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186 Wilhelm von Lindheim. Eine weitere, die Bedeutung anderer Bahnen überragende Wichtigkeit verleiht den ruffifchen Schienenwegen der bemerkenswerthe Umfland, dafs die Bodenerzeugniffe des Reiches weitaus gröfser find, als fein Bedarf und dafs der Abflufs diefer Mehrproducftion eben erft durch die Errichtung fchneller und bequemer Communicationsmittel ermöglicht wurde. Nach den Berechnungen, welche die im vorigen Jahre zufammenberufene landwirthfchaftliclie Enquete auf Bafis der Durchfchnittspreife angeftellt hat, repräfentirt der Werth der gefammten Ackerbau-Produtftion fchon heute das artige Sümmchen von 1,392,136 000 Rubel oder 2.088,204.000 fl. öfterr. Währ. Hienach ift feit dem Jahre 1860 ein Werth zuwachs um 55 Percent zu conftatiren. Wenn man nun noch in Berückfichtigung zieht, dafs die Bodenerträgniffe bis jetzt noch fehr gering bewerthet und bei ratio nellerer Bewirthfchaftung, fowie bei endlicher Ueberwindung der mit der Ueber- gangsperiode verbundenen Calamitäten quantitativ einer ganz aufserordentlichen Steigerung fähig find, fo läfst fleh hieraus fowohl der agriculturelie Reichthum, als auch die enorme Exportfähigkeit des ruffifchen Reiches und fchliefslich die grofse und lohnende Aufgabe ermeffen, welche feine Eifenbahnen jetzt und in Zukunft zu erfüllen haben.DieAusfuhrftatiflik liefert hiefür den vollwichtigenBeweis. Der Getreide-Export bewegte fleh in den letzten zwanzig Jahren in folgen den Ziffern: Während der Jahre 1853 bis 1862 ift in der Ausfuhr von Cerealien kein grofser Fortfehritt bemerkbar. Im Anfangs-, wie im Endjahre diefes De'cen- niums wurden nur circa 10 Millionen Tfchetwerts exportirt. In dem Zeiträume von 1862 bis 1866 ftieg die Ausfuhr auf n Millionen Tfchetwerts; in den erften 11 Monaten des Jahres 1872 wurden dagegen fchon 15,138.727 und in dem gleichen Zeiträume des Jahres 1873 19,622.596 Tfchetwerts exportirt. Das Jahr 1873 wird demnach mit Einfchlufs des Monats December in der Ausfuhrlifte mit mehr als 21 Millionen Tfchetwerts figuriren, eine Ziffer, welche nie erreicht worden wäre, wenn man nicht eben mit fo feltener Energie den Ausbau des Eifenbahnnetzes gefördert hätte. * Betrachten wir nun die Fortfehritte, welche die heimifche Induftrie, die ja überhaupt erft bei guten Verkehrsftrafsen lebensfähig wird, feit dem Jahre 1869 gemacht hat. Nach den Aufzeichnungen der bereits erwähnten Enquete zählte man damals inRufsland 14.060 Werkftätten und Fabriken, welche 559.533 Arbeiter befchäftigten und einen Produdfionswerth von 295,559.898 Rubel erzielten. Im Jahre 1870 befafs das Land 18.892 Werkftätten und Fabriken mit 463.093 Arbei tern und einem Produdtionswerthe von 452,660.466 Rubel.** Wenn auch diefe Ziffern auf mathematifche Genauigkeit keinen Anfpruch haben, fo zeigen fle doch durch den um faft 50 Percent vermehrten Producftionswerth des einzelnen Arbei ters die innere Vervollkommnung der Induftrie, den Erfatz der Menfchenkraft durch die Mafchine, fle zeigen die Thatfache, dafs eine entwicklungsfähige zukunftsreiche Induftrie jetzt Boden gefafst hat. Freilich befltzt diefelbe noch lange nicht die zur Deckung des inländischen Bedarfs nöthige Ausdehnung, und fo wird Rufsland noch durch viele Jahre ein um fo werthvollerer'Client des Aus landes bleiben, als nach den unwandelbaren Gefetzen des Welthandels dieExport- produdte eines Landes, das heifst der Ueberfchufs über den eigenen Confum, gegen diejenigen Produdle ausgetaufcht werden, welche diefes Land entweder gar nicht odernur in befchränktem Mafse erzeugen kann. In diefem Sinne erfcheint die Herftellung guter Verkehrswege, abgefehen von ihren Wirkungen auf den intellektuellen Fortfehritt der grofsen Völkerfamilie, von dem günftigften Ein flüße auf die Hebung der industriellen Verhältniffe, auf die materielle Wohlfahrt, auf die Erleichterung endlich jenes SchwerenUeberganges vom reinen Agricultur- zum Induftrieftaate. * Die mittlerweile erfchienenen officiellen Ausfuhrliften bis Ende 1873 beftätigen diefe Schätzung. ** Die Enquete fpricht hier nur von den mehr oder weniger mit der Landwirthfchaft in Verbindung flehenden Induftrisn.