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86 Wilhelm von Lindheim. Mangel an Arbeitskräften in Rufsland bis jetzt nur vereinzelt die Rede; ein Beweis dafür ift, dafs der Werth der Güter von Tag zu Tag fteigt, und zwar in den guten Diftridlen in ganz enormer Weife. Land, welches vor einigen Jahren per Defsjätine für io Rubel verkauft wurde, findet jetzt zu 70 Rubel Käufer, fo dafs die Befitzer jetzt viel mehr Geld aus ihrem Grund und Boden ziehen, als vo r der Emancipation. Welchen Urfachen diefs zunächft zuzufchreiben ift, das ändert an der Thatfache felbft nichts. Ganz unzweideutige Zeichen des Fortfehrittes treten bei den Bauern allgemach zu Tage. In allen Dörfern find neue Häufer gebaut und die alten reparirt worden; die Felder find beffer eingehegt, die Höfe gröfser ; an vielen Häufern der ehemaligen Leibeigenen fieht man die Schilder von Verficherungs- gefellfchaften angebracht. Die Pferde find weit häufiger befchlagen und die Wagenräder meiftens mit eifernen Reifen verfehen. In den Häufern hat der Kienfpan, welcher fonfl die Beleuchtung bildete, dem Talglichte Platz gemacht Männer und Frauen gehen weit beffer gekleidet, fuchen fich zu unterrichten, wiffen, dafs fie unter dem Schutze des Gefetzes flehen und haben ein richtigeres Ver- fländnifs für die Vorgänge in den Städten. Die Männer fangen an, Gewerbe zu treiben; fie werden Müller, Gärber, Schilfer, Vieh- und Getreidehändler; fie bedienen fich bereits der Mafchinen, um den Hanf zu brechen und das Getreide zu drefchen; fie behandeln ihre Frauen mit gröfserer Achtung und leben feltener in wilder Ehe als früher. So find all’ diefe Fortfehritte, welche keinem Reifenden entgehen können, vollwichtige Beweife für eine fich vollziehende grofsartige Umgeflaltung des Bauernflandes, und angefichts derfelben wird man den Erfolg der Emancipation nicht in Abrede zu flellen vermögen. Der ganze Staatsorganis mus profitirt von diefer gewaltigen Veränderung. Aus den Hörigen find Männer geworden, welche fich ihrer Freiheiten und Rechte, wie ihrer Pflichten als Staats bürger bewufst find. Diefer ungeheure Fortfehritt fichert unter den europäifchen Staaten Rufsland den Rang, der ihm feiner Gröfse, feiner Kraft und feinem Reich- thume nach gebührt. Alle Vorbedingungen zu einer herrlichen Entwicklung find gegeben; Handel und Gewerbe blühen auf; die innere Sicherheit ift im Zunehmen begriffen und das Anfehen, fowie die Macht der Regierung gefeftigt. Es ift etwas Anderes, über Leibeigene, etwas Anderes, über freie Männer zu herrfchen, und vor dem Sclaven, wenn er die Kette bricht, hat Rufsland zu feinem Heile fortan nicht mehr zu erzittern nöthig. Die Loskaufsoperationen gemäfs den Beftimmungen der Emancipationsadle. Um die Bauernemancipatien und die damit verbundene Uebertragung von Grundbefitz an die Bauern möglichft zu fördern, verftand fich die Regierung dazu, den Bauern die Mittel vorzuftrecken, um die Läi^dereien, welche die Guts herren ihnen abtreten follten, käuflich erwerben zu können. Es handelte fich dabei um ganz gewaltige Summen, und um fo gröfseres Lob verdient die ruffifche Regierung, dafs fie neben ihren anderen Verpflichtungen nun auch diefe neue grofse Bürde auf fich nahm, um ein wahrhaft humanes Werk zu fördern. Sie Hellte zu diefem Behufe drei verfchiedene Arten von Obligationen aus, mit denen die Forderungen der Gutsherren befriedigt wurden, nämlich fünfpercentige kaiferliche Bankbillets, ferner fünfpercentige Kauffcheine, die in drei Terminen von refpedlive 5, 10 und 15 Jahren, jedesmal von einem Drittel, gegen Bank billets umzutaufchen find, und endlich fünfeinhalbpercentige Kauffcheine ohne die Beftimmung jener Einlöfung. Ueberdiefs übernahm die Regierung von zahl reichen Gutsherren die Verpflichtungen derfelben bei den früheren Creditinftituten. Der Stand der Loskaufsoperationen von derZeit der Eröffnung derfelben, dem 24. November 1866, bis zum 1. November 1872 war nach amtlichen Mitthei lungen folgender :