Volltext Seite (XML)
GR. XX. DAS BAUERNHAUS. 161 sein Recht geltend gemacht, nämlich eine hinlängliche Höhe für die Gewichte, und Breite in der Mitte für die Schwingungen des Pendels. Diese Uhrenart, angefertigt von Messing und Eisen oder auch von Holz und Eisen, geht im Allgemeinen ausser ordentlich gut, und ihre selbstgelernten An- fertiger haben es sogar verstanden, sie Viertelstunden schlagen zu lassen, das Da tum zu zeigen u. dgl. m. Zu dem Hausgerätli kann ferner noch eine kleine Bibliothek gerechnet werden, deren Hauptbestandtheile die Bibel und das Gesangbuch in mehren Exemplaren, einige Postillen, sowie Andachtsbücher von Luther, Arndt und ändern Vätern unserer Kirche bilden. Ausserdem kommen vor: das Gesetzbuch, irgend ein juridisches Hand- buch^und die Communalgesetze, sowie klei nere Werke über die Ökonomie; ferner zu sammengeheftete Lieder und Sagen, Exem plare der billigen Auflage von der Frithjofs- sage und von Fähndrik Stäl’s Sagen und geschichtliche Werke. Kaum trifft man jemals einen Roman. Diese kleine Biblio thek, deren oft abgenutzte Bestandtheile von fleissiger Benutzung zeugen, hat ihren Platz bald auf einem Brette auf der Schenke, bald in einem eigenen kleinen Schranke mit gläsernen Thüren, bald auf einem hoch an der Wand angebrachten Brette. In den Fenstern fehlen selten einige Blumentöpfe: Balsaminen, Geranien, Aloen, Rosen. Die Erwähnung einiger Gemälde mag das Ver zeichniss des Hausgeräthes abschliessen. Zu der Einrichtung gehören endlich noch einige von der Decke herabhangende eiserne Haken, in denen lange Stangen hangen, an denen zum Trocknen grobe Kuchen des gewöhnlichen schwedischen Brodes von geschrotetem (ungesichtetem) Roggenmehl aufgezogen sind. Rund um die Feuerstätte, ebenfalls unter der Decke, ist eine nach den Contouren des Herdes gebogene Stange angebracht, auf welcher die Familie beim Schlafengehen ihre Strümpfe u. dgl. zum Trocknen aufhängt. So ist das geinüthliche, zweckmässige Meublement, und so sind die Hausgeräthe in der mittelgrossen Bauernstube — welche zu nicht geringem Theile schon verschwun den sind und fortwährend verschwinden. Die Zeit, welche zwischen derjenigen, in welcher die Veränderung ihren Anfang Schweden. nahm, und der jetzigen liegt, könnte in zwei Perioden eingetlieilt werden. In der ersten traf man hier und dort eingeflickte Hausgeräthe, deren Anwesen heit von keiner sichtbaren Ursache motivirt wurde, und welche mit dem Uebrigen in keiner Harmonie stand: sie waren die Ueberhleibsel von einem vergangenen Wohl stände, die durch die Auctiouen von den Edelhöfen den Weg in die Bauemhütten gefunden hatten. Als endlich Sammler von »Curiosa und Antiquitäten» entdeckten, welche Leckerbissen aus der Rococo- und ändern Zeiten sich in dieser Periode in die anspruchslosen Wohnungen der Bauern ge rettet hatten, begannen diese wiederum die Wanderung nach oben anzutreten and dort in den Hafen zu laufen, wo der Reichthum oder derSammeleifer sie zurückhalten konnte: bei dem einen oder dem ändern Aristokra ten mit aristokratischem Vermögen und bei der Bourgoisie, sowie auch wohl bei einem Liebhaber. Noch jetzt dürfte in den Bauern häusern ein Spiegel mit facettirtem Glase, eine Commode mit den bauchigen Contou ren des Rococo, ein precioser Schrank aus dem 17ten Jahrhundert u. a. m. angetroifen werden; der Bauer aber giebt sie so wohl feilen Kaufes nicht länger her, wie früher; im Gegentheil hegt er bisweilen übertriebene Vorstellungen von dem Werthe, den der gleichen Dinge besitzen. In der zweiten Periode beginnt die Nachahmung, welche ihren Ausdruck findet in dem Austausch gewisser Möbeln, vorzugs weise des Schrankes und Speiseschrankes, gegen andere, z. B. Commoden und Chif fonniers, welche schlechte und geschmacklose Nachbildungen der keineswegen schönen Muster auf den Herrensitzen sind. Gleich zeitig trifft auch eine Veränderung des Farbengeschmackes ein, sodass der vorhin vorherrschende dunkelbraune Farbenton ge gen einen helleren, gelben, lichtbraunen oder rothbraunen vertauscht wird; die Blu men und die Sträusse auf hellblauem Grunde, welche man früher an den Schrank- und Speiseschrankthüren und an Uhrgehäusen so gerne sah, sind ganz ausser Mode ge kommen. Zu allem Glücke hat, vielleicht in der elften Stunde, die gebildete Kunst — wenn dieser Ausdruck gestattet wird — auf die naive Kunst, welche, unbekannt oder ver- 11