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Dresdner Nachrichten : 17.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189901179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990117
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-17
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 17.01.1899
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3 «82 ^ ^ 'bZ' «2 — ,Z8">- - Z.Z. ----'-< ^ L; — s H-, ^ -- ^sN^L-^ ^ 2 ^ Z ZU R-r 2 ^-- ^ ß^I Hk D !>.' -^r ^r-DZc! Seite r«». Veltetrittise-e Tienstaas-Beilnac zu den „Dresdner Nachrietztcn'. wie denn auch die Haltung des Körpers militärische Straffheit darthat. Wie angegossen sah die hohe, etwas hagere Gestalt ans scincui lichtbrauiicn Pierd, das einerseits wie eine Mauer stand. Offenbar hatte der Fremde gedacht, Herr von Pernhczewski könnte die Herrschaft über sein aufgeregtes Thier verlieren, und die Hilfe einer festen, geübten Hand möchte Noth thun. Da er nun sah. dag es dessen nicht mehr bedurfte, schickte er sich an, seinen Ritt fortzusetzen. Dazu aber wollte es der Andere nicht kommen lassen. Sein scharfer prüfender Blick glitt rasch an dem Fremden hinaus und hinunter, er drückte gewohnheitsmäßig die Augen ein, um besser zn sehen. Das war doch — das mußte doch sein alter Freund Egbert von Wulfsen sein, der da jenseits des Kornfeldes Postirt war! Aber so schneeweiß schon! Und war doch kaum zwei Jahre älter als er selbst, noch keine sechsundfänsfig also! Ein Jrrthum aber . . . nein, ein Jrrthnm blieb ausgeschlossen. Wulfsen hatte immer ein ungewöhnliches, charakteristisches Gesicht gehabt. . . nun wohl, das hatte der Mann mit dem weißen Haar und Bart da drüben auch! Herr von Pernhczewski machte eine raiche Handbewegung, um den 'Anderen drüben festzuhalten, er sah. wie der Herr auf dem Braunen stutzte und die gelockerten Zügel von Neuem anzog. „Bertel!" rief Herr von Pernhczewski mit lautem und herzlichem Srimmcn- klang hinüber. Der Angerufeue zuckte zusammen und neigte sich weit über den Hals feines Pferdes vor. .Kennst Tn mich wirklich nicht mehr. Bertel? Sind Deine Augen so schwach geworden? Komm' herüber, und sieh zu, wer ich bin!" „Nicht nöthig!" kam es in den ticken Baßlauten zurück, die dem gingen Wulfsen vor niehr als dreißig Jahren bei seinen Jugendgenossen die Bezeich nung „die Baßtnbe" eingetragen hatte. „Du bist Pernhczewski. mein ältester Freund!" „Nun also, Mensch —* Mit demselben impulsiven Feuer, das ihn km; zuvor dazu verleitet hatte, seinem Pferde so übel mitzujpielen, gab der lebhafte Herr jetzt Favorit die Sporen, zog den linken Zügel an und sprengte um das trennende Feld herum in einem Tempo, das die Pferdehufe mehrmals in allzu nahe Berührung mit dem grünen Roggen brachte. Während dieser geschwinden Bewegung konnte er unmöglich wahrnehinen, daß sein wicdcrgenindeiicr Freund nur zögernd sein Pferd zu einem Entgegenkommen autrieb, ja, daß er eine unwillkürliche Gederde gemacht hatte, als wolle er lieber umkehren. Wie der rasche Reiter nun aber mit Gedankenschnelle neben chm war und sich wie der Blitz aus deni Sattel warf, ließ auch Wulfsen seinem Braunen den Zaum über den Kopf gleiten und stieg ab. Gleich darauf fühlteer sich von zwei kraftvollen Armen umklammert und nach ilavischer Sitte rechts und links aus beide Wangen geküßt. „Er hat noch seine alten polnischen Manieren bcibehalicn!" dachte er für sich. „Pernhczewski mußte immer küssen!" Dennoch, als er jetzt so nahe in das attvertraute Gesicht sah, dies kluge, ehrliche, hübsche Gesicht, das sich in Form und 'Ausdruck so wenig verändert hatte, stürmlen alte Erinnerungen über ihn her, wie treibende Fluchen. Harm lose. übermüthige Knabenstreiche, überwallcnde, brausende Jiinglingsgcmhle, tausend Thorhetten und tausend Tollheiten, dazwischen wieviel echtes Gefühl, wieviel tüchtiges Streben . . . wer kann sagen, was Alles in einer einzigen armseligen Minute durch eines Menschen Seele ziehen und sie aufrühren kann bis in ihre verborgensten Tiefen! — Wenn cs io war. Egbert von Wulfsen ließ sich äußerlich davon nichts merken, aber Egon von Pernhczewski kannte ihn viel zu gut. mir ihm das zu veraigen. Schon der zwölfjährige Schuljunge hatte mit unbeweglichem Ge sicht Freude wie Schmer; eiitgegenznnehmen gewußt und einst, als ihm seine sehr geliebte Mutter gestorben war. aus die erstaunte Frage seines kleinen Freundes: „Aber grämst Tn Dich denn gar nicht, weil Tn nie weinst?" zwilchen den zufammciigebissenen Zähnen hervor trotzig erwidert: „Jawohl, gräm ich mich, aber Hilst mir » was. wenn ich das zeige? Und wenn ich nncil weinen muß . . . brauchen Andere das zu lehcn?" Ter Mann, den das Leben inzwischen, wie der Freund wohl ahnte, in eine harte Schule genommen hatte, und der darüber sechsundfünfzig Jahre alt geworden war, zeigte auch heute bei diesem Wiedersehen keinerlei Ge- müthsbewegluig: er ließ sich umarme» und küssen und klopste nur ein paar Mal wie beschwichtigend die Schulter des Anderen. „Bertel, Bertel, wie lange ist» denn her, daß wir einander nicht gefthen haben?" ES klang io gut und io kinderhait vertrant, dies „Bertel!" Immer hatte Egon leinen Freund jo geruftn, und seither halte dies Niemand mehr gethan — Niemand! „Wie lange? Seitdem Tn vom Militär abgingst und Erbherr von Lrpowo wurdest, also werden das nächstens dreißig Jahre!" „Dreißig! Was liegt Alles dazwischen! Aber ein Brieffchreiber bist Tn gcweieu, Mensch — das sei Gott geklagt!" „Hatte ich Dir» nicht vorausgesagt? Ich tauge zu nichts mit der Feder in der Hand — wenn ich sonst überhaupt zn etwas lauge!" „Oha! Sacht, mein Sohn, mit den jungen Pferden! Ueberlaß das Anderen, die Schützin g Deiner Tauglichkeit nämlich! Aber vor Allem. Menschenkind, was lägst Du den» dazu, daß ich mich hier ansässig gemacht Hab' ?" „Du Dich anfällig gemacht? Wo ?" ... „Na, mir brauchst Du keine Geschichten vorzushmkem! Du wirst» doch Wissen! Kroslgn Hab' ich übernommen!" „Dasselbe Krossau, das Döhlen bat?" „Gehabt hat. >aiuohl! Aber sag' in aller Welt, Bertel, wie und wo keblt D>l denn, daß Tn davon nichts weißt?" . „Wo ich lebe ? Auf Wulishagen, keine zwei Meilen von Kronau ent fernt ! Und wie Ich lebe „Wie ei» Maulwurf wie cüi Einsiedler!" ries Pcrniiezelrski lachend. „Ich Hai. 'chen was davon erlebt. Ich bin in bei Dir gew.-ftn vor kaum einer Halden Stunde, drüben in Deinem Dachsbau: kann sich übrigens mit Ehren als solcher sehen lassen! Tic Art. wie Tu Deine Bemchci abrertigen läßt, ist ja einfach klassisch!" „Besucher ? Ich habe keine, ich kenne keine!" „Aber erlaube 'mal —" „Ich habe keine! Und ich will keine haben!" Das kam mit einer solchen Heftigkeit heraus, daß Pernhczewski für den Augenblick betroffen verstummte. „Dann handelt also Dein Diener in Deinem 'Namen und Auftrag, wenn er ctivaige Gäste, die sich Deiner schwelle nahen, ohne Weiteres wieder vor die Thür jetzt ?" „'Allerdings handelt Grau in meinem Auftrag!" „Gran, lieber Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens gold'ner Baum!" suchte der Andere zu witzeln. „Jedenfalls gedachte ich mich nicht so ohne Weneres mit jedem ungebetenen Gast in einen Tops werfen zu lastcn. Jch nahm Deine mir bis dato völlig unverständliche Anordnung persönlich übel, und der Kamps mit meinem Favorit, dem Du als von mir unerkannter Zeuge bcigcwohnt hast, war das Endresultat meiner schlechten Laune, die ick, sehr ungerechtfertigt an meinem armen Gaul auslieb. Ich versprach Deinem liebcuswürdigen Grau, baldigst wiederzukomnicn ... er hat mich nicht im Geringsten dazu crmuthigt!" „Ganz recht! Das hätte er nicht gedurft!" „Aber Tu darfst es hoffentlich und thust es ganz gewiß!" ries Perimczelvskk lachend und zuversichtlich. „Ich treibe mich seit länger als drei Stunden daher einstweilen Derne ungastlichen Vorrrrtheile schlankweg über Bord und laß Deinem balbvechringcrte» Intimus in den Mauern Deines Ahneuschlosics ein kräftiges Frühstück ängedcihen!" Wuhsen s Gesicht hellte sich bei diesen Scherzen um nichrs aus. Seine weißen starken Brauen hatten sich finster znianimengezogeii, es stand in und über seinen Augen wie eine schwere Wetterwolke. Er sah an dem Freund vorüber in die lachende Lniidichast hinein und erwiderte kein Wort. Der Andere sing an, sich im Stillen zu beunruhigen, das sah in der Thal nach einer ernstlichen Monomanie aus! Ilm Himmels willen aber sich einen solchen Gedanken nicht merken lassen! ' ' ' 'bei -- „Hast Tn eine Nonne in Deinem Schloß ciugemauert, oder geht es Dir vielleicht mit interessanten Gespenster» aus dem 16. Jahrhundert um! inguirirle ec scherzend, dann, nach einem neuen Blick auf das finstere Gesicht: „Nein, nein, Alterchen, bei mir kommst Dir mit all' solchen Geschichten nickt durch! Wenn Du Dich absolut auf den Menschenfeind und Ecemilen hinans- spielen willst, es thut mir leid, aber mir gegenüber Hilst Dir das nichts! Ich bin ich, Dein alter Egon Pernhczewski von umro 1860, mW waS zwischen der damaligen Zeit und dem heutigen Tag liegt, das geht mich mir '.»soweit etwas au. als Tu mir davon etwa Mitthcilung zu machen gesonnen bist. Meiner Theilnahme, meines Raths, meiner Hilfe — was Dir von den dreien etwa brauchen kannst — bist T taths, m n sicher, meiner Diskretion erst recht, das mußt Tu wissen! Willst Tu mir Dein Bcrtranen schenken, ich werde Dir dankbar dafür sein, und es soll Dich bei Gott nicht reuen dürfen . . . willst Ln cs nicht thun — es würde mich zwar kränken, ich müßte es indessen ertragen. — Zwei Meilen aber entfernt von meinem liebste», ällesteu, ich kann sagen einzigen Jugendfreund leben und nicht mit ihm im Berkehr stehen, ihn nicht besuchen dürfen, da nie auch nur ein Schatten zwischen uns gestanden hat . . . nein, Bertel, das heißt denn doch, mir etwas zuviel znnmthci!, und wenn Tu die Marotte mir gegenüber durchsetzen willst, ich erkläre Dir stank und frei: daraus wird nichts!" — 'Noch war die Gewitterwolke über Stirn und Augen des Anderen nicht verschwunden, aber cs mar deutlich genug zu sehen: sie mar im Schwinden begriffen. Mit einem sehr beredten Blick, der mehr sagte, als viele erklärende Worte, drückte Baron Wulfsen die Hand, die immer noch die seine sesthiclt, und sagte mit einem ticsgeschöpften Athemzuge: „So komm' denn mit mir!" „Mann, Tn sagst das in einem Ton. als sollte ich mit Dir auf's Schaffolt gehen!" 'Absichtlich hielt der Freund den leichten Ton fest, um der dunklen Stimmung des Anderen ein wirksames Gegengewicht zu bieten. „Aber ich weiß das noch von früher her, sehr wählerisch durste man bei Dir niemals fein. Daher will ich d'rübcr wegschen, wie Tu mich empfängst und mich mit der Thaliache begnüge», daß Tu mich empfängst!" Tie stiegen Beide wieder zn Pferde. Im Begriff, seinen Braunen zu wenden, drehte sich Wulfsen aber noch einmal im Sattel zurück. ..Eines noch. Pernhezewski: wir müssen zufehen, ob es sich durchführen läßt, daß Tn mich gelegentlich in Wulsshagen besuchst . . . nein, nein, unter brich mich nicht, ich weiß genau, was ich damit jage und kenne auch die Gründe dafür. Wie dem aber auch sei, Dein Wort mug ich haben, daß, wenn Tn kommst, Tn allein zn erscheinen hast, daß Alles, was an Familienverkchr mahnt, zwilchen uns ein- für allemal ausgeschlossen bleiben muß und daß Tn niemals von mir aus einen Gegenbesuch rechnest!" „Tu redest wie eine Sphinx, mein Guter, ich versteh' nicht ein Wort von alledem! Recht erfreuliche Aussichten übrigens für mich, das muß ich sagen : ich erfahre, daß Beller Döhlen sein Gut losschlagen will, ich lasse meinen voluischen Erbsitz, auf dem mir freilich schon sei einiger Zeit nicht mehr so recht wohl war, ans verschiedenen Ursachen ohne Weiteres im Stich, geb' ihn Hals über Kopf in Paart, weiß nicht, ob ich daran gut gethan habe, »ud greift hier niit beiden Händen zu, um wieder nach Deutschland, hauptsächlich aber — hör' und begreif' es! — um in Deine 'Nähe zu kommen! Mich ver langt es nach häufigem Verkehr mit meinem besten, ältesten Freund, »ach deni Austausch von Jugeuderiimeruagen. späteren Erfahrungen und Erleb nissen, nach gemeinsamem Bcwitthschaften unserer Besitzungen, nach schonen, weiten Ritten und Ausflügen, Sommers und Winters, immer an Bertel Wnffftn's Seite, nach abendlichen interessanten Schachpatticcn mit eben» demftlben Berte!, der mir als ftincr Spieler seither im Gedächtnis geblieben Brttctrisrttckic Dicnstans Beilag« zu vc« „Dresdner Nachrichten''. Seite LI« und nie als solcher von meinen polnischen Nachbarn erreicht worden ist . . . und nun kommt dieser Mensch und zieht mir Grenzen, hier und da. stellt Be dingungen. die ich nicht verstehe." „Ich muß sie stellen, ob Tu sie verstehst oder nickt! Und muß daraus bestehen, daß Du daraus eingchst! Thust Du dies nicht — dann —" „Sprich nicht zu Ende. Bertel!" rief Pernhezewski warnend dazwischen. Ihm war nicht wohl bei dem Blick in das finstere, geguältc Gesicht, Las sich ihm zuwandte. Was mußte dem Manne geschehen sein, um rhu so völlig zu verwandeln? Ihm stieg es wann inr Herzen auf: vielleicht konnte er ihm helfen! Vielleicht war es noch nickt zn spät, hier einzugreisen; wie. das mußte die Zukunft lehren. Soviel stand fest: es war gut. daß er gekommen! Allein durfte cr den Freund nicht mehr lassen! „Wenn man alt wird, soll man auch weise sein und sich begnügen!" fügte cr nach einer Pause in seinem sonstigen Hecker gelassenen Ton hinzu. „Ehe ich Dich gar nicht haben soll, lieber will ich mit deni Wenigen vorlieb nehmen, das Tu mir bietest. ES soll geschehen, wie Du es haben willst, Hand darauf!" Er reichte ihm vom Sattel herüber die Rechte, und Wulfsen schüttele sic kräftig, ohne etwas zu erwidern. Die Pferde wurden jetzt wirklich gewendet, und Vorerst ohne zn sprechen — denn der Pfad zwischen den Feldern hindurch war schmal, und sic mußten hintereinander reiten — legten die beiden Freunde acmeimam den Weg nach Wulfshagen zurück. 3- Kapitel. In einiger Spannung sah Herr Pernhezewski dem Ocffncu des Portals entgegen, als sie die Rampe hcranflamen. Er war neugierig aus das Gesicht, das der verbindliche Herr Gran mache» würde, wenn er den so schnöde ab- gewiescuen Fremdling in Gegenwart seines Gebieters wieder zu sehen bekam. Ter Betreffende aber brachte ihn um den erwarteten Genuß. Weder Schreck noch Bestürzung, noch auch mir Erstaunen malte sich in den aus druckslosen Zügen, höchstens wurde das kränkliche Gesicht noch um einen Schein gelber. „Wir gehen in mein Arbeitszimmer, Gran. Und die Wirrhin soll Früh stück hereinschicken, was sie gerade hat, ob warm oder kalt, einerlei, einige Flaschen Burgunder dazu, von dem gelbgesiegellcn, und rasch! — Den winkst Du doch immer noch gern, was?" wandte sich der Baron zn seinem Freunde zurück, nachdem der Diener das Zimmer verlassen hatte. ,Find wie! Hübsch von Dir, Dich dessen zu erinnern, Bettel! Haben als innge Offiziere manches Fläschchen zusammen ausgestoßcn! Weißt Tu noch, in Glogciu, im Hotel zum „Wilden Eber" ? — Ter Andere nickte nur. ließ sich in einen weiten Lehnsessel nabe dem Schreibtisch fallen und schob dem Gast einen zweiten Sessel hin. „Setz' Dich !" Und dann, halb für sich redend, wie Leute cs lhnn. die sehr viel allein: „Seit zwölf Jahren mein erster Gast!" Pernhezewski that so, als habe er's nicht gehört. „Wetter, hast Tu hier eine Aussicht!" rief er. kaum, daß er sich gesetzt, wieder emporsahrend. „Mein Krossau in Ehren, aber das ist nicht halb so malerisch gelegen, wie dies hier!" Das große Zimmer wies drei breite Fenster auf. Eines derselben, recht winklig gelegen, ging ans den WirlhschaMios hinaus, es waren alles maffive, r»m Dheil neue Bauten, die meisten niit schindeln gedeckt, die silbern in der Sonne glänzten. Tie zweiHauvtsenslcraber gewährten einen weiten, 'chönen Ausblick über sanstgencigte Wiesen hinweg nach dem wie ein breites, funkelndes Band hier und da zwischen seinen umbuschte» Usern auftancheiiden Fluß, senieils dessen die blanschwarzcn, koulissensörmig übereinandergcthürmtcn Waldberge sich hinzogen. „Schönes Land, dieses Schlesien!" fuhr der Redende fort- „Und nährt seinen Mann, wenn man die Scholle, auf der man sitzt, vernünftig behandelt. Döhlen hat'n ganz ansehnlichen KauffchiUing verlangt, das muß ich sagen, aber verdenken kann ich» ihm nicht. Er hat tüchtig 'was hiiieingcstcckt in Krossau, ich glaub', es ist ihm überhaupt sauer angekomiiicu, da» Gut abzngebeu." „Warum that er cs also?" „Weißt Tu das wirklich nicht?" „Ich würde doch nicht fragen, wenn ich's wüßte! Uebcr die Grenzen von Wulsshagen hinaus gehr mich Alles, was geschieht, nicht das Mindeste an. Wenn ich jetzt nach Döhlen frage, so ist's, weil ich ihn früher kannte, und weil er Tein Verwandter ist!" „Ra also, der arme Kerl har neu einzigen Sohn, das wird Dir doch wohl bekannt sein. Man weiß immer nicht, soll man ihn bemitleiden oder beneiden des Jungen wegen. Hochbegabt, künstlerisch veranlagt und solid und im Verkehr von einer Liebenswürdigkeit, daß man ihm gut werde» muß im Handumdrehen. Ich Hab' ihn 'mal gelegentlich einer Badereise, die ich wegen meiner Frau uitternchmeir mußte, kennen gelernt. 'Aber nun ist cr krank; seine Mutter war früh an einem Lungcnleidcn gestorben, und bei dem jungen Menschen haben sich leider die verfluchten Bazillen und Batterien, und lvic das infame Zeugs sonst heißt, gebildet, und er mußte weg von München, wo er malte und wo sie ja schon rem Kops standen über ihn, und mußte nach Florenz, und mußte auch da wieder weg und gleich nach Kairo, dort sollt' er sich radikal und für immer auSkuriccn, hieß cs- Jawohl! Wie mein Kerlchen da hinkommt, statt sich voll der afrikanischen Sonne brate» zn lassen und nichrs zu thun, als an seine kranke Lunge zu Lenken und seines Leibes zu pflegen, fängt Dir der Schlingel an zu malen, als wär' er des Tcnsels bcjessen. nicht von der Staffelei sottznkricgen, und rein wie verrückt mit all' den Motiven, die ja denn nun da nnten wirklich nicht vom schlechtesten Ende sind. Na, das Reiultat kannst Du Dir denken: Rückfall über Rückfall, an Erholung nicht zn denken, dazu noch so'n Ktimasiebrr, also auch damit nichts! Nun bekommt» der Alte niit der Angst, verdankt'» ihm, wer da mag! — lind die Aerzte traten zusammen und schütteln -:c Kirnst und -ekretirrn endlich Meran! Und da soll cr eiiistweikcn still,ätzen und abwarten, und mit dem Leben 1» Deutschland ist's ans. der Süden wäre das Einzige, was ihn vielleicht — vielleicht sagten sie — noch rette» könnte? Da klopste der Alte bei m« an: so und so, ob ich Kwssau haben wollte. Er müßte nach Meran zu keine« Jungen, wüßte nicht, wie lange er ihn noch hätte, wollte sich nicht mehr von ihn, trennen :c. :c. Ich also kurz rcsolvirt: ia. ich werde kommen und mitts nnsehen, und wenn ich's erschwingen könnte, wurd' ich es nehmen. Kam» sah mir'» an und nahm es, obgleich mein Geldbeutel ach und weh dazu schrie. Na, müssen nach anderer Richtung hin den Schmachtriemen bissel enger ziehen ? Döhlen, zu nichts zn gebrauchen, blieb knapp bis zur Uebergade; ging Alles wie mit der Hetzpeitsche, dazwischen ein Brief aus Meran von dem Jungen: er sei jetzt wirklich ganz gesund. Das glauben ja die Brustkranken immer I — Und cr stabe solche unbezwingliche Sehnsucht nach Krossau. Blos Abschied noch will cr nehmen von seiner alten Heimath um» vom Grab der Mutter» und wenn die Aerzte es irgend erlaubten, dann möcht' er in langsamen Etappen im heißen Sommer, der ja in Deutschland so schön sein könne, Her reisen und ein paar Wochen hier zubringen. Onkel Egon, wenn der inzwischen schon der neue Gutsherr geworden sei, werde ihm sicher für kurze Zeit Gast freundschaft in seinem lieben, alten Heim gewähren, kurz ein reizender Brief, und der ganze Junge steckte drin mit seinem seinen, warmen Gemüth und seiner Heimcckhslicbe, seinem treue» Herzen. Aber nun der Alte, nicht zn halten mehr! Das sei Heller Blödsinn, und die Reise uird der Aufenthalt m Deutschland würde der Tod von dem Jungen sein, was ich. beiläufig gesagt, nicht glaube! — Und cr müsse hin nach Meran, ihm das ausrcden! Ließ sich zn nichts mehr Zeit. Hals über Kopf eingepackt und zog nach Meran? Ich sitze nun in Krossau und warte ab. wer den Sieg davonträgt. der Pater oder der Sohn. Wie ich die Geschichte ansehe, thut's der Letztere. Der ver steht den Alien zu nehmen und sein länberlich um das Fingerchen zu wickeln, daß es 'nc Lust ist! Mög' er meinetwegen! Daß ich für meine Person mir tausend Freuden bereit bin, die beiden Döhlens so lange sie wollen als meine Gaste bei mir aüszniichmcn, versteht sich von selbst, ich Hab' cs dem Junge» exlra geschrieben, auch noch durch den Alten sagen lasten." — „Und Deine Familie?" ..'Meine Familie, lieber Bertel, besteht -derzeit nur aus einem einzigen Sohn, von dem sich durchaus nicht alneheu läßt, wie lange cs ihm angenehm sein wird, mir noch auf Krossau Gesellschaft zu leisten!" Das kam halb humor- und halb sorgenvoll heraus, über das offene Gesicht flog ein Schatten. Gleich darauf rief aber Pernhczewski in seinem alten jovialen Ton: „Gott Lob, da kommt unser Frühstück!" Tie Thür that sich aus und Grau erschien, ein großes, mit allerlei appetit lichen Dingen ;nm Este» und drei Weinflaschen bestelltes Tablett tn den Händen tragend, gefolgt von zwei gewaltigen Wolfshunden. Sie mußten vorzüglich dressirt sein, denn sic machten ob des neuen Gastes keinen Lärm, gingen nur ans leisen Tatzen an ihn heran und beschnupperten ihn ein wenig, streckten sich dann einer nach dem andern ihrem Herrn zu Füßen ans das dicke, dunkle Bärenfell und hoben die Köpfe erwartungsvoll in die Luft. „Schöne Exemplare!" bemerkte der Gast beifällig, während Grau mich und geräuschlos den Tisch deckte und das Frühstück zurechtstellte. „Du hast Hunde gern und giebst Dich viel mit ihnen ab, wie mir scheint. Besitzest Du mehrere ?" ..'Nur acht zur Zeit. Ein sehr kluger und treuer Levnbergcr ist mir kürz lich gestorben, dazu noch ans die schnödeste Weise um's Leben gekommen. Einen seltenen Jagdhund in hoher Dressur tann ich Dir gÄegentllch zeigen. Tu bist doch noch Jäger ?" „Und ob! Passionirter denn ie!" „Ich habe keinen üblen Wilvbcstand auf Wulsshagen, auch sehr gute Jagd aus Wastcrvögel. Schnepfen und Wildenten haben zwanzig Meilen im Umkreis nicht ihresgleichen. Zur Jagd fehlen mir immer noch ein paar Hunde, nur ist Hylas sehr eifersüchtig auf Neulinge. Eine schöne Ulmcr Dogge, ein auserlesenes Exemplar, besitze ich seit zwei Jahren, dann cm Paar gute Ncu- sundländer." „'Aber Mensch, was thust Tu um mit all' den Hunden?" ries Pernh- czcwski erstaunt. „Ich brauche sie!" cntgcgncte der Gefragte kurz und mit Nachdruck. Dem Gast fiel die Acußerung des Hausirers Ignaz Lawski ein, Baron Von Wulfsen habe gedroht, ihn mit .Hunden vom Hof Hetzen zu laste», wenn er sich jemals bei ihm blicken lasse. L-elbstvcrständlich schwieg er hierüber. Gran war mit seinen Vorkehrungen fertig und im Begriff, das Zimmer zu verlassen. Sein Herr ichickle die beiden Hunde hinter ihm drein. „Eastor und Pollux, für euch gicbt's heute nichts. Macht, daß ihr fort- kommt!" Tic beiden Wolfshunde stießen ein leise» Gelvinsek aus, gehorchten aber sofort, erhoben sich, drückten die Köpfe gegen ihre» Gebieters Knicc und schlichen mit dem Diener zur Thür hinaus. „Bediene Dich, bitte!" sagte Wulfsen mit einer einladenden Handbcweguug nach dem reich besetzten Tisch hin, während er de» Wein in die Gläser goß. „Laß ich mir sicher nicht zweimal jagen!" Der polnische Herr ging sogleich zum Angriff über und nahm sich ein gebratenes Hühnchen auf den Teller. „Sich' mal, den appetitlichen Fleischsalat, und hier diese Pastete! Jur einen Anachoreicn führst Du 'ne ganz respektable Küche!" „Wenn man einmal leben muß und die Mittel hat, darf man doch nicht schlecht leben!" „Auf keinen einzige» Fall. Leute, die ihren Leib geflissentlich kasteien, bekvmmen ohne Noch gallige Stimmung. Prosit I Dem Wohl, mein alter Berkel! Und auf gute Freundschaft!" Ter Baron gab den Trinkspruch nicht zurück, die Gläser aber klangen hell aneinander. Für die nächste Zeit hörte man nnr das Klappern der Messer und Gabeln, das Klirren der Flaschen und Gläser beim frischen Eiuschänken.
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