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71. Jahrgang. AS 4S2 Abeno-Uusgabe Freitag« 1. Oktober 192« Gegründet 1888 DraktcmIchrMi »echrtchi.« Drestes. Sernlprecher-Sammelnummeri 20 2<41. Dur siir Nachlqetpritch», 20 Oll. vom l. dt» 1». Oktober I92K d«> tätlich iweunuüoer Jultellung ireikau» l.SOWK L)LzUg5 * WLl>Ul)t PoI1d«,ua»pret» lür Monat Oktober 3 Mark okn« Poitjuftellungsgediidr. »»ä»>«»»«e» Id Plennt». Di» Anzeigen werden nach Soldmark »»rechnet: di» »intoalttg» 30 mm drett, Anzeigen-Preise: "LS^L'Äo"' aukerdald 200 Pta- ONertenaedukr 10 Vs«. Ausw. lluttrila» oeoen Aornusdrzakl. Schrillleitung und kauptgetchStisstei:». M»rt»»Itr»>,' SS42. Druck u. Verla, oon lltrolch » Netchardt in Dreiden. PoNIcheck-Konto 1OSS Dredden. Nachdruck nur mit deutlicher Suellenanaad» .Dresdner Nachr " cutLIItg. Unv»rtnnq>» SchritMuck» werden nickt dutbewakri. Pitseisli Mel die Mieru»,. Finanzminister a. D. Zdziechowsti von Offizieren in seinem Haufe überfallen. Die deutsche amtliche Handelspolitik und die Rohjlahlgemeinschask. - Slresemann aus -er voiksparleitichen Tagung in Köln. Der Auitrag -es Staatspräsidenten. Warschau. 1. Okt. Heute vormittag um 11.118 Ul,r erhielt Marschall Pilsudski den Auftrag vom Staats präsidenten. eine Negierung zu bilden. Fr Kat diese» Auftrag angenommen und sich vcrpslichtet. innerhalb 21 Stunden die Ministcriistc vorznlcgen. (T.-U.t Die Rache siir Zdziechowskis Angrisse auf Bartei. Warschau, 1. Oktober. Heute morgen erbrachen etwa 15 bewassnete polnische Ossizicrc in voller Uni- sorm die Tür zur Wohnung des national-demokratischen Führers und früheren Finanzministcrs Abgeordneten Zdzic- chowlki und drangen in das Innere der Wohnnng ein. Den Diener des Abgeordneten bedrohten sie mit dem Revolver, während andere anf den Abgeordneten Zdziechowski derart einschlugcn, dah er die R e s i n n u n g verlor. Dann legten die Offiziere im Wohnzimmer eine Bombe nieder, die ein sehr stark riechendes Gas auSströmte. und verliehen daraus die Wohnnng. Dem Diener gelang cs. noch rechtzeitig die Bombe -» entfernen. Ein hinzugczogencr Arzt stellte fest, dah der Instand Zdzic- chomskis zu ernste« Besorgnissen keinen Anlast gebe. ES wird angenommen, dast der von den polnischen Osfizicre» verübte Ueberfall auf eine Rede Zdzicchowskiö zurüikznführcn ist, in der er scharf gegen das Kabinett Bartel Stellung genommen hat. tW. T. B.) Der Inhalt -es russisch-litauischen Vertrages. London, 1. Okt. Ter Text des kürzlich abgeschlossene» russisch-litauischen Vertrages, der aus sieben kurze» Artikeln besteht, wird heute verössenllicht. Der erste Artikel stellt fest, dast die Beziehungen der beiden Länder ans der Basis des am 12. Juli 1!>2l> i» Moskau nntcrzeichncte» soivjetrussisch - litauische» Fricdcnsvcr - träges fortdaucrn sollen und dast alle Bestimmungen gültig und nnverletzlich sind. (Diese Klausel wird anSgelegt als die Anerkennung Wilnas als litauisches Gebiet durch Svwjctrustlaud.) Im zweiten Artikel verpflichten sich die Vertragsparteien gegenseitig, die Souveränität und territoriale Integrität unter allen Umständen zu respckticrn. Artikel 3 bindet beide Parteien gegenseitig, keinen Krieg gegeneinander zu führen und neutral zu bleiben, wenn einer der beiden Staaten von einer dritten Macht an gegriffen wird. Artikel 1 sicht vor, dast die Parteien sich nicht an Koalitionen oder Kombinationen gegen eines der beiden Länder beteiligen und sich insbesondere auch von jedem wirt schaftlichen oder finanziellen Bonkott scrnhalten. Artikel 5 sieht die Einsetzung einer Kommission zum Ausgleich aller Differenzen vor. überlässt aber die Einzel heiten für die Zusammensetzung dieser Kommission einem noch abzuschliestenden Abkommen. Artikel 6 und 7 bestimmen, dast der Vertrag innerhalb sechs Wochen von den Unterzeichnern ratifiziert und die Ratifikationsurkunden in Kvwnv auszutanschcn sind. ( T.-U.j * Moskau. 1 Okt. Gestern abend ist der litauische Ministerpräsident mit seiner Begleitung mit dem Schnellzug Moskau-Riga wieder nach Kvwnv zurttckgeriest. Rußland dielet Polen einen Aeulralitäls- Pakt an. ^ Warschau, 1. Oktober. Der sowjetrussische Gesawdtc in Warschau. Wojkvw. hat am Donnerstag im polnischen Austemninistcrium vorge-sprvchcn, wo er dem Staatssekretär Knvll, der zur Zelt die Vertretung Zalcskis hat, folgenden offiziellen Vorschlag der Sowjctrcgiernng unter breitete: Die Sowjetregierung ist noch jetzt bereit, ihr Des interessement an Wilna offiziell zu erklären, wenn Polen bereit ist, mit der Sowjetregierung ein Sonderabkommen über gegenseitige Neutralität abzufchlicsten. Die Sowjct- regicrung betont aber die Notwendigkeit eines Sondcr- abkommcns. Dieser Vorschlag der Svivsetrcgiermng hat einige Sensation in Kreisen der Regierung hervvrgcrnsen, Staatssekretär Knvll erklärte Wojlow, er werde umgehend den Vorschlag der Sowjetregierung seiner Negierung zur Kenntnis bringen und deren Stellungnahme der Svivjct- gesandtschaft mittcilen. Der neue russische Boischasler ln Peking. Moskau, 1. Okt. Zum russischen Botschafter in Pekina ist als Nachfolger des zurückgetrctencii Botschafters Karrachan. der ehemalige russische Gesandte in Riga, T s ch e r n n Schwarz, ernannt worden. (T.-U.j Das Auslandsecho -er Konferenz von Livorno. Die Ausnahme in der Londoner Presse. London. I. Okt. Tie Morgenblätter veröffentlichen lange Berichte über die gestrige Zusammenkuntt zwischen Elminberlnin und Mussolini. Sic heben besonders die freund liche Aufnahme in der italienischen Presse hervor. Wie die „Times" sich ans Nom berichten lässt, ist man dort der An sicht. dast allster einer allgemeinen Uebcrvrüsung der neuen europäischen Lage kein besonderes Problem zwischen Mussolini und Chambcrlain besprochen worden ist. Die italienische Ansicht in der Tanger- und in der abesiinischen Frage sei bereits im englischen Auswärtigen Amt dargelegt worden, und es liege kein Bedürfnis vor, das Argument zu gunsten der Beteiligung Italiens an der Verwaltung der internationalen Tangerzonc zu wiederholen- Das Zu sammentreffen in Livorno werde deshalb als eine Gelegen- beit sük die Festigung der traditionellen Freundschaft zwischen Grvstbritaiiiiicn und Italien bezeichnet, das die Grundlage sür künftige qcmciniame Aktionen in jeder mögliche« Ent wicklung der europäischen Lage gebracht habe. ' Der „Dailn Telegraph" veröffentlicht eine Unterredung seines Soiidcrkvrrcsvvndeiitcn mit Ehambexsain nach Ab- schlust der gestrigen Besprechungen. Chambcrlain erklärte. T h o i r ii sei überhaupt nvch nicht erwähnt worben, und beschränkte sich auf eine Reihe unpolitischer Bemerkungen. Auch der Korrespondent beS „Dailn Exprcst" bestätigt, dast die Besprechungen zwischen Befand und Stresemann in Thviro nicht berührt wurden seien. (T-U.) Besorgnisse der Pariser Presse. Paris, l. Okt. Tie gestrige Zusammenkunft Mussolini— Ehambcrlain wird von den Mvrgenblättcrn eingehend be sprochen. „Echo de Paris" weist aus die verschiedene Haltung der italienischen und englischen Presse bin, während Italien auf die grosse Bedeutung des Ereignisses Hinweise, erkläre England, die Zusammenkunft für einen lcdiglichen Höflich- kcitSakt. Seit langem suche Italien Frankreich zu einer Verhandlung über die Mittelmeer-Frage zu bewegen. Frank reich habe sich aber dazu nicht bereitgesundcn. Deshalb habe es sich mit Spanien verbündet, um einen Druck auszuüben und denke jetzt daran, sich mit England zu verbünden. Das sei nur ein Traum. Chamberlain sei ein aufrichtiger Freund. Die Zusammenkunft werde trotz der Behauptung der italienischen Presse keine grotze» internationalen Erfolge zeitigen. Aber es sei zu bedauern, dast sich die französische Politik auf eine rein negative Haltung beschränke. Der „Avenir" bezweifelt, dast irgend etwas Endgültiges beschlossen worden sei. Mussolini befinde sich in ständigem Balancieren zwischen England und Frankreich, »m sich auf beide zu stützen, und sich gegenseitig im Schach zu halten. Die französische Diplomatie müsse anf Rom achten, um sest- zustelleil, was man von Frankreich erhoffe. — Der „Gaulois" bedauert, dast Frankreich von den Besprechungen aus geschlossen gewesen sei. Die einzige Frggc. die Frankreich beunruhige, sei die Tangcrfrage gewesen. — „Oeuvre" meint, Ehambcrlain werde Gelegenheit gehabt haben, Mussolini darüber ailfzukläreii, dah die deutsch-französische Annäherung gegen keine dritte Macht gerichtet sei. Das Scho in Amerika. Neuuork, 1- Okt. Die grossen amerikanischen Zeitungen messen der Besprechung, die Ehamberlatn und Mussolini in Livvrno hatte, grosse Bedeutung bei. Die Zeitungen sprechen von dem Beginn einer englisch-italienischen Entente als Gegen gewicht zu der dentsch-srcinzösischen Verständigung. lT.-U.j Ein Meijkersliick -er Schnüffelkommission Wien, 1. Oktober. Wie die „Wiener Neuesten Nach richten" erfahre», haben die Organe der I n t c r a l l i i e r t e n M i l i t ä r k v m m i s s i o n in Wien vor einigen Tagen in der »„mittelbaren Umgebung Wiens mehrere hundertMa tch i n e n beschlagnahmt, welche angeblich für die Her stellung von Munition und Kricgsgcrät verwendet werden könnten. Es handelt sich ausschliesslich um Maschinen aus den ehemaligen Wöllcrödorser Beständen, die industriellen Zwecken zugeführt werden sollten und von denen nach früheren Ver handlungen mit der interalliierten Militärkommtssion an- z»nehmeii mar, dast sie nicht z» den nach dem Friedcnsvertrag abzulicsernden Maschinen gehören. Da cs sich um sehr be deutende Werte — etwa 3«i Waggonladungen — handelt, ist von österreichischer Seite Einspruch gegen die Beschlagnahme erhoben worden. sW. T. B.j Degradierung spanischer Arlillerieossizsere. Madrid, 1. Oktober. Anf Grnnd des UrteilSsprnckis deS Kriegsgerichts sind 1 Obersten. S Oberstleutnants, 12 Ma. sore, 18 Hanptlcntc und 8 Leutnants der Artillerie wegen Be teiligung an der jüngsten Aufstandsbewegung degradiert worden. (W. T. B.) Curlius über die Rohslahlgemeinschast. Der Dorrana -er slaallichen Handelspolitik. Berlin, 1. Oktober. Zum Abschluss des EisenkartcllS hat sich der ReichsivirtschastSminister Dr. Eurtins dahin ge- äustert, dast er in der erfolgten Verständigung zwischen den grossen Gruppen der westeuropäischen Eiseiiprvduktion ein weithinwirkendeS Zeichen miedcrkchrender Wirts chaf tö nern un ft in Europa sehe. Die Verständigung, so sagte Eurtins weiter, wurde erzielt Im engsten Zusammenhang mit den staatlichen Verhandlungen über ei» deutsch-sranzösiichcS Wirtschaftsabkommen, die kürzlich erst mit dem HandclS- provisvrium zu einem vvrlänsigen Ergebnis geführt habe». Die deutsche Regierung hat bei voller Würdigung des privat- wirtschaftlichen Charakters, den die Eisenverständignng besitzt. Gewicht darauf gelegt, dast der Zusammenhang zwischen dieser privatwirtschaftlichen Verständigung und der amtlichen Handelspolitik gewahrt bleibe. Die Führer der deutsche» Schwerindustrie haben den Vorrang dcö Staates »nd seiner Handelspolitik stets bereitwilligst anerkannt »nd sich zu der in den Verträgen vvrbchaltcncn K ü n d i g n » g verpflichtet, falls die Rcichsrcgicrnng einen solchen Schritt zur Wahrung der wirtschaftspvlitischcn Interessen des Reiches sür erfordcr- lich hält. Aber nicht nur mit der deutschen Regierung haben sich die Stahlindustrielle» während deS ganzen Verlaufes der fast zweijährigen Verhandlungen in engster Fühlung gehalten. Sic haben vielmehr erkannt, dast sie in einer wirtschaftlich so bedeutsamen Frage wie der Sanierung des europäischen Eisen paktes sich auch als verantwortliche Sachwalter der ge samten deutschen Wirtschaft und insbesondere der denischcn eisenverarbeitenden Industrie fühlen mussten. Deshalb konnte» auch die in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen eisen verarbeitenden Jndnstric vereinigten WirtschastSsührer nach eingehenden, von der ReichSrcgiernng geförderten Anssprachen der Zusammenarbeit zwischen de» wcstcnropäiichc» Gruppe» der Eisenprvduktion zustiminen. Ist doch auch die deutsche eisenverarbeitende Iiidnstrte in besonderem Maste daran inter essiert. dast ans dem Eisenmarkte der Welt Beruhigung eintritt und dast der wechselseitigen Unterbietung, die in der Zeit seit der Frankcnentwcrtnng besonders gross war. ein Ende gemacht wird. Eine A«Sgleichung der Weltmarkt- nnd der deutschen Eisenprcise ist die Folge, die sich die deutschen Eisen oerarbeiter von der internationalen Verständigung ,. verspreche«. Die Negierungen der beteiligten Länder haben den Wirt- schastssührern die Möglichkeit gegeben, aus rein vrivatwirt- schaftlicher Grundlage eine Verständigung zu suchen und zu finden. Sie werden auch in Zukunft von dieser Linie der Zurückhaltung nicht ohne Not abweichcn- Dabei bleibt sich die deutsche Regierung ihrer Pflicht bewusst, die weitere Ent wicklung, welche die deutsche Eiscnwirtschast unter dem Ein fluss der internationalen Verständigung nehmen wird, mit grösster Aufmerksamkeit zu verfolgen. Notwendigenfalls wird sic unter voller Einsetzung ihrer Autorität sicherstellen, dast die Verständtguna dazu dienen wird, allen Zweigen der deutschen Wirtschaft gleichmästia einen kräftigen Antrieb zu ncknndcr Fortcntwicklnng z« geben «nd die friedliche Zu sammenarbeit der beteiligten Länder zu fördern. Brüssel, 1. Oktober. Ucber die ersten Massnahmen des Stahllartells verlautet, dast man eine Preiserhöhung von I Dollar pro Tonne plant. In den nächsten 5 Jahren will dann das Kartell mit allen Kräften anf eine völlige Reorga nisation der wcitcrvercirbcitcndcn Iiidnstrte im Sinne einer grossen Nutzbar in ach min der Anleihe» hinarbeitcn. „Oeuvre" will wisse», dast gleichzeitig mit dem Abschluss des Vertrages S v n d e r v c r h a n d l u n g c n zwischen der deutschen und sranzösischcn Industrie über den Absatz von sranzösiscl>cm Stahl auf dem deutschen Markt begonnen haben. Die Preiserbebiingsplänc beziehen sich nur aus den Export, nicht aber aus die Produkte des Jnlaiidsmarktes. Zum Abschluss des EiscnpaktcS wird darauf hingemiesen dast die Vczcichnnna „Eisenpakt" eigentlich nicht zutreffend ist. Es handelt sich »m zwei Abkommen. Die erst« Vereinbarung, zwischen Deutschland, Frankreich und Luxem burg. tritt jedoch erst in Kraft, nachdem die zweite Ver einbarung. mit Belgien, abgeschlossen ist. An den Zöllen wird sich durch diese Vereinbarung nichts ändern. Die Ver einbarung geht in der -Hauptsache dahin, dast jedes Land, bas heisst, die Industrie« jedes Landes, in eine Kasse eine« Dollar pro Tonne Stahl innerhalb des Kontingents zn zahlen haben. Für jede Tonne über das Kontingent hinaus sind vier Dollar au zahlen. Die Vorteile der Vereinbarung sind gemeinsame Verwaltung und die Erreichung einer Beschränkung der Pro duktion. An dem Kontingent sind beteiligt Deutschland mit 1», Belgien mit 12, Frankreich mit 31, Luxemburg mit 8, Saarland mit 6 Prozent.