Volltext Seite (XML)
72 Dr. Jofef Bayer. Landfchaftspoefie eine mehr nüchterne Aufladung und Beobachtung, zu der fich aber als Erfatz für das poetifche Stimmungselement malerifche Kraft und Wärme des Vortrags gefeilt: das fcheinen mir fo eigentlich die Grundzüge der belgifchen Landfchaftsmalerei zu fein. Von dem mäfsigen Berglande der Ardennen, aus dem die Studien in den Mappen der einheimifchen Maler nicht allzu zahlreich find (von Franz Keel- hoff brachte z. B. die Ausftellung eine Anficht aus den Ardennen), fteigt fie hinab in die Flächen an die Ufer der Maas, der Schelde und der Marne, um fich dann behaglich in den Anblick der Stillwaffer am Strande zu verlieren. liier fraternifirt dann die Landfchaft mit der Marine. Das innere Land ift durch die gemüthliche Dorfvedute, die Baumgruppen an den Flufsufern und die Waldlandfchaft mit hell einfallendem Sonnenlicht vertreten; wie in der deutfchen Landfchaft der Berg, fo prävalirt hier der Baum, für deffen durchfcliienenes Laubgrün die belgifche Palette die richtigen Farben bereit hält. Mit Vorliebe verweilt die landfchaftliche Beobachtung in den „Kempen“, bei den malerifchen Mühlen dafelbft (das ausnehmend fchöne Bild von dem bereits verftorbenen Iheodor Fourmois), ihren Wiefengründen mit Weidevieh und ihren Schaf hürden (Louis Robbe, Eugene Verboeckhoven), wo gelegentlich der Thier maler den Landfehafter ablöft. Dazu kommt die forgfältige Beobachtung von Luft und Wolken, von Morgen- und Abendlicht und von Gewitterftimmung, wie in den ganz vorzüglichen Bildern von Jean P. F. Lamorinifcre. Die belgifche Thiermalerei bewährte auch auf unferer Ausftellung ihren erprobten Ruf. Jofef Stevens excellirte durch feine „Epifode aus dem Hunde- markt in Paris“, von Verboeckhoven fahen wir wieder feine einft berühmten Schafe, Jean de Haas brachte ein grofses Bild mit weidendem Rind. — Von vorwiegend technischem Intereffe, aber dabei in Rücklicht auf frifche energifche bärbung und die Wirkung der Perfpedtive meiftens von entschiedenem Werth ift das belgifche Architekturbild und die Strafsenvedute; es feien in diefer Gattung die vorzüglichen Sachen von J. Fr. Car abain, von Fr. Stroobant und Jean B. Van Mo er nur in fummarifcher Würdigung erwähnt. Italien* Man hat den modernen Italienern häufig den Vorwurf gemacht, dafs die Nachwirkungen ihrer grofsen Kunftvergangenheit in den Leiftungen der Gegen wart fo wenig hervortreten. Es hätte fall den Anfchein, als wäre diefs Alles nur für die „Foreftieri“, die zugereiften Maler und ihre für Studien temporär gemie theten Ateliers da. Diefer Vorwurf dürfte doch etwas einfeitig und ungerecht fein. Einmal haben die Italiener da, wo fich von der Kunft wirklich erben läfst, in der That diefes Erbe angetreten und bis in unfere Tage hinein verwerthet; fo in der Ornamentik ihrer Kunflinduftrie, insbefondere ihrer fchönen Majoliken, wo das edle und phantafievolle Ornament des Cinquecento noch immer feine heiteren Ranken treibt. Vererben läfst fich in der Kunft eben nur das Ueberlieferungs- fähige: beftimmte, im nationalen Kunftftile entwickelte Formen, die dann von Hand zu Hand gehen, von Gefchlecht zu Gefchlecht übermittelt werden können. Der grofse produktive Zug gehört lediglich dem Zeitalter oder vollends nur der eminenten Begabung des Einzelnen an. Die ganze italienifche Renaiffancemalerei, von ihrem kräftereichen Aufgange bei den Quatrocentiflen bis zu ihrem kräfte vergeudenden Niedergange in den Schnellmaler-Schulen der Spät-Neapolitaner nach Art der Luca Giordano und Solimena ift ein völlig gefchlolfener Lebensgang der Kunft, grofsartig, aber doch dabei normal abgelaufen, der von da an, wo er fein natürliches Ende gefunden, fich nicht mehr fort- und nachleben läfst. Nach dem fchon die Eklektiker mit ihren gelehrten akademifchen Principien, die letzten Caracciften und letzten Römer fo ziemlich verthan hatten, kam noch ein in