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16 Ernft Haan. Andere nicht minder wichtige Facftoren liegen in der Bevölkerung. Diefe ift für den Umfang des Landes noch viel zu gering und noch auf einer niederen Culturflufe, aber es mangelt ihr nicht an natürlicher Anlage. Es kann nicht verkannt werden, dafs feit Jahren die Entwicklung Rumäniens durch äufsere Umftände begünftigt wird. Die natürlichen Communicationen werden künftlich verbeffert durch die Arbeiten an den Donaumündungen, ferner durch den Bau von Strafsen im Innern, namentlich auch durch die Aufteilung eiferner Brücken, durch die Errichtung der Eifenbahnen. Die hohen Getreidepreife in den letzten Jahren haben bewirkt, dafs jährlich eine gröfsere Bodenfläche in Cultur gezogen wird, im Innern ift durch die Ent- laftung von Grund und Boden, durch Gründung von Schulen auf dem Lande und in den Städten, durch die Verbefferung in der Adminiftration und Legislation Vieles gefchehen. Hingegen bleiben noch immer Bedingungen vorhanden, welche den Auf- fchwung des Landes hemmen. In erfter Linie ift hier das Beflreben zu verzeichnen, fleh vom Auslande unabhängig zu erhalten, theils dadurch, dafs man einige der ins Land führenden Wege nicht verbeffert (Eifenbahn-Anfchlufsfrage), theils dadurch, dafs man den Fremden die Niederlaffung im Lande erfchwert. Nicht nur find für die Fremden noch immer drückende Pafsbeftimmungen aufrecht erhalten und neu eingeführt worden, es wird auch keine Staatsanflellung mit den daran geknüpften Rechten an Fremde verliehen, und felbft der Betrieb mancher Gewerbe nur den Einheimi- fchen geflattet, wobei die Ifraeliten bekanntlich als Fremde betrachtet werden. Der eigentliche Rumäne ift nach der jetzigen Sachlage Ackerbauer, die ganze Induftrie, die über die fogenannte Hausinduftrie (und die primitivften Ge werbe) hinausgeht, liegt in den Händen der Bevölkerung fremden Urfprungs. Hingegen befteht der Clerus faft ausfchliefslich aus Rumänen, ebenfo das ganze Regierungsperfonale, die Advocaten, Aerzte, Militär etc., wobei nur zu bemerken ift, dafs ein fehr grofser Theil diefer Intelligenz aus griechifchen Elementen gebildet ift. Der Adel des Landes, die fogenannten Bojaren, welche Grofs-Grundbefitzer find und fleh nebenbei mit Politik befchäftigen, ift felbft aus dem eigentlichen rumänifchen Adel und dem griechifchen Adel zufammengefetzt. Die Adminiftration leidet an vielen Gebrechen und namentlich werden für die ganz überflüffige Armee Millionen verausgabt, welche wieder die Ein führung drückender Steuern bedingen. Der Clerus ift im Verhältnifs zur Bevöl kerung ungeheuer zahlreich und trägt zur Plebung des Volks-Wohlftandes nichts bei. Endlich kann man die Handelsleute und Induftriellen auch nicht von dem Vorwurfe wucherifcher Transaktionen und unehrlichen Gebarens freifprechen. Der gröfste Nachtheil für das Land liegt in dem Hange des Rumänen, fich mit der Politik zu befchäftigen. Es liegt darin eine folche Aehnlichkeit mit den Griechen, dafs daraus allein auf die Verwandtfchaft der intelligenten Claffen mit denfelben gefchloffen werden könnte. Es werden in Folge deffen alle Fragen national-ökonomifcher Natur immer vom politifchen Standpunkte behandelt und im Innern nach dem Partei-Standpunkte, gegen Aufsen nach chauviniftifchen Impulfen entfchieden. In letzterer Zeit, feit Rufsland fich weniger mit Rumänien befchäftigt und Frankreich fich fammelt, hat die Rumänen eine krankhafte Angft erfafst, von Oefterreich-Ungarn Verfehlungen zu werden. Diefe Andeutungen müffen bei Beurtheilung der Bedeutung Rumäniens im Weltverkehr und befonders in Beziehung zu Oefterreich-Ungarn ftets im Auge gehalten werden. Zur Hebung des Handels mit Oefterreich wird die Hinwegräumung der Hindernilfe am eifernen Thore mächtig beitragen. Die Verbefferung der Commu-