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Rufsland. 67 Durch diefe unfelige Bauart wird nun auch den Feuersbrünften aufser- ordentlich Vorfchub geleiftet, und die fchreckliche Verwüftung, welche diefe Land plage — fo können wir fie in der That nennen — in Rufsland anrichtet, ift haupt fachlich diefem Umftande zuzufchreiben. Eine zweite Schwierigkeit ift auch der Mangel an Weide-Grundftücken, wenn auch in diefer Richtung wenigftens vorübergehend durch die gemeinfchaft- liche Rudelweide Abhilfe gefchafft werden könnte, bis die Vertheilung und der fucceffive Anbau der Wohnungen nächft dem einzelnen Grun^ftücke beendet ift. Gemeinfchaftliclie Weideflächen bringen überhaupt weit weniger jene Uebelftände mit fleh, die bei gemeinfchaftlichen Aeckern ganz unvermeidlich und von fo fchädlichem Einfluffe find. Es ift ferner noch darauf hinzuweifen, dafs die fortwährende Theilung der einzelnen Grundftiicke unter die Mitglieder einer Familie, die dadurch herbeigeführte continuirliche Verminderung des Viehftandes und die dadurch fleh verfchlechternde Bearbeitung der Terrains von beklagenswerthen Fol gen find. So finden wir beifpielsweife in den Aufzeichnungen der Commiffion, dafs eine Familie feinerzeit, fo lange die Wirthfchaft in Einer Hand war, fechzig Pferde befafs und die Produdlion bedeutend gröfser war, als gegenwärtig, wo diefe Wirthfchaft unter fechs Perfonen getheilt ift. Der Viehftand wurde durch diefe Theilung fo verringert, dafs gegenwärtig nur ein einziger von den Eigentliümern zwei Pferde hält. Wir fehen fomit ein fehr gefährliches Proletariat entliehen und in gleicher Weife die Gefahr für eine Abnahme des abfoluten Erträgniffes der Ländereien herannahen. Die Art und Weife der Gemeindeverwaltung ift auch seitens der Commiffion Gegenftand ernfter Bedenken gewefen. Wenn man ins Auge fafst, dafs keinerlei Organ behufs Controle und Gegeneinflufs vorhanden ift, fo läfst fich wohl denken, dafs auf diefe Weife die ärgften Mifsbräuche gang und gebe werden und das ftricfle Verfolgen eines höheren Zieles und einer intelligenten Wirthfchaft abfolut unmöglich wird. Es kann diefes Syftem um fo verhängnisvoller werden, als der Bildungs grad des ruffifchen Landvolkes, wenn auch die Tendenz zum Befferen nicht abge leugnet werden kann, de fadlo doch noch ein fehr zurückgebliebener, befferungs- bedürftiger ift. Die Commiffion hat conftatirt, dafs der Wunfch zum Lernen und zum Ver trautwerden mit der allgemeinen Wiffenfchaft felbft bei den Bauern ein reger ift, und dafs diefem Wunfche nur der Mangel an guten Lehrern entgegenfteht; denn diejenigen, welche mit halb vollendeter Bildung aus den Seminarien kommen, leiften nur wenig, und die Lehrer aus den pädagogifchen Inftituten, die bedeutend fähiger und zuverläffiger find, können leider noch nicht in genügender Anzahl befchafft werden. Erfreulich bleibt es immerhin, dafs man nun eine ganz gefunde Strömung in diefer Richtung conftatiren kann. Weiters hat die Commiffion auch darauf aufmerkfam gemacht, dafs es wefentlich geboten erfcheint, die Zahl der eingehaltenen Feiertage auf ein Minimum herabzufetzen. Abgefehen davon, dafs eine zu grofse Anzahl von Feiertagen an und für fich fchon volkswirthfchaftlich einen Verluft und eine Einbufse herbeiführt, fo wird aufserdem dem ruffifchen Landvolk bei dem Mangel an geiftiger Befchäftigung während der freien Zeit nur Gelegenheit gegeben, niedrigen Leidenfchaften, namentlich dem Trünke zu fröhnen, und kann defshalb der Wunfch der Commiffion, die Feiertage auf ein Minimum zu befchränken, nur die gröfste Anerkennung finden. Wir kommen hier zu einem Thema, das für die Fortbildung des ruffifchen Landvolkes von gröfster Wichtigkeit ift.