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im Genießen und Anschanen der schönen Gegend, daß er nicht einmal die Leute bemerkte, die hinter ihm vorbei gingen. So gewahrte er auch nicht zwei Schusterbuben, die aber ihn schon lange desto besser beobachtet hatten "und den setzigen Augenblick für ganz besonders geeignet fanden, zur Uebung und Unterhaltung einen kleinen Cchusterbubenstreich aus zuführen, um auch einmal wieder einige Abwechs- ' lung in ihr bepechtes schusterliches Erdenleben zu bringen Als ob der Satan hinter ihnen her wäre, , rasten die beiden hoffnungsvollen Mitglieder des deutschen Schuhmacherstandes plötzlich hart hinter dem stillen Denker und Dulder vorüber, wobei sie es leider nicht verbleiben konnten, daß der eine von ihnen außerordentlich heftig an die gemeinde- pflegerliche Rückseite anprallte und wupp dich! flog der Hut-Sonnenschirm weit hinaus auf den breiten Strom! Wie aus einem bösen Traum aufgeschreckt fährt der Gemeindepfleger empor und blickt nut starrem Entsetzen seinem Hüte nach, der indessen als flotter Dreimaster — eine seltene Erscheinung auf der schiffbaren Donau — auf dem Rücken einer schaukelnden Welle anmuthig dahin segelt, der Türkei - zu!,— Immer weiter glitt der Treulose, bis er ihn nimmer sah, den Trefflichen, der so manche Jahre hindurch,seine angehende Glatze bedeckt und beschirmt. Der Schmerz über den herben unver hofften Verlust und der sehr gerechte Zorn über die gottlosen Schusterbuben, die in sicherer Ent fernung ein schallendes Gelächter über ihren ge lungenen nichtswürdigen Streich aufschlugen, ver setzten den wackeren Mann in die höchste Äuswall- , ung. Das Blut stieg ihm in's .Gesicht und es ward ihm plötzlich so schwül und bang um's Herz, ' daß er rasch Halstuch und Weste aufriß um sich Luft zu schaffen. Man hätte meinen können, ec schicke sich allen Ernstes an, dem Deserteur in's Wasser nachzuspringen. Das mochte wohl auch der Offizier denken, der Ursache und Wirkung der plötzlichen Flucht des Hutes lächelnd mit angesehen hatte. Sanft legte er, dem betrübten Manne, der .eben im Begriff war, auch den Rock herunter zu reißen, die Hand auf die Schulter. „Halt, Vetter!" sagte er, — „der Hut ist d'rin und Ihr holt ihn nicht mehr! Die Türken da d'rnnten werden eine rechte Freude haben an dem schönen schwäbischen Dreimaster! Laßt ihnen die Freud' und kauft Euch eine andere dreifache Versicherung!" Pfiffig lächelnd sah der Herr Gemeindepfleger, der jetzt vollkommen wieder bei sich war, den Offizier an und sagte: „ja, ja! die werden freilich eine Freud' haben; wenn sie erst wüßten, daß er einem württembergi- schen Gemeindepfleger gehört!" — „So, so! dann ist der Schmerz größer als der Schaden! kauft euch nur getrost einen andern Hut und schreibt die Aus lage in eure Rechnung!" versetzte der Offizior, und ging lachend weiter. Der Herr Gemeindepfleger aber lachte nicht. Ihm kam die Sache sogar sehr ärgerlich vor. Der Spaß kostete ihn ja wenigstens vier Gulden, denn einen andern Hut mußte er jedenfalls haben. Tief beklagte er im Stillen seine unbesonnene, höchst überflüssige und sogar kostspielige Leidenschaft für die Schönheiten der' unerreichbaren Natur! die ganze Donau samint der Brücke schien ihm jetzt auf einmal keinen Kreuzer, viel weniger wier blanke Gulden werth! O! er hätte sich mögen selbst be- ohrfeigen, wenn ihm nicht noch bei Zeit eingefallen wäre, daß man sich an einer obrigkeitlichen Person nicht vergreifeff darf. So begnügte er sich mit eineM tiefen Ingrimm gegen sich selbst und nach dem er noch einen traurigen Blick auf den reißen den Strom, das nasse Grab seines unglücklichen Hutes, geworfen, ermannte er sich und schritt nach denklich zum Thore hinein der Stadt zu. In einem nahegelegenen Hutmagazin kaufte er sich seufzend einen andern Hut, viel schöner als der Dahinge gangene, und trat dann so geniüthlich als es ihm das Herzeleid über das traurige Ereigniß nur ge sichtete, den Heimweg an, jedoch nicht ohne vorher noch im weißen Rößle sich an einem Schoppen Zwölfer zu erlaben, was in Anbetracht der aus gestandenen amtlichen Ansehens eigentlich gar nicht überflüssig war: Der Gemeindepfleger war, wie man sagt, „sonst kein ungescheidter Mann." Er pflegte wenigstens Alles, was er vorhatte, reiflich zu überlegen und .wir können versichern, es gelang ihm meist Alles zu seiner Zufriedenheit, kleine Zwischenfälle ausge nommen, wie der heutige. Aber lieber Gott! wer wird an solche Ereignisse denken! Als vorsichtiger ökonomischer Mann hatte er sich im Hutmagazin eine guittirte Rechnung geben lassen. Der Wink des Offiziers hatte ihm von Anfang an eingcleuchtet und es war schon werth, ihn ein wenig naher zu prüfen. Sollte er die Auslage für den neuen Hut wirklich in die Rechnung schreiben oder nicht? Das war die große Frage, mit welcher ec sich auf dem Heimweg beschäftigte. Nachdem er die Sache lange und gründlich überlegt, stand sein Entschluß fest. „Der Offizier hat Recht," sagte er zu sich selber, „der Hut gehört auf die Art hinein! Donnerwetter auch! man ist nicht umsonst Gemeindepfleger!" Noch am nämlichen Tage führte er auch seinen Ent-, schluß aus und schrieb den Posten wirklich in die - Gemeinderechnung: „Item, laut Beilage, für den Rechner einen neuen Hut, thut vier Gulden!" Und auf die Rechnung des Hutmachers, die zur Beilage -