, wie sie nur durch Gewinnung vieler, durch den Zusammenschluß der einzelne» im stände ist, den von ihr ins Auge gefaßte» wichtigen Bestrebungen einigermaßen gerecht zu werden. Wie sie der Allgemeinheit zu diene» versucht, so er hofft sie auch von derselbe» freundliche Unterstützung. Beitritts erklärungen iMindestbeitrag jährlich 3 Mk.j werden nach der Ge schäftsstelle der Zentrale, Johannes-Allee 1. 2. Etage, erbeten. Die Geschäftsstelle ist täglich geöffnet, an den drei ersten Wochentagen von lO—ll Uhr. an den drei legten von 3—4 Uhr; die Svrech- imnden sind unentgeltlich für Fürsorger, wie für Fürsorge- bedürftige. — Der Bund der Evangelisch-lutherischen Männer» und Jüngling-vereine im Königreich Sachsen begeht am 10. Mai das Jubiläum seines 25jährigen Bestehens. Es soll damit, um etwas Bleibendes zu schassen, die Errichtung einer Stiftung für ein Erholungs- und Genesungsheim, sowie für ein Soldatenhelm in einer der größeren Garnisonen Sachsens verbunden werden. Für ersteres ist dem Bunde bereits ei» Wald- arundstück von 3000 Quadratmetern geschenkt worden In erster Linie sollen die Vereine des Bundes selbst zu der Inbilänins- siistuna beilragen. Er rechnet aber auch, da es sich hier um Einrichtungen zum Besten der männlichen Jugend handelt, aus die Hilfe aller wirklichen Freunde des Volkes und bittet, etwaige Beiträge an -Herrn E. Zacharias Kaulbachstraße 7. gelangen zu lassen. —* Die Rennen am koininenden Sonntag, den 26. April d. I. nachmittags 2Vs Uhr haben in der Reihenfolge des Pro gramms insofern eine'Abänderung erhalten, als der Preis von Griinina als drittes. Preis v'.n Reick als viertes, Dresdner Arniee- Iagd-Reimen als fünftes und Preis von Gruno als sechstes Rennen gelaufen werden. Der Sport scheint ei» sehr guter zu werden, trotzdem in Hamburg-Horn und Fraiikfuri a M. Rennen am selben Tage stattsindcn. Das Dresdner Arnice-Iagd-Reniien mit dem Ehrenpreis Sr. Majestät des Königs durste speziell in den Offizicrskrsisen die gewohnte Anziehungskraft ansüben. Noch- mnls wollen wir daraus Hinweisen, daß außerordentliche Mit glieder lBeitrag 30 Marks am Renntage selbst auf der Rennbahn nicht mehr ausgenommen werden können und muß die Anmeldung hierfür am Tage vor dem Rennen abends 8 Uhr im Sekretariat des Dresdner Rennoereins. Pragerstraße 6. I.. erfolgen. —* Zu einer Störung deS Stra ß en b ahnb et r i c bcs kam es heute vormittag gegen 8 Uhr auf der Linie Postplatz— Lenbc». Durch Bruch der Hinterrad-Achse eines mit Kohlen schwer beladenen Tafelwagens wurden die Gleise an der Ecke der Lö blauer- und Fröoel - Straße längere Zeit gesperrt. Es bedurfte großer Anstrengungen seitens zahlreicher -Hilfskräfte aus der rasch angesanimclteu Menschenmenge, um da? Verkehrshinder nis zu beseitigen. Der Weitertransport des beiseite geschobenen schweren Gefährtes ließ sich nur nach erfolgter Umladung bewerk stelligen. —* Polizeibericht, 24. Avril. Der am letzten Sonntag nachmittags in der Allee zwischen Leime- und Albrcchtstraße von einem Altstnckc E r > ch l a g e n e ist. wie sestgcstellt worden, ein 2t Jahre alter Kellner, der ini Großen Garten beschäftigt ge wesen war. —* Eine Brandstiftung, deren Urheber wahrscheinlich derselbe Unbekannte ist. der feil einiger Zeit hier sein Unwesen treibt, wurde gestern obend wieder in einem Hause der Bautziikr- ftraße versucht. Blau fand rusällig beim Begehen des Boden rc»l»ieS unter einem Kleiderschranke mir BrennipirituS getränktes Zeitungspapier, das verkohlt, demnach beim Hinlegen angebrannt. glücklicherweise aber von selbst wieder verlöscht war, ohne das Hvlzwerk zu erfassen. —* I» einer Kaffecstube auf der Gerbergasse versuchte sich gestern nachmittag ein junger Mensch durch de» Genuß eines Reiz mittels zu vergiften. Man schaffte ihn ins Stadtkra»kenha»s. —* Die Altstädter Molkerei und M i l ch k ura n st a l t. G. Winkler Nachfolger Paul Reh. Hoflieferant, Rcit- balinstraße 17, erhielt auf der diesjährigen Berliner Ausstellung. Für alle Gebiete der Volkswvhifahrt. aus ihre ausgestell ten Produkte die höchste Auszeichnung: Ehrendiplvm zum Ehrenkreuz und goldene Medaille. Bekanntlich hat sich genannte Firma auf dem Gebiete der Milchhhgiene mehrfach hervorgetan. —* Oberlandesgericht. Als eine prinzipielle Ent scheidung dürste ein Urteil des Strafsenats des sächsischen Ober- iandcsgerichts in der Strafsache gegen den Arbeiter Heinrich Wilhelm Weigel in Scheibenberg betrachtet werden. Dem Ge- nannten war im Lause des lehtverflossenen Sommers vom Stadt- rare zu Scheibenberg der Besuch von öffentlichen Gast- und Schankwirtschasten verboten worden, weil er seine Abgaben für das Jahr 1900 noch nicht entrichtet hatte. Am 27. Oktober o. I. Bitte W. aber doch in Schlettau, wohin er inzwischen verzogen war. ein Bierlokal aufgesucht und deshalb eine polizeiliche Straf verfügung erhalten, dagegen aber Einspruch erhoben. Das Schössen- gericht erkannte aus Freisprechung, weil das Verbot durch den Verzug des W. nach einem anderen Orte aufgehoben worden sei. Auch das Landgericht war der Ansicht, daß für ein solches Ver bot sie Drtszugeböriakcit erforderlich sei. und oerwaZ die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung. Tie Anklagebehörde meldete nunmehr Revision an. die der Oberstaatsanwalt Gras Vttzil^iim o. ^Eckstädt damit begründet, daß weder das Regulativ der Stadt Scheibenberg, noch das diesem zu Grunde liegende Gesetz vom 21. Avril 1884 einen Anhalt für die Recktsaufsassuiig der beiden Borinstanzen gebe. Nach 8 7 des erwähnten Regu lativs erlösche das Verbot nur nach Zahlung der schuldigen Ab ab«»: r» mache keinen Unterschied »wischen Eücheimischen und remden. jandern nur zwischen Bewohnern de- Guts bezirke- und er Gemeinde Scheibenbera. Der Zweck de- Gesetzes sei der. Säumige zur Zahlung anzuhalten. Seinem Anträge gemäß wird unter Aushebung de- angefochtenen Urteils die Sache zur ander- weiten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen und zur Begründung ausaeführt, dab man der Auffassung des Landgericht- nikht beigetreten sei, de»» die Au-legung des fraglichen Regulativ- durch da- Landgericht fei eine zu enge. Die Ansicht, daß das Verbot durch Wegzug erlösche, sei nicht begründet. Eine Er löschung trete außer selbstverständlichen Gründen, wie Berjährui nur nach Zahlung ein. Im übrige» habe man die Sache noch nicht für spruchreif erachtet, we-halb da- Landgericht weitere Erörte rungen anzustellen habe. — Wegen öffentlicher Beleidigung war der Geschäftsführer der Fabrik pharmazeutischer Wässer Wilhelm Anhalt. Aktiengesellschaft mit beschränkter Haftpflicht in Kolberg, Wilhelm Ramm, vom Schöffengericht Leipzig zu 100 Mark Geld buße oder 10 Tagen Gefängnis verurteilt und dem Beleidigten, dem Kaufmann Emil Bardoss in Leipzig, auch die Publikatioiis- besugnis zugesprochcn worden. Vom Landgericht Leipzig wurde das Urteil bestätigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Kolberger Fabrik im Mai v. I. an ihren aus etwa 120 Grossisten bestehenden Ku»denkreis ein Zirkular versandt, in dem diejenigen Firmen namhaft gemacht wurde», an welche kein ,Javai" — die genannte Fabrik »erkauft solches nur gegen Revers - mehr abgegeben werde. Versehentlich gelangte ein solches Rnnd- chreiben auch an den Privatkläger Bardoss, dessen Geschäft eben- ialls zu denjenigen gehörte, die kein „Javol" mehr geliefert er- »iclten. Letzterer fühlte sich beleidigt und stellte Strafantrag gegen den verantwortlichen Leiter der Kolberger Fabrik, Ramm, da die in dem Zirkular gemachte Mitteilung den Anschein er wecke. als ob sich die namhaft gemachten Geschäfte eines unsoliden, mit den kaufmännischen Sitten nicht zu vereinbarenden Gebarens schuldig neniacht hätten. Die vom Beklagten eiimelegte Re vision rügte zunächst, daß die landgerichtlichen Feststellungen nicht den tatsächlichen Bcrhältnisse» entspräckfcn, und weiter, daß der Begriff „Wahrnehmung berechtigter Interessen" verkannt worden ei. Schließlich richtete sie sich gegen die Publikationsbesuanis, die zu Unrecht ausgesprochen sein sollte, weil von einer öffentlichen Beleidigung nicht die Rede sein könne. T-as Zirkular sel nur für einen beschränkten Kreis vo» Personen bestimmt gewesen. Wenn nun auch ein offenes Kuvert benutzt worden sei, so sei dieses nebst Inhalt doch immer nur für eine Person, den Adressaten, bestimmt. Nach einer Entscheidung des Reichsgerichts wäre selbst eine offene Postkarte nicht als ein öffentliches Schreiben anzuschcn, weil außer dem Empfänger kein anderer das Recht habe, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das Oberlandesgerickt erkennt aus Verwerfung der Revision, weil diese ich in der Hauptsache nur gegen tatsälllliche Feststellungen, der Borinstanz richte, dies aber unzulässig sei. Materiell rechtlicher Natur sei nur die Rüge betreffend der Oeffentlichkeit, insoweit habe man aber der Ansicht des Landgerichts beltrctcn müssen. —* Aintsgerich t. Der 18jäbnge Ardeilsbursche Paul Ernst Johannes Dobski hat eine ganze Reihe Straftaten abzurechnen. Sei nem Arbeitstier,» unterschlug er in drei Fällen zuiammen 8L5Mk.. entwendete ihm daraus auS der Ladenkasse und einem Schranke 1,50 Mk.. verübte in vier Fällen kleine Betrügereien, die ihm im ganzen 2.75 Mk. eintnigen. und endlich sollte er 50 Ml. als Darlehen u»ter schwindelhaften Angaben auszunehmeu versucht haben Nur teilweise räumt er seine Schuld ein, weswegen zur Feststellung des Tatbestandes die Vernehinuim einiger Zeugen sich notwendig macht. TaS Urteil lautet aus 1 Monat Gefängnis. — Der Kutscher August Pani Urban halte am 20. März beim Ab fuhren vo» Kohlen ani Elbufcr bei Cotta von seinem zmeiivännige» Wagen vier Schaufeln Kohlen geworfen, die dann zwet Schul- knaden in ihren mitgesührten Korb rafften. Den Vorgang halte ein Gendarm bemerkt, der den Vorfall zur Anzeige brachte, worauf gegen den Kutscher Anklage wegen Unterschlagung erhoben wurde. Urban führt zu seiner Verteidigung an. das; der Wagen zu voll geladen war, weshalb die Kohlen, die aus der Fahrt herunter gefalle» wären, hätten entscrnt werden müssen, da er sonst einer Bestrafung nach der VerkehrSordnung für dte Stadt Dresden, zu lxer Cotta bekanntlich gehöre, eiitgegengeaangen wäre. Als der Gendarm aus der Blldsläche erschien, schütteten die Knaben ihren Korb um und entflohen. Der Kutscher brachte hieraus die strittige Menge Kohlen, deren Wert auf 10 bis lö Pig. geschätzt wird, in den« Sitzkasten des Wagens unter. In der Er wägung, daß er ans Mitleid zu de» Kindern gehandelt hatte und das; die Kohlen übrigens itnem Besitzer wieder zimeführt wurde», erkennt das Gericht auf 5 DU. Geldstrafe oder 1 Tag Gefängnis. —' Wetterbericht der Hamburger «erwarte vom 2t. April. Das Maximum des Luftdrucks mit über 788 Mm. bedeckt Jnnerrnbland, cin Minimum unter 7«1 Mm. lagert an der westdenliihen Küste Dcuisch- land bat an der Nordsee ltarkc Nordost-, im Binnenlande schwache südwest liche Winde. Das Wetter ist trübe, im Norden wärmer, im Süden kälter : allcnibnlbcn ist Ziegen gefallen. — Wahrscheinlich ist trübes Weiler mit Negensällen. UN . dl- «Ließ, unerwartet in den sckwaderschiffe, die Linienschiff« udunar» aus der Ostsee abk Kieler Krieg-Hafen eingelaufen. X lieber einen neuen Fall von „Sozialdemokratie bei Hose" wird der ,/Dtsch. Zig " au- Anhalt berichtet: Der dortige Minister v. Dallwitz, seit dem Februar in diesem Amt. früher kana>- gegnerischer Landrat und dann Vortragender Rat im preußischen Dtlnisterillm des Innern, aab ein parlamentarische- Abendessen, Amtliche Bcka»litinlichungcn. Die OrtSgcsetze und die dazu gehörigen Bebauungspläne ür „Altstadt Süd", „Flur Räcknitz" und „Flur Zschertnitz" ind vom Rate mit Zustimmung der Stadtverordneten sestgcstellt und vom König!. Ministerium des Innern genehmigt worden. Vom 27. April wird die südliche Fahrstraße im Markgraf Heinrich-Platz und die Gei sing stra ß e, zwischen der Schaiidaucr Straße und dem Markgraf Heinrich-Platz, sowie vom 4. Mai d. I. ab die nördliche Fahrstraße im Markgraf Heinrich- Platz und die Merseburger Straße, zwischen dem Markgraf Heinrich-Platz und der Tittmannstraße. die Kaitzer Straße, zwischen der Coschützer und Pestitzer Straße, und die Karolinen- ftraße, zwischen dem Mbert-Platz und der Ouer-Allcc, wegen Erneuerung der Schotterdecke aus die Tauer der Arbeiten für den Fahr- und Rcitverkehr gesperrt. Tagesgeschichtc. X Deutsches Reich. Infolge des ungewöhnlichen, durch den Nordweststurm verursachten hohen Seeganges mußten die Ge- „ in Essen zogen ^ sprach. Der Erbprinz sprach auch den Abgeordneten Vöus. der mit seinem Genossen Voigt erschienen war. an: «r erkundigte sich, wie lange PöuS schon in Dessau wohne und ob die Landtagv- sitzungen „och lange dauern wurden. Pöu» bejaht« die- und fügte hinzu, daß er und seine Freund« ja so viel auf dem Herzen hätten Dazu bemerkt da« Blatt: „Man sicht, auch hier ist die Monarche toleranter und höflicher gewesen, als die republikanische Demokratie. Aber in der Politik können schätzenswert« menschlich« Tugenden zu Fehlern werden, und schwerlich hat Herr v. Dallwitz die Zu stimmung seiner früheren Parteigenossen dazu, daß er die beiden Sozialdemokraten sozusagen bei Hofe vvrgestellt hat. Wir »er- kennen nicht, daß in der Aufnahme der Sozialdemokraten in die Hof- und ministeriellen Kreise, um es schroff auszudrücken, ein Moment politischer Korruption liegen kann. Die rötesten Schutz brillen schützen nicht vor dem blendenden Schein ministerieller oder zar fürstlicher Huld. Auf der anderen Seite ist doch zu berück- ichtigen. welche Macht nicht nur im Beamtentum, sondern auch onst in sehr vielen Kreisen das AutoritötSgesühl noch besitzt. Stellt ich die dynastische Autorität nun der Sozialdemokratie nicht schroff entgegen, sondern duldet sie, so wird das vielfach wie eine Erlaubnis wirken, sozialdemokratisch zu wählen. Und dann ein Zweites: Ehrgeizige Leute aus Höheren Kreisen sind wohl bei der Sozial- demokratw eingesprimgen, weil sie hoffen durften, da rasch zu An sehen und Einfluß zu kommen. Aber im allgemeinen bedeutete ein solcher Schritt doch die Zerreißung von zahlreichen gesellschaft lichen und auch Familienveroindungen. Uebertnscht man jetzt die Tatsache, daß die Sozialdemokratie der unversöhnliche Feind des nationalen, monarchischen, aus individualistischer Wirtschaftsord nung ruhenden Staates ist, durch harmlose Höflichkeit und durch die Gedanken verschleiernde Sprache^des Salons, so wird man manchen Elementen die Bah» zur Sozialdemokratie freimacken, die ihr durch flache Intelligenz oder tiefen Geldbeutel nützlich sein können. Ucber die Zehntausend!; von Mark wird dann im „Vor wärts" nicht mehr unter Chiffre quittiert werden." X Der Terlinden-Prozeß beginnt bei dem Duis burger Schwurgericht am 30. Juni und wird etwa zwei Wochen dauern. x Oesterreich. Infolge der in Ubnow anSgrbrockenen Un ruhen. bet denen mehrere Inden schwer verletzt wurden und viele sonstige Gewalttätigkeiten vorkamen, ist dort Militär ein- getroffen. x Frankreich. Präsident Landet ist in Algier wieder ein« getroffen. X In der Sitzung deS Generalrates des Departements Sarthe, in der Eavaignac den Vorsitz führte, kam es zu einem ernsten Zwischenfall. Als der Generalrat in die Beratung eines Antrages betr. d>e von der Regierung gegenüber den Kongrega tionen befolgte Politik eintretcn wollte, verließen der Präfekt und die repbulikanischen Mitglieder den Saal. Das im Saale anwesende Publikum brach in stürmische Hochrufe auf die Republik aus. Die Sitzung mußte aufgehoben werden. Als Eavaignac das Gebäude verließ, veranstaltete die vor dem Gebäude vcr- sammelte Menge eine lärmende Kundgebung. Die Menge wurde von der Polizei auseinandcrgetrieben. — Die Ausweisung der Franziskaner in Nimes gab Veranlassung zu einer Kund gebung. Die Menge mußte von berittenem Militär ausein- andcrgetrieben werde». Bei den Kundgebungen hielten die Mönche an die Menge eine Ansprache, die mit Hochrufen auf die Freiheit beantwortet wurde, während die Sozialisten die Internationale anstimmten. Es kam zu einer heftigen Schlägerei, bei der 12 Per sonen verhaftet wurden. Auch in Le Havre kam es zu lärmenden Kundgebungen für und wider die ausgewiesenen Kongregationisten, sie schließlich >n Raufereien ausarteten. 21 Verhaftungen wurden voraenommen. Ferner fanden in Poitiers aus Anlaß der Verurteilung der bei den letzten Unruhe« Verhafteten aber mals Kundgebungen statt, bei denen fünf Verhaftungen vor genommen wurden. X Italien. Die Grundsteinlegung für das Goethe-Denk- mal in Rom findet am 6. Mai in Gegenwart des Kaisers, der Prinzen, des italienischen Königspaares und der Behörden statt. Die Stadt gibt ein Gartenfest auf dem Monte Pincio. Der Bürgermeister Colonna bat auf eine Eröffnung Ebcrleins, daß der Kaiser die Kosten der Grundsteinlegung zu übernehmen wünsche, diese der Stadt zu überlassen. x Rußland. Bei einem Zuiainmcnstoße der Soldaten und Matrosen tn Kronstadt soll es sich uni einen förmlichen Kampf gehandelt haben. 2000 Mann standen sich angeblich gegenüber. Viele Tote und Verwundete gab es. Auch der Kommandant von Kronstadt, der Vizeadmiral Macarow, soll verwundet sein. Dem „Lok.-Anz." zufolge wurde» im Kampfe M Mann totgeschlagen. X Än Hclsingsors sFinlandj fanden verschiedene Haus suchungen statt, u. a. bei dem Baron Born in Sarolaks. dem Advokaten Caftren und bei der Mutter des Barons Born in Helsingfors. Born wurde wegen einer Strafe von 30000 Mk. gepfändet, zu der er verurteilt worden war. weil er als Vorsitzen der der Stadtoerordncten-Versammluna anläßlich der Soldaten- ausschreibung unterlassen hatte, die Stadtverordneten einzuberufcn. x Asien. Eine Depesche des „Reuterschen Bureaus" aus Peking meloet. Rußland habe China benachrichtigt, daß eS keine weiteren Schritte zur Räumung der Mandschurei tun werde, bis China ein Abkommen unterzeichne, durch daS eS Rußland die Souveränität über die Mandschurei in Wirklichkeit obtrttt und andere Nationen vo» dem Lande ausschließt. Prinz Tichina habe die russischen Bedingungen adgelehnt. Die Depesche meldet ferner, daß der Hot in die verbotene Stadt zurückgekehrt sei. x Afrika. Die letzten Nachrichten auS Fez (Marokko) lauten befriedigend. Nur wenige Europäer in untergeordneter Stellung werden den Hof verlassen. zurück, und selbst der Protz füblt sich hier einigermaßen geniert. Berlin ist keine Stadt des Luxus und wird es sobald nicht wer- Sen. Es ist bis aus weiteres eine Stadt ernster, strenger Arbeit, und deshalb ist ihr der Prunk immer nur äußerlich ausgeklebt. 'Auch der Glanz der Korsofahrt hastet nicht tiefer und wird aller Voraussicht nach sehr schnell wieder verschwinden. Während man sich in unseren Svortlreiscn bemüht, einem Korio auf die Beine zu Helsen, droht einem plebejischen Beförde rungsmittel der Untergang. Es wird allen Ernstes behauptet, daß die Tage unserer lieben alten Omnibusse gezählt seien. Tat sache ist ledenfalls, daß die beide» hiesigen Omnibiisaesellschaften von Jahr zu Jahr schlechtere Geschäfte machen und daß in den längsten Generalversammlungen schon das ominöse Wort Liqui dation geiprochen wurde. Dazu wird es wohl schwerlich so bald komme». Der Omnibus hat allerdings >>n Berliner Verkehrs leben nie die große Rolle gespielt, wie im Pariser oder Lon doner. Der Hauvtgrund ist. daß hier das Straßenbahnnetz außerordentlich weit und dicht ist und sich aus fast alle Teile der Stadt, auch der inneren, nahezu gleichmäßig erstreckt. Ter andere Grund ist darin zu suchen, daß hier die Omnibusse auf engere Kreise angewiesen sind, als in Paris und London. Das kommt bezeichnenderweise daher, daß >m Gegensatz zu den Straßenbahnen der Omnibus als Beförderungsmittel für Offi ziere verpönt ist und infolgedessen auch für alle, die etwas Besseres fein wollen oder sich zu sein dünken, als nicht vornehm genug gilt. Leshalb ist hier der Omnibus allgeniein das Vehikel des „kleinen Mannes" und wird vorzugsweise von Handwerkern, Arbeitern, Marktfrauen und Soldaten benutzt, trotzdem namentlich die neuen „ssenen Sommerwagen einen weit angenehmeren Aufenthalt bieten, als die geschlossenen plumpen Wagen der elektrischen Bahnen. Dennoch dürfte sich der Omnibus nach einer zweck mäßigen Reform auch hier noch immer als lebensfähig erweisen. Er ist wenigstens vorläufig noch eine unentbehrliche Ergänzung der Straßenbahnen und der Stadt- und Hochbahn. Man müßte nur für eine durchweg praktische Linienführung sorgen. Dann würden sich die Omnibusaesellschasten über einen Gewinnrückgang nicht mehr zu beklagen haben. Freilich, das Berliner Beförderungsmittel der Zukunft steht unter der bekannten Devise: „Nicht drüber weg, sondern unten durch!" Untergrundbahnen werden allein imstande seist, den ständig wachsenden Berliner Verkehr unter der unumgänglich erforderlichen Entlastung der Berliner Hauptstraßen zu be wältigen. Spät, aber sicher hat sich diese Erkenntnis auch bei unseren Behörden Bahn gebrochen und nunmehr soll ja auch mit der Verlängerung der Untergrundbahn vom Potsdamer Platz aus nach dem Alexanderplatz Ernst gemacht werden. Damit wird erst die bisher im Torso gebliebene Hoch- nud Untergrundbahn in das eigentliche Herz der Stadt gelangen. Gewinnt sie dann noch von dort aus die Verbindung mit dem Norden, dann wird vor der Hand der Kreis geschlossen und jedermann in der Lage sein, billig, gut und namentlich schnell von den verschiedensten Außenseiten in das Innere der Stadt und umgekehrt zu gelangen. Wie sehr nötig dies ist, beweist ja die ganze Entwicklung von Groß-Berlin, das wir zwar gesetzlich noch immer nicht haben, das aber tatsächlich längst vorhanden ist. Paul Lindau bat vor etwa 20 Jahren einen Roman unter dem treffenden Titel: „Der Zug nach dem Westen" veröffentlicht. Er schilderte darin, wie die Berliner Familien, sobald sie cs zu Wohlstand und Vermögen gebracht haben, aus dem Zentrum der Stadt hinausstreben nach dem vornehmen Westen. Dieser damals vorhandene Zug, der die bauliche Entwicklung Berlins vor einem Vierteljahrhundert be herrscht und bestimmt hat. ist inzwischen längst überholt worden. Ter Westen ist längst bis auf vas letzte Plätzchen bebaut und die Mieten find hier teurer, als irgendwo, und für die meisten einfach unerschwinglich. Dazu kommt, daß das Zentrum im weiten Umkreise mehr und mehr ausschließlich Gefchästszwecken dient, wie die Londoner City, und die Privatwohnungen dort nahezu verschwunden sind. So heißt denn feit längerer Zeit die Lofung: „Flucht aus Berlin!" Die Borote, hauptsächlich die west lichen, aber auch alle anderen, insbesondere die nördlichen und östlichen, die vorzugsweise die Berliner Arbeiterbevölkerung auf nehmen, wachsen geradezu unheimlich an. während die Berliner Einwohnerzahl sich dem Stillstände nähert, der hier mehr, als in anderen Fällen, den Rückgang bedeutet. Während Berlin im ver flossenen Jahre mit rund 1860 000 Einwohnern nur eine Zu nahme von einem Prozent z» verzeichnen hatte, und einzelne ältere Stadtteile im Innern fast eine Entvölkerung aufweisen, haben die Vororte durchweg ganz erhebliche Zunahmen erfahren, einzelne im Westen bis zu 14 Prozent. Treptow im Osten, bekannt durch die letzte Berliner Gewerbe-Ausstellung, sogar 21 Va Prozent! ES sind nicht weniger als 27 Vororte, di« sich um Berlin berum- gclegt haben und unter denen sich bereit- Großstädte befinden, wie Charlottenburg mit 200 OM Einwohnern. Schöneberg. vor 30 Jahren noch ein Kartoffel- und Milchdorf, mit 107 OM und Rixdors mit 102 OM Einwohnern. Vor 500 Jahren war dieses Nixdors eine Ortschaft von 25 Hufen, dem Johaimiterorden untertan. Dann wurde es Berlin-Köllnisches Kämmereidorf und war nach den Schrecken des 30jährigen Krieges gänzlich ausge- storbcn. Dann entwickelten sich mit der Zell zwei gesondert organisierte Dörfer, ein deutsches und ein — böhmische-. 1737 hatten sich Kolonisten aus Böhmen hier «ingefunden -- -halb nackend, zerrissen und elend", wie sich ein Lokalchroaist ausdrückt — und hatten sich in Rixdors niedergelassen. Bor hundert Jahren zählten diese beiden Dörfer zusammen höchsten- 1M0 Bewohner, die sich kümmerlich nährten. Sie konnten damals nicht ahnen, daß die mageren Schollen, aus denen sie recht und schlecht hausten, ihren Enkeln und Urenkeln einst um Millionen abgekauft werden würden. Die Nachkommen der biederen Kolonisten au- Böhmen, wie der Bauern aus Deutsch-Rixdorf sind heute stolze Millionäre, deren Töchter Offiziere heiraten und deren Söhne bei den kost- spieligsten Garde-Regimentern ihr Jahr abdienen. In Rixdors bat sich eine großartige Industrie entwickelt, insbesondere gibt es hier die grüßten deutschen Linoleum- und Lack-Fabriken, demgemäß natürlich auch eine starke Arbeiterbevölkerung, die nicht gerade einen guten Rus genießt, da sie bedenklich mit Vertretern der schlimmsten Verbrecherwelt durchsetzt ist. Neuerdings haben sich die Verhältnisse woh! wesentlich gebessert. Aber vor noch nicht gar zu langer Zeit pflegte die Berliner Kriminalpolizei, wenn ihr ein besonders frecher Einbruch gemeldet wurde, in erster Linie unter den „schweren Jungen" Rixdorss Umschau zu halten. Jeden falls ist Rixdors heute eine selbständige Großstadt, und dem selben Ziele nähern sich noch etliche Berliner Vorote. Bon den mehr als zweieinhalb Millionen Seelen von Groß-Berlin wohnen mehr als der fünfte Teil in eigenen, selbständigen Gemeinde- Wesen rinaS um Berlin. Und diese Flucht aus Bmin dauert an und wächst beständig, denn immer größer wird die Sehnsucht der Millionenstadtmcnschen, dem einengenden Häusermeer zu ent- fliehen und sich da niederzulassen, wo sie wenigsten- noch «in Söck chen freien Naturlebens zu sehen bekommen.
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