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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 04.03.1926
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19260304012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926030401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926030401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-03
- Tag 1926-03-04
-
Monat
1926-03
-
Jahr
1926
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 04.03.1926
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Li terlarisc!) e Vmschau Iiimtq. i.Hm ISK Aus Enge und Weilen. Wolfgang Burg ha ufer ist der Säuger der hüb schen „Mädi Heide Lauer" a»S Tilmein und zugleich der Sirlstophaiics der deutschen böhmischen Kleinstadt. Langsam dreht sich die Walz«. Die Nichterinnen von Tilmein, die Gcncralin, die Kausmannsfrau, die BeamtenSgattin und daS fürchterliche Fräulein Ohnstagl halten schreckliches Gericht über alle sündigen Seelen TilmeinS und namentlich über di« jungen Mädchen, die diesem hohen Gerichtshof nicht ihre Reverenz machen. Mädi Hcidcbauer kommt aus der Pension der Landeshauptstadt, in die der Vater die mutterlose Tochter geschickt hat, zurück. Sie kommt klar, gescheit, unbekümmert und wirkt in dem stockenden Leben der kleinen Stadt wie ein frischer Bergquell. Das kann nicht mit rechten Dingen zu- gehcn. Die Richters»»«» von Tilmein liegen auf der Lauer und suchen nach der verwundbaren Stelle, die den Frohmut dieser unbekümmerten Jugend zu Falle bringen könnte. Es findet sich nichts. absvlM nichts. Mädi l>at im gesamten Rat -er Männer Tilmcinö von vornherein bestochene Richter, und ihr Ehrenkleid bleibt frisch; aber Neid und ,'serstöruugswille des hohen Gerichtshofes spritzen Schmutz an das weifte Kleid des Mädchens, ohne dast dieses es merkt. Die Verleumdung, diese gefährlichste Waffe, übt ihr übles Handwerk, und eines Tages ist es mit dem Glauben an die frische Tugend Mädis vorbei. Erst nach und nach spürt diese die Wirkung des Giftes nnd ist nun ganz verzagt. Aber die Ritter sind nicht fern. Ein alter pensionierter Oberst zieht ans, tapfer, forsch, un bekümmert, und hält sein Schwert über Mädi Heidebauer und ihr« Lieb« zu einem braven Iuugen. Tapfer dringt er iu die Hochburg der Nichterinnen ein und zerreißt daS Netz der Lüge und Gemeinheit. Ter hohe Gerichtshof muß schmäh lich zu Kreuze kriechen irnd vor dem Rechtsanwalt Abbitte leisten. Damit ist der Glaube an seine Macht gebrochen und Tilmein von Gcrichtspersonen dieser Art befreit, solange es dauert. — Wer ein gutgeschricvencs Buch mit langsamem Be hagen zu lesen vermag, wird auf seine Kosten kommen. Es fehlt Burghauser weder a» Humor noch Satire, und er weiß die feinen Waffen des Geistes auf sehr amüsante Art zu ver wenden. Einzelheiten, wie das Säugerscst im alten Gasthof, sind ganz köstlich gesehen und wiedcrgcgcben. Die Tvven sind scharf herausgcarbcitct und Ixrbcn charakteristische Linie». Ein allzu behagliches Verweilen bet Einzelheiten behindert zuweilen den Fluß der Handlung, aber der sibvman als Ganzes zählt zur guten und empfehlenswerten Unterhaltungslektüre. Ter Verlag Stiepel in Reichenberg hat »Mädi Heide- Hauer" «in schmuckes Kleid gegeben. Thea v. Ha rbo u, ebenso bekannt dcwrch ihre Moninnen- «alfllme wie als Erzählerin, veröffentlicht im Verlag August Scherl, Berlin, einen Roman: ,^) i e Inselder Unsterb lichen", der nicht zu den besseren Arbeiten der Verfasserin gehört. In kleinen Novellen konnte man «in anziehendes Talent gerne freundlich hcrvorheben. In ihrer neuen Arbeit aber ver-- fällt sic streckenweise in eine preziöse Manier, die jede Ursprüng lichkeit und Einfachheit erstickt. Die Liebesschicksale des In dustriellen Hilligen, einer von den Httnenstarken, und seiner Gattin, der Fürstin „Tv»cgott", sind alt wie di« Frauem litcratur und haben die Marlitt und die Heimburg unter ihren Ahnenfrauen. In der Episode auf dem Schiff, wo Liebe und Eifersucht ihren Anfang nehmen, begrüben sich Thea vckk Harbou und Hedwig Eourths-Mahler mit schwesterlichem Ver stäiidnis der Situation. Thea aber ist schlau. Sie weiß, daß mit der Einfachheit nichts zu machen ist, und so umkleidet sic ihre Geschichte mit einem Mantel von Romantik und erotischer Farbenpracht, der anständiges Kunstgewerbe ist. Auch die Geschichte des zweiten Liebespaares, Todgeweihten, die ihre letzten Lebenstage genießen wollen, birgt wenig an ziehende Momente, bis zu dem Erwachen des LebenShungers in der jungen Frau, Li« von der Insel -er Seligen flieht, um als Tänzerin in einer Hafcnschänk« den dicksten Sä,lamm des Lebens kenncnzulernen nnd den To- durch das Messer zu finden. Diese Szene zeigt, daß Thea Harbou ganz andere Sachen kann, als romantisch süßliche Liebesgeschichten nach Grvsnnntters Rezept zu schreiben. Bizarr und paradox sind zuweilen ihre Aussprüche: ,LLie recht hat der Kannibalis mus.... welch überivälttgcnde Gcnugiuung, das Herz zu essen, das uns den Untergang geschworen hat!" Eine pri mitive Weltanschauung nicht ohne Kraft. Der Band, mit schönem grünen Leinen und Goldpressung umkleidet, sicht aus, als solle er ein Kabinettstück in einer Romansammlung werden. Das dürfte wohl eine Täuschung sein. Für Leser, die täglich zwei bis drei Bände verschlingen müssen, bringt der Verlag Ullstein: »DaS Fräulein nnd der Levantiner" von Feodor v. Zobcltitz, dessen Bücher als Nachmiitagslektüre auf dem Sofa von vielen Lesern geschätzt werden. Man muß sagen, daß ihm eine elegante, flüssige Art eigen ist, und daß er sich ans die Fein- meberei vielfach verschlungener Nomanmotivc versteht. Der Levantiner sammelt in Berlin ein halbverhungertes Fräulein auf, vcrhilst ihm zum neuen Leben, gibt ihm Brot und Be schäftigung und verliebt sich in die .^Weizenblonde". Sie wird ihm nicht aus vollem Herzen, wohl aber aus Dankbarkeit und Gewöhnung eigen, löst aber recht brutal das geknüpfte Rand, als neue und echtere Gefühle sie erfüllen. Neben diesem Hauptmotiv des Buches laufen noch einige andere, die den Leser in den neuzeitlichen farbigen Orient führen, mit einer Fülle charakteristischer, wenn auch wenig sympathischer Figuren. Auch nicht übermäßig angenehm ist der Bruder der weizen- blonden Imme, der lange verschollen war und an dem Egoismus seiner Jugend in allen Lebenslagen festhält. Der anständigste Mensch, der einzige, mit dem man trotz seiner trüben Geschäfte mal zu stimmen sein möchte, ist der Levan tiner, der in seinem Herzen so schwer und ungerecht Gekränkt«. Sein Tod löst die Konflikte. Das Buch, ebenfalls in wunder schönem, grünen Kleide, macht nicht den Anspruch darauf, mehr zu sein, als cs ist: Ein flott geschrieben«! Unterhaldimgs- rvman. Auf ganz anderem Boden stoht A. de NoraS Novellen- sammluna »DaS Tal des LebenS". Hier zeigt sich in meisterlich entworfenen kleinen Skizzen ein Dichter, der in tiefe Geheimnisse der menschlichen Seele etngedrungen ist und viel Seltsames zu künden weiß. Die Novelle, die -er Samm lung den Namen gibt, zeigt einen Willcnsmcnschen von stärksten Energien, der Herr über Leben und Tod zu sein glaubt, bis ihm die NadM die Grenzen seiner Macht zeigt. Die Spannung in dem kleinen Werk ist außerordentlich stark und wird durch beste künstlerische Mittel erzielt. Die er freulichen Eigenschaslcu dcS Er,Zählers finden sich auch in den anderen farbigen Novellen, von Lenen „Die Fähre und ,,DaS Paradies" ganz besonders sein im Motiv und in der Aus führung sind, dabei nicht ohne Kraft und Lebendigkeit in der Hanizlung. Der Verlag von L. Staackmann, Leipzig, besitzt in de Nora einen seiner eigenartigsten Erzähler, der in der Spuk, und Wunderwelt Hossmanns zu Hause ist. Paul Hermann Hartwig. Friedrichs des Groden Briefwechsel mit seiner Schwester Wilhelmine. Heransgegeben von Gustav Bert hold Bolz. Als Quelle und zugleich als wertvolle Ergänzung zu dem unlängst besprochenen Ruche von Alexander v. Gleichcn-Nuß- wurm: »Die Markgräsin Wilhelmine von Bayreuth", wird all« Gcschichts» und Litcraturfreunde der vor kurzem er schienene zweite Rand des Briefwechsels „Friedrichs des Großen nnd Wil Hel in ine ns von Bayreuth" interessieren, der (die Briese vom Regierungsantritt des großen Königs (1740) bis zum Tode der Markgräsin < 1758s wmsaßt (Verlag vv» K. F. Kochler, Berlin und Leipzig 1028). Während der früher von dem gleichen Sammler heraus- gcgebene erste Band dieses Briefwechsels die Sturm- und Drangzcit und die jugendliche Geistcsentwicklung der beiden hochbegabten Fürstenlindcr enthüllt, gibt der zweite Barrd ei» Bild von der geistigen nnd seelischen Abgeklärtheit gereifter Menschenkinder, die ans den Höhen deS Lebens bahinwandeln nnd Menschen- und Bölkerschicksale maßgebend beeinflussen. Ans beiden Ständen dieses Briefwechsels leuchtet vor allem eins in freundlich-mildem Glanze hcrrwr: di« innige seelische Verbundenheit zweier Geschwister auf Fllrstenthronen. Sv schreibt Wilhelmine unterm AI. Dezember 1740 an den könig lichen Bruder: »Fedcs menschliche Wesen versolgt auf Erden nur «in Ziel: sein Glück. Das meine besteht allein in Deiner Giite und in der Genugtuung, Dir wenn möglich zu jeder Stunde meine Anhänglichkeit und Ergebenheit zu beteuern. Ich vermag sie nur durch die dauernden, aufrichtigen Wünsche für dein Wasfenglück zu beweisen." Und Friedrich versichert der Schwester in einem Briefe aus Ruppin sebenfalls aus dem Jahre 17401: ,Dcr Titel Bruder ist mir ruhmreicher als der sämtlicher allcrchristlichsten Könige oder Verteidiger des Glaubens und Deine Freundschaft gilt mir mehr als alle knechtische Ehrerbietung von Sklaven und di« kriecherische Unterwürfigkeit der Untertanen." Und doch erfuhr diese zärtliche Scelenharmonie der Geschwister eine ernstliche Trü bung in den Jahren 1743—48. und »war bezeichnenderweise durch eine EhcvermiitlungSaffäre, in die sich Wiihelmine ein gelassen hatte und die dem ausdrücklichen Willen Friedrichs widerstrebte. Es handelte sich um die Vermählung zweier am' Bayreuther Hofe als Gesellschafterinnen WilhelmtnenS fungierender Töchter des preußischen Generals v. d. Marwitz mit Bayreuther Hofleuten. Vermähbungen. die nach preu ßischem Landesgcsctz unstatthaft waren, da dt« Erbtöchter deS Lehnadels keine Ehe mit einem Nichtprcußcn eingehen durften. Auch war Friedrich ernstlich böse darüber, daß ein Erlanger id. h. im Bayreuther Lande tätiger) Zeitungsschreiber sich höchst mißliebig über ihn geäußert hatte. »Ick weißt nicht" — so schreibt er an Wilhelmine am 13. November 1744 — »wo- mit ich seine (des Zeitungsschreibers) Ungnade verdient habe; wohl aber weiß ich, daß ich in meinem Land« nicht gestatte, daß Frechheiten gegen mein« Verwandten gedruckt werden." Noch schmerzlicher wird Wilhelmin« deS Königs Borwurf empfunden haben, daß sie offen für Oesterreich Partei genom- men habe geqrn ihn, wozu allerdings ein devoter Besuch, den Wilhelmine -er (damaligen ungarischen) Königin Maria Theresia abgestattct hatte, als dies« sich zur Kaiserkrönung ihres Gemahls Franz I. (im September 1745) nach Frankfurt am Main begab, berechtigten Anlaß gegeben hatte. Im Mai 1748 kam aber auf Grund einer persönlichen Aussprache eine völlige Aussöhnung zwischen den entzweiten Geschwistern zustande, und alle von diesem Zeitpunkt« ab datierten Briefe zeugen davon, daß von -er vorübergehenden Verstimmung keinerlei Hefe im Weine dcS idealen Seelen bundes zurückgeblieben war. Fm Gegenteil: die Beteuern» gen der Liebe nnd Sehnsucht nehmen immer zärtlichere, schwärmerische Formen an. Ganz besonders warmen Anteil nimmt Wiihelmine natürlich an dem wechselvollen Schlachten verlaufe im Siebenjährigen Kriege, über den der König die Schwester eingehend unterrichtet. Es ist erstaunlich, daß Friedrich mitten im Kricgsgetttmmel immer und immer wie der Zeit gesunden hat, der geliebten Schwester eigenhändige Briefe von ziemlichem Umfange zu schreiben; überflüssig ist, hinzuzusiiacn, daß gerade diese Briefe, die u. a. nach der Schlacht Lei Roßbach, nach der Einnahme VreSlans, nach dem Falle von Schweidnitz, nach den ergebnislosen Kämpfen von Olmütz, nach dem Siege über die Russen bei Zorndorf usw. nbgefaßt worden sind, geschichtliche Dokumente von höchstem Werte sind. Für die unbegrenzte gegenseitige Wertschätzung der beiden Künigskinder seien aus der späteren Zeit nur zwei kurze Zeugnisse angeführt. Bereits auf dem Sterbebette liegend, schreibt Wilhelmin« (am 20. August 1758): »Ach, lieber Bruder, wenn etwas mich noch ans Laben fesseln kann, so bist Du eSI Obwohl ich meiner Alkflösung mit großem Gleich mut entgegensehe, wünschte ich diesmal, noch wciterle-ben zu können, um Dich glücklich und zufrieden zu sehen.... Meine Blicke sind stets auf den lieben Bruder gerichtet, und sein Bild ist so tief in mein Herz gegraben, daß cS «rst mit meinem Leben daraus verschwinden wird." Und Friedrich begleitet einen am 12. Oktober 1753 — zwei Tage vor W-ilhelmincns Tode — an die Schwester gerichteten Brief mit einer lange» gereimten »Epistel", in der es u. a. heißt: »In guten Tagen wie in tiefster Not Hast Du mein Glück geteilt, mein Ungemach betrauert. Wie treulich dies« Freundschaft angedauert — Vergilb' ich « (e? Mitfüblend, hilfsbereit. Tatkräftig stets, entgaltst Du mir das Leib, DaS ich erduldet, und Dein sanfte» Wort. Hat oft mich an» des Kummer» Bann befreit. O einz'g« Zuflucht Du, mein sich rer Port, Krast Deiner Tugend hielt der Welt ich Stands" Ob dieses Denkmal brüderlicher Verehrung der Sterben» den noch zu Gesicht und »um Bewußtsein gekommen ist. steht freilich dahin; am 14. Oktober 1758 hauchte Wiihelmine ihr Leben ans. Dieses letzte Schreiben Friedrichs an die geliebte Schwester ist auch dcslmlb besonders bemerkenswert, weil cs in deutscher Sprache abgcsaßt ist, während der gesamte sonstige Brieslvechscl — der damals in höfischen Kreisen herr schenden Unsitte gemäß — in der Sprach« Voltaires geführt ^7» ivurd«. Die gesammelte» Briese mußten daher erst für die Buchausgabe ivo» Friedrich v. Oppeln-Bronikowskij ins Deutsche übertrage» werden und zeigen noch allenthalben die Spuren sranzösischcr Redewendungen und pariserischcr Galanterie. Französischer Esprit klingt z. V. charakteristisch auf in einer Briesstclle, in der Wiihelmine (am 28. November 1740) über das Hinscheidcn einer allgemein verehrten Dame der Berliner HvsgeseUschasl (Anna Elisabeth v. Arnim- Boitzenburg, gcb. Komtesse v. d. Schulenburg) berichtet: »Der Tod hat sie ebenso liebenswürdig gesunden wie ihre Bekannten und — sie mitgenommen. Offen gestanden, habe ich noch gar keine Lust, eine ähnliche Eroberung zu machen." — Ein trübes Kapitel damaliger KEurzustände rollt u. a. einer der 505 Briefe des zweiten Bandes aus. Friedrich schreibt an die Markgräsin (unterm 7. August 1740, als er zum Ersten Schlesischen Kriege rüstete): Darf ich Dich fragen, ob der Markgraf (Friedrich von »Bayreuth) mir die Freude machen würde, mir ein paar hundert Mann zur Verstärkung meiner Truppen auszuhebcn? Ich würde ihm dafür zehn Taler pro Kopf... zahlen." Selbstverständlich bilden auch die übrigen Briefe eine unerschöpfliche Fundgrube für den Kulturhistortker. Sechzehn Kunstblätter, zumeist hervorragende Fürstlichkeiten darstellend, die in den Briefen eine Nolle spielen, sind dem qut- ausgestatteten und am Schluß mit einem übersichtlichen Per sonenregister versehenen Buche betgegeben. Di« gehaltvolle Fürstenbrief-Sammlung empfiehlt sich selbst. Prof. Felix Reichardt. Ein neuer Norweger in -er WelMlerakur? HauS E. Kinck: »Die Anfechtungen deS NilS B r o s m e." Die großen skandinavischen Schriftsteller mit ganz wenige« Ausnahmen sind ein schlagender Beweis dafür, daß die Ver wurzelung im Völkischen für die internationale Bedeutung ihrer Werke eher förderlich, als hemmend ist. Der West- und auch der Mitteleuropäcr, in dem zwar vielfach der ChauviniS- miis hochschlägt, aber nur »och selten das unlösliche Ver- bundcnsein mit -er mütterlichen Heimatscholle lebendig ist, fühlt in der nordisch-östlichen Literatur wehmütig etwas, waS ihm im verwirrenden Getriebe der Weltstädte vcrloren- gegangen ist. Die Naturnähe und Menschenferne, die auS dem Natürlichsten erwachsende Mystik in primitiv-großartiger Gestalt kennen unsere Literaten kaum mehr, und doch ist daS Empfinden dafür auch in unserer Zeit nicht erloschen, sondern nur versandet, und wer es versteht, die Urquellen des mensch lichen Herzens vom Wust der Zivilisation wieder freizumachen» hat das Ohr Europas. So erklären sich die Erfolge der Strind- berg nnd Lagerlüs, Ibsen und Bjürstson, Kivi und TopeliuS neben der geistigen Diktatur eines Dostojewski und Tolstoi; je weiter entfernt ein europäisches Bolk dem Amerikanismus steht, um so größere Anwartschaft hat es, eine literarische Groß macht zu werden. Wir betonen ausdrücklich Amerikanismus nnd sagen nicht Zivilisation, denn gerade Norwegen z. B. besitzt eine intellek tuelle geistige Oberschicht, die an Delikatesse und seelischer Ver feinerung der deutschen oder französischen nicht nachsteht. Aber selbst das Raffinement wirkt hier noch ein wenig naiv, und sogar ein Mann wi^Jbscn wirst bisweilen das psychologische Seziermesser weg, wenn ihn das spezifisch Norwegisch« seiner Stoffe mit sich fortreißt. Diese tragikomische seelische Mischung ist auch dem Norweger eigen, von dem soeben in der auS- gezeichneten von H. Göbel herausgegebenen und tm Verlag von H. Haessel erscheinenden Sammlung »Nordische Bücher" da» erste Werk in deutscher Sprache erschienen ist. H a n s F. K t n ck! ist heute ein mittlerer Fünfziger, neun Romane, zehn Novellen bände, acht Dramen und elf Bände literar- und kulturhistori schen Inhalts hat er bisher geschrieben, von denen eine Anzahl bezeichnenderweise ins Amerikanische, Französische und HollSn- dische übertragen worden sind — und doch ist er in Deutschland bisher nicht einmal in den Kreisen bekannt geworden, die daS geistige Leben im Norden mit Aufmerksamkeit verfolgen. Wie fern — unabsehbar fern liegt doch die geistige Einheit Europas . . . Ein Mann, für den sich Georg Brandes mit starkem Lobe einsetzt, darf Anspruch darauf erheben, gehört zu werden. Es ist kein Zufall, daß gerade der Kritiker Brandes die Bedeutung KinckS hervorhebt, denn zwischen diesen beiden Männern besteht eine geistige Verwandtschaft, die nicht über sehen werden kann. Kincks dichterische Gestaltungskraft ent fließt nicht natürlichen Quellen der Seele, sondern dtsztplt- nierter Geistigkeit, die sich mit den Dingen und Geschehnissen leidenschaftlich auscinandersetzt. Kinck kritisiert, sobald er den Mund auftut, und wäre er nicht gleichzeitig von einem ge waltigen, manchmal fast erschreckenden Humor erfüllt, so würde sich das Menschliche von seinem überlegenen Verstände ver gewaltigt fühlen müssen. Dieser Humor aber macht den Lite raten,, den Gelehrten Kinck zum Dichter, dieser Humor ist die Brücke, die ihn mit seinem Volke verbindet, und in ihm lösen sich schließlich auch die Konflikte, für die eS sonst im Leben schlechterdings keine Lösung gibt. »Die Anfechtungen des NilS BroSme" nennt Kinck den Roman, mit dem er vor die deutsche Oefsentlichkeit tritt. Die Handlung ist höchst einfach. Ein Aesthet der Groß stadt mit seinem aus einer gewissen Dekadenz heraus ge- steigerten: Bedürfnis, sich auSzuleben, kommt auf eine städti scher Kultur entrückte Pfarrstelle. Er stellt seinen äußerlich kühnen, im Grunde aber feigen Subjektivismus der starren Ethik der Landbevölkerung entgegen; zwischen diesen beiden Polen steht seine Frau, sie sucht zu vermitteln, verliert dabet de» Mann und sich selber — aber nur beinahe; im kritischen Augenblick wird daS philiströse Kompromiß des Durchschnitts geschlossen, alle Beteiligten erkennen sich an ihrem Auguren lächeln als Kinder eipes Geistes, und der Roman endet in trivialer Großartigkeit — wie das Leben zumeist anszugehen pflegt. DaS »Wie" bet diesem einfachen Vorwurf ist alles. Und da läßt Kinck schon rein sprachlich aufhorchen. Mit einer er staunlichen AusdruckSgcwalt und einer leuchtenden Anschaulich keit wirft er Bilder und Vergleiche hin, die neu sind und durch ihre Treffsicherheit fesseln. Die seelische Charakteristik ist messerscharf und voll Logik, wenn auch nicht immer über zeugend; eine offensichtliche Neigung zu gedanklicher Kon- truktton ist Kinck scheinbar besonders eigentümlich; er er innert hier sehr stark an seinen Landsmann Ibsen. Aber immer wieder flackert ein grimmiger Humor ans und schmilzt die Kanten des Anstoßes ab. Er ist wirklich grimmig und geht nnS Deutschen, in denen etwas von Jean Paul oder Wilhelm Naave lebt, nicht leicht ein; aber wem dafür erst einmal der I L77 k/v * K
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