Volltext Seite (XML)
«a 1« d« Expedition: Martrnstrage 1». für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredactrur Theodor DroLifch. M«. LSL Freitag, den 1. Mai 1863. Dresden, den 1. Mai. — f Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 29. April. (Schluß) Der heutige Gerichtstag, bestimmt zur Fort führung des Prozesses gegen den Tischlermeister Uhlemann aus Tharandt wegen Brandstiftung, beginnt mit Abhörung der vie len Zeugen, die leider zumeist gegen den Angeklagten aussa- gen; namentlich bekundet der erste abgehörte Zeuge, daß, als er beim Brande retten wollte, Uhlemann gesagt habe, hier werde nicht gerettet, hier sei Alles verschlossen. Sehr gravirend äußerte" sich der Geliebte des Dienstmädchens Uhlemann's, der Fleischergeselle Uhlich, der ebenfalls im Erbgericht, aber im an stoßenden Wohngebäude bei seinem Meister in Arbeit stand. Cr meint, als er mit dem Briefträger Hornemann im brennen den Hause die Treppe hinaufeilte, da sei noch viel Zeit zum Retten gewesen. Bemerkenswerth ist der Umstand, den hierbei Hr. 0. Schaffrath erwähnt. Es hat nämlich Alles bei dem Feuer nur an's Retten gedacht, aber Niemand an's Löschen. Kein Einziger dachte daran, mit Wasser auf den Boden zu ge hen und zu löschen. Zur Situation sei noch bemerkt, daß das Feuer gerade auf dem Bodenräume über Uhlemann's Wohnung herausgekommen. Dieser Bodenraum ist getheilt. In der einen Hälfte war Heu und Stroh aufgespeichert, in der andern, die dem Uhlemann gehörte, lagen eine Menge Hobelspäne. Uhle mann erzählt, er habe schon früher einmal Licht in seiner Bo denkammer gesehen und gefragt, was denn das sei. Er sei auch hinaufgegangen, habe nachgesehen, aber Niemand gefun den. Der Handarbeiter Hoffmann aus Tharandt hat den Be schuldigten in der Nacht auf einer Tonne sitzen sehen, ebenso gesehen, wie Letzterer den andern Tag auf der Brandstätte nach dem Gesangbuche mit den darin liegen sollenden 25 Thalern gesucht habe. Hoffmann hat beim Ausräumen der Werkstätte mitgeholfen und bekundet, daß Alles gerettet worden sei, was aber Uhlemann in Abrede stellt, denn es fehlte viel. Er meint, da müßte es gestohlen worden sein. Der jetzige Inhaber des Gasthofes zum „Deutschen Hause" in Tharandt, das an die Brandstätte grenzt, erzählt, wie Uhlemann einige Tage vorher mehrere eben erst angefert'gte Tische zu ihm gebracht, um sie dort unterzubringen, weil er in seiner Behausung keinen Platz habe. Nach andern Angaben soll er die Tische deshalb aus seinem Hofraume fortgeschafft haben, weil zu viel Ruß auf die neu gestrichenen Platten gefallen sei. Die auf Pfänder lei hende Louise Lindner erzählt, daß er bei ihr für 7 Thlr. eine goldne Taschenuhr und Ring versetzt, später noch für 14 Thlr. eine Menge Wäsche. Letztere habe er noch nicht eingelöst, Wohl aber die Uhr. Der Schuhmacher Zähringer, der mit einer der tiefsten Verbeugungen, die ich je gesehen, vor den Gerichtshof als Zeuge hintritt, erklärt, daß Uhlemann ihm während des Brandes weniger erschrocken als gleichgiltig erschienen. Auch soll er beim Feuer hin und her gehorcht haben, was die Leute über die Entstehung des Feuers eigentlich dächten. Ein Mau rermeister, der zugleich Gerichtsschöppe und Taxator in Tha randt ist, hat dm Beschuldigten Während des Brandes ruhig längere Zeit auf dem Sopha in einer Schankwirthschaft sitzen sehen Der nicht aufzufinden gewesene Kellner Fried. Böttcher hat am 25. Novbr. vor dem Gerichtsamt Tharandt ausgesagt, daß er am 4. Novbr. von Uhlemann noch eine goldene Kette gekauft, sie aber nicht bezahlt habe, weil er nicht bei Gelds gewesen. Hierauf ergriff Hr. Staatsanwalt Heinze das Wort und erörterte noch einmal den Thatbestand, wie er sich in Be zug auf den Vertrieb der Kopenhagen er Maaren-Lotterieloose, ferner auf den Betrug gegen die Feuerversicherungs-Gesellschaft Providentia und endlich auf die Brandstiftung selbst in der langen Untersuchung herausgestellt. Es kommt dabei wesentlich das Verhältniß des Angeklagten Uhlemann zu dem Dienst mädchen Künzel in Betracht, die zu wahrheitswidrigen Aussa gen verleitet und bestimmt werden sollte. Ort und Zeit des Brandes schneiden ganz und gar die Möglichkeit ab, daß ein Anderer als Uhlemann Urheber der Brandstiftung sein könne. Hr. 0. Schaffrath hielt nun eine kurze aber kernige Rede, in der er nachwies, daß von einer Verurtheilung Uhlemann's we gen Brandstiftung gar nicht die Rede sein könne, da die Mög lichkeit nachgewiesen ist, daß das Feuer auch auf andere Weise herausgekommen sein könne. Darüber sei also nicht mehr zu sprechen. Was das kleine Polizeivergehen betreffe, daß er näm lich die dänischen Loose vertheilt, so sei dies nicht wegzuleug nen und lasse sich dagegen nichts thun. Was aber die Be schuldigung anlange, Uhlemann habe die Providentia betrogen, daß er falsche Jnventarien angegeben, so fehlt hier der objek tive Thatbestand dazu, denn Vorspiegelungen seien wohl da, nicht aber Verheimlichung. Um 7 Uhr erfolgte das Urtheil: Uhlemann wurde wegen Brandstiftung vollständig freigesprochen. Wegen versuchten Betrugs gegen die Versicherungsgesellschaft Providentia erhielt er 5 Monat Arbeitshaus, wovon I Monat als schon verbüßt angerechnet wird. Wegen Verbreitung der dänischen Loose wird er mit 4 Wochen Gefängniß und 5 Thlr. Geldbuße bestraft. — Oeffentliche Sitzung der Stadtverordnete«. Nachdem das Collegium in der Frage über die Durchführung der Ammonstraße nach der Tharandterstraße zur Anwendung des Expropriationsverfahrens seine Zustimmung ertheilt hatte, ist die Angelegenheit gegenwärtig so weit gediehen, daß die Mittel zur Ueberbrückung der Weißeritz und den damit in Ver bindung stehenden Arbeiten verfügbar gemacht werden müssen. Der Stadtrath postulirt hierzu eine Summe von circa 6400 Thaler. Die Finanzdeputation wird die Angelegenheit prüfm. — Ein Antrag des Herrn Ersatzmann G. A. Müller, dahin gehend, daß der Würde der Stadt Dresdm angemessen die Parochialanlagen küuftighin nicht, wie bisher, im Sommer halbjahre, sondem im 1. Termine zugleich mit den Stadtan lagen erhoben werden möchten*), wurde, da ihn nur der An- *) Hauptsächlich motivirt wird, wenn wir recht verstanden, der Antrag dadurch, daß bei der jetzigen Einrichtung di« Leute, welche de« Vergnü gen« halber im Sommer auf hem Lande wohnen, von her Erstattung der Parochialanlage frei seien,