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k*.s«hrga»»« AS 2S9 Mittwoch, SS. Juni i»2S Gegründet 188» Dw»»a»sch»Mr »«OeU»t«> D»«»«. Eernlo»»«-»- Sammidmm««» 2V L<1. «u» für vachlsoiprüitz»> SVVN. SchnwoNuna an» Lau , Dm» u. A«laa oon U««»lch « «»tch,r»> m Dr—d«. PoINch«»^onIo >0SS Lr«»d«. vuchdnu» nur «tl d»u»i<d»r au»U«»anood» .Dr—dn»r No»r ' ,uIä»>-> Unnrrlnnnl- S<t>rtt»ftaU>« wrrdrn nt<d> aulv«nx>k>rt- ^w»GDß>S SekilLgsr - VSIIv - k^strs - pfoslsn sie. St«uN»I1»vi Seüvl» »tu»' d««1» uocl »nglluott« Spoe1g«r»e« s, Niiailb^, prsgar Slrsvo SL LwvLk »Hir« !»«»««« sr« Lv vlütlmer -klügel -Pianos krager Slrsüe 12 kernrut I637S Reue Krise in Sicht. Vergebliche Bemühungen -es Kanzlers um eine Zweidrillelmehrheil für das Kompromiß. Benesch' politische Plüne gescheilerk. - Verschlechterung -er Handelsbilanz im Mal. - SilfsanlrSge sür -ie Kochwassergeschadiglen. Keine kn-dloe-Annahme -er Fiirslenvorlage. Berlin, 23. Juavi. Der Gedanke einer Lu-dloo-Anuahme teS KompromißgesetzeS über die Fürstenabfindung im RechtS» anSschnß ««d i« Plenum ohne Debatte, de« die Demokraten gestern »orgeschlage« hatte«, ist heute völlig »«rück» getreten. Die Besprechungen, die der Reichskanzler heute abend mit den Vertretern der sozialdemokratischen und der deutsch, nationalen RetchStagSfraktion» nämlich den Abgg. Müller jFranken) und Gras Westarp, hatte, habe eine Klärung der Situation noch nicht gebracht. SS wird sich über daS Schicksal des Fürstenabsindnngsgesetzes gröbere Klarheit erst in einige« Tage« ergebe«, men« die Sinzelberatnng im RrchtSanSschub weiter vorgeschritte« ist. Sowohl der sozial demokratische wie der deutschnationale Vertreter erklärten, daß sie heute schon unmöglich die definitive Haltung ihrer Fraktion bekanntgebe« könnten, da dies ta zum großen Teile abhängig set von den AenderungSanträgen. di« die Sozial, dcmokratcn stellen wollten bzw. die Deutschnationalen. Die Ergebnisse der Besprechung sind ziemlich dürftig. Man kann eigentlich nur sagen, daß sowohl die Sozialdemokraten wie die Deutschnattonalen ihre Wünsche für die Umgestaltung der Regierungsvorlage bekanntgegeben haben. Bei den Sozialdemokraten handelt es sich vor allem darum, daß die Richter de» SondergerichtS vom Reichstag n«ter Hinzu ziehung deS Laie«eleme«tS gewählt «erde« solle« n«d daß eine Entschädigung sür Kronsideikommißgüter. die an de« Staat zuriicksalle». de« Fürste« nicht gezahlt «erde» soll. Erschwert wird die Situation noch dadurch, baß auch die Bayrische VolkSpartei mit dem Regierungsentwurf nicht ganz einverstanden ist. Ihr Führer, der Äamberger Domkapitular Prälat Leicht, erklärte über die Bedenken seiner Partei, daß diese vor allem die 88 9 und 10 de« Gesetz entwurfes betreffen, durch die Gegenstände aus kulturellen und künstlerischen Gründen aus dem unzweifelhaften Privatbesih der ehemaligen Fürstenhäuser entnommen werden können, und zwar gegen eine Entschädigung, die nach dem Ertragswert bc» rechnet werden soll. Da ein Kunftgegenstand einen Ertrag«, wert im landläufigen Sinne aber gar nicht besitze, komm« diese Bestimmung der entschädigung-losen Enteignung gleich Da gegen wehre sich die Bayrisch« VolkSpartei au« prinzipiellen Gründen, um so mehr als sie der Ansicht sei, daß sich hier noch andere Wege sinken lasten. Mit einer Bestimmung, di« doch lehr deutlich den Enteignungscharakter in sich trag«, könne die Bayrische VolkSpartei sich nicht einverstanden zeigen. Die Hoffnung a«s ei«e Zweidrittelmehrheit sür daS Kompromiß ist sehr gering, de«« die Anträge der Sozial» demokraten «erben von der Mehrzahl der bürgerlichen Par, teie« abgelehnt. Umgekehrt führt jedes Entgegen, kommen gegenüber den Deutschnationalen dazu, daß die Sozialdemokraten das Gesetz nicht mehr unterstützen. Bet der Fülle der widersprechenden innerpolitischen Schwierigkeiten spricht man im Reichstage schon wieder von der Möglichkeit einer parlamentarischen Srisi» n«d eines Rücktritts der Regierung. Bei den Parteien der Mitte wird erklärt, daß sich die Regierung sür die schnelle Verabschiedung des KompromißgesetzeS so stark eingesetzt habe, daß eine Vertagung der Verhandlung bis zum Herbst nicht mehr möglich sei, und daß das Kabinett bei einem neuen Scheitern im RechtsanSschnß znrücktreten müsse. Fm Reichstage sieht man die Lage ziemlich pessimistisch an, und der Gedanke einer Auslösung deS Reichs, tage- wird jetzt ernsthast diskutiert, obgleich man sich in allen Parteien darüber klar ist, baß eine RetchStagSauflösung zwar «ine eindrucksvolle Geste der Regierung, eine Förde- rung der zu lösenden Ausgaben aber damit nicht verbunden wäre, da die Regierungsparteien und die Regierung selbst keine erkennbare Neigung zeigen, sich, sei eS nach rechts, sei es nach links, zu entscheiden. — Die Regierung befaßte sich heute abend tu einem Mlnlslerrat mtt Fragen, die sich aus der gegenwärtigen innerpolitischen Lage ergeben. Der Reichskanzler Marx erstattete einen eingehenden Bericht über seine Verhandlungen mit den Parteiführern. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. ES kam aber in dem Ministerrat zum Ausdruck, daß da» deutsche Volk, wenn e» nur irgend sich ermöglichen laste, vor den Erschütterungen eine» neuen Wahlkampfe», der sich nur zu leicht auf die Parole für oder gegen die Monarchie zuspitzen könnte, bewahrt bleiben müsse. Fm übrigen wird die Negierung mit den Flügelparteien noch einmal ver handeln. und zwar nicht nur wegen der Fürstenabfindung, sondern auch wegen den anderen innerpolitischen Fragen, darunter auch wegen des VolkSentscheidSgesetzeS über Aus» wertungSsragen, da» morgen schon den Reichstag beschäftigen wird. Der interfraktionelle Ausschuß der RegtertmgSparteie« de» Reichstages hielt heute abend eine Sitzung ab. in der er davon Kenntnis nahm, daß di« Verhandlungen de» Reich», kanzlers mit den Dcutschnationalen und den Sozialüemo- kraten in der Frage der Fürstenabfindung zu keinem Er. gebni» geführt haben. Die Sanierung Denlschöslerreichs. Von Graf E. v. Zedtwttz. I« der letzten Tagung des Völkerbundes wurde die Sanierung Deutschösterreichs als vollendet erklärt und damit der Schlußpunkt unter ein Werk gesetzt, das, von allem An- fang an heiß umstritten, die europäische Oeffentlichkcit in de« letzten drei Fahren viel beschäftigte. Am allermeiste« natur. gemäß am Beginn der Sanierung, d. h. in der ersten Hälfte 1928. als die Beispiele der gelungenen Balutastabilisierung in Deutschland. Ungarn und anderen Ländern noch nicht vor- lagen und da» kleine Deutschösterreich als erste» diesen Weg gehen mutzte. Damals wurde die Kritik nicht müde. daS ganze Werk als unmöglich und aussichtslos zu bezeichnen und der Genfer Sanierungspolltik einen Mitzerfola auf der ganze« Linie zu prophezeien. Diese Skepsis, die sich bald al» un begründet erwie». wäre später viel mehr am Platze gewesen, alS man erkennen konnte, wie der Völkerbund sein« Aufgabe auffaßte und sich mit dem billigen Erfolg der Stabilisierung der deutschösterreichischen Valuta begnügte, der eigentliche» Sanierung deS Lande« aber aus politischen Gründen ge- flistcntlich aus dem Wege ging. Damit die Völker dies nicht sehen sollten, wurde daS ganze Werk so gründlich eingehüllt in den reichlich gespendeten Weihrauch, daß man außerhalb DeutschöstcrreichS die Schwächen deS Baues vielfach nicht sah, bi» man ln Genf nun jäh die Hülle zerriß und den Bau zeigte, wie er wirklich ist. Er präsentiert sich al» Rohbau, dem bi» auf die Grundmauern und Fundament« so gut wie alle» fehlt, und der von den Bauleuten nun verlosten und für fertig erklärt wird, weil diese nicht mehr weiterarbeitea wollen — und können. Daß di« Sanierung der öeutschösterreichischen Währung und Finanzen, d. h. de» Staates, vollendet ist, wird niemand leugnen, noch daS Verdienst verkleinern wollen, da» sich der Völkerbund damit erworben hat. Dieses Verdienst besteht nun allerdings nicht so sehr in der Durchführung der Sanie- rung selbst, die. einmal richtig begonnen, wohl gelingen mußte, als vielmehr darin, daß der Völkerbund dieses Werk trotz der Minterarbeit einzelner seiner Mitglieder wirklich zu Ende führen konnte. Die .finanzielle Wiederaufrichtung Deutschösterreichs ist gelungen nicht weil die Völkerbunds» staaten sie wollten, sondern obgleich einige derselben, vor alle« Frankreich und die Tschccho-Slowaket. sie aus politischen Gründen lang« Zeit mehr oder weniger offen sabotierten. F« der Ueberwindung dieser Bestrebungen besteht wohl daS Sauptverdienst de» Völkerbundes, nicht aber in der Tatsache, daß es einer großen überstaatlichen Organisation mit unbeschränkten politischen und finanziellen Machtmittel» möglich war. ein kleine» Land mtt noch nicht 7 Millionen Einwohnern vor dem finanziellen Zusammenbruch zu be wahren. Und daß der Völkerbund dicS konnte, ist weit weniger sein Verdienst, noch das aller derjenigen, die jetzt in Genf so gepriesen wurden, als vielmehr -eS deutschösterreichischen Volkes selbst, da» in diesen drei Jahren ganz ungeheure Opfer gebracht bat. Opfer, die -ie Frage wohl berechtigt erscheinen lasten, ob diese Sanie rung um jeden Preis noch den Namen einer solchen verdient, Die Erfolge -er Genfer Politik in Deutschöstcrreich sind mehr als teuer erkauft durch den Abbau von Zehntausen de« von Staatsbeamten und «a n g e st e l l t e«, deren Versorgung noch jahrzehntelang auf der Volkswirt schaft de» kleinen Landes schwer lasten wird, durch -ie er zwungene Einschränkung der notwendigsten StaatSauSgaben, insbesondere auf kulturellem Gebiete, und nicht zuletzt durch eine übermäßige Be lastung der gesamten Wirtschaft, die allein schon eine wirkliche Wiederaufrichtung DeutschöstcrreichS auf lange Zeit hinaus unmöglich macht. Ein Vergleich zwischen dem Deutschöstcrreich von heute und dem von 1922 zeigt zwingend» daß man nicht da» hilfesuchende Land von damals saniert, sondern an besten Stelle sich ein neues geschaffen hat. wie man «» zum Gelingen der Sanierung brauchte. Diese» nun für saniert erklärte Deutschösterreich hat wohl eine neue Währung, aber auch ungeheure Lasten und ein« durch und durch kranke Wirtschaft. Im kaufmännischen Leben wird ein solche» Verfahren al» Bilanzfälschung bezeichnet, nicht aber al» Sanierung, und wenn man diese nun dock al» vollzogen erklärte, so ist die» zum mindesten eine Unwahrheit, denn man wußte in Genf nalürlich sehr gut. daß bisher nur ei« Teil de» SaoierungSwerkeZ. und »war der kleinere, voll, bracht ist. Noch immer ungeklärte Lage in Frankreich. Drian-s weitere Derhan-iungen. Paris, 22. Juni. Rriand verhandelte heute vormittag mehrere Stunden mit Doumer, Poincar». Lerrier und Laval. Doumer, der kurz nach 11 Uhr die Konferenz verließ, erklärte auf Befragen, eS set noch nicht» entschieden. Man habe sich lediglich mtt dem Finanzproblem beschäftigt. Nachmittags würden die Beratungen fortgesetzt. Briand erklärte, man habe die Frage der Wieder- Herstellung einer normalen Finanzlage erörtert und über die Bedingungen gesprochen, unter denen sich das Kabinett der Kammer vorstcllcn könne. Diese Prüfung sei ziemlich wett gediehen und werde nachmittags fortgesetzt. F« übrige« be tonte Brianb seine Absicht, «nr ein Kabinett z« bilde«, baS im Parlament mit einer ständige» Mehrheit rechne« könne. Die Kammer habe ihm zwar die Ehre erwiesen, ihm per- sünlich ihr Vertrauen zu zeigen Aber er wolle das neue Kabinett nicht täglichen Angriffen auSsetzen. die jeder Re gierung die Möglichkeit zum Handeln nähmen Er wolle stch vorher vergewissern, daß die Zusammensetzung de» Kabinett» den notwendigen Zusammenhalt seiner Mitglieder wahre. Er wolle sich ferner bet den Parteien vergewissern, ob dort der Wunsch bestehe, der neuen Negierung zu helfen unb dadurch eine Lösung der Schuldenfrage zu ermöglichen. «ln Mnanzmtnttiertum Wst? Nach Mitternacht trifst noch folgende Meldung ein: Paris, 22. Juni. Nach Unterbrechung der Konserenz und nachdem Potncarä und Doumer den Quai d'Orsay verlassen hatten, verhandelte Briand mtt Painlcvk und Leon Durand, sowie mtt LcygueS weiter. Fnzwcschen hatte sich Laval nach dem Senat begebe», um mtt Catllaux über die etwaige Uebcr- nahme deS Ftnanzininisteriumö zu verhandeln. Nach seiner Slückkehr begab stch Briand in» Elyse^ um dem Präsidenten der Republik über den Stand seiner Verhandlungen Bericht z» erstatten. Für den Fall, daß Latllaur da» ffsinanzmtni- stertum ablehnt, rechnet man damit, batz Briand da» Mitglied de» Finanzsachverständigen-KomiteeS. UniversttätSprofestor Rist, der seinerzeit im Aufträge des Völkerbunde» an dem Be. richt über die Finanzlage Oesterreich» mitwirkte, al» Finanz- minister berufen wird. Die Kammerfraktione«, mit deren Führern Briand heute über Finanzfragen verhandelt hat, nahmen »u dem Bericht ihrer Führer Stellung. Die Sozialisten billigten di« Auf- fassung ihrer Unterhändler Blum unb Paul Boncour, die dahin geht, daß die sozialistische Sammersraktion den künftigen Finanzmintster ohne Ansehen der Person nur nach seinem Programm beurteilen soll. Falls jedoch Poincarä ei« cmbereS Portefeuille als daS deS Fi«a»zmi«isterS übernehme» sollte, s» würde sein Eintritt in die Regierung de« Kabinett eine« politische« Charakter gebe« ««d die sozialistische Fraktion wäre gezwungen, ihr« Abstimmung danach einzurichte«. Die Radikalen unb Radikale Linke (Fraktion Loucheur) brachten zum Ausdruck, daß die von Briand bcab. sichtigte Zusammensetzung des Kabinetts, wobei insbesondere an die Person Poincar6 gedacht war, kaum auf eine Mehrheit innerhalb der Fraktionen rechnen könne. Wie Hava» amtlich meldet, hat Potncar» «ine Er klärung abgegeben, in der er seinen Entschluß der Ablehn«»» beS Finanzministeriums begründet. Vom politischen Stand- Punkt aus hält Poincare seine Forderungen nach absoluten Vollmachten für berechtigt, weil augenblicklich da» Finanz. Problem alle anderen Fragen beherrsche. Weiter vertrttt Potncars die Auffassung, baß die Zahl der KabtnettSmitglie- der auf süns oder sechs reduziert werden und der Finanz, minister gleichzeitig Ministerpräsident sein müsse. Man rechne! übrigens in den Wandelgängcn der Kammer sogar mit der Möglichkeit, daß Briand vielleicht doch noch die Flint« in« Korn werfen und die Bildung de» Kabinett« einem anderen Pollttker überlasten wird. Man nennt kür diesen Fall Caillanx als den kommende« Man«.