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Das Geftöndnis der Uenbahnfrevler. Auch -er zweite Attentäter geständig. — Mißglückte Altenlatspläne auf -er Landstraße. ReneEtsenbahrianschlSge ln Oberschlelien. - Scharfe Schweizer Kritik an den Genfer Velrugsmanövern. - Vor einem neuen Umsturz in Athen. Der Zug sollte beraubl werden. i Berlin. 7. Sept. Die weiteren Vernehmungen Schle singers und Webers, die, wie bereits gemeldet, die Verübung des Anschlages auf den Berlin—Kölner V-Zng bei Leiferde eingestanden haben, ergaben folgende weitere Einzelheiten: Schlesinger hat Weber znr Ausübung des Anschlages an» gestiftet, dessen Zweck darin bestanden haben soll, nach der Entgleisung des Zuges den Postwagen zu berauben. Von diesem Vorhaben nahmen sie jedoch Abstand, als sie sahen, was sie angerichtet hatten. Sie liefen dann aus Furcht, als Töter entdeckt zu werden, davon- Ursprünglich wollten die beiden Verbrecher nach be» rühmten Mustern über die Ehansiee ei« Drahtseil spannen. «» Antomobile abzusangen und die heranSgcstttrzten Insassen dann zu berauben. Dieser Plan hatte sich aber nicht verwirklichen lassen, weil sie nirgends ein Drahtseil erbeuten konnten. A«S diesem Grunde entschlossen sie sich dazu, einen Eiscnbahnzug znr Entgleisung zu bringen. Aus der Wander- schaft seien sie einen Tag vor der schrecklichen Katastrophe an die Hauptstrecke nach Hannover gekommen und lagerten sich dort im Walde. Dabei beschlossen sie, die Tat zur Ausführung zu bringen. Die Aussagen -es Willi Weber. Berlin, 7. Sept. Heute nachmittag hat auch der zweite Verhaftete von Leiferde. Willi Weber, im Berliner Polizeipräsidium ein Geständnis abgelegt. Die Mit teilungen Schlesingers wurden von dem Kriminalkommissar Dr. Riese protokolliert und sodann Weber vorgelesen, der unter der Wucht dieses Bewetsmaterials zusammenbrach. Webers Aussagen -ecken sich vielfach mit denen seines Kom plicen. Er gab zu, -ah cs sich um ein von langer Hand vor bereitetes, in alle« Einzelheiten gründlich erwogenes Verbrechen gehandelt habe, das er und sein Bruder Walter mit Schle singer im Wartesaal des Bahnhofes von Lehrte bis ins kleinste vorbereitet haben. Sein Bruder sei jedoch einen Tag vor Ausführung des ersten Attentats zurückgewichen und habe versucht, auch ihnen abzuraten und habe sie schltehlich, als ihm dies nicht gelang, verlosten. Walter Weber sei nach Schöttmar in Westfalen zurückgckehrt. Weiter erklärt« Weber, dah er den Hemmschuh, mit dem sie das erste Attentat versucht hätten, tagelang in seinem Rucksack hcrumgetragen habe. Als der erste Versuch mihlungen sei, hätten sie sich am nächsten Tage 10 Uhr abends bei vollem Mondschein auf die Lauer gelegt, und sich, als sie glaubten, dah niemand mehr die Gleise passieren und sie stören würde, an die Arbeit gemacht, die mehrere Stunden hindurch andauerte. Sie wurden von vorübcrfahrenden Zügen dabei wiederholt gestört und eS sei sehr schwierig gewesen, dte Laschenschrauben zu lockern. Nach der Katastrophe seien sie weggelaufen, unterwegs aber habe Schlesinger gesagt, sie mögen doch zurückkehren und den Post wagen berauben. Sie begaben sich znr Unfallstellc zurück, doch war der verunglückte Wagen bereits so bewacht, -ah sie ihr Vorhaben nicht aussühre« konnten. Die beiden Attentäter werden heute abend nach Hannover übergeführt werden, von wo aus mit ihnen Lokaltermine auf dem Schauplatz -eS furchtbaren Verbrechens abgehalten werden sollen. Weitere Verhaftungen. Berlin, 7. Sept. Im Zusammenhang mit dem Eisenbahn- attcntat von Leiferde ist der Bruder Willi Webers, -er Kaufmann Walter Weber in Hannover, von der Polizei unter dem Verdacht der Mitwisserschaft verhaftet worden. Schlesinger sagte tm Laufe seiner Vernehmung auS, dah ein ihm bekanntes junges Mädchen, das bei Leiferde wohnt, gleich, falls von dem Plane gemuht habe. Dte hannoversche Krimi- nalpolizei forscht nach diesem Mädchen, um cs ebenfalls in Hast zu nehmen. Ferner wurden in Bielefeld ein abgebauter Eisen- bahnbcamtcr und zwei Frauen, die verdächtige Bemerkungen über das Attentat machten, festgcnommen und heute nach Hannover gebracht. Es ist aber fraglich, ob diese drei Per sonen als Mitwisser in Betracht kommen. Die Vorbereitung -es Verbrechens. Berlin, 7. Sept. Ueber das Geständnis der beiden Atten täter, die heute nachmittag noch einander gegenübergestellt wurden, werben noch folgende Einzelheiten berichtet: Nach dem Geständnis Webers kommt Schlesinger als Haupt täter und Anstifter in Frage, während Weber nur Mitläufer und Mittäter wurde. Der Gedanke, ein Atten tat auf einen D-Zug auszuüben, reifte bet Schlesinger, der Weber zur Beteiligung daran überredete. Nach den Be- Hauptungen der beiden Täter haben sic daö Attentat, das im übrigen auf baS sorgsamste vorbereitet wurde» ohne wettere Helfer auSgeführt. Nach dem Attentat per- liehen die Verbrecher schleunigst die hannoversche Gegend und begaben sich aus die Walze. Vor allem machte Schlesinger ganz genaue Angaben über die Ausführung deS Attentats. So sagte er auch aus, dah sich beide schon acht Tage vor dem eigentlichen Anschlag genau an der Strecke über die Zugfolge »nd Länge der einzelnen Züge informiert und dabei die günstigste Stelle für ihre verbrecherische Absicht ausgekund schaftet hätte». Da der Anschlag auf den Amsterdamer D-Zug mißlang, steckten dte Täter eine Schwelle zwischen dte Schienenlaschen. Erst dieses Manöver brachte den D-Zug Köln-Berti» znr Entgleisung. Wie die beiden Attentäter angeben, waren die Schrauben und der Schienenstob an der Attentatsstelle zum Teil so fest, dah sie aemeinschaftlich arbeiten muhten, um die Schienen zu löse». Die Attentäter hatten sich untereinander gegenseittsj verpflichtet, kein Ge ständnis abzulegen für den Fall, dah sie einmal ver haftet würden. Nach seinem Geständnis brach Weber zusammen, wäh rend Schlesinger keinerlei Reue über die Freveltat zeigte. Schlesinger und Weber wurden, nachdem das Verhör noch heute nachmittag beendet wurde, dem Untersuchungsrichter zugeftthrt, vor dem sie ihr Geständnis kurz wiederholten. Dieser erlich gegen die beiden Verbrecher sofort Haft- befehl. Die Verbrecher wurden im Laufe des heutigen Tages unter starker Bedeckung von Beamten des Berliner Polizeipräsidiums und unter Leitung ' des Kriminal kommissars Dr. Riese nach Hannover transportiert. In kürzester Zeit wird zur Vervollständigung der bisherigen Aussagen ein Lokaltermin an der Unglücksstelle stattfinden, bei dem die Verbrecher unter besonderen Vor sichtsmaßregeln an Ort und Stelle den Hergang des Atten tats schildern sollen. An diesem Lokaltermin werden Beamte der hannoverschen Kriminalpolizei und der Staatsanwalt schaft teilnchmen. Auch der Vizepräsident der Reichsbahn direktion Hannover, Wagner, wird mit einem Stabe von Reichsbahnfachleuten dem Lokaltermin beiwohnen. Es wirb gegen Schlesinger und Willi Weber in aller kürzester Zeit die Voruntersuchung eröffnet werden, und zwar werden sich beide wegen Mordes zu verantworten haben. Die Untersuchung liegt in der Hand des Oberstaats anwalt- des Amtsgerichts Htldesheim. Das Verfahren wird auch ans Walter Weber ausgedehnt werden, weil der dringende Verdacht besteht, dah dieser genau in den Plan cingewetht gewesen war. Schlesinger ist nämlich zuerst mit Walter Weber in Paderborn aewesen und damals schon tauchte bei ihm der Gedanke auf. ein Attentat aus einen V-Zng zu verüben, um sich Geld zu verschaffen. Am 2V. Juli holten die beiden den Willi Weber aus dem Gefängnis ab, in dem er eine Strafe verbüht hatte, und weihten ihn dann in den Plan ein. Willi Weber ging sofort auf den Plan ein. — Allen Angeklagten wird in kürzester Zeit der Prozeß gemacht werben. Neue Vahnfrevel in Oberschlesien. Hin-enbnrg, 7. Sept. I« der Nacht znm Sonntag zer störte eine zehnköpsige Bande die Schranke der Bahn überführung an der Bnchardsstrabe ans der Bahnstrecke Gleiwitz —Poremba. Sodann versuchte« sie einen Gütcrzng znm Stehen z« bringen. Beamte der Schutzpolizei und der Bahnschntz nahmen sofort di« Verfolg»«« ans. Es gelang ihnen, drei Uebeltätcr fcstznnchme«. (W. T. B.) » BreSla« 7. Sept. Wie die „Schlesische Zeitung* meldet, wnrdc am S. September ans den abends von Oppeln «ach CarlSmark gehende« Personen»«« SOS. der znm größten Teile mit Teilnehmern des Oppelner KreiSkriegerverbanbeS besetzt war, ein Attentat versucht. Zwischen den Bahnhöfen Döbern-Kupp und Chrosczütz war bei Klcindöbern eine große Etsenvlatte ans den SHicncnstrang gelegt worden, so daß der Zug sicher entgleist wäre, wenn nicht der Zugführer das Hindernis rechtzeitig bemerkt «nd den Zug zum Halte« ge bracht hätte. lW. T. B.) Schwerer Arrest sllr Schrö-er. Magdeburg, 7. Sept. Der Raubmörder Schrö-er hat als Strafe für den Uebcrfall auf einen Beamten des Magde burger Untersuchungsgefängnisses 28 Tag« schweren Arrest bei Wasser und Brot erl-alten. DaS Befinden des überfallenen Justizwachtmeisters ist kritisch. Der Mitschuldige Schröders beim Fluchtversuche, Schultz, war durch große Versprechungen, dte Schröder ihm gemacht hatte, zur Hilfe veranlaßt worden. » Magdeburg. 7. Sept. Das Verfahren gegen HaaS, Fischer und Reuter ist durch Beschluß der Magdeburger Scrafkammcr eingestellt worden. Gleichzeitig wurden -ie Ent- schädig»nasansprüche -er drei Angeschuldigten für unschuldig erlittene Haft als berechtigt anerkannt. Unternehmer «nd Arbetter. Die Rede Dr. Silverbergs ans der Dresdner Tagung des Netchsverbandes der deutschen Industrie, die von ähnliche» Ausführungen Dr. Duisbcrgs und Dr. KastlS flankiert war, muß grundsätzlich gewürdigt werden als ein ernstes und ein dringliches Bekenntnis des deutschen Unternehmertums znm Wirtschaflsfricdcn, um i» enger Gemeinschaft mit der Arbeiter schaft die deutsche Produktion auf der ganzen Linie wieder zur Blüte zu bringen und sic aus der Stagnation heraus- zufllhren. „Ziel muß sein der Wiederaufbau Deutschland» und der deutschen Wirtschaft, und das kann nur erreicht werden in vertrauensvoller und zukunftsreicher Zusammenarbeit der gewaltigen Kräfte, -ie in unserem Volke Unternehmertum und Arbeiterschaft darstellen.* sagte Dr. Silvettberg und zog aus dieser Grundausfassung die praktischen Folgerungen mit einem Mute zur Offenheit, der an so autoritativer Stelle mich da Anerkennung finden muß, wo nicht -ie allgemeine Zu stimmung einsetzen kann. Männer wie Dr. Silverberg, Dr. Duisberg, Dr. Kastl u. a. stellen einen neuen zeitgemäße« Typ in der deutschen Unternehmerschaft dar, -er mit der Arbeiterschaft in Formen zu verkehren und zusammenzuwirke» versteht, die im Bewußtsein der Arbeiterschaft selbst Wider hall und Stütze finden, weil sie sich an die demokratische Ge fühlswelt anlehnen, ohne -atz deshalb die unentbehrliche ent schiedene Führung und die straffe Disziplin zu Schaden kom men. Dies« beiden Eigenschaften werden mir weniger durch herrischen Befehl als durch persönliche Autorität und Haltung, sowie durch Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Aussprache betätigt und gefördert. Der neue Unternehmertyp wird da durch in den Stand gesetzt, stets die Hand am Pulsschlage der Massen zu haben und so jederzeit zu wissen, wo eS fehlt und was znr Abhilfe dienen kann. Es ist begreiflich, Laß diese Kreise den lebhaften Wunsch nach einer Wiederbelebung der früheren Arbeitsgemeinschaft hegen, und daß der gleich« Wunsch das deutsche Unternehmertum überhaupt beseelt, -a- für ist die Tatsache ein Beweis, daß gerade die «besonder» markante Rede Dr. Silverbergs mit einmütiger Zustimmung -es Vorstandes des Rcichsvcrbandcs gehalten worden ist. Dte Arbeitsgemeinschaft wurde im August 1918 zwischen dem Reichsverband der deutschen Industrie und den Gewerkschaften einschließlich der christlichen und der Hirsch-Dunckerschen ge-> schloffen, in beiderseitiger Erkenntnis, daß nur ein ehrlicher Wirtschaftsfriede über die Erschütterungen des Krieges Hin weghelsen konnte. Zu -cm Zwecke sollte ein paritätisch zu sammengesetztes Arbeitsparlament über alle aus -em ArbeitS- verhältnis sich ergebenden sozialen Fragen, also nicht bloß über vohnstreitigkeiten, entscheiden. Die Arbeitgeber er kannten die Gewerkschaften als das offizielle, zum Abschluß von Tarifverträgen befugte Organ der Arbeiterschaft an, wäh. rcnd die Gewerkschaften sich verpflichteten, auf die frühere oft gewaltsam und leichtfertig betrieben« Strcikpolitik zu ver zichten. Darin kam -er Geist LegienS zum Ausdruck, -em Dr. Silverberg noch besonders hohes Lob zollte, weil es ihm wesentlich mit zu verdanken sei, baß mit Hilfe Ser von ihm geleiteten Gewerkschaften der Weg von der heillosen Mißwirt schaft der Arbeiter- und Soldatcnräte zu einer geordneten Staatsverwaltung zurückgesunden werden konnte. Die da- malige freiwillige Arbeitsgemeinschaft hat leider nicht zu voller Auswirkung gelangen können, teils infolge der Gegnerschaft bei manchen Unternehmern, teils wegen des Nadikalisicrnngs- Prozesses, dem -ie Gewerkschaften nach dem Tobe Leateu» eine Zeltlang unterlagen, vor allem aber wegen der Schaffung des staatlichen Schlichtungszwanges und der Verbindlichkeits erklärung von Schiedssprüchen, dte beide viel berechtigte Er bitterung in Unternchmcrkreisen hcrvorriefen. Jnzwische« aber hat sich bei de» einsichtigen, modern eingestellten Unter nehmern -aS Bedürfnis nach einer Erncncruna der Arbcits- gcmeinschaft in zwingender Meise hcrausgcstcllt, zum mindesten in der Form einer Arbeitsgemeinschaft in den einzelnen Betrieben, so daß die Regelung »er wichtigsten Arbeitsbedingungen, also Lohn, Arbeitszeit und Urlaub, in die BetriebSgcmeinschaft verlegt wird. Soweit dte Ausführungen Dr. Silverbergs auf einen solchen sozialen Ton abgcsttmmt sin-, können sie keinem grundsätzlichen Widerspruch begegnen. Das erkannte auch -er deutschnationale Vertreter Dr. Reichert rückhaltlos an durch die Erklärung, er stimme Dr. Silverberg zu 90 Prozent — nach anderen Berichten sogar 93 Prozent — zu. Dr. Reichen