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20 Jakob Falke. mit ungleichem Erfolge. Während J. & L. Lobmeyr vor allem das höhere und vornehmde Luxusgeräth cultiviren, ftrebt die Firma Schreiber und Neffen viel mehr nach formeller Veredlung des mehr gewöhnlichen Geräths, das demgrofsen und weiten Bedarf des bürgerlichen Haufes bedimmt id. H. Ulrich dürfte in diefer Beziehung etwa die Mitte einnehmen. Natürlich gilt das nur relativ nach der Hauptrichtung, denn wir finden fowohl bei J. & L. Lobmeyr billiges und ein faches Geräth in veredelter Form, fowie bei den beiden anderen feinere Luxus arbeiten- Die Gelegenheit des grofsen Kundlebens in der Refidenz hat es mit fich gebracht, dafs hier ganz befondere künftlerifche Kräfte zur Mitwirkung herbei gezogen werden konnten. So hat fich für Schreiber und Neffen das Talent A. Haufer’s bewährt, fowohl bei gröfseren Luxusvafen, wie bei einfacherem Tafelgefchirr. Die Firma J. & L. Lobmeyr zählt unter den erfindenden Kräften in ihrer Ausftellung die erden und beden Namen, fo: Hänfen, Schmidt, Storck, Teirich, und für die figürliche Ornamentation noch befonders Laufberger, Eifen- menger, Bitterlich, Sturm u. A. In Folge der Verwendung diefer Kündler find denn auch die Leidungen nicht blos in ädhetifcher Beziehung auf der ent- fprechenden Höhe, fie find auch formell fehr vielfeitig, denn die Eigenart der Kündler hat fich in ihnen ausgeprägt. Wir haben zwar oben gefagt, dafs die eigentliche Richtung die der Renaiffance id, aber fie fchliefst andere, fo gothifi- rende (von Schmidt) wie gräcifirende Vafen (von Hänfen) nicht aus. Von den Arbeiten in Art und Geid der Renaiffance, fpeciell der alten echten Krydall- gefäfse deht am höchden das Trink- und Deflertfervice für den Allerhöchden Hof nach den Entwürfen von J. Storck mit vergoldeten und emaillirten Mon- tirungen von Ratzersdorfer, und gravirten, von Eifert ausgeführten Ornamenten. Diefe Gefäfse haben auch die glückliche Neuerung, dafs fie, im Gegenfatz gegen den gewöhnlichen matten Schliff der Ornamente, den in den Tiefen auspolirten Schliff, wie ihn die alten Krydalle zeigen, wieder eingeführt. Diefe Manier ver feinert in aufserordentlicher Weife die Lichtwirkung der Krydalle. Als eine glückliche Erweiterung id auch die Wiederaufnahme der facettirten Gläfer und mancher anderer Formen zu betrachten, die insbefondere in der erden Hälfte des XVIII. Jahrhunderts in Uebung waren und noch in diefer fpäten Zeit dem böhmifchen Glas ein echt kündlerifches Gepräge gaben. Auch die Verzierung mit geätzten farbigen Rändern und Bändern, mit welchen einige Services bei H. Ulrich viel Beifall gewannen, liefse fich, wenn fein und zierlich angewendet, glücklich verwerthen und erweitern. Es find aber auch noch andere Firmen zu nennen, die im Krydallglafe dem Beifpiele gefolgt find und den Weg der Neuerung betreten haben. So die gräflich S e il e rn’fche Fabrik in Jofefsthal und Galthof, die fich mit zierlichen Formen mehr an englifche Müder angefchloffen zu haben fcheint, ebenfo W. Hofmann in Prag, der einen ganzen Tifch feiner und zierlicher Krydall- gefäfse mit gechliffenen Ornamenten aufgedellt hatte, fo die Fabrik von Graf H a r r a c h in Neuwelt, die, neben vielen grofsen Gegendänden nach alter Art, manches Anmuthige im Kleinen darbot, fo Reich & Comp, in Wien, die ebenfo im Gemifch der alten Mode auch das Streben nach feineren Formen erkennen liefsen, fo endlich J. E. Schmid in Annathal, der manche glückliche Motive befonders in Henkeln zeigte. Man fah vollkommen klar, dafs die neue Tendenz Boden gewonnen hat und fich ausbreitet. Und nach dem kurzen Anfänge haben wir alle Urfache, hiermit vollkommen zufrieden zu fein. Aber, wie fchon oben angedeutet, id in der heutigen böhmifchen Glas- indudrie das weifse, farblofe Krydallglas durchaus nicht das einzige, welches fich der kündlerifchen Befprechung darbietet. Man würde Unrecht thun, das farbige Glas zu überfehen. wenn es auch in diefem Jahrhundert bisher keinen hohen Standpunkt eingenommen hat.