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Gin Beitvag zur In einer Univerfitäts - und Handelsstadt lernte Schreiber dieses einen Arzt und Professor kennen, in dessen Haus ein vornehm aristokratisches Wesen herrscht. Da ist denn nun auch an die Dienstboten der Befehl ergangen, die Kinder des Hauses, welche sich in dem Alter von 3 bis 5 Jahren befinden, durchgängig mit „Sie" anzureden und nicht „Du" zu nennen. Klingt dies nicht komisch? Ganz natürlich muß . es zum Lächeln reizen, wenn so ein Vizlipuzli ge siezt wird. Nach Ansicht des weisen Familienvater soll dadurch eine Schranke zwischen den Leuten aus dem Volke und seinen Sprösslingen hergestellt wer den, da schon frühzeitig jegliche Gemeinschaft mit dem Plebejer vermieden sei. Was wird dies zur Folge haben? Jedenfalls Stolz, Aufgeblasenheit und Arroganz in einem Alter, wo so ein Bengel noch nicht allein Kirrdeverziehung. sein Höschen zuknöpfen kann. Daß hier die Hu manität schon im Keims erstickt wird, das Wohl wollen für die Mitmenschen untergraben, das unter liegt keinem Zweifel, denn dadurch wird den Kin dern nur Hochmuth eingeimpft, der später in maß losen Stolz, Menschenverachtung und tyrannisches Benehmen gegen Geringere in der bürgerlichen Ge sellschaft ausartet. Die Kinder eines Arztes sind keine durchleuchten Prinzen. So aber ist's in der Welt, vorzüglich in der sogenannten vornehmen Welt und bei Gelehrten, welche die Welt aus schweins ledernen Folianten kennen gelernt haben. Es giebt Professoren, die von Gelehrsamkeit strotzen, daß die schwarze Weste platzen möchte, im Punkte des Prak tischen und der Lebenserfahrung aber getrost noch Etwas von einem schlichten Handwerker oder von einem Bauer lernen können. Lützow s wilde Jagd. Im Sommer des Jahres 18 . . hatte sich, in dem Salon des Curhauses des Alexisbades an der Selke eine heitere Gesellschaft von Badegästen beider lei Geschlechts zusammcngefunden, die, ohne ein ander näher bekannt zu sein — wie dies ja meistens in den Bädern der Fall ist — sich mit Gesangvor trägen die Zeit Vertrieb, und mit Begleitung eines im Saale befindlichen Flügels allerlei Chöre und Arien aus den damals beliebtesten Opern und Vaude villes ertönen ließ. Ein Herr in Civilkleidung, dessen ganzes Aeußere aber sofort den gedienten Militär verrietst, hatte sich, den Arm in einer schwarzen Binde, dem lustigen Völkchen zugesellt, und intonirte, als just eine kleine Pause entstanden war, mit wohl tönender Baßstimme das damals allbekannte und allbeliebte Körner'sche Lied: „Lützow's wilde Jagd". Ein zweiter, der Gesellschaft ebenfalls unbekannter Herr in einem schwarzen Fracke, bemächtigte sich so fort des Instrumentes, und bald erfüllten die Töne des herrlichen Kriegsliedes die friedlichen Räume des freundlichen Cursaales. Man mochte ungefähr bei dem zweiten Verse angelangt sein, als sich die Ein- gangsthür öffnete und ein alter Herr mit Weißen Haaren darin erschien, der bei den Klängen dieser Melodie sofort stehen blieb, und, ohngeachtet aller sich anthuenden Gewalt, eine heftige Rührung nicht zu unterdrücken vermochte, welche sich beim Schluß des Liedes sogar in heißen Thränen Luft machte. Als die letzten Töne verstummt waren und die Ge sellschaft über das seltsame Benehmen des neu hinzu gekommenen Gastes gewissermaßen betreten schien, nahte sich derselbe mit einer leichten Verbeugung dem bunten Kreise und sagte mit einer von Wehmuth und Schmerz erfüllten Stimme: „Sie werden sich vielleicht über die Rührung, welche sich meiner mo mentan bemeistert, weniger Wundern und dieselbe sogar verzeihlich finden, wenn Sie mir gestatten, mich Ihnen vorstellen zu dürfen: Ich bin der Vater des Dichters, der königl. Staatsrath Körner. War man nun schon von dem eigentlichen Spiel des Zufalls überrascht, so sollte sich diese Ueberraschung noch steigern, als der Herr, welcher den Arm in der Binde trug, dem ehrwürdigen Greise mit ausgestreckter Hand entgegentrat und sich ihm als Rittmeister von T und als Kriegskamerad seines helden- müthigen Sohnes zu erkennen gab. Den höchsten Grad des Erstaunens aber erreichte der Moment, als der Herr, welcher den Gesang begleitet hatte, sich plötzlich erhob, auf den Greis zueilte und mit dem freudigen Ausrufe: „Und ich bin Carl Maria von Weber, der Componist dieses Liedes", denselben in die Arme schloß. Man kann sich das Gefühl denken, welches in diesem Augenblicke die ganze Ge sellschaft bestürmte, und unser Gewährsmann ver sicherte uns, daß er kein Auge thränenleer gesehen habe.