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Die Sehenswürdigkeiten der Leipziger Messe vor hnudertundfunfzig Jahren. Daß die eigentlichen Handelsgeschäfte der Leip ziger Messen jetzt weit bedeutender und großarti ger sind, als sic cs vor huudertundfunfzig Jahren waren, steht außer allem Zweifel; dagegen besa ßen sie zu jener Zeit einen romantischen Nimbus, der ihnen in unserer Zeit des Realismus und Materialismus gänzlich gebricht. Der Hauptgrund dieses Nimbus lag in dem Besuche vieler vornehmen Personen, welche die Leipziger Blesse zu ihrem Vergnügen mit ihrer Gegenwart beehrten. Den Hauptanlaß hierzu gab wohl der pracht- lkebendc Honig nnd Kurfürst August der Starke, welcher sich den Besuch der Leipziger Messen zu einem Haupt- und Staatsvergnügcn machte. Re gelmäßig, wenn er gerade in Dresden Ivar, be reiste er mit glänzendem Gefolge die Neujahrs-, Oster- nnd Michaclismefsc, wo gewöhnlich auch andere fürstliche Personen, geladen oder ungeladen, sich einfandcn, die er alsdann als Mcßvatcr, »vie er sich oft nannte, glänzend bcwirthcte. Mehrmals beschleunigte er seine Abreise aus Warschau, um noch zu rechter Meßzeit in Leipzig cinzutrcsfcn und man konnte die Kosten seiner sttciscn zur Leipzi ger Messe, die mau damals „Versammlungen der durchlauchtigsten Welt" nannte, auf jährlich mehr als hunderttausend Thaler anschlagcn. Keiner der nütanwescndcn hohen Gäste blieb ohne Geschenk. Ein besonders interessantes Schauspiel war der jetzt schon seit vielen Jahren nicht mehr stattfin- dende Durchgang der Koppclpfcrdc durch die Stadt. Leipzigs Rcßmarkt hatte sich nämlich schon damals zu einer bedeutenden Höhe emporgcarbci- tet, vorzüglich nachdem ihn der Rath mit den Oster- und Michacliomcsscn vereinigt hatte. Leip zig war der Stapelplatz dieses Handelszweiges für das südliche und einen großen Theil Les nördli chen Deutschlands. Seine Messen gaben, wenig stens für Las südliche Deutschland, den Preiscou rant für diese Waare auf ein halbes Jahr an und selbst für die nördlichen Provinzen, ans wel chen der größte Theil der hier znm Verkaufe auf gestellten Pferde bezogen ward, war die Leipziger Messe der Tarif, nach welchen man den Einkauf zu der künftigen besorgte. Auch dies ließ König Anglist nicht spurlos an sich vorübcrgchen. In Folge eines von ihm er lassenen Befehls durfte bei namhafter Strafe kein zur Blesse gebrachtes Pferd früher verkauft wer den, als bis alle angekommencn den Zug durch die innere Stadt gemacht hatten. Dann suchte der König sich heraus, was ihm zu kaufen gefiel. — In der Ostcrmcsfc geschah dies am Sonntage Jubilate und in der Michaclismefsc an dein Sonn tage, an welchem die eigentliche Blesse ihren An fang nimmt, Nachmittags um 2 Uhr. Au jedem dieser beiden Sonntage mußten nun die zum Ver kaufe gebrachten Pferde aus den Ställen vor dem Griminaischen und Pctersthore, von dem Roß platze, auf welchem sie sich versammelten, zum Pe ters thorc herein, durch die Pctersstraße, über den Markt und znm Grimmaischcn Thore wieder Hin aus, den Uuivcrsitätsstallmcistcr an der Spitze, geführt, werden. So gingen die Pferde in Zügen oder Kop peln, in welchen immer eines vermittelst eines et wa drei Fuß langen Stocks an den umgürtcten Schweif des vor ihm gehenden mit der Halfter angcschleift war, an dem Hanse des Marktes Nr. 2, welches der König bei seiner Anwesenheit in Leipzig bewohnte und welches auch bis 1813 von seinen Nachfolgern bewohnt ward, vorüber. Trat der Hof, Ivie dies in den ersten Jahren dieser Be suche einige Male zu geschehen pflegte, im Schlosse Pleißcnburg ab, so kam der Zug der Koppclpfcrdc ebenfalls zum Petcrsthore herein, ging aber durch die Schloßgasse und das Schloß und zum Schloß- thorc wieder hinaus. Bemerkte der König ein Pferd, welches ihm gefiel, so mußte zur nähern Besichtigung desselben der ganze Zug, obschon nur aus wenige Augen blicke, Halt machen, damit die Gestalt und Farbe des Pferdes nnd der Name des Verkäufers auf gezeichnet werden konnten. Dieser Gebrauch erhielt sich bis zur Zeit des französischen Krieges und wenn der Landesherr nicht persönlich nach Leipzig kam, so fand sich von Seiten des sächsischen Hofes der Obcrstallmeistcr ein. Seit jener Zeit aber änderte sich die Sache allmälig. DaS Verbot des Pfcrdcverkaufs ward zwar nicht aufgehoben, aber gar nicht mehr beach tet. Jeder Roßhändlcr verkaufte seine Waare, Ivie und Ivan» es ihm beliebte. Dieser Umstand, in Verbindung mit dem, daß die Händler nicht einmal alle noch unverkaufte Pferde mit in den Zug brachten, Ivar Ursache, daß dieser von Messe zu Messe kleiner nnd ärmlicher ward. Während daher in den glänzendsten Perioden der Leipziger Noßmcssc gegen 2000 Pferde durch die Stadr zo gen, war diese Zahl in der Ostcrmesse 1825 bis auf einige siebzig zusammengcschmolzen, so daß wenige Jahre darauf der Durchgang der Koppel pferde seine Endschaft erreichte.