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konnte. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, daß während dieser Zeit die Bedienten immer ein- und ausgingen und Alles sahen, was vorging. Plötzlich öffnete sich die Thür des Saales und Lord L. trat ein. Finster runzelte er seine Stirn; seine Blicke schienen Feuer zu sprühen. Seiner erschrockenen Frau befahl er stolz, sich in ihre Ge mächer zurückzuziehen, während er mich zornig an fuhr, ob ich die Gesetze des Landes nicht kenne? Auf meine verneinende Antwort erfuhr ich nun das sonderbare Gesetz, das noch aus den ältesten Zeiten Englands herstammt, nämlich: „daß, wenn der Ehemann einen Fremden bei seiner Frau auf dem Sopha antrifft und Beide die Hände in ein ander haben, der Ehemann dies als einen Angriff auf seine Ehre betrachten darf und das Recht hat, den Fremden auf zehn Tage in's Gefängniß ab führen zu lassen oder ihm eine Geldbuße aufzu legen." Der Lord ließ mir die Wahl. Die Summe setzte er auf 500 Psd. Sterl. fest. Ich erklärte ihm, daß ich eine so- bedeutende Summe gar nicht bei mir habe, worauf er erwiderte: „er kenne meinen Banquier wohl, bei dem ich unbeschränkten Kredit habe, ein paar Worte meinerseits genügten,^ um ihn bezahlt zu machen." Auch versprach er/ mir sodann die Freiheit zu geben. Ich willigte ein, indem ich mir vornahm, gleich zu meinem Banquier hinzugehen und die Acceptation ver weigern zu lassen. Allein fehlgeschossen. Ich ward in eine Dachkammer abgeführt, bis der Wechsel acceptirt wurde, worauf man mich entließ. Voll Wuth ging ich sogleich auf die Polizei und zeigte den Vorfall an. Ich erklärte, daß die Lady mich zu sich auf das Sopha eingeladen und meine Hände ergriffen habe; auch sei es eine Ungerechtigkeit, gegen einen Fremden, der die Gesetze nicht kenne, die ganze Schärfe derselben in Anwendung zu, bringen. Einige Polizeimänner wurden mir bei gegeben, um die Sache näher zu Untersuchen. Aber Wie groß war mein Erstaunen, als keine Seele mehr im ganzen Hause zu erblicken war. Es ward mir bald klar, daß ich von einer Diebesbande ge prellt war. Die schöne Lady, die mit zur Bande gehörte, hatte ihre Rolle meisterhaft gespielt. Ich ersuhr nun, daß das große Haus einem Lord ge- höre, der auf dem Lande sei, und es unterdeß ver- miethet hatte. Die Bedienten waren verkleidete Diebe, die nur auf den günstigen Augenblick ge wartet hatten, um ihren Herrn zu rufen." Der Hut ist drin. Der Herr Gemeindepfleger von W., einem ober schwäbischen Dorfe, mußte wieder einmal recht fest hinter dem Glase gesessen und beinahe ein wenig über Durst getrunken haben. Das schien wenig stens sein geröthetes Antlitz und seine glückselige Miene anzudeuten und seine ganz etwas'unsichere Haltung, als er, den Hut ziemlich schief auf das Haupt gerückt, mächtig puhstend unter das Portal des stattlichen Gasthauses zum goldenen Löwen trat, wo er gewöhnlich einkehrte, wenn ihn seine vielen Amtsgeschäfte in die Stadt riefen. Sein dickes, lachendes Gesicht leuchtete aus dem Dunkel der Hausflur so freundlich hervor, wie der aufgehende Mond aus der Abenddämmerung. Nachdenklich blieb der Herr Gemeindepfleger eine Weile sieben und schien reiflich zu überlegen, ob er nicht besser thäte, wieder umzukehren und statt in die drückende Mittagshitze hineinzuwandern, bei der fröhlichen Gesellschaft, die er eben verlassen, den kühlen Abend zu erwarten. Er besann sich aber nicht lange. Mit einem kräftigen Ruck, in dem er seine ganze Willenskraft vereinigte, bugsirte er sich vollends über die Schwelle auf die Straße und lavirte lang sam und so ziemlich sicher der Donaubrücke zu, denn kein anderer Weg führte dießmal nach Küßnacht. Schon mitten auf der Brücke blieb er aber stehen vor Mattigkeit und Hitze. Seufzend nahm er den Hut ab, klemmte ihn zwischen die Beine und wischte sich mit dem rothkarirten baumwollenen Sacktuch, das er mit beiden Händen hielt, das nasse heiße Gesicht ab. „Puh! puh! ist das eine Hitze!" jam merte er, nicht ohne einige sehnsüchtige und fast reumüthige Blicke auf den nahen goldenen Löwen zurückzuwerfen. Ermattet lehnte er sich an die Brüstung der Brücke, um ein wenig zu verschnau fen. Dabei blickte er gedankenvoll in den brau senden Strom, in dessen kühlen Wellen sich dse sengenden Sonnenstrahlen badeten. Die frischen Brisen, die von Zeit zu Zeit über den schimmern den Wasserspiegel.; sich erhoben und kühlend an sei nem glühenden Gesicht vorüber strichen, thaten ihm unendlich wohl. Um die Wirkung dieser kühlen Lüftchen noch wohlthätiger zu machen, zog er den Hut, den er wieder^aufgesetzt, schief auf die Seite und hielten wie einen Schirm gegen die Sonne. Lange schaute er so unverwandt, den schweren Kopf leicht auf die breite Hand gestützt, in den schönen Strom, der sich in prächtigem Wellenschlag wie eine riesige glänzende Schlange geschäftig dahin wälzte. Der gute Mann schien ganz versunken in stille Verwunderung, „daß all das viele Wasser, so lange er sichchenkenjkonnte, tagtäglich die Donau hinunter laufe — weit weit bis in die Türkei hinein!" Mehrmals nickte er auch etwas mit dem Kopfe, wahrscheinlich, weil all die Naturschönheiten seinen vollsten Beifall fanden. Er war so vertieft