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„Ostpreußen darf nicht verkümmern" Reichswtrtschastsminister Dr. Curtius eröffnet die Oftmeffe Königsberg, 12. August. Anläßlich der Eröffnung der IS. Deutschen Ostmesse in Königsberg überbrachte Rctchswirt. schaftsminister Dr. CurttuS die Grüße Hinbcnburgö und der Rcichsregiernng. Hindenburg habe ihn beauftragt, seine Heimat zu grüßen, bei der er allzeit treu im Gedenken weile. sBeifall.) Die Ostincsse, schlaf, der Minister, ist ein unent. behrlichcs Glied der östlichen Wirtschaft. Sie hat bisher ihre Aufgabe erfüllt und wird sie weiter erfüllen. In dieser llebcrzeugung erkläre ich die 16. Deutsche Ostmesse für er» össnct. Bei einem heute nachmittag vom Aufsichtsrat und der Direktion des Messeamts gegebenen Frühstück hielt Relchswlrlschaflsmlnister Dr. Curllus auf die Begrüßungsansprache des Oberbürgermeisters Dr. Lohmeyer eine Rede, in der er ausführte: Die neue Rcichs- rcqieruug betrachtet die nationale Aufgabe, die abgcschniirte citprovinz nicht verkümmern z« lasten, als eine ihrer vor nehmsten Pflichten. Sie ist entschlossen, die bisherige Politik fortzusehen. Die Verhandlungen über einen neuen Handelsvertrag mit Litauen, der an Stelle der jetzt gültigen und ausbaubedürftlgen Ab» kommen vom 1. Juli 1923 treten soll, stehen kur- vor ihrem Abschluß. In dem Bertragswerk wird auch den Verkehrs, interesscn Rechnung getragen werden, welche die Stabt Königsberg an dem Vertrage hat. Wir hoffen bestimmt, daß der neue Vertrag dazu beitragen wird, die engen Handels beziehungen Ostpreußens mit Litauen und dem Memelgebtct zu festigen und auszubauen. Die HandelsvertragSverhandlnnge« mit Pole« sollen am 10. September in Warschau wieder ausgenommen werden. Der deutsche Delegationsführer wird ans den Grund lagen verhandeln, die von der vorigen Negierung seftaelegt sind. Es ist kein Zweifel, daß die nunmehr fast drei Jahre laufenden Verhandlungen zu den schwierigste» rechnen, die Denischlanb überhaupt zu führen hat. Dennoch müssen wir den Handelskrieg zu beenden und zu einer neuen Regelung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zu Polen zu gelangen suchen. Die Reichsregierung stimmt mit Ihnen darin überein, das, unser Bestreben bet den Verhandlungen darauf gerichtet lein muß, die Lebcnsintercssen Ostpreußens zu wahren. Was das Verhältnis des Reichs und Preußens zu Ostpreußen an- gcht, so hat bet beiden der feste Wille zur Hilfe bestanden. Einig waren sich Reich und Preußen untereinander und mit der Provinz vor allem auch darin, daß Ostpreußen bei allen Reichs- und Staatsaktionen eine Sonderstellung ein- nchmen muß und einen Anspruch darauf hat. nicht als Grcnz- land, sondern als abgctrenntcS Land behandelt zu werden. Aus diesem Grundgedanken beruht das alte Programm des Jahres 1926, auf ihm auch die Ostpreußcnhilfc des vergangenen Jahres. Es muß Im gegenwärtigen Augenblick genügen, aus die Regierungserklärung und das darin enthaltene Agrar programm »um Zeichen für die Grundclnstellung der gegen wärtigen Retchsregierung zu verweisen. Das Agrarprogramm kündigt die Fortführung des NotprogrammS der bisherigen Negierung und eine ziclbcwußte Förderung der Landwirtschaft vor allem hinsichtlich der Hebung der Produktivität und der Regelung des Absatzes an. Ich habe ein Recht, geltend zu mache», daß dieser Regierung, und gerade ihr die Sorge für dio deutsche Landwirtschaft und die Gesamtproduktion am Herzen liegt. Hand in Hand mit einheitlicher und tatkräftiger Wirtschaftspolitik kann und muß großzügige Sozialpolitik be triebe» werden. So richtig es ist, daß Sozialpolitik nur in gesunder Wirtschaft gefördert werben kann, ebenso richtig ist, das, die Wirtschaft ohne besondere Pflege der Arbeitskraft, ohne Förderung der Gesundheit des ganzen BolkSkörpers und ohne Hebung der Kaufkraft der Maste nicht gedeihen kann. Nach dem Minister sprach der Vertreter der Sowjetunion. Botschaftsrat Brodowski. Er betonte die große Arbeit, welche Hstoicusien und die Stadt Königsberg für die kulturelle An» Näherung der Völker beider Länder geleistet haben. Ihre Ver anstaltung, der es gelang, die Vertreter aller Staaten Ost europas hinzuznzichen, bildet einen bedeutenden Faktor zur Erhaltung des Friedens. Ruhiger Verlauf -es polnischen Legionärtags in Wilna Wilna. 12. Aug. Zu der Lcgionärtagung in Wilna waren etwa 6999 Legionäre cingctrofsc». Marschall Pilsubski selbst traf am Sonnabend nachmittags 6.69 Uhr ein. Seine Rede am Sonntag, die mit aroßer Svannnna erwartet wurde, entpuppte sich als eine vollständig unpolitische im volkstüm lichen Däne gehaltene Folge von Kriegsanekbote» und Er zählungen. die von den anwesenden Legionären mit großem Beifall und unbändigem Gelächter anfgcnommc« wnrd«. Die Rede, die durch keinerlei cinheltliche Gcdankcnfolge znsammen» gehalten war und in der verschiedene Einzelheiten unverständ lich blieben, dauerte etwa eine Stunde. Rach einer kurzen Ein leitung. in der Pilsubski die Liebe kleiner Kinder zu ihrer Mutter mit der Stellung Wilnas zu Polen verglich, kam er auf die Zeit während des Krieges zu sprechen, kamcrnbschastlichcm Tone erzählte er ciniae selbst erlebte Anekdoten, in denen er die Erinnerung an diese Zeit wach ries und aus die vielen Leiden hinwies, die Polen während dieser Zeit habe durchmachen müssen. Er schilderte dann seinen eigenen Gemütszustand während seiner Festungshaft in Magdeburg, in der seine Gedanken immer um seine GeburtS- stadt Wilna gekreist seien. Der Gedanke „Wilna muß mein sein" habe ihm seitdem nie wieder los gekästen. In politischen Kreisen nimmt man an, daß der Marschall vielleicht von seiner näheren Umgebung von der öffentlichen Behandlung sowohl der tnnerpolttischen Fragen wie auch der polnisch- litauischen Frage abgebracht worden ist und sich damit begnügt hat in einer aus seine alten Militärkameradcn zu- gejchnittenen Ansprache seine Anhänglichkeit an seine Vater stadt Wilna zum Ausdruck zu bringen. Frankfurt a. M., 12. August. Die seit Jahresfrist zwischen Reichsbahn und Besatzungsbehörde gepflogenen Verhand lungen wegen der Erweiterung des Nüsselsheimer Bahnhofes sind von der BcsatznngSbchörde endgültig ablehnend be- schicden worden. Der vor KV Jahren gebaute Nüsselsheimer Bahnhof konnte bekanntlich de» inS riesenhaft« ge stiegenen Personen» nnd Güterverkehr nicht mehr bewältigen, so daß die Opel werke sich ge zwungen sahen, einen eigenen Verladebahnhof von mehreren Kilometern Ausdehnung anznlcgcn, der mit der Reichsbahn- llnic durch Anschlußgleise verbunden werden soll. Die Ge nehmigung der Ausführung dieses Anschlußgleises machte die Bcsatzungsbchörde von den die Nhcinlandräumnng betreffen den politisch-militärischen Fragen abhängig, obwohl keinerlei Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Maß nahmen der Opclwerke und den militärischen Belange« der Entente besteht. Diese durch nichts gerechtfertigte Ablehnung würde nicht nur eine schwere wirtschaft liche Schädigung der deutschen Industrie, sondern auch eine Gefährdung des Personenverkehrs Frankfurt a. M — NüsselSheim, der heute bereits durch die Matcrialtransporte der Opclwerke stark überlastet ist, herbeiführe«. * Dieser neue Willkürakt Frankreichs sollte endlich der deutschen Negierung doch über die Hutschnur gehen. WaS man dem deutschen Volke im Zeichen des Völkerbundes, der Orangenblütenträume von Locarno und des frieden- Sin Mgreug auf eine zuschauettribiine gestürzt Drei Tote und mehrere Schwerverletzte. Aachen, 19. Angust. Gestern nachmittag SN Uhr stürzte bei einer Flugveranftaltung auf dem Flugplatz Hecrle« et» deutsches Ülcmm-Daimlcr-Flngzcug a«S Duisburg unter Füh, rung des Piloten Gcspcr während er das HeranSwcrsen von Postsäcken aus dem Flugzeug vorsührte, infolge plötzlichen BerfageuS des Motors ab und siel aus die Zuschauertribüne. Durch das Flugzeug wurden drei Personen getötet «ud mehrere schwer verletzt. Die Getöteten nnd Verletzten stammen zum größten Teil ans Hccrlen und Umgebung. Zur Klärung der Schnldsrage wurde der Pilot vorläustg seft- genommen. Gin Güterzug entgleist Esten, 12. Aug. Die RctchSbahndirektion teilt mit: Am 12. August, nachts 1,19 Uhr, überfuhr im Bahnhof Schar». Horst aus der Strecke Dortmund—Hamm der Zug Nr. 6073 das „Halt" zeigende AuSsahrtssignal. Lokomotive, Pack wagen, Begleit wagen und zwei Güterwagen entgleisten. Vier weitere Wagen wurde» stark beschädigt. Die Lokomotive überfuhr einen Prellbock nnd rutschte die Böschung hinunter. Personen wurden nicht ver letzt. Die Beschädigung des Frachtgutes ist unbedeutend. Der Zug wurde mit besonderer Lokomotive mit etwa fünf stündiger Verspätung weiterbefördert. Gin kulturgeschichtlich wertvolles Schloß nieöergevrannt Augsburg, 12. August. Das dem Grafen Schenk von Stausfcnberg gehörende Schloß Jettingen in Schwaben ist in der vergangenen Nacht zum größten Teil niebergebrannt Das gesamte ans dem IS. Jahrhundert stammende Schloß ist mit seinen 79 Zimmern zerstört worden. Das Fener war im Dachstnhl ansgcbrochcn. Der größte Teil der «mfangreiche« Schloßeinrichtnng nebst einer wertvollen Bibliothek «mrde« ein Raub der Flamme». Der Schaden dürste viele hnndert- tansend Mark betragen. Das Schlohgcbäude ist bis ans die unteren Stockwerke völlig ausgebrannt, so daß ein Abbruch nnvcrmeidltch ist. Die Brandursache ist noch nicht geklärt, doch ist cs nicht ausgeschlossen, daß Fahrlässigkeit durch Hand werksleute vorliegt. Menschenleben kamen bet dem Brande nicht zu Schaden. Dr. Stresemann fünf Fahre Reichsavßenmtntftee Berlin, 19. August. Am heutigen Tage kann Reichs- minister Dr. Stresemann auf eine sünsjährige Tätigkeit als Reichsminister des Aeußeren zurückblicken. In diesen fünf Jahren hat Dr. Stresemann den moralischen und politischen Wiederaufbau Deutschlands mächtig gefördert und sich selbst tm In- und Auslände eine Stellung geschaffen, -te heute vielleicht unser wertvollstcö Aktivum in der internationalen Politik bildet. Tie gesundheitlichen Folgen dieser unerhört aufreibenden Tätigkeit konnten nicht aus- bleiben; um so dringender und herzlicher ist der allgemeine Wunsch, baß Dr. Stresemann bas hohe Amt, das er seinerzeit unter den schwierigsten, ja fast hoffnungslosen Verhältnissen übernommen, noch lange Jahre möge bekleiden können, sich selbst zur Ehre, dem Deutschen Reich zum Heile. verheißenden KelloggpakteS zu bieten wagt, ist im Zeitalter der Völkerversöhnung ein so riesengroßer Skandal, baß Worte Ihn nicht mehr zu beschreiben vermögen. Zuerst verurteilt man Deutsche, ohne ihre Schuld an einem bedauerlichen Vor fall auch nur im geringsten feststellen zu können zu hohen Zuchthausstrafen. Damit nicht genug, stellt man ein AuS- lteferungsbegehren an Deutschland, das einer gröblichen Miß- achtung unserer nationalen Ehre gleichkommt. Vor einigen Tagen sangen einige Deutsche im besetzten Gebiet das Deutschlandlied. Frankreich zeigt seine Achtung vor unserer Nationalhymne, Indem es die Sänger wegen Verhöhnung der Besatzung zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Deutschlands Regierung schluckt den Schimpf. Des weiteren werden während der Manöver wehrlose Deutsche mit Faustschlägen aus Spaß ohne Ursache mißhandelt. Und damit nicht genug, fahren französische Tanke mitten im Frieden durch stille Dörfer. Und plötzlich knattern die Maschinengewehre in den Dorfgassen hinter den tödlich erschrockenen flüchtenden Be wohnern. Nur ein Franzosenscherz. Die Schüsse waren ja blind. Zugleich nimmt englische Kavallerie an den fran- züfischeu Manövern auf deutschem Boden teil. Gemeinsame Truppenübungen unserer Völkerbunds-Lokarno- und Kellogg. Partner! Gibt es einen besseren Beweis dafür, wie sehr diese schön klingenden Verträge bisher nur tote Buchstaben ge- blieben sind, denen der belebende Geist fehlt?! All diese Er- elgnisse der letzten Tage, jedes für sich ein riesengroßer Skandal, sind für die Besatzung noch nicht genug. Sie ver- bietet ohne Recht und ohne Grund einen Bahnhofs- erwetterungsban. Ihre Beweggründe sind einzig und allein, das deutsche Wirtschaftsleben, das sich gerade in Rüsselsheim zu so schöner Blüte entwickelt hat. zu strangulieren. Wenn der deutsche Vertreter nach Paris zur Unterzeichnung des KelloggpakteS fährt, wirb er dann Protest gegen dte letzten unerhörten Vorkommnisse am Rhein erheben? Jedenfalls müssen wir Deutsche das eine lernen: Kein Völkerbund, kein frtedenSbegeisterter Brianb oder Herriot, der in Köln jüngst so viel Berständtgungsöl vergossen hatte, werden uns helfen, wenn eS aus die Tat ankommt. Völkerbund, Lokarno, Thoiry sind Theorie. Das Weltgewtssen schläft nicht nur, eS ist überhaupt nur ein Hirngespinst derer, dte nicht alle werden. WaS hilft eS uns, wenn wir den Ruf Nhcinlandräumnng angesichts fremder Willkürhcrrschaft am Rhein erschallen lassen. Er wirb nicht gehört, es sei denn zum Preis erneuter unerträglicher Lasten. Ein satanisches Lachen ist sein Echo. Einigung -er Vesatzungsmachte tm Wider- stan- gegen -tv Rheinian-räumung Parts. 12. August. Der Londoner Berichterstatter deS „TempS" erklärt, baß die Frage der Rhcinlandränmuug, ob sie nun anläßlich der Unterzeichnung des Kellogg-PakteS oder bet der BölketbnndSversammlung aufgerollt werden möge, nicht Gegenstand einer gesonderten Erklärung der Lon doner Regierung sein werde. In den gut unterrichtete« Kreisen sei man der Ansicht, daß das Zusammengehen der drei BesatznngS machte heute mehr denn je geboten sei, und baß die auf die deutschen Vorsühlcr zu erteilende Antwort Gegenstand der Beratungen -wische« London, Paris nnd Brüssel sei« müsse. sW.T.B.j Revolution in Brasilien? Paris, 12. August. Obgleich die brasilianische Botschaft in Parts alle Gerüchte über den Ausbruch einer Revolution in Brasilien dementiert hat, hält die Nadtvageiitur in Paris ihre Behauptungen aufrecht, denen zufolge dte Lage im brass- lianischen Staate Matto Grosso ernst sei. Führer der regte, rungsfetndltchen Propaganda sei der Oberst Badino Cavalao. Rcmr Willkürakt der BesakimssbkWbk Frankreich verbietet -en Dahnhofsbau in Rüsselsheim