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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 14.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030614027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903061402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903061402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-06
- Tag 1903-06-14
-
Monat
1903-06
-
Jahr
1903
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Bclegblätter werden imt wP-e. berechnet. fternlvrechantchlutz: Amt I Sir. U und Nr. «UW. ikLÜAe sl len IAA, Ter Umsturz tn Serbien. Neueste Drahtberichte. Hofuachrichtcn, Wahlbcivegung. Aus den Blcikammei» Serbiens. Loillltiig, 14. Juni IWH. Der Umsturz in Serbien. Der mit so gröblicher Brutalität durchgcführte Staatsstreich in Serbien ist nicht nur vollständig gelungen, dieprovisor i s ch e Regierung hat es bis jetzt auch veritanden, Ruhe und Ord nung aufrecht zu erhalten und weiteres Blutvergleben zu verhindern. Wenn man nicht überall im serbischen Land geneigt sein wird, in den Jubel der hauptstädtischen Bevölkerung einzustlmmen, so wird das sehr resolute Auftreten der neuen Männer eine Opposi- tionsstlmmung doch nicht auskommen lassen, abgesehen davon, daß daran nimmt, ob ein Obrenowitsch, ob ein Karageorgewitsch im Belgrader Ä'önrgskonak haust. Die Armee ist im grauen und ganzen zweifellos schon seit längerer Zeit für den Prinzen Peter ge wonnen, in Belgrad war der Divisionär Nikolitsch der einzige, der dem König mit seinen Truppen zu Hisse eilen wollte. Er hat das mit dem Leben büßen müssen. Einige «Schmierigkeit scheint der pro visorischen Regierung die Haltung der Garnison m der zweiten Residenzstadt, dem von den Obrenowitsch seit jeher bevorzugten Nisch zu machen. Milan hat Nijch mit Gnadenbeweiscn geradezu überschüttet, selbst der in Geldsachen recht pedantische Alexander hatte für Nischs Bedürfnisse eine offene Hand, man er innert sich noch an seine reiche Spende im Januar dieses Jahres. Die Rischer Bürgerschaft wie oie Garnison hat diese Bevorzugung stets mit treuer Dankbarkeit gelohnt, und wenn man außerdem noch die Rivalität Mischen den Offizieren der ersten und der zweiten Residenz berücksichtigt, so begreift man die Lppositions- lust der Rischer Truppen. Wie dem auch sein mag, man kann wohl annehmen, dah sich die provisorische Regierung Achtung zu verschaffen und unerwarteten Zwischenfällen energisch zu begegnen wissen wird. Ist dann die Wahl des neuen Königs durch die Volksvertretung am kommenden Montag vollzogen, dann ist der kritischste Teil der Aufgabe wohl gelöst. Ueber die Vorgänge in der Mordnacht gibt jetzt der „B. L.-A." auf Grund von authentischen Mitteilungen des an der Spitze der Verschwörer stehenden Oberstleutnants Mischitsch folgende, die früheren Nachrichten teilweise ergänzende und bericl-- trgende Darstellung: Das ^nmvlntt bereiteten Raniaknn'tlch Ma lchin, Gentschitsch und Atanazkowitjch vor. Sie weihten zumeist Subalternoffiziere, aber keinen General ein. Gegen 142 Uhr kamen div Offiziere auL den Cafehäusern vor dem Konak zusammen, um Maschins Befehle entgegen zu nehmen. Das 7. Infanterie-Regiment umzingelte die Polizeivureaus und die Jnfcmteriekaserne, das 4. Kavallerie-Regiment und die berittene Artillerie zernierten sämt liche Minister, das 6. Infanterie-Regiment und die Garde-In fanterie umzingelten den Konak. Gardekavitän Kostitsch öffnete das Westtor und lieb die Offiziere ein, Mischitsch attackierte das Südtor und überwältigte die Palaltgcndarmen, wobei es 6 Tote und 20 Verwundete gab, worauf alle Offiziere vor das Eingangs tor deS alten Konak drangen und die Tür sprengten, wobei Naumo- witsch, der von innen öffnen wollte, durch eine Dynamitexplosion getötet wurde. Die Verschworenen drangen ein und erschossen den Hauptmann Miljkowrtsch. General Petrotvitsch zerstörte die elet- irische Lichtanlage. Die Verschworenen zwangen nach ernstün- digem Suchen im Finstern Petrowitsch, den Versteck des Königs paares in der Vorratskammer zu zeigen. Mischitsch forderte vom König die Abdankung und die Ausweisung der Königin. Ans Alexanders Weigerung wurde das Königspaar erschossen und die Leichen in den Parkhof geworfen, wo sie früh 5 Uhr der russische Gesandte fand. Die Tragödie erforderte 54 Tote und Verwundete. Peter Karageorgewitsch empfing, wie bereits kurz in einem Teile des Blattes gemeldet, Freitag früh einen Vertreter der Schweizerischen Depeschen-Agcntur und erklärte im wesentlichen Folgendes: Meine Anhänger haben in der Tat eine vollständige Organisation in Serbien, mit der ich häufig in Beziehungen ge treten bin. Ich erfuhr von anderer Seile, daß die Unzufrieden heit des Volkes ihren Gipfel erreicht habe, aber in keiner Weise ließ man mich die Ereignisse der gestrigen Nacht voraussehen. Ja- Habe nichts zu ihrer Vorbereitung beigctraaen und auch indirekt keinen Anteil daran genommen: sie haben mich überrascht. ! : :r- . zu . - - . hineinziehen, während ich gar nichts mit ihr zu tun hatte. Donners tag vormittags gegen 9s4 Uhr brachte mir ein von meinem in Wien lebenden Vetter abgesandles Telegramm die erste Nachricht über das Trauerspiel, das sich ereignet hatte. Um l Uhr nachmittags kam einer meiner montenegrinischen Freunde und bestätigte die Nachrichten, die bis jetzt für mich keinen amtlichen Charakter tragen. Man bat aut Karten und in Telegrammen viele Glück wünsche an mich gerichtet, aber das ist Alles Für den Augenblick warte ich die Ereignisse mit Ruhe ob. Solange keine förmlichen Vorschläge an mich ergangen sind, habe ich keinen Grund, abzu- reisen. Ich bleibe, wo ich bin: denn niemand hat verlangt, dah ich nach Serbien zurückkehre, niemand hat mir die Krone ange- boten. Von den Mitgliedern meiner Familie, die in Belgrad und in anderen serbischen Städten wohnen, habe ich keine Nachrichten. Was meine Meinung über die Vorgänge anbelangt, so bedauere ich tief, dah man geglaubt hat, das Blut in Strömen vergießen zu müssen. Ich mißbillige in aller Form die gewalttätigen Mittel und beklage insbesondere dah das Heer zu ihnen gegriffen hat, denn es hat edlere Aufgaben zu erfüllen, als zu morden. Es hätte genügt, Alexander zum Unterzeichnen seiner Abdankung zu zwingen »nd inan hätte ihn verpflichten können, wie cs unter ande ren Umständen geschehen ist. Es ist eine schreckliche Sache, Blut zu vergießen. Sie fragen mich, welche Haltung ich cinnehmen werde, wenn ich im Besitz der Krone bin? Aber bieten Sie mir diese Krone an? Jedenfalls glauben Sie sicher, daß ich. wenn man mich ruft, mich von dem Geiste der so bewunocrnswerten Einrichtungen der Schweiz werde leiten lassen. Ich habe vieles gelernt in den langen Jahren, da dieses Land mir Gastfreundschaft gewährte. Ich bin ein Freund der unbeschränkten Preßfreiheit und ich ' " ^ '' " ' " '"' schaft dc auswärtigen Bezi planmäßig scindli doch ist es «Msstlde. styM sie dort Dienste nehmen werden. Inzwischen ist Peter Karageorgewitsch die Krone Serbiens tatsächlich angeboten worden. Der Wiener Korrespondent der „Kölnischen Zeitung" telegraphiert seinem Blatte vom 12. Juni: Hier im Hotel Wand! am Petersplatz tagt unter Führung des Vetters des Fürsten Peter Karageorgewitsch, Professors Nenadowitsch, eine Gesellschaft von serbischen Politikern und Offizieren, die teilweise erst gestern während der Bluttat in Belgrad hier cingetrossen sind. Er und andere serbische Flücht linge sollen die Verschwörung geführt und organisiert haben. Da gegen soll Wladan Georqewitsch, der ebenfalls hier lebende frühere Ministerpräsident, die ihm heimlich von serbischen Offizieren vor längerer Zeit übcrbrachte Einladung zur Teilnahme an der Ver schwörung abgelehnt haben. Tatsächlich weilte er seit zwei Wochen mit Familie in Sauerbrunn bei Karlsbad. Die Gruppe im Hotel Wandl erhielt von Peter Karageorgewitsch auf die An bietung des Köngstyrones die Antwort, er sei bereit, die Krone anzunehmen, wenn ihn die Sknpschtina einstimmig wähle und die Mächte dieser Wahl zustimmten. Bis dahin werbe er in Genf bleiben: er wolle nicht mit den Belgrader Mordtaten in Ver bindung gebracht werden. Diese Versammlung soll beschlossen haben, das Vermögen der Königin Draga, das in fremden Banken, teilweise bei Rothschild in nicht sehr wertvollen Papieren, verwahrt ist, gerichtlich für den serbischen Staat zu beanspruchen. Wie der da Korrespondent zuverlässig erfährt, waren noch ganz kürzlich uche gemacht worden, einen Empfang des Königspaares beim Wiener Hose durchznietzc». Auch diese Tatsache spricht geocu die Meldung, wonach eine Trennung Alexanders von Träga beooe- gestanden hätte. Nebec die Persönlichkeit des Prinzen Peter Kara georgewitsch erfirhrt die „R. F. Pr." vv» sehr authentischer Seite folgendes: Prinz Knragevrgewitsch ist ei» mittelgroß« hübscher Monn, der sehr elegant nach srniizöfiichcr Mode getleioer ist und durchaus den Eindruck eines weltmäniwch gebildeten .Herrn macht. Sei» dunkle- Kopfhaar und der karzc Bart und Schnurrbart sind leicht ergraut: das ovale Gesicht hat einen den! liehen slawischen, wen» man will, serbischen Thvns. Sein strammes Auftreten laßt vermuten, daß er militärische Ausbildung genossen habe In Gens bewohnte er mit seiner Gattin, einer ältere» stattlichen Lame, er» kleines Pcivathotel in nächster Nähe der ruisiichen Kirche. I» seiner Umgebung befanden sich zeitweise zwei Trichter. Sowohl der Prinz, wie auch lerne Familie waren fast tägliche Gäste des ruisiichen Prinzen Oldenburg, der mit seiner sehr schöne» Frau »nd nrit mehreren Kindern in Genf i» freiwilliger Verbannung lebte und ein großes Haus führte. In dem Hause Oldenburg verkehrten das nanze Jahr hindurch sehr vvruehme Nüsse». Prinz Karageorgewitsch iit, wie unser Gewährs mann mittelst, ei» gebildeter, sehr belesener Marin. Er spricht ein sehr schönes Französuch, Russisch, Serbisch und Deutsch. Seine universelle Bildung hat er sich durch jahrelange ernste Lektüre er worben, wie er überhaupt an allen Zeit- und Streitfrage» leb haften Anteil nimmt und den Verkehr mit Männern der Wissen schaft sucht, uni sich zu belehren. Er lebte in Genf lehr zurück gezogen, säst bürgerlich einfach. So besaß er keine Equipage, sondern benutzte einen Lohmvagen. Geseliichastlich verkehrte er nur mit Russen, insbesondere im Kreise des Prinzen Oldenburg. Prinz Karngcorgewitich gab übrigens nie größere Festlichkeiten oder Gesellichastsabeirde: die wenigen Räume seines Hotels hätten für derartige Harrsherreripslicliten auch nicht genügt. Es fiel in Genf einigermaßen aus, daß Prinz Karageorgewitsch sehr oft verreiste, allem, ohne jede Begleitung die Stadt verließ. Weder seine Um gebung »och seine russischen Freunde konnten oder wollten über diele »ihsteriöieil Retzen, ihren Zweck und ihr Ziel etwas Bestimm tes wissen. Plötzlich erschien der Prinz wieder, um seine intimen Beziehungen znm Prinzen Oldenburg und zu den Spitzen der Genier russischen Kolonie wieder aufzmrehmen. Im ganzen macht der Prinz den Eindruck eines sehr gebildeten, einfachen, ernsten Mannes, dem russische Sprache, Gesellschaft und auch rnssische Musik utid Literatur sehr tteb und vertraut sind. Das „Neue Wiener Tcrgebl." veröffentlicht eine Unterredung mit dem Handelsminister Gentschitsch, welcher die Frage, ob tatsächlich unter eurem Teile der Mitglieder des Kabi netts eine republikanische Strömung herrsche, verneinen zu können glaubt. Tie Wahl des Regenten könne erst Dienstag er folge». Es sei ziemlich sicher, daß Peter Karageorgewitsch gewählt wird. Der Fürst von Montenegro habe keinerlei Chancen. Ueber die kritische Nacht äußerte sich der Minister sehr reserviert- Erst wen» die Erregung sieb gelegt haben werde, werde es geboten erscheinen, offizielle Darstellungen zu veröffentlichen. König Alexander habe seit der Thronbesteigung Fehler auf Fehler gemacht und durch seine .Heirat mit Draga und die Komödie der Geburt des Thronfolgers den letzten H„ll im Volke verloren. Der Zeit Punkt für dc» Anschlag sei gewählt worden, weil am 30. Mai (Alt. St.) der Wunsch der Königin Draga endlich erfüllt werden sollte, Nikodem Liuiffewitsch zum Thronfolger zu proklamieren. Das Ausland könne ruhig sein; cs handle sich lediglich um eine interne serbische Angelegenheit. Im ganzen Lande herrsche Ruhe. Karageorgewitsch sei ein ernster, ehrenwerter Charakter, an dem Oesterreich-Ungarn nur eine» guten Freund haben werde. Im einzelnen verzeichnen wir noch folgende Meldungen: Wien, 12. Juni. Rach den neuesten Berichte» eilten die Brüder der Königin aus ihrem Hause, das ihnen die Kunst und Wissenschaft. s* WoLen-Svrelplan der Königs. Hofthealer. Opernhaus Sonntag: „HvfsmannS Erzählungen". Montag: „Die Glocken von Cornevtlle". Dienstag: „Der Dämon". Mitt woch: „Fidello". Donnerstag: „Die Meistersinger von Nürnberg". Freitag: Geschlossen. Sonnabend: „Margarethe" Margarethe: Frl. Marga Borchardt als Gast). Sonntag: „Samson und Dalila". — Schauspielhaus. Sonntag: „Die versunkene Glocke". Montag: „Die Opferst»«", Endlich allein". Dienstag: „Der Widerspenstigen Zähmung". Mittwoch: Zyklus der Kör,igsdramen. 9 Abend Zum erstenmal: »König Heinrich VlU ". Donnerstag: Für die Freitags-Abonnenten des lO.Jnni: „König Heinrich VIII." Freitag: Geichlossen. Sonnabend: Letzte Schauspiel-Vorstellung vor den Ferien: „GvgeS und sein Ring". ß* Mitteilung aus dem Bureau der König!. Ho st brater. Die nächste Wiederholung des Legendenslückes »Die Op fer sen er" vo» K. Giellerup. Musik von Schstlderup, findet Mon tag. den 15. Juni, statt. Eine weitere Aufführung des Werkes ist mit Rücksicht aus den Sptelpian der Hofoper in dieser Spielzeit nicht mehr möglich. — Die Spielzeit des HofschaufptelS findet Sonnabend, den 20. Juni, mit Hebbels „GhgeS und sein Ring" ihren Abschluß. An- den Bleikammern Serbiens. Die KönigS-Katastrophe von Belgrad im äußersten Falle enn man hier unter Linie wie zu Metternichs Zeiten, aber dod am Zigeunerberge bei Semlin beginnt. 1 den Drummern des alten Hunyady-Sä den mw blickt,/». . . , vom Himmel abheben. Man glaubt, man irre sich, wenn man sich erinnert, daß diese Zwingburg brs 1867 m den Händen der Türken geblieben ist. Erst seit 36 Jahren also ist der Halb- mond von ihren Zinnen verschwunden, und viel zu tief hat die Janitscharen-Morol dem Geiste deS serbischen Volkes ihren Stempel aufgedrückt, als daß dieses seither Zeit gefunden, haben könnte, in die modernen Kulturformen, die es wenigstens in einigen Städten des Landes äußerlich zur Schau trägt, hineinzuwachsen. Diese Zitadelle von Belgrad ist eine Stätte, wie es wenige gibt, mit so viel Blut und Tränen ist sie gedüngt. Hier wurde der Großwesir Kara Mustapba erdrosselt: hier wurden in fast dritt- halbhundert Jahren türkischer Herrschaft unzählige Menschen, die den Machthabern verdächtig geworden, gefoltert und hingerichtet, und die Obrenowitsch, als sie daS Erbe der Paschas antratrn, haben »ualeich mit der Herrschaft die Praxis der despotischen Ge walttätigkeit übernommen. „Vergeben Sie auch Ihren Feinden?" fass« fragte einst ein Priester einen sterbenden svanischen General. — „Feinde?" antwortete dieser, „ich habe keine: ich habe sie alle über die Klinge springen lassen!" — Genau so haben es die Obrenowitsch mit ihren Gegnern gehalten. In einem im Jahre 1900 zu Berlin erschienenen Pamphlet „Das Ende der Dynastie Obrenowitsch", dessen Verfasser uns sonst wenig Vertrauen einslößt, finden sich einige Mitteilungen über die Kabinetts.Justiz der serbischen Fürsten, Mitteilungen, die wir reproduzieren, weil das Meiste davon erwiesen ist. Der Ver schreibt: - - - h^aiirtt nin im ... in kann sagen, an der Milde, mit der ein Volk seine Gefangenen be> handelt, wird es gi , und Härte seinen Gefangenen gegenübertritt als eben Serbien. Serbien mißt mit zweierlei Maß: die schwersten Ketten, den Giftbecher, die Rebschur hält es für den Märturc- seiner Ideen bereit; der gemeine Meuchelmörder dagegen führt im Zuchthaus ein friedliches Dasein, und wenn Not an Man» ist, so öffnet ein „humaner" Polizeipräfekt die Türen der Strafanstalt, und der Zuchthäusler schreitet zur Wahlurne, ja er geht mitunter auS der selben als Gewählter hervor und wird zu einem Mitglied«: der gesetzgebenden Körperschaft seines Vaterlandes! Der politische Sträfling dagegen muß dararss gefaßt sein, aus dem Kerker nicht mehr lebend zurück' — — ^ " — und die Brutalität Höhlen zu seiner Zelle zu machen. Die Belgrader Festung beh serbischen Sträflinge. Sie besitzt eine Unmenge großer und luftiger Zellen, Arbeitsstile und dergleichen, welche für die Auf nahme gemeiner Verbrecher bestimmt sind. Für die rndclt. kann man die Höhe seiner Kultur bemessen. Serbien ird sich wahrscheinlich gegen diese Sentenz aussprechen, denn > gibt kein Land in Europa, das mit größerer Graul omkcit zurückzukehren. Er wird in schwere Ketten geworfen talität der serbischen Machthaber weiß die gräßlichsten ».... .einer Zelle zu mach«». Die Belgrader Festung beherbergt einen großen Teil der Sträflinge. Sie besitzt eine ^uft «in. damit der Äefangene nicht sogleich erstickt. Die Kase matten der Belgrader Festung haben gar manchen serbischen Bürger ausgenommen und erst als Toten wieder hcrauSaegeben. Ob sie eines natürlichen TodeS starben, ob sie den Giftbecher tranken, oder ob sie erdrosselt wurden — wer weiß es? In der Belgrader Festung gibt es ja eine noch einfachere Methode, um zu sterben. Gegenüber dem FestunaSkommando führt eine un heimlich tiefe Stiege zu einem unterirdischen, noch auS der Römer- zeit stammenden Brunnen, dessen Spiegel tiefer liegt als der Grund der Donau. Mancher politische Sträfling bat den Gang zu diesem Brunnen unternommen und — wurde nicht mehr wieder gesehen. Er war einfach verschollen, und daS mußte seinen Angehörigen genügen. Im Mittelpunkte Belgrads, auf der Terazia, erhebt sich ein hohes Gebäude, in dem das Hauptpostamt untergebracht ist. und in großen goldenen Buchstaben verkündet an der Stirne deS Ge- bäudcs eine stolze Inschrift, daß ein serbischer Patriot namcirS Kolarah dieses Haus dem serbischen Staate geschenkt lwt. Kolaratz war ein steinreicher Mann, aber ein Gegner des Hauses Obrc- nowitsch. Dies führte auch ihn in die Kasematten der Belgrader Festung. Dort mürbe gemacht, trat die Regierung an ihn mit dem Vorschläge heran, ihm seine Freiheit wieder zu schenken, wenn er sich schriftlich verpflichte, ein treuer Untertan zu werden une> zu diesem Zeichen sem Haus auf der Terazia, sowie einen Teil seines großen Vermögens dem Staate schenke. Kolarah gab die verlangte schriftliche Erklärung, unterschrieb die gewünschte Schenkungsurkunde und — wenige Tage darauf war er tot! „Ge storben an einem Unterleibslcidcn," heißt in solchen Fällen der ärztliche Befund. Tie Belgrader Kasematten und die finsteren, für politische Häftlinge bestimmten Löcher der Poscharewatzer Strafanstalt sind noch nicht die schlimmsten Herbergen für gefallene Größen in Serbien. Manko Tajfitich, der radikale Bauerntribun von Dragut- schcwo, den König Alexander einstens mit dem Roten Adler- orden, der höchsten Auszeichnung Serbiens, geehrt und zu wieder holten Malen zu Hof geladen hatte, wäre froh gewesen, wenn man ihm später ein solches Arrestlokal angewiesen hätte. Als ihm der Prozeß wegen Herduckenhchlerci und Hochverrats gemacbt wurde, sperrte man den unglücklichen Mann m einen Abort des Polizeihauses ein. Um die Grausamkeit dieser Handlung recht zu beleuchten, ist es notwendig, daß der Leser die richtige Vor- tcllung von einem serbischen Anstandsorte empfängt. Diese de ichen aus Keinen Kammern, in denen^ein Mann In stehender eine große, kreis- in diesen Ort Ein- .. . . . „ . er muß, will er nicht durch besagte Oeffnung in den Kanal stürzen, mit aus- gespreizten Beinen in ei» und derselben Stellung verharren. Ranko Tajsitsch verbrachte Wochen in diesem Arreste, und als man ihn dann herousließ. war der herkulisch gebaute Mann fast gänzlich erblindet und gelähmt. Vasa Pelagiffch, der Führer der serbischen Sozialdemokraten, starb im Strafhause Poscharcwatz... die Volksstimme sagt an Gift. Vasa Pelagitsch wurde wegen Hoch verrats verurteilt, und bald nachdem er in das Gefängnis rin- geliefert worden tvar, meldete das Belgrader Prcßbureau nach Europa: Pelagitsch ist gestorben! Mein der Jubel war verfrüht, das Quantum Gift scheint zu schwach gewesen zu IM, denn die - daß Pelagitsch noch lebte, desavouierte die offizielle Sterbe- Auswärtigen Amtes. Pelagitsch war »och nicht tot, nd erst einige Wochen später es wie 2ta."ü hatte er ausgerungen. An was er starb? Amtlich immer «an einem Unterleibsleidcn". heißt es »Srks. Zi
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