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10 Jakob Falke. ift eine neue, blühende Glasinduftrie wieder erftanden, alle die alten Techniken und Formen, die künftlichften felbft fehen wir wieder als neue Arbeit vor unferen Augen auf den Ausheilungen; fie erhalten Beifall und Ruhm und werden gekauft und ein ganzer Stock gefchickter Arbeiter findet lohnende Befchäftigung. Das ift da« Refultat patriotifchen Strebens, beharrlichen Wollens und intelligenten Vorgehens. Die grofse Fabrik von Dr. Salviati ift mittlerweile in die Hände einer vorzugsweife englifchen Gefellfchaft übergegangen, jedoch unter der oberen Leitung ihres Gründers geblieben, und fo ift zu erwarten, dafs fie den künftleri- fchen Standpunkt, den fie bisher eingenommen, nicht verlaßen, ihre künftlerifchen Ziele nicht aufgeben werde. Sie könnte es auch nur zu ihrem Nachtheile thun, denn in diefer ihrer künftlerifchen Art befteht ihre Eigentümlichkeit, ihr Werth und ihre Bedeutung. Mit derfelben würde fie fich felber aufgeben. Diefe ihre künftlerifche Art ruht, wie es bei allerKunftinduftrie fein follte, auf der Technik und der Befchaffenheit des Materials. Es ift; das venetianifche Kunftglas oben als das vorzugsweife geblafene bezeichnet worden. Die Formen, welche dem in der Hitze weichen und fchwellenden Glafe die Hand des Arbei ters gibt, find die bleibenden, d. h. fie werden nicht erft durch nachträgliche Arbeit mit dem Inftrument, mit dem Rade verändert, verfeinert oder gegliedert. Das venetianifche Kunftglas ift alfo noch in ganz befonderem Sinne Handarbeit und fomit auch in bevorzugter Weife als eine Kunftleiftung zu betrachten. Je mehr bei ihm die Mafchine und die Schablone zurücktritt, umfomehr ift das einzelne Stück gleich einem Individuum anzufehen, was bei dem englifchen und dem böhmifchen Glafe nur von den anfpruchsvolleren Gegenftänden gilt. Das venetianifche Glas fetzt daher auch bei dem einzelnen Arbeiter mehr Intelligenz, mehr Formverftändnifs, mehr eigenen Gefchmack, eigenes Gefühl voraus, als bei demjenigen Arbeiter, der nach der Schablone arbeitet. Der Gefchicklichkeit freilich bedarf auch diefer, der böhmifche und der englifche Arbeiter, und wie wir noch fehen werden, zuweilen in ganz eminentem Grade. Das Wefentliche des venetianifchen Glafes ift alfo die leichte, fchöne, elegante Form, wie fie unter der plaftifch bildenden Hand entfteht. Unterftützt wird diefe Eigenfchaft durch die Dudlilität, die Zieh- oder Dehnbarkeit des Materials, das fich leicht den bildenden Händen fügt und fchmiegt, fovvie durch feine Leichtigkeit bei grofser Zähigkeit und Elaftic-ität, welche auch materiell der ideellen Leichtigkeit entfpricht. Die Vereinigung beider gibt dem venetia nifchen Glas feinen Hauptreiz. Bei folcher Entftehung, wo die Hand die Hauptrolle fpielt. kann das venetianifche Glasgeräth einen Umftand nicht vermeiden, der in vielen Augen als Nachtheil gilt. Während bei dem böhmifchen und dem englifchen Glafe die einzelnen Stücke, die zu einer Serie gehören, unterfchiedslos einander voll kommen gleich find, bieten die von Murano ftets kleine Verfchiedenheiten und Ungleichheiten; manche gröfseren und kunftvolleren Arbeiten enthalten in fich felber Unregelmäfsigkeiten, welche bei dem gefchliffenen Kryftallglas ganz hin- wegfallen. Infofern erfcheinen jene Gegenftände feiten völlig tadellos, aber gerade diefe kleinen Fehler documentiren fie-als Arbeit der kunftvollen Hand im Gegenfatz zur Schablone oder Mafchine und machen fie dadurch dem Kunft- freund nur um fo lieber. Hiermit ift aber nur die eine Seite des venetianifchen Glafes, allerdings die wefentlichfte, wie fie fich in der Gefchichte gebildet und wie fie fich uns auf der Weltausftellung dargeftellt hat, gefchildert. Der Arbeiter, einmal zumKünft- ler geworden, begnügt fich nicht damit, fondern fucht fein Gebiet zu erweitern, feine Gefchicklichkeit wie fein Material felbft zu Leiftungen zu zwingen, die infofern über das Mafs des künftlerifch Zuläffigen hinausgehen, als fie mehr wie Kunftftücke, denn wie Kunftwerke erfcheinen. Diefe Erweiterung des Gebiets findet in zweierlei Weife ftatt. Einmal wird der Künftler durch die Zähigkeit und