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„Andrea," schluchzte sie, „dies ist mein letztes Werk ; — von nun an bin ich todt für alle Men schen !" Nein," rief Andrea, — „nein, Camilla! Du hast mich dem Verderben entrissen, mich dem Le ben wieder gegeben, Dn sollst nicht todt sein, Du sollst auflcbcn zum Genüsse des Glücks, das ich Dir bereiten will. Ich fliehe jetzt; — aber ich kehre wieder und hole Dich nach und führe Dich dann an einen Ort, wo Dir Niemand droht, wo ein neues, ungetrübtes Glück Dir aufblühcn soll." „Ach!" unterbrach ihn Camilla seufzend, — „daS nicht, das ist vorbei! Ich muß bei meiner alten Mutter bleiben und werde Battista s Weib. Ich will die schwere Pflicht, die mir das Leben aufgelegt, erfüllen; aber mein Geist, mein Herz folgt Äir nach, Andrea, in alle Fernen, und selbst inS Grab!" „Battista?" fragte Andrea verwundert, — „lebt er ?" „Ja," antwortete Camilla, „er lebt und wird genesen." „So fliehe mit mir!" bat Andrea. „Nein," entgegnete sie; „soll ich meine alte Mutter einsam itcrbcn und ihre Augen von freut- der Hand zudriickcn lassen? Aber Du flicht, ehe die Zeit verrinnt!" „Ja," aber ich kehre zurück, — und sei's nach Jahren; und hast Du nichts mehr hier, Camilla, — hat Deine Mutter Dich gesegnet, dann — dann —" „Du wirst nicht wiedcrkchren, Andrea," unter brach sie ihn, — „und kommst Du wieder heim, so findest Du nichts mehr von Camilla, als den eingesunkenen Hügel ihrer vergessenen Ruhestätte." Ein Hund schlug an. Andrea preßte sie noch einmal krampfhaft an seine Brust, drückte einen Kuß auf ihre Lippen und floh mit schmerzerfüll ter Brust durch die finstere, ihn schützende Nacht. (Schluß folgt künftige« Jahr.) Wie Luther einen armen Organisten tröstet. Als einst ein armer Organist dem vr. Luther seine Noth klagte, sagte dieser zu ihm: Lieber Mat- thia, wenn Ihr traurig seid und cS will Euer Leid überhand nehmen, so sprecht: Auf! ich muß unsrem Herrn Christo ein Lied schlagen auf dem Regal (Or gel), es sei: Herr Gott, dich loben wir, oder: Ge lobt sei der Herr re., denn die Schrift lehrt mich, er höre gern fröhlich Gesang und Saitcnspiel. Grei fet frisch in die Claves und singet darein, bis die Gedanken vergehen, wie David und Elisäus thaten; kommt der Teufel wieder und gicbt Euch neue Sor gen und traurige Gedanken ein, so wahret Euch ftisch und sprechet: Aus Teufel! Ich muß anjetzo meinem Herrn Jesu singen und spielen. Der Kaiser von Oesterreich und der Schneider zu Ausse. Der jetzt regierende Kaiser von Oesterreich, der durch hohe Fürstcntugcud die Liebe seiner Völ ker und die Achtung anderer Nationen besitzt, kam auf einer seiner Rundreisen durch das kleine, an- muthige Ausse in Steyermark. Ein Schneider, der das Jahr zuvor dem Kaiser einen neuen stcy- rischen Rock „organisirt" hatte, der prächtig sitzt, steckte das ganze Ocrtchen mit seinem leuchtenden Patriotismus an. Riesengroß prangte Abends an seinem Fenster der illnminirte Doppeladler, hüben ein Geselle, der näht, und drüben einer, der bügelt und drunter die strahlenden Worte: Unter deinen Flügeln Läßt stch's gut näbn und bügeln! Der Kaiser war erkenntlich und ließ den Be wohnern von Ausse für den neuen steyrischen Rock und den Adler die Kirche neu bauen oder „orga- uisiren," wie der Schneider sagt. Zn rechter Zeit muß ein Diplomat auch derb sein können. Fürst Hardenberg, der preußische Staatskanz- ler, war 1814 auf den« Cougreß in Wien beim russischen Kaiser Alexander angcschnauzt worden, und zwar von der Fürstin L., der einflußreichen Freundin des Kaisers. Hardenberg beschwerte sich beim Kaiser darüber. „Lieber," sagte der Kaiser, „es sind wenigstens schöne Lippen, durch die Sie leiden. Man kanu den Mund der Für stin nicht ansehen, ohne an Rosen zu denken!" — „Ja, Sir, an Klatsch rosen," fiel der Fürst ein.