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Seite 232. Belletristische Dienstags Beilage ;u den „Dresdner Nachrichten" fLrv die Ar errrerrrveLL. Mcrkspruch: Halt doch an Treu' und Glauben fest. Nernst Du auch, daß Dich die Welk verläßt. Bedenke, eh' Du beginnst zu hassen Du wirst ja auch die Welt verlasset:. Albert Aodertch. Der Schmuck unserer Wohnräume. Wenn man die Wohnungen Von heute mit denen vor hundert Jahren vergleichen wollte, so würde man vor Allem eines finden, das Streben nach Schmuck, nach Augenweide in allen Zimmern von heutzutage. Während nian sich früher damit begnügte, jede Emrichtung möglichst praktisch zu gestalten und sich in den meisten Fällen nur den Luxus von viel Raum, viel Lrcht und viel Luft gewährte, io findet man dagegen heute, daß gerade die drei letzten Faktoren sich bedeutend ver mindert haben, daß man aber dafür, ja oft auf ihre Kosten sein Augenmerk auf eine reichere und vielgestaltigere Ausschmückung der Räume Werth legt. Früher — was hatte man da wohl in den meisten Fällen an Schmuck und Dekoration in den Zimmern? — da standen die Möbel symetrisch neben einander gereiht. Das Fenster war von weißen Multgardinen nur lustig ver hüllt. Der einzige Schmuck waren höchstens einige Sträuße Gartenblumen, einfach zusammen gebunden, wie sie der Garten darbot, und in ein simples Wasserglas gesteckt. Am Fenster fehlten dann freilich wohl selten einige blühende Blumenstöcke, duftende Reseda. Monatsrvschen. Goldlack oder Lcv- koien. Wo sind diese Zimmer hin mit ihrer etwas nüchternen, aber doch un endlich anheimelnden Physiognomie? Wohin hat sich die zarte Poesie jener Räume geflüchtet, die durch Licht und Sauberkeit, durch weißgcschenerte. sandbestreute Dielen und peinlichste Ordnung hervorgerufen wurde, die unsicht bar mit leisem Lawendelduft um hochlchnige Armstichle aus Urväter Hansratb und um mahagonibraune, steifbeinige Spinetts webte, die noch ans Mozart s Zeiten stammten. Wohin hat sie sich geflüchtet? Ist sie gestorben, oder lebt Ire noch in halbvergessenen Wettwinkeln? — Ich glaube fast, sie ist im Aus sterben begriffen. Höchstens im stillen Stübcheu einiger Großmütter ist sie noch jung geblieben, oder sie ist auf's Land und in die kleinen Gebrrgs- städtchen gezogen, wo nicht Alles so schnell lebt und so rasch alt wird. Dort Haast sie noch, aber wie lange? — Wie lange wird es dauern, und die Eisen bahnen, die Preislisten der Möbellieferanten und die Luxnswaarenmagazine, die Journale und Zeitschriften für Kunst und Dekoration haben sie getödkct, und sie wird nur noch auf Bildern und in alten, verschnörkelten Romanen im Andenken weiter leben, während ihre morschen Reste in Rumpelkammern und in Auktionshallen begraben oder geschändet weiden. Und was wird dann an ihre Stelle getreten sein? Prunk, Glanz, Luxus, vielgestaltige Formen, bunte Farben, oft mit Geschmack zusammengestellt, noch öfter aber mit Geschmack losigkeit zusammen gewürfelt. Und während man damals, wohin mau kam, das Auge an Zweckmäßigkeit und einfacher Ordnung erfreuen konnte, wird es sich jetzt, ach, nur zu oft beleidigt abwenden müssen. Denn mit der Möglich keit, nch elegant und geschmackvoll einzurichten, wie sie jetzt schon fast all gemein gegeben ist, ist leider in vielen Fällen der Geschmack noch nicht mit gewachsen. Und nicht allein daran liegt es. Auch der Geschmack der Fabri kanten, der Erfinder der Luxusgegenstände, die zum Zimmerschmuck dienen sollen, ist oft noch recht wenig entwickelt, und es ist Hobe Zeit, daß wir selbstständig Geschmack von Geschmacklosigkeit unterscheiden lernen, wenn wir nicht wollen, daß unseren Räumen der Stempel der Häßlichkeit, der Stempel der Bazare aufgedrückt werde. Sehen wir uns um in den Räumen, die wir im Laufe eines Jahres vielleicht gesehen haben! Welche Fülle von Unver stand wird sich uns ausdrängen, wenn wir gewohnt sind, mit sehenden Augen unsere Umgebung zu betrachten. Welcher Reichthum von Geschmacksverirrungen ist nicht oft allem in dem aufgestapelt, was man so stolz und anmaßend alles unter der Rubrik „Kunftgegenstnnde" zusammenzufasfen gewöhnt ist. Heilige Kunst, wie wirst Du da oft verlästert! Was hat wohl zum Beiipiel die hehre Kunst damit zu thun, wenn man einen Bismarck im Kleinen als Brief- befchwerer oder gar einen Lohengrin mit dem Schwan aus Majolika anfertigt und ihn, umgeben von Knackmandeln und Traubenrvsinen als Tafelaufsatz be nutzt. Der heilige Gralsritter müßle sich >a im Grabe nmdrehen. wenn er davon wüßte. Was wird nicht allein von den Fabrikanten gesündigt, und wie Wenige aus dem kaufenden Publikum verstehen diese Sünden überhaupt! Wie Biele werden zu Mitschuldigen, indem sie die Ausgeburten nnkünstlerischer Gehirne kaufen und in ihren Wohnungen ausstellen. Nicht die Wenigsten davon aber, die wirklich Geschmack genug hatten, beim Einkäufe die Erzeug nisse durchgegangener Zeichnerphantasien ausznscheiden und wirtlich künstlerische Werke zu erstehen, verderben jeden künstlerischen Eindruck zu Hause wieder, indem sie es nicht verstehen, Raum und Kunstwerk in Einklang zu bringen. Weitaus das meiste wird durch Ueberladung gefehlt ; denn rat man einmal Geschmack am Besitze eines wirklichen Kunstgegenstandes gefunden, so läßt man sich nur zu leicht verleiten, bald wieder einen neuen zu kaufen, auch wenn man, wie ja meistens in Städten, mit dem Raume beschränkt ist. Wie falsch es aber ist, in einem engen Raum Gegenstand neben Gegenstand zu häufen, wird feder einsehen, der einmal einen Blick in einen Bazar gethan hat. Keines der ausgestellten Werke kommt auch nur einigermaßen zur Gelt ung. Eines erdrückt das Andere, mrd alle Mühe, alle Freude ist umsonst gewesen, haben wir einmal gegen die erste Forderung derZimmerausichmücknng, Maß zu halten, gefehlt. Der künstlerische Eindruck ist verwischt, und anstatt ihn zu erhöhen, haben wir unsere Zimmer in Bazare verwandelt. Tas gilt vor Allem in der Anwendung von Plastik und Bflderichuiuck. So schön eine Statue der^ Thorwaldsen'ichen Hebe, oder eine Bist" des Apoll aus einer einfachen Säule, von Blattpflanzen umgeben, wirkt, so abstorzend ge staltet sich das Zusammensein mehrerer oder gar vieler solcher iveiyer Gestalten in einem nicht aain großen Raume. Was erst die Ainme'.k- samkeit. das Auge auf eine Stelle lenkte, was durch Ruhe der Linien und still Leuchtkraft der Farbe die Blicke anzvg und angenehm beschäftigte, wird durch das Zuviel aufregend, durch verichiedene Formen unruhig und zerrissen, wirkend. Tas Auge wird geblendet, betäubt. Es vermag die Formen nutz: in Einklang zu bringen und wendet sich unbefriedigt und schmerzend ab. Wenn auch in diesem Punkte viel gesündigt wird, wenn man auch ohne Verstand ost Bild neben Bild hängt, ja ost ganze Wände mit Photographien in Rahmen förmlich tapezirt oder ganze Etageren und Tischchen voll der so genannten Nippes häuft oder ans Schränkchen die verschiedenartigsten Vasen und Gläser nebeneinander aufvaat. — das ist immer noch nicht das Schlimmste. Gegen eine Unsitte gilt es besonders zu Felde zu ziehen, und das sind jene Arten von Zimmerschmuck, die leider vor Allem umere Frauen und Mädchen massenhaft fabriziren und die eine gewisse Sorte von Blättern für die Frauenwelt ans dem Gewissen haben. Ich meine iene tausend 'Richtig keiten, die nicht den geringste» praktischen oder ästhetischen Zweck haben, die immer und überall im Wege stehen, hängen oder liegen, die ans Schritt und Tritt Umfallen, oder die besten Falles ats Staubfänger dienen. Da sind vor Allein die gemachten Bünne» zu nennen, die an langen Zweigen freist nüchtern, papieren und raschelnd in Vasen vor dem Spiegel stehen und das st iiieinsehen Verbindern, oder die über dem Sovha hinter Bildern stecken und einem im geeigneten Moment während des Mittagschlafchens auf die Nase fallen. Nichts ist unästhetischer und spricht der Natur mehr Hohn, als diese plumpen, weißen und grünen Nachbildungen von Schneebällen, Avfelbtüthcn und wie sie alle heißen. Ist es denn nicht tausend Mal schöner, einen lebenden Strauß von Veilchen oder Rosen vor sich zu haben, als diese traurigen Dinger, die Einem im besten Falle doch eben immer nur zeigen können, wie die Natur nicht ist. Daß das Makartbouquet der Inbegriff aller Geschmacklosigkeiten auf dem Felde der gemachten Zimmcrbüunen ist, brauche ich wohl glücklicher Weise nichr erst zu erwähnen. Ist es doch fast gänzlich ausgestorben und im Ofen eines rühmlosen Todes verblichen. fFort'otzung D?:.Sr'r':2z.) Die Gras;,rücke. Rings der Himmel von Wolken grau, Regen tropfl nieder au! Wald und Aust Grasmücke singt auf vem Baume dort Unbekümmert ihr Lieschen sorl. Zierliches Vöglein. o könnt' ich gleich Dü Sorglos genießen das Leben hier, Ob sich ihürmen auch Wolken von Leid, Wahren zum Singen die Freudigkeit! Adelaide von GoNberg-Herzsg. Uätbsel-Ecke. Mit L das Schicksal es Dir beut. Verbessern woll'n sich's alle Leut' — Dort ist es hell und dunkel hier, Oft schassest Du es selber Dir, Und Manchem bracht' es schon Gewinn, Wenn Nieten sieten sonst wohin. Mit M ist's grün, ist's weich und zart. So klein und doch so edler Art, Es ist gemacht zu Schmuck und Nutz. Der Baum beschirm!'s, ihm bieten Schutz Und, ganz von Dank und Lieb' erfüllt, Es weich und warm ihn hold umhüll!. Silbcn-!rätbscl. ! Aus folgenden 13 Silben: a, ar, art, cä, den, e, ja, lcy, nt, nu, rund, stu, tal, sind 5 Wörter zu bilden, deren Anfangsbuchstaben von oben nach unten und die Endbuchstaben von unten nach oben gelesen die Namen zweier deutscher Patrioten bilden. 1. Ein berühmtes KönigSgeschtecht. 2. Em be rühmter Staatsmann. 3. Eine Ställe der Seligkeit. 1. Ein Monat. 5. Eine Stadt in Kieinasien. z, K-u-r. Zctblcn-riäthsckl. 1 2 3 3 4 5 Gar friedlich schwimmt'» im engen Haus; Zerbrich die Wand, dann kommt'S heraus. 2 3 3 4 5 Fußlos erscheint es oftmals Dir — Und wieder hat» der Beine vier. 2 3 3 2 Ein Name ist cI wohlbekannt; — Auch deutsche Kaiser sind so genannt. 5 4 3 3 4 5 Siehst Du Dich von Gefahr umringt, — Ich bin es der Dir Hülfe bringt. 4 14 5 Ein Fluß ist es, nur kurz ist er. — Die Wenn bringt ihn hin zum Meer. 5 4 11 Du hörst mich täglich viele Mal, — Doch übst Du» selbst auch ohne Zahl. 3 2 1 Den guten Menschen schreckt es nicht. — Doch sülchtet es der Bösewicht. R, ro AMrillische Dienstags-Anlage D den „Dresdner Nachrichten". Dienstag, den 16. Mai. Weibliche Waffen. Roman von Konrad Tetmann. (Forts-»ung.) „Sie tanzen, gnädige Frau?" fragte Graf Ewald. Sie schüttelte den Kopf. „Nicht letzt — nicht heute — und Sie?" „Ich suche nach einem Vorwände, um mich dieser Verpflichtung zu ent ziehend „So führen Sie mich dort hinüber unter die Oleander des Boudoirs und lassen Sie uns von Spanien plaudern. Wollen Sie?" „Ob ich will, gnädige Frau! Darf ich bitten?" Er reichte ihr den Arm und sie rauschte an seiner Seite durch den Saal. Der Beilchenstranß, der oben auf dem Scheitel in dem dichten Lockengewirr befestigt war, reichte ihm bis zur Höhe seines Gesichts, ihr Arm, an dem eine schillernde Goldspange als Bracelett funkelte, schmiegte sich weich in den seinen. Das Knistern der schweren Atlasschleppe, die sie über den Parauettboden hin- schteifte, hatte etwas Nervenaufregendes für ihn. Und doch überkam ihn eine stolze, lange nicht mehr gekannte Empfindung, als er so mit der schönsten Frau aus dem ganzen glänzenden Kreise um ihn her am Arm den Platz auf suchen durste, den Hohe Oleandcrbüume in mächtigen Kübeln halbrundförmig umstanden und überschatteten. Ans dem rothen Plüschdivan ließen sie sich nebeneinander nieder. Und dann plauderten sie. Es ließ sich herrlich hier plaudern. Das Ge- woge der tanzenden Paare zog in wechselvollen Bildern an ihnen vorüber, die abgeriffenen Klänge der Musik, überhallt von schwirrendem Stimmen- geräusch und den schleifenden Schritten der Walzenden, schollen verworren zu ihnen her. Ein paar lichtrothe Btüthcn, die zwischen den dunklen Blättern der Bäume aufglüthen, nickten gerade über den Scheitel der schönen Frau herab, die sich beguem in die Polster zurückgelehnt hatte und auf die Spitzen ihrer kleinen, goldig beschuhten Füße herabblickte, die unter dem Gewandsaum neben der breithin gelagerten Schleppe sichtbar wurden. Ewald hörte kaum die einzelnen Worte, die sie sprach. Es war ihm genug, ihrem tiefen, dunklen und doch weichen Klange zu lauschen, der wie Musik an sein Ohr schlug und tausend schlummernde Erinnerungen in seiner Seele weckte, ohne daß er sich volle Klarheit über iede einzelne derselben ver schaffen konnte. Es war etwas seltsam träumerisches darum, so zu sitzen und ihr znzuhören. Wenn er die Augen sekundenlang schloß, konnte er glauben, er sei weit fern, wieder unter anderem Himmel und rn anderer Umgebung. Er selbst versuchte, spanisch zu sprechen und den Worltaut einiger Volkslieder zu wiederholen, die er damals in Andalusien gebürt, da er als funger Offizier einen mehrjährigen Urlaub zu einer Reise um die halbe Welt benutzt hatte, aber das gelang ihm nach so langer Zwischenzeit schlecht und sie lachte znm erste:, Male laut nnd herzlich, als sie ihn ihre schöne Sprache so radebrechen hörte. Und dann verlangte er von ihr. daß sie ihm ihr aufrichtiges Uctheil über Deutschland sagen sollte. „Run, das läßt sich kurz zusammenfassen" ent- gegnete sie, „ich finde hier Alles kalt, die Natur, die Häuser und die Menschen. Das soll aber kein Vorwurf lein, im Gegentheil, ich glaube, Ihr Vaterland ist ein glückliches Lund bei alledem glücklicher, als das meine. Wer sich ganz und voll hingiebt. kann auch Alle» verlieren. Hier bei Ihnen ist man vor sichtiger. man zeigt sich nie ganz, wie man ist, man behält sein Bestes zurück und kann deshalb wohl auch nrc in die Tiefe des Elends versinken, wenn man sich betrogen sieht. Ihre Frauen sind klüger und ihre Männer stärker, als die uwercn. In ihrer Kälte liegt ihr bester Schutz." Er verstand sie nicht. „Sie wollen jedenfalls auch sagen, daß unsere Frauen nicht so schön sind, wie die Spanierinnen," warf er ein. Sie schüttelte den Kopf. „Wie ungerecht das wäre! Nein, sehen Sic icneS Paar dort! Es ist Herr von Briese» und Ihre Frau Gemahlin. In Madrid würde man von der Schönheit dieses Paares entzückt sein, man würde ihm Beifall klatschen, wen» cs so graziös nach den Klängen der Musik vorübcr- tanzte; ein eigenartiger, amuuthiger Tann dieser Ihr nationaler Rheinländer; es ist der einzige, bei dem es mir in den süßen zuckt, so ost ich seine hüpfenden Takte vernehme." „So lassen Sie uns tanzen, gnädige Frau," siet er rasch ein, „es ist zwar lange her, daß ich getanzt habe, aber auch ich habe gerade diesen Tanz von jeher geliebt." Seine Augen waren flüchtig über das Paar hingeglirten. daS sie ihm gewiesen hatte, er sah das strahlende Antlitz seiner Frau, die sich der um sie erbrausenden Lust voll hiuzugcven schien, und gewahrte, wie Briesen's Blicke begehrlich an den ihren hingen; ein ihm fremdes, unbehagliches Gefühl bemächtigte sich seiner, dessen er Herr za werden hoffte, wenn auch er sich vom Strudel des Vergnügens mit sonreißen ließ. Frau von Esponceda Halle sich erhoben. „Ich habe es heute schon Bielen abgeschlagen." sagte sie zögernd, „man wird etwas darunter suchen, wenn ich wtzt mir Ihnen —" „Ich habe ja auch vor denen Zillen etwas voraus," sie! er mit sieghaftem Lächeln und auflammendem Auge ein, „ich war in Spanien, ich habe den Fandango getanzt. Dessen darf sich hiec Keiner sonst rühmen. — Da bcginnr der Tanz wieder, gnädige Frau, unser lalrer, deut cber Tanz; darf ich buten?" Sie neigte beuchend ihr Harwt. Er schlang den Arm um ihren Letb. führte sie in den saal und wirbelte mit ihr sott. Ihr heißer Athem streifte seine Wange und es war ihm, als fühle er ihren Busen gegen seine Brust wogen, sekundenlang verschwand ihm Alles umher, wie in einem Nebel. Nun glaubte er verwunderte Blicke von allen Seilen her aus sich gerichtet zu sehen und fühlte sich wie von einem Taumel erfahr und davongetragen. Frau von Esponceda mußte chm zuflüstern, er möge nun ein Ende machen, ehe er sie an ihren Platz znnickiührte. „Ihr kalter, deutscher Tanz," war das Erste, was sie dann halb lachend, halb nach Athem ringend, hervorbrachte, während ihr ganzer schmiegsam- elastischer Körper zu erzittern schien und ihre Augen in scheuem Feuer auf glüthen und über ihn hinirrten. der selbstbewußt und siegeSaewiß vor ihr stand. Er hatte nicht Zeit, etwas zu erwidern, denn nun drängten sich mehrere Herren fast zu gleicher Zeit vor sie hin, um sie mit Borwurfe» und Bitten zu bestürmen; sie müsse nun auch weiter tanzen, da sie ihr Gelübde einmal gebrochen, hieß es, mar, werde ihr keine Ruhe mehr lassen. Frau von Esponceda sah sich wie hülfesnchend um. „Ich muß Sie schon vor mindestens einem Dutzend Duellen schützen, Graf," sagte sie dann scherzenden TonS und reichte ihre Hand Briefen, der als der Erste vor ihr erschienen war. „auf Wiedersehen also!" Ewald sank aus den Divan zurück und betrachtete durch sein AugenglaK das tanzende Paar und das bunte Gewirdel der übrigen. Während er dazu seinen langen, blonden Schnurrbart durch die Finger gleiten ließ, erschien es ihm beinahe rmfaßlich, wie er sich eben noch hatte durch den Rausch des Tanzes mit sortceißen lassen und wie er an der allgemeinen Lustbarkeit der Jugend Theil genommen hatte. Wie weit lag seine Jugend doch hinter ihm und wie schaal, wie fade waren ihre Vergnügungen ihm geworden! Wenn er so in dies farbenschimmernde, durcheiiranderflirrende Chaos des Ballsaals binein- blickte, wenn er diese heißen, aufgeregten Gesichter, diese glühenden Augen, diese fliegenden Leiber gewahrte, welche die Seidenschlevven mit den verwirrten und zerstörten Svitzenvolanks über den Fußboden hinfegten. dann begriff er nicht, wieder an solcher wüsten Orgie je hatte Geschmack finden können, und fast wie Ekel überkam es ihn. „Kann denn ans solcher beißen, von Sinnen- lufl gewürzten Atmosphäre überhaupt je daß Weid Hervoraehen, an dessen Brust sich nach den Leidenschaften und Kämpfen des Lebens friedlich ausruhen ließe?" fragte er sich. Und sein eigenes Weib flog da drinnen im Saal aus den Armen eines Tänzers in die des anderen I W kam ihm vor, als streife sie dadurch mit mnthwilliger Hand den Mmbus von Unschuld und Weiblich keit, der sie ihm bis dahin so reizvoll und begehrenswerth gemacht, von sich ab. Er hätte sie anrufen, sie aus dem Saal sortführen und sie fragen mögen: „Willst Du Dich denn Deines einzigen Vorzugs freiwillig berauben? Willst Du nicht besser sein, als alle Anderen?" Aber wie thöncht das war! Sie war noch so jung und er batte sie solange von aller Geselligkeit fern gehalten, warum sollte sie nicht froh sein unter den Frohen? Regte sich da etwas wie Eifersucht in seinem Innern? Er war in so sonderbarer Stimmung heute, ko haltlos zerfahren, so hin und her geschlendert von all' seinen wechselnden Empfindungen und Eindrücken! Am besten war s. er mischte sich abermals in den tollen Wirbel des Ballsaals, um die Stunden hinzutäuschen und sich von seinen Gedanken Befreiung zu verschaffen. Auch Frau von Esponceda tanzte >a. weil sie mußte. Und Graf Ewald tanzte. Er führte der Reihe nach die Frauen der Ge sellschaft zum Tanz, immer darnach ausspähend, wann die Spanierin frei sei, um dann an ihrer Seite zu stehen und. wie ausathmend, mit ihr zu plaudern, ihr ein leichtes Scherzwort zuzurusen oder auch nur einen Blick mit ihr zu tauschen, wie wenn zwischen ihnen Beiden ein geheimes Einverständniß obwalte und sie sich inmitten aller dieser Menschen, die ihre verschiedenartigen An sprüche an sie geltend machten, als zwei zusammengefunden hätten, die gleich artig dachten und empfanden. Wie das gekommen war, wußte er selber nicht. In der letzten Quadrille gelang es chm. Frau von Esponceda noch ein mal zur Tänzerin zu gewinnen. Ihnen gegenüber tanzte Gräfin Laura mit Brieien. Ewald hatte Gelegenheit, die beiden Frauen zum ersten Male neben einander zu betrachten. Ein schrofferer und fesselnderer Gegensatz war nicht leicht anszudenken, als der zwischen diesen eigenartigen und durchaus von einander verschiedenen Fraucinchöicheiten. Gräfin Laura, eher klein als groß, lichtblond, mit Hellem Auge und rosigem Teint, zierlich und von fast mädchen hafter Zartheit, stand wie eine Sylphide neben der großen, stolzen, königliche« Erscheinung der dunklen. Leben und Feuer sprühenden Südländerin. Aber lo ainmtthig sie auch Jedem erscheinen mußte, je länger Ewald sie betrachtete, desto unbedeutender und unvollkommener kam sie ihm vor; er batte eine vein- vMe Empfindung dabei, sie anzilschen, und wünschte nichts sehnlicher, als daß sic aus der erdrückenden Nähe dieser sieghaften und Alles beherrschenden Schön heit komme» möge, die er beinahe mitleidig aus sie herabblickend wähnte. Frau von ESvonceda fand ihn verstimmt und einsilbig. Erst, als sie bei läufig ein Wort von ihrer Abreise und Rückkehr nach Spanien fallen ließ, die einmal uuvermuthrt plötzlich statthaben könne, wnrdc er ausmerfiam. ^Gestatten Sie »ns, sie in nächster Zeit in Ihr«': Hotel aufzusnchen, gnädige irrau?" fragte er Ein flüchtiges Lächeln huschte inn ihre Lippen, als sie zvstimmcnd ihr Haupt neigte. Es war seltsam, aber dies Lächeln batte etwas, was ihm sekundenlang das Blut in den Adern gerinnen ließ. Er mußte wieder dr an denken, daß er vorder sine Sb.' Reit ./btanaenbau" aeflinden hatte