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sik!" ließ sich Wilhelm! bescheiden vernehmen, „oder wohl gar Künstler/' „Künstler? O nein!" entgegnete Himmel lächelnd, „musikalisch, ja! wie man's nimmt, für's Haus, ich klimpere und stümpere so ein wenig," und griff dabei so mir nichts, dir nichts, auf die Orgeltasten herum, wie Einer, der kaum „blühe, liebes Veilchen!" auf dem Klavier zu geben, ge schweige denn einen Choral auf der Orgel vorzu tragen im Stande ist. Nachdem es ein Weilchen so fortgegangen, hob Himmel das eine Bein langsam über die Orgel bank, zog dann still das andere nach und die Sache gewann jetzt mehr Ton und Klang. Immer fer tiger griff er in die Tasten und unten am Pedal nrchm die Sache jetzt eine Wendung, die den Schul meister etwas stutzig machte. Aus den Accorden wurden Läufer, die Sache nahm immer mehr Schwung, bis sich der Mann in Phantasieen ver lor, daß dem Schulmeister' Hören und Sehen ver ging. Wahrlich, solche Finger waren noch nicht auf den Tasten herum gelaufen und eingedenk der Worte im Buch Hiob: „ich habe Mitleid mit dem was Staub und Äsche war und ist!" sich erinnernd jener Worte, welche kurz vorher der Pfarrer in sei ner Predigt angebracht, wagte es der Lehret der Jugend gar nicht aufzublicken, er schlug seine Augen nieder, ihm verging fall die Sprache und nur, als Himmel geendet, da wurde der Ton der Rede flüchtig, und er brach in-hie Worte aus: „Ach! da ist-man ja wie im Himmel!" „Nun, das nicht!" entgegnete der Virtuos, „aber doch in der Nähe, denn — ich heiße Himmel." . Himm ... der Schulmeister trat überrascht zu rück;'er hielt sich mit den Händen an eine Stuhl lehne. — Staunen, Ehrfurcht, Verlegenheit und Schreck, die ganze Scala der Leidenschaften wurde durchgemacht und Viele aus der Gesellschaft amü- sirten sich über diese Scene. Himmel ergriff aber noch einmal die Hand des Schulmeisters und ersuchte ihn: heut Nachmittag in den herrschaftlichen Garten zu kommen, er.müsse sich noch ein wenig mit dem Mann unterhalten, der in der Musik ein so wackerer Gesell. Die Gesellschaft entfernte sich im trauten fröh lichen Gespräch. Dem Cantor aber klangen die wunderbaren Harmonien immer noch in den Ohren, und die Orgelbank, worauf Himmel gesessen, sie war ihm eine geweihte Stätte, eine wahre Reli quie im Tempel des Herrn. Im herrschaftlichen Hause war Mittags große Tafel; der Schulmeister aber war an diesen. Tage gesättigt von den Lobsprüchen des großen Meisters, und konnte kaum die Stunde erwarten, wo es ihm vergönnt, solchen wieder zu begrüßen. Der Capellmeistcr Naumann hatte sich ebenfalls wieder zu der Gesellschaft begeben und als die Tafel^ theilweis vorüber, als muntere Gespräche die Runde" machten, erzählte Naumann, daß er heute in Dres den auch den Banquier S. gesehen, der sich längere Zeit in Wien aufgehalten und dann nach Dresden zurückgekehrt sei. Als Himmel dies vernahm, da erhöhte sich seine Fröhlichkeit und er erklärte dem engern Kreis der Gesellschaft, daß er auf diesen Mann gelauert, da qr'so zu sagen wieder einmal in der Klemme säße und bei diesem befreundeten Banquier eine kleine Anleihe machen müsse. . Als nun Einer seine Verwunderung aussprach, wie dies bei einem recht vollen Gehalt möglich sei, zumal er an vielen Orten noch gute Concert-Ein- nahme mache und vog den Fürsten auch so reich lich mit Geschenken beehrt werde, da sagte Him mel: „Ja! Ihr seht die Sache freilich anders an, als ich. Was soll ich mit all' den Dosen, Uhren und Ringen machen, diesen Tand habe ich wieder verkauft. Hätte ich das Zeitliche mit dem Ewigen gesegnet, so hätte mir gewiß der liebe Gott Vor würfe darüber gemacht, hätte vielleicht gesagt: Narr! warum hast du die Geschenke behalten und nicht dafür die Nase in die Welt gesteckt? — Seht, deshalb hab' ich den Plunder losgeschlagen und mick umgesehen. Ausgenommen, ich werde da oben einmal vor meinen Mehrer citirt und mir ein Verweis gegeben, na! so weiß sich der Himmel auch zu helfen. Ich spiele, wenn der Zorn am höchsten, etwas aus meinem „Fanchon" vor, oder hold etliche Kompositionen der Urania von Tiedge und ich hoffe sodann Vergebung. Ein Knauser, ein Sparer ist an mir verdorben, denn wollte ich an das Geldscharren denken, so hätte ich keine Zeit, an Noten zu denken." Lachend stimmte man ihm bei, mit den Worten: „Reisen ist Leben! wer reis't, lebt doppelt!" erhob sich Himmel und schlenderte in den Garten, wohin ihm Viele aus der Gesellschaft folgten, indem jetzt hier der Kaffee genossen wurde. — Spiel und frohe Unterhaltung kürzten nun die Stunden. Der arme Dorfschulmeister umschlich schon seit einer Stunde den Garten und schaute durch die hohen grünen Hecken, ob er nicht seinen Protector erblicke. Er mußte mit ihm sprechen, er mußte ihm seine Lage schildern, seine Herzensangelegenheit. „Pst! heda, Herr Cantor, nur herein!" rief plötzlich Himmel, der in den Gängen auf- und ab gehend, seiner ansichtig wurde. Unter tiefen Verbeugungen trat Wilhelmi ein. 6*