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71. Jahrgang. SL4 Sonnabend, Sd. Juli 1927 vradtmkckrts«, G»S»t«»t«« So«»»«» N»r«1or»<d«r-Sai>n»«I»um»«r, SS S41 Rur «k Nackkrelmr»», S00N Bezugs-Gebühr' Anzeigen-Preise: «erd«, nach 8K auiwirl. erlialb » !f«r«en<tt'' dmarll berechn«! i dt« eint, Sta. ffamilienametoen um _ vw.. die SV mn> dicht« Nrtl r «Pta. A»«w.SuttrSa»a«o»n SchrtttleUnn, and Laiwt^schLftiüell«, W»ri»n«tr»tz« 3S »2 Druck u. Derlao von Steotck ck R»tck«»dt in Dr««d«n P»ksch«ck-Kont« 10SS Dreede» Nachdruck nur «tl deutlicher Quellennnaab« i.Dreebner Rachr.'> mUtttta Unoerlanatr Sckrtttsittck» ivrrden nick« auibrwadrt. l-iolsl Veüevue b4«okmI11«g-'s'»s mit Konrsrt. ßckitickg- uncl /<d«nck-D-if«I Im 1'chi'r-chsssn-SchrtI «n ctsr ^Ibs. Ssksnnts voi'nslims 1>sslmuslk. kvstLklS ni iconß«r»n»Imm«r. ^s6sn klittAkoek ^bsiic! l^SuriiOri Nie Königsberger Industrie-Tagung. Die amtlichen Dokumente über Orchies. — Die Wirtschaft gegen -ie Portoerhöhung. Vorskan-ssihurig -es Aeichsverban-es -er Deutschen In-uslrie. vereinfach««» der verwalt««». — Reich «»d LL«d«r. Königsberg. 28. Juli. Präsidium und Vorstand -es Reichsverbande» der Deutsche« Industrie traten beute unter dem Vorsitz ihres stellvertretenden Vor sitzenden Frowein im hiesigen Sta-tverordnetensitzungs» saal zu einer Sitzung zusammen. Nach einer Neide geschäst- sicher Mitteilungen begannen die sachlichen Beratungen mit einem Bericht des Oberregierungsrates Adametz über »Arbeiten u»d Ziel« des ReichSverbandeS aas dem Gebiete der Berwalt«n»8oerct«sachu«g*. Bon der Tatsache ausgehend, das, die Gesamtausgaben von Reich, Ländern und Gemeinden seit lk>24 dauernd gestiegen sind, und in Kürze weit über 13 Milliarden gegenüber 4,8 Milliarden im Jabre 1818 auS- machen werden, gab der Redner «inen U-berblick über die gegenwärtigen Verhältnisse in der Verwaltung. Anschließend daran entwickelte er den Weg unv dle Ziele einer Derwaltungsrefvrm, wobei er zu dem Ergebnis kam. daß die für die Wirtschaft und dar gesamte Volk unerträglichen öffentlichen Lasten nur er mäßigt werben könnten, wenn zunächst eine Einschränkung der GesetzqcbungStätigkeit auch aus sozialpolitischem Gebiete, aus -cm die Ausgaben sich von 1.4 Milliarde auf rund 4,7 Mil liarden seit dem Jahre 1813 erhöht hätten, erfolge ES müsse eine Zusammenfassung der Ausgaben in -er Mittel- und Lokalinstanz neben besserer Abgrenzung der Verwaltungs bezirke und eine Uebertragung von StaatSansgaben aus unter- geordnete Instanzen und die Selbstverwaltungskörver durch geführt werden. Nene reichSetgene Behörden dürften nur dort geschaffen werden, wo die entsprechenden Landesbehörden ab- gebant würden. Der Nachdruck sei aber a«f de« Abba» staatlicher A«S« gaben ,« lege«. Vorschläge hierzu würden den Inhalt einer besonderen Denk- schrIst bilden, in der auch die Frage der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischc« Reich. Länder« «nb Gemeiude« be- handelt werden solle. Im Anschluß hieran sprach das geschäftSführrnde Prasidialmitglieb des ReichSverbandeS. Seheimrat Kastel über bas Verhältnis des Reiche» zu de« Ländern. Der Redner ging davon aus. daß eine in jeder Beziehung notwendige Vcrfassuugsreform von dem Gesamtwtllen der Nation getragen sein müsse, und baß ein Zwang, auch «in solcher finanzpolitischer Art, nur zu einem unbrauchbaren Er- gcbnis führen könne. Der Verfassungsreform vorausgehen müßten die Finanzrcsor« lReichsrahmenregelungs. die Bcr» waltnngsreform und die Regelung des Finanzausgleiches, um auf diesem Wege zu einem organischen Ausbau zu gelangen. Schon heute müßte sich die Wirtschaft über das Ziel klar werden. Erhaltung der kulturpolitischen Eigenart der mitt- lercn und gröberen Länder und Ablehnung des Wege- über rin Groß-Prcußen, der nur zur Wiederaufrichtung der Main- Linie führen könne, seien nach Meinung des Vortragenden die Erfordernisse bei der Neugestaltung des Reiches. In der Diskussion ergrtfs zunächst der Syndikus der Industrie- und Handelskammer Duisburg, Dr. Most. M. d. N.. das Wort, der darauf hinrvieS, baß die Finanzrcsorm von der Wirtschaft tn erster Linie nach ihrem letzten wirtschaftlichen Erfolge beurteilt werden müsse. Der Redner warnte vor einer wetteren Herabsetzung der Freigrenze bei der Ein kommensteuer, ebenso wie vor einer Aenderung -er Frei grenze bei den Gewerbesteuern. Die Dnrchführnng einer BermalinngSresorm ohne vorherige Aenderung gewisser Ber- sassungSbcstimmnngen hält er für unmöglich. DaS an sich notwendige Aufchlagsrccht der Gemeinden zur Einkommen- steucr müsse unbedingt mit der Heranziehung der steuerfreien Einkommenteile verbunden sein. ^ Die Fr«g« ber Um«eftalt«,g b«S Reiche» ist be» Redner eine der bedeutsamste«. Sie mülfe aber unbedingt entpolitisiert werben. In der außerordentlich angeregten Diskussion ergriffen ferner dte Industriellen Rütker. Thqssen, Siloerberg und andere bas Mort Verschiedentlich wurde mit Nachdruck und Ernst auf die Aeußerungen des NeparationSagenten tn seinem letzten Bericht verwiesen. Als nächster Redner sprach der Präsident der Landwirt. schastSkammer der Provinz Ostpreußen, des Deutschen Land- wirtschastSratcS nnd der oreußtschen Hauptlandwirtschakts- kammcr, Dr. Brande», det die besondere Lage ber Landwirt« Ichast Ostpreußens darlcgte. die ber Fürsorge des preußischen Staates nicht entbehren könne. Der Redner unterstrich dabet die von der Landwirtschaft ergriffenen Selbsthtlfemaßnahmen. Am Schluß der Sitzung wurde der Anfrns für die Hiuden« burg-Lpcnde verlesen nnd Mitteilung von der für Anfang September in Franksurt a. M. vorgesehenen Mitglieder, «ersammlnng gemacht. Ferner wurde die Einsetzung eine» be- sondere» An^'ch-si-'a z»r Prüsnng der Frage ber GaSsern» «ersorgung beschlossen. Der Abschluß -er OsNahrl. Die Behörde« und die Wirtschaft Ostpreußen» al» Gäste der Industrielle«. Königsberg i. Pr., 28. Juli. Präsidium und Vorstand deS ReichSverbandeS der Deutschen Industrie hatten heute die Vertreter der ostpreußtschen Behörden und der Wirtschaft nach Beendigung ihrer Beratungen zu einem Frühstück tn den „Berliner Hof" geladen. Kommerzienrat Rensch wies u. a. darauf hin, daß Industrie und Landwirtschaft aus Gedeih und Verderben miteinander verbunden seien. Zweck der Königsberger Tagung sei eS gewesen, dte gegen- fettigen Beziehungen enger zu knüpfen. DaS Wort deS Königsberger Philosophen Kant müßte tn der Gegenwart so befolgt werden, daß jeder vor allen Dingen seine Pflicht am Baterlande erfülle. Gege« die Auffassung, daß «an im übrigen Dentschland Ostprenße« „abgcschrieben" habe, müsse er ent» schieden Stellung nehme«. Man dürfe die Hoffnung nicht ver- lieren, daß auch wieder einmal ein Mann kommen werde, der dte Verhältnisse zu meistern verstehe, denn noch immer müßten wirtschaftliche Schwierigkeiten durch die Fähigkeiten von E t n- zelpersönlichkeiten überwunden werden. Man dürfe deshalb das Vertrauen auf die Zukunft nicht verlieren. ES werde auch wieder einmal bl« Zeit kommen, daß die Provinz Ostpreußen ohne Korridor und Trennung zu einem freien Deutschland gehören werde. Namens des Verbandes Ostpreußischer Industrieller und des Ostpreußischen Arbeitgeberverbandes hieß Direktor Har tung die Erschienenen willkommen. Er bat um Unterstützung der preußischen Industrie von seiten des ReichSverbandeS in dem nicht leichten Bestreben, sich zu behaupten. Namens der Gäste dankte OberprSsident Siehe dem Reichsverband dafür, daß er seine Sitzung nach Königsberg und Ostpreußen gelegt habe. Wenn einmal der Zeitpunkt kommen werde, daß der Korridor besettigt werde — und dieser Zeitpunkt müsse kommen, weil dieses Gebilde ein wirtschaftlicher Fehler sei —, dann werde man auch aus Ost preußen keine Klagen mehr hören. Ostpreußen leide auch darunter, daß sich dte Ranbstaaten als zweiter Korridor zwischen Ostpreußen und bas wette russische Hinterland ge- schoben hätten. Man habe es bitter empfunden, daß im letzten Jahre bet ber Verteilung deö G r e n z l a n d f o n d S fast auS allen Gebietsteilen Deutschlands Ansprüche auf Unterstützun gen erhoben worden seien, zum Nachteil Ostpreußens. Man müsse sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß Ost preußen bei Beginn des NuhrkampfeS freiwillig auf die Durch führung seiner im Ostprcußenprogramm niedergelegten be rechtigten Wünsche verzichtete. In derartigen Fragen fehle noch immer die Solidarität ber einzelnen deutschen Landes teile. ^ Am 1. August -ie neuen Postgebühren. Bis Mitte August kein Strasport». vcrli«, 28. Juli. Am nächsten Montag treten, mit Aus nahme der Paket, und Zeitnngstarife, die erst im Oktober ein. geführt werden, die neuen erhöhten Postgebühren tn Kraft. Da» ReichSpostministerinm hat angeordnet, daß bei falsche« Frankierungen bis Mitte August kein sogenannte» Straf porto, sonder« nur bas fehlende Porto erhöbe« «»erde« soll. « verli«. 28. Juli. Die in wentgen Tage» in Kraft tretende Porto-Erhöhung, die gegen den Widerspruch weitester Kreise des öffentlichen Lebens beschlossen wurde, scheint einen Abmehrkamps der gesamten beutsche« Wirtschaft in seltener Einmütigkeit hervorzurusen. Wie wir erfahren, schweben augenblicklich bei den maßgebendsten und einflußreichsten Wtrt- schaftSverbänben, deren Parolen bi» in dte letzten Zweige des deutschen Wirtschaftslebens befolgt werden. Beratungen dar- über, »ie, ähnlich dem Borgehe» de» Ncichsverbaude» de» Groß, ««d Ueberseehandel». die ««tragbare Portovertenernng d«rch geeignete Abwehrmaßnahmen abgewälzt «erde« kan«. Dabei denkt man unter sorgfältigster Ausnutzung aller im Postverkehr gegebenen Möglichkeiten an noch bedeutend weiter- gehende Vorkehrungen, als sie der Großhandel tn seiner be kannten Ankündigung getroffen hat. Die Wirkung des Kimmelsbach-Slonkurses. verli«. 28. Juli. Der Konkursantrag der Gebrüder HimmelSbach A. - G„ der einer längeren Geschäftsaussicht folgte, wirb weiten Kreisen der deutschen Wirtschaft erhebliche Verluste zusügen. Die Verbindlichkeiten ber Himmelsbach A.-G. stellen sich auf etwa 31 Millionen Mark, denen an Aktien rund 18 Millionen Mark gegewüberstehen. DaS Aktien kapital von 8,8 Millionen Mark, daS sich zum größten Teil in Fa in iltenbesitz befindet, gilt als völlig verloren. Es ergibt sich eine Unterbilanz von fast 8 Millionen Mark. Bon inländischen ÜXinken sind von ersten Banken -ie Dresdner Bank mit Forderungen von etwa Millonen Mark be- troffen sdie aber weitgehend gesichert sind). Auch da» Aus- land ist an den Vorgänge» beteiligt. Konsumvereine als sozialistische Krastqnellen. Vor Monatsfrist etwa sind die gewaltigen Projekte eine» riesigen Zentralanlage deS Konsumvereins .^vorwärts" t» Dresden bekannt geworden. Ein in Plänen und Ausmaßen phantastisch anmntender. sechs bis teilweise sogar.zehn Stock- werke hoher Verwaltungs- und Jndustriepalast soll sich auf dem Gelände an ber Fabrtkstraße in Dresden-Löbtau erheben. Er soll ein neues großes Verwaltungsgebäude umfassen mit ausgedehnten Räumlichkeiten für die Geschäftsführung, Buch haltung, Sekretariat, VersicherungSabieilung, Sparkasse und andere Zweige, ferner ein Lagergebäude und vor allen Dingen zahlreich« industriell ausgebaute gewerbliche Großbetrieb«. Man wird eine riesige Großbäckerei entstehen sehen mit einer wöchentlichen Höchstleistung von etwa 240 800 Vierpfund broten, für Kuchen- und Kondttorwaren, eine Fleischwaren- und Wurstfabrik, die den jetzt schon bedeutenden Umsatz auf bas Fünf, und Sechsfache steigern soll, eine Betriebs, und Möbeltischlerei, um dte Eigenproduktion in Möbelbau auszu- dehnen, eine Großgarage für 100 Automobile und ein großes Werkstättengebäude für Autoreparaturen, für Schmiede, Klempner, Elektriker, Schlosser, Dreher und Sattler. Weitere Projekte einer Grotzmlihle und einer eigene» modernen Mol kerei zeichnen sich bereits ab. Wie eine mächtige Zwingburg deS Sozialismus mutet der Btldentwurf der neuen Zentral anlage des Konsumvereins „Vorwärts" an, und allen nicht sozialistischen Wirtschaftskreisen wird er die Augen öffne« müssen für dte Gefahr, dte ihnen tn der starken Aufwärts bewegung ber sozialistischen Konsumvereine heranwächst. Denn um die sozialistischen Konsumvereine handelt es sich fast ausschltehlich, da andere Konsumvereine hinter ihnen an Be deutung sehr stark zurücktreten. Zwar wird kaum noch jemand zwischen der Betriebsweise der großen Konsumvereine und der rein privatwirtschaftlich aufgezogenen Warenhaus- oder Großsilialbetriebe einen wesentlichen Unterschied beobachten können. Auch tn den Konsumvereinen ist in den letzten Jahren nach rein kaufmännischen Gesichtspunkten rationalisiert und durchorganisiert worden. Dte große, bisher leider viel zu sehr verkannte Gefahr der sozialistischen Konsumvereine besteht aber in ihrer engen Verbundenheit mit den Gewerkschaften und der sozialistischen Partei, die sich, wie ein Geschäftsbericht deS Essener Konsumvereins „Eintracht" bekennt, „in tausende« der großen Welt meist verborgenen Kanälen gegenseitig be- fruchten." Und sie besteht darin, daß hier unter staatlicher Be- vorzngung den zahlreichen, wesentlichste Teile der finanziellen Bedürfnisse des Staates tragenden privatwirtschaftlichen Etnzelexistenzen des Handels und Gewerbes die Existenz ab- gegraben wird. Es kann kein Zweifel darüber herrschen, baß der große Streit zwischen Privatwirtschaft und Sozialisierung jetzt auf der ganzen Linie entbrannt ist. Früher gab man das offen zu. Sagte doch z. B. 1818 auf dem Verbandstage in Branden burg Amtruö: „Der Konsumverein ist ein sozialisierter Be trieb. Wir haben uns immer als eine Vorstufe deS Wirt- schaftltchcn Sozialismus betrachtet und wollen auch für dte Zukunft nichts anderes sein." Jetzt spricht man nur noch ver schämt von Gemeinwirtschaft, um der großzügig auf- gezogenen Werbearbeit mtt Flugblättern, Broschüren und eigenen Zeitungen, mit Filmen, Vorträgen und geselligen Veranstaltungen auch in den nichtsoztalistischen Konsumenten- kreisen Eingang zu verschaffen. Man hat eben eine« andere« Namen für die anrüchig gewordene Sozialisierung gefunden. Und unter dieser Maske sind dte sozialistischen Konsumvereine heute bereits zu mächtigen geheimen Kraft quellen des Sozialismus geworben. Die verschiedenen Konsumvereinstagungen haben darüber lehrreiche Aufschlüsse gegeben. So konnte auf dem Dresdner Verbandstage ber sächsischen Konsumvereine hervorgehoben werden, baß selbst tm Jahre der wirtschaftlichen Depression 1828 die sächsische« Konsumvereine ihren Umsatz um 21,7 Prozent steigern konn ten, währen- der Privathandel fast ausnahmslos Rückgänge zu verzeichnen hatte. Und wenn der Gesamtumsatz der deutschen Konsumvereine tm Jahre 1828 auf rund eine Mil liarde beziffert, wenn in Köln festgestellt werden konnte, daß die Konsumvereine bereits ein Zehntel des Gesamtumsatzes an den Waren, dte für sie in Betracht kommen, an sich ge« zogen haben, wenn man erfährt, daß sich die Sparemlagen bei den Konsumvereinen gegenüber der Zahl von 1813 ver doppelt haben, dte Lssentlichen Sparkassen aber erst den zehn ten Teil der Einlagen von 1818 erreicht haben, bann er hält man weitere Einblicke in die rastlose Arbeit, die bi« Konsumvereine unter dem besonderen Gesichtspunkte der Sozialisierung leisten.