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7kr. «1« Seile« Dreier -tachrlchlen Sonntag. S. September 192« 4 i Dom Fasanengarlen zum wellberühmken Kleinod. Zum 2S0jShrlgen Iubttüum -es Dresdner Groben Gartens. London hat seinen Hyde Park, Paris sein Bois de Bou» logne. Wien seinen „Prater". Berlin den Tiergarten, Stutt gart sein Eaunsiatter Gehölz und unser Dresden seinen mit Recht viel gerühmten Großen Garten. Er kann in den letzten Tagen des Septembers auf sein 250 jähriges Bestehen znrück- blicke». Bom kleinen Fasanengarten hat sich der „Königliche «Srehe Garten bei Dresden", wie er lange in den Urkunden hieß, zum smaragdenen Kleinod unserer Stadt entwickelt, lieber die Zeit seines Entstehens Herrichten lange abweichende Ausfassnngen. Auch die bekannte „Chronik der Stadt Dresden" von Lindau gibt als Gründnngsjahr 1678 an. Dank eifriger Nachforschungen konnte man jedoch fcststellen. daki nach akten- mäßigen Belegen Uber den Ankauf von Areal durch die Kur fürst!. Sächsische Hofoerwaltung schon 1676 unter dein Kur fürsten Jvlmnn Georg II.. und zwar am 29. »nd 30. Sep tember, nach einem besonderen Reskript eine größere Land strecke erworben wurde, die als „Großer Garten bei Dresden" in dem beiressenden Aktenstück ausdrücklich bezeichnet ist. Der Fürst hatte beschlossen, zu den etwa 130 Gärten zwischen See- und Pirnaer Borstadt einen kurfürstlichen Waldpark hinzn- zusügen. In erster Linie sollte er als großer Fasanengarten dem per sönlichen Fagdoergnügcn des LandcSherrn dienen. Unmittelbar nach dem Landankaus begannen die Bor arbeiten durch Abüecken von Feldern und llmzännnng von Areal ans den Fluren der Dörfer Strehlen, Gruna und Striesen. Dabei wurden verschiedene einzelne große Bäume, die im Bereich des neuen Jagdgeländes und Fasanengartens standen, sorgfältig durch Zäune geschützt, so auch eine pracht volle, heute 150 Fahre alte Linde, die in der früheren Gartenwirtschaft des Zoologischen Gartens stand und die »och heute unweit des Jnscktariuins ihre schützen den Zweige auSbrcitet. Fm Fahre !677 ließ Kurfürst Johann Georg den Gartenbaumcistcr Kar gor, der auch Karger und Karcher (Karcher-Alleel geschrieben wird, mit der eigentlichen Ausgestaltung der neuen Anlage be trauen. Der bisherige Raum wurde durch Zukauf neuer Feldstreifen erweitert. 1678 legte man die sich kreuzenden Haupialleen an und im nächsten Jahre erhielt der kursächsischc Genieoberst Starke den Auftrag, im Großen Garten ein Jagdschloß im italienischen Geschmack, das spätere Palais am Groben Gartenteich, zu schassen. Das Gebäude selbst sollte die Form eines lateinischen ll erhalten, und io wurde der Bauvlan ausgeführt. Kurfürst Johann Georg lll., „der sächsische Mars" und Mitbcfreier Wiens von den Türken, hat an diesem Bau noch einige kleine Aende- rungen vornehmen lassen. Der wichtigste Abschnitt in der Gestaltung deS Großen Gartens alS zukünstigcs Juwel unseres Dresden ist die Regiernngszeit Augusts des Starken gewesen. Dieses Herrschers künstlerischer Geschmack auch in gärtnerischen Dingen stieß sich an den noch im Gartcngclände kreuz und gner hinzichcnden Feldern. Infolgedessen wurde angeordnet, daß diese in Wiesengelünde umzuwandeln seien. Sumpfige Niederungen wurden trockengelegt und urwald- ähnliches Gestrüpp ausgerodet. Da bei Unwettern der Garten wiederholt durch den schnell anschwellenden Kaitzbach über flutet worden war, ließ August der Starke eine Art Stau wehr anlegen. Weiter wurde die Pirnaische Landstraße, die bis etwa 1780 durch den Großen Garten führte, außerhalb des Gartens gelegt und ihr früherer Weg in eine Allee ver wandelt. Der heutige Palaisteich ist 1715 anSgcschachtet worden. Ein Jahr daraus steckte man die neue Lindenallee ab. So hatte sich der Umfang des Gartens seit seiner Anlage nach und nach von 13 200 auf 16 000 Ellen erweitert. Jetzt wurden auch die neuen Wiesen, Hecken und Strüucher einer sorg fältigen und systematischen Pflege unterzogen, ebenso setzte man besondere Aufseher über die Gräben und Kanäle des Gartens ein. Bor allem aber blieb die Zucht der Fasanen bestehen. Der Fasanengartcn war Ende 1676 angelegt worden. Die kosibaren Tiere sah man zum ersten Male im Sommer 1677. Ihre Aufzucht und Abwartung war besonderen fachkundigen Männern anvertraut. Wer die Ruhe dieser edlen Bügel zu stören wagte, den traf strenge Strafe. Ist uns doch heute noch ein daraus bezügliches Berschen erhalten geblieben, das da lautet: Ueber jedes dieser Tiere — und es waren ihrer nach und nach weit über ein halbes Tausend geworden — wurde in einem besonderen Register Buch geführt. Sie waren in Gruppen eingeteilt, die farbige Halsbänder in Form von kokardenartigen Schleifen trugen. Besondere Wächter, die sich untereinander ablösen mußten, schützten die Fasanerie. Der Raum, in dem die Fasanen ihr Futter cinnahmen, war mit genagelten Ketten abgesprrrt. Ter Große Garten war in der Tat damals für jeden Jagdlicbhabcr ei» geradezu ideales Gelände. Man hat in ihm noch bis Anfang der neunziger Jahre könig liche Jagden, besonders ans Hasen, abgehaltcn. So hat König Georg im Großen Garten als Prinz manchen „Freund Lampe" weggeknallt. Zn Augusts des Starken und seines Sohnes Zeiten waren die Oberhofmeisterjagden besonders glanzvoll, weil zu ihnen auch das diplomatische Korps mit seinen Damen eingelaben war. In die gleiche Zeit fällt die Anlage de- Platze- vor dem inzwischen in seinem inneren Ausbau ferttggestellten PalaiS, weiter der Bau einer Rennbahn, einer Terrasse und daS Entstehen der lange Zeit berühmt gewesenen Oran gerie. Ä^rtvoll ivard das Aufstellen künstlerisch auS- geführter «tatnen n n d B ü st e n. von denen vterund- zwanzig an besonders dafür ausgewählten Plätze» zur Auf- stcllung kamen Ihre Zahl ist später bedeutend vermehr» worden, schließlich wurden noch acht Pavillons er- richtet, die zunächst alS rein« JagdpavillonS gedacht waren. In ihnen sollte sich di« höfische Jagdg«sellschaft erholen und ersrocheu. Man nannte sie „Nesraichier^Nebändchen". Besonders eigenartig nmr ihre dekorative Innenausstattung durch künstlerische Bemalung der Wände in japanischem. türkischem und äthiopischem Geschmack. Ludw?g Tieck hat be sonders den Nubischen Pavillon öfters in den Jahren seines Dresdner Aufenthaltes besucht, weil ihn darin ein Gemälde fesselte, das die Zähmung einer Löwengruppe durch eine Jungsrau darstellte . . . Die Gartcuküusiler unter August dem Starken mußten in erster Linie ihr Augenmerk darauf richten, sich streng an die Wünsche ihres königlichen Auftraggebers zu halten, der aus seinem Großen Garten ein getreues Abbild der Schloß gärten von Fontainebleau und Bersailles machen wollte. Da durch drang der französische Stil in der Ausgestaltung des gesamten Garteugeländcs mehr und mehr durch, und der künstlerische Schmuck der neuanfgestcllten steinernen und alabasternen Statuen in dem imipcr mehr zum Parke um- gcwandeltcn Garten ward von den Gesetzen des französischen Modegeschmackes diktiert. Um 1717 wird, allerdings ausnahmsweise, im Großen Garten das Dresdner „Vogelschießen" abgehaltcn, und ein Jahr später findet in ihm das uns durch alte Stiche und Gemälde in seinem Bild festge-. haltene große „Benusfest" statt, das August der Starke anläßlich der Vermählung seines Sohnes, des Kron prinzen Friedrich August, veranstalten ließ. Bei diesem Feste bildeten Trup pen Spalier, schaukelten sich, von echten venezianischen Gondolieren bedient, schwarz verhängte Barken aus dem PalaiStcich und loderten die Flammen eines aus 100 Klaftern Holz gespeisten Freudenscuers mit ihrem Schein bis hinaus ins Gebirge. Dieses „Benusfest" war nur der Anfang zu einer langen Reihe strahlen der, rauschender und üppiger Hofseste, die später namentlich unter dem berüch tigten Staatsminister Grafen Brühl den Großen Garten mit ihrem Lärm erfüllte». So ließ z. B. Brühl in dem schneearmcn Winter von 1721 durch IVO Bauer« auS der Pirnaer Gegend 200 Fuhren Schnee nach dem Großen Garten bringe«, um dort eine lustige Schlittcnpartte für die gesamte Hofgesellschaft zu veran stalten. Bet der Hochzeit des Kur prinzen Friedrich Christian wurden kostümierte Quadrillen geritten, und ein glänzender Zug von 26 reichge schirrten Wagen fuhr aus. Erleuchtete Pyramiden dienten Janitscharen als Scheibcnziel. Im Freien spielte man bei Fackelschein eine italienische Lper, in der Mohren wilde Tänze aufführen mußten. Diese ganze Herrlichkeit verschwand mit einem Schlage, als der Siebenjährige Krieg ausbrach, preußische Truppen den Großen Garten besetzten und aus ihm . ein großes Feldlager machten. Vieles Wertvolle wurde dadurch für immer ver nichtet. Als sich Sachsen unter Kurfürst Friedrich August III., dem späteren ersten sächsischen König, allmählich von den Folgen des verheerende» Krieges wieder erholen konnte, wurden auch die .Kriegsschäden im Großen Garten beseitigt. So manchen .Kunstgegenstand, den die ängstlichen Verwalter vor dem Nahen der Preußen vergraben hatten, zog man wieder hervor und stellte ihn neu auf. Die Zahl der Fasanen wurde -er Kosten wegen auf nur 200 verringert. Man legte jetzt mehr Wert auf das Pflanzen von Obstbäumen, auf Wein bau und schöne Gartenbeet«, die da» Auge erfreuen sollten. Später freilich ist man vom Obst- und Weinbau wieder ab- gekommen. 1868 ward dt« Baumschule ansgegeben. Der königlich Große Garten bet Dresden", wie er nun hieß, sollt« nach dem Wunsche seine» Besitzer» ein volkstümlicher Ansenthaltö« und Erholungsort für die Bewohner der Residenzstadt iverden. Di« Dresdner machten von jetzt ab Sonntag» ihre kleinste und bequemste Landpartie nach dem Großen Garten hinaus, erfreuten sich in ihm an den Singvögeln und Eich- kätzchen, stärkten sich beim „Nachtwächter" ober „Hof. gärt» er" durch kühle» Bier und leckere Milch, wozu man, wie dann später tn der bösen Inflationszeit, die mttgebrachten „Butterbemmchen" verzehrt«. ES entstanden allmählich die noch heule bekannten volkstümlichen Gartenwirtschaften, die Barsche Wirtschaft, die heutige „Große Wirtschaft", in der 1882 das erst« „Frllhkonzert" veranstaltet wurde, weiter „die Kon ditorei" am Teich, später „Pollenber", heute „Bretschnei-der". Am ostwärts gekegenen Ende errichtete ein gewisser Pikart eine geräumige und saubere Erholungsstätte, die heutige „Pikardie". Die Namen der Wirtschaften haben später ge wechselt: die heutige Siegertsche Konditorei ist der frühere „Hvfgärtner", das heutige Schönesche, früher Mäfersche Restaurant hieß einstmals „Nachtwächters" und Auras'Wirt schaft ist die heutige Torwirtschaft. Um 1828 werden zur Verschönerung des Großen Gartens Werke der damaligen Bildhauerkunst aufgestellt. In dem bis 1839 unbewohnten Palais, in dem vorher nur vorüber gehend ein Herzog von Kurland Wohnung hatte, hält 183l die Dresdner Gartenbaugesellschaft „Flora" ihre erste Aus stellung als damaligen Borlänfer unserer Henrigen JahreSscha« ab, und 1810 wird das Palais ein Altertumsmusenm. Im gleichen Jahre werden die Anlagen an der Bürger wiese als direkte parkähnliche Verbindung zwischen der Stadt mitte Dresdens und seinem immer herrlicher sich entfalten den Großen Garten fertig. In ihm erschließen neue Fuß wege dem Naturfreund bis dahin verborgen gebliebene gärt nerische Reize: Unter einer „ Li t e r a t e st l i u de ", die in der Nähe des heutigen Naturtheaters stand, treffen sich die führenden Geister Dresdens von 1810. Vor allem aber wird der Große Garten der bezaubernde natürliche Rahmen für schöne Volksfeste, wie das Tiedge-, Pestalozzi- und Körner-Fest, später für die unter dem Protektorat der „Samariterin aus dem Throne", der Königin Carola, veranstalteten prächtigen Albcrtvcretns-- Feste mit ihren reizvollen Blumcnkorsos, Illuminationen, Gondelfahrten, Kinderbelustigungen und Schönheits-Kon kurrenzen. Auch entsteht im Großen Garten ein richtiges Sommer- Theater, das einzige wirkliche seiner Art, das Dresden jahrzehntelang gehabt hat. Der Spediteur Serbe ließ cs 1856 für Direktor Ferdinand N c ß in ü l l c r erbauen. Bis 1879 stand cs im Dienste der Musen, von eurem schönen Rosengarten umgeben, in dem man sich in den Zwischenakten einer Offenbach-Operette oder Berliner Posse am Dufte der Königin der Blumen berauschen konnte. Im Jahre 1861 wurde auf ausdrückliche Anordnung des Königs Johann der zwischen dem Kaitzbachweg und der heutigen Ticrgartsnstraße liegende Teil des Großen Gartens für die Ausnahme des „Zoologischen Gartens" bestimmt, der bis dahin in einem Grundstück an der Ostra-Allce untergcbracht war. Wichtig wurde dann noch die von dem Schiffseigner und Kohlenhändler Moritz Gasse geschaffene Ausgestaltung des Carola-Sees als Gondelteich und die Einrichtung dieses und des Palaisteiches als beliebte und selbst von den allerhöchsten Herrschaften rege benutzte Eisbahn, die an die Stelle der früheren hölzernen Russischen Rutschbahn trat. Als Dresden nach der Jahrhundertwende immer mehr Ausstcllungs- und Fremdenstadt wurde, hat man schon 1911 bei der glänzenden Lingncrschcn Hygiene-Ausstellung kleinere Teile des Großen-Gartcn-Geländes zu dieser hinzugeschlagen, und der heurigen Jahrcsschau ist cs Vorbehalten geblieben, zum ersten Male einen stattlichen Teil des heute unter der Verwaltung des Finanzministeriums stehenden Großen Gartens für Ansstcllnngszwecke zu benutzen. Freuen mir uns. daß unser Dresdner Großer Garten auch heute noch ein wahrer volkstümlicher Erholungsort für jedermann ist. wünschen wir ihm zu seinem einvierteltausend- jährigen Bestehen, daß er noch recht lange in dieser Eigen, schaft eine Zierde und -er Stolz Dresdens bleiben möge. ' „Wer störet der Fasanen Land, Dem haut man ab die rechte Hand! Die Pikardie. .Neßmüllers Sommer-Theater.