Volltext Seite (XML)
Kathedralglas. 37 Später, um 1860, begann Dr. Salviati in Venedig ähnliches Farbenglas herzuftellen und erreichte, wie wir auch auf der Ausftellung zu fehen Gelegen heit hatten, mit feinen „Butzenfeheiben“ fehr befriedigende Refultate. Wie Dr. Jele weiters erwähnt, verfuchten es Chance Brothers in Birming ham und Wifthoff & Comp, in Königsfteele bei Efsen in Preufsen derlei unebene (eigentlich mit rauher, körniger, nicht fpiegeinder Fläche verfehene) Tafeln mit- telft Giefsens zu erzeugen; andere ftreckten die geblafenen Tafeln auf einen durch Aufftreuen von Gyps oder Sand uneben gemachten Streckziegel. Wir fahen derlei Mufter auch in der belgifchen Abtheilung von Andris-Lambert & Co. in Marchienne au pont, J. De Dorlodot & Co. in Lodelinsart und A. Tagniart in La Louvikre, ferner als gegoffen bezeichnete von bedeutender Gröfse und eigent lieh von zu grofser Gleichmäfsigkeit und Schönheit der Arbeit, von Wifthoff im deutfehen Annexe. Da derlei Glas meift nur für Kirchenfenfter gebraucht wird, nennt man dasfelbe in neuerer Zeit „Cathedralglas“. Es fabriksmäfsig, d. i. in grofsen Men gen zu erzeugen, dürfte bei dem immerhin befchränkten Bedarfe nicht ausführ bar oder mindeftens nicht lohnend fein. Um fo beachtenswerther bleibt daher ein Unternehmen, das vor einem Jahrzehnt von C. Neuhaufer in Innsbruck gegrün det wurde und fammt der Glasmalerei, mit der es vom Beginne in engfter Ver bindung ftand, fich zu einer in weiteften Kreifen gewürdigten Kunftanftalt erhob, nämlich die „Tiroler Glasmalerei und Cathedralglas-Erzeugung zu Innsbruck.“ Man macht dort keine gewöhnlichen Farbentafeln, fondern nur Cathedral glas und zwar gegenwärtig in fo vielen Farbentönen und Verfchiedenheiten, dafs man diefelben in circa 700 Nummern claffificirt. Es werden nur geblafene Tafeln von geringer Dimenfion angefertigt, die man — nach gewöhnlichen Begriffen — möglichft unfehön, nämlich blafig, unklar, ungleich in der Dicke etc. zu erzielen ftrebt, indem man durch Einblafen in eigene Formen, unregelmäfsiges Auftrei ben etc. fich der primitiven Technik des Mittelalters thunliclift zu nähern, mög lichft gleich unvollkommene Produ<5!e zu erreichen fucht, wie diefs dem Zwecke zumeiit entfpricht. Das Etabliffement hatte die reiche Sammlung feiner Farbmuster in dem Pavillon für Glasmalerei jenfeits des Heuftadelwaffers ausgeftellt, an welchem etwas abgelegenen Orte diefelbe leider nicht die verdiente Beachtung fand. Es ift fomit in Innsbruck ein Inftitut gefchaffen, das in feiner Art einzig daftehen dürfte, und von dem auch ficher zu hoffen ift, dafs dasfelbe feine erlangte Bedeutung immer mehr erhöhen wird. Ich erwähne hier zum Schluffe noch eines ziemlich neuen Inftrumentes zum Schneiden des Tafelglafes, welches Werkzeug Jofef L^grädy in Ottakring bei Wien nebft vorzüglichen echten Schneidediamanten in verfchiedenfter Faffung zur Ausftellung brachte. Jenes ift ein kaum linfengrofses Rädchen aus fehr hartem Stahl, das in geeigneter Faffung befonders dem Laien das fichere Schneiden gewöhnlicher, wie dickerer, felbft zolldicker Tafeln ungemein erleichtert. Da fie weniger dauer haft find als der Diamant, wird der Glafer wohl immer diefen vorziehen, wenn letzterer auch beim Gebrauche eine ungleich ficherere Hand erfordert. Aehnliche ftählerne Schneidwerkzeuge wurden fchon 1869 von J. P. Monge in Philadelphia erzeugt, und haben, da fie fehr billig kommen, bereits grofse Ver breitung gefunden.